Entscheidungsdatum
18.02.2021Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
W175 2239529-1/2E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , serbische Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2021, Zahl: 131370803-190306543, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (BF), hält sich nach eigenen Angaben seit ihrem sechsten Lebensjahr im Bundesgebiet auf. Sie war bis 2016 im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“. Mit Bescheid vom 11.02.2016 wurde der Antrag auf Verlängerung abgewiesen und sie gemäß § 28 NAG zurückgestuft. Mit Bescheid vom 08.02.2019 wurde ihr Antrag auf Erteilung eines Titels „Rot-Weiß-Rot -Karte plus“ vom 30.03.2018 zurückgewiesen. Seit 2018 hält sich die BF unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Die BF war in Österreich verheiratet, sie hat 5 Kinder, drei davon minderjährig.
Sie wurde im Bundesgebiet seit 1999 acht Mal strafgerichtlich verurteilt, wobei zuletzt wegen §§ 241e (3), 127 und 229 (1) StGB mit Urteil des BG Josefstadt, rechtskräftig seit 19.03.2019, eine Freiheitsstrafe von einem Monat verhängt wurde.
Sie wurde zwischenzeitlich aus der Haft entlassen, lebt derzeit in dem vom Roten Kreuz geleiteten Chancenhaus Hermes und wird von Sozialarbeitern betreut. Zusätzlich wird sie von Bekannten finanziell unterstützt.
Mit dem im Gegenstand angefochtene Bescheid erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), legte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die BF aufgrund der Mittellosigkeit und im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle und ihre Ausreise daher dringend geboten sei.
Die Beschwerde vom 01.02.2021 wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 12.02.2021 vorgelegt. Darin wird darauf hingewiesen, dass die BF seit ihrem sechsten Lebensjahr in Österreich aufhältig ist. Weiters habe sie nach wie vor regelmäßigen Kontakt zu ihrer 17-jährigen Tochter. Die Rückkehrentscheidung verletze daher Art 8 EMRK.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Aktes des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde richtet sich auch gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. VwGH 12.9.2013, 2013/21/0094; VwGH 3.7.2018, Ro 2018/21/0007). Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind.
Die BF ist seit ihrem sechsten Lebensjahr in Österreich aufhältig und war fast 40 Jahre im Besitz eines Aufenthaltstitels. Weiters gibt sie an, nach wie vor regelmäßigen Kontakt zu ihrer minderjährigen Tochter zu haben. Eine Verletzung von Art. 8 EMRK ist durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne eingehendere Prüfung nicht von der Hand zu weisen.
Das BFA hat im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat.
Somit ist der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.
Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil eine Einzelfallentscheidung vorliegt und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Daueraufenthalt EU (int. Schutzberechtigte) Einreiseverbot ersatzlose Teilbehebung Kassation Mittellosigkeit Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung strafgerichtliche Verurteilung Teilerkenntnis WiederholungstatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W175.2239529.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021