Entscheidungsdatum
19.02.2021Norm
BBG §40Spruch
L515 2235308-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 22.07.2020, Zl. OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (auch beschwerdeführende Partei bzw. "bP") beantragte am im Akt ersichtlichen Datum beim Sozialministeriumservice als belangte Behörde ("bB") unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Ausstellung eines Behindertenpasses.
I.2. Die bP wurde am 26.05.2020 einer Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen (Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Allgemeinmedizin) zugeführt und darüber ein Gutachten erstellt, welches einen Gesamtgrad der Behinderung vom 30 vH ergab.
I.3. Mit Schreiben vom 10.06.2020 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
I.4. Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 22.07.2020 wurde der Antrag der bP abgewiesen; mit einem Grad der Behinderung von 30 % seien die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt. Das Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 26.05.2020 wurde dem Bescheid beigelegt. Die Zustellung des Bescheides erfolgte ohne Zustellnachweis.
I.5. Gegen diesen Bescheid erhob die bP mit Schreiben vom 09.09.2020 Beschwerde.
I.6. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 25.1.2021 beschloss der erkennende Senat die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichische Staatsangehörige und an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.
1.2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 26.05.2020, vidiert am 31.05.2020 wird seitens des Gutachters (Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Allgemeinmedizin) ua. basierend auf einer klinischen Untersuchung am 26.05.2020 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
„[…]
Derzeitige Beschwerden:
Der Patient berichtet über anhaltende Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule. Besonders stark sind die Schmerzen lumbosacral beidseits rechts mehr als links. Hier erhält sie von ihrer Hausärztin immer wieder Injektionen. Zusätzlich bestehen auch wiederkehrende Kopfschmerzen.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) Wirbelsäulenbeschwerden;
Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen, belastungsabhängige Schmerzen, kein neurologisches Defizit, keine regelmäßige Schmerzmedikation;
Pos. Nr. 02.01.02, GdB 30 %
2) Finger-Polyarthrosen bds;
Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen mit einzelnen Heberdenarthrosen bds., geringe Rhizarthrose bds. und Ulnaplusvariante bds., gute Beweglichkeit und Funktionalität;
Pos. Nr. 02.06.26, GdB 10 %
3) Schilddrüsenunterfunktion;
Zustand nach Schilddrüsen-OP 1983, medikamentöse Therapie, kein aktueller Laborbefund vorliegend;
Pos. Nr. 09.01.01, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 30 %.
Die übrigen Leiden steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
- Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion: keine Medikation, kein aktueller psychiatrischer Fachbefund vorliegend
- Orientierungsstörung unklarer Genese: kein aktueller psychiatrischer Fachbefund vorliegend
- Hüftabduktionseinschränkung beidseits: klinisch unauffällig, kein aktueller radiologischer Befund vorliegend
- Narbe nach Schnittverletzung am linken Handgelenk: kein Krankheitswert im Sinne der EVO
- Epicondylitis humeroradialis rechts: abgeheilt, klinisch unauffällig
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Erstgutachten
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Erstgutachten
Dauerzustand
…“
1.3. Mit Schreiben vom 09.09.2020 erhob die bP Beschwerde und monierte die ihrer Ansicht nach zu geringe Einschätzung mit der Begründung, dass sie sehr starke Rückenschmerzen habe, welche beim Stehen oder auch der Hausarbeit unerträglich werden und sie dagegen Medikamente nehmen müsse. Sie leide seit längerem an Depressionen und habe oft Orientierungsstörungen. Sie werde wieder zu einem Psychiater/Neurologen gehen und die Befunde nachreichen. Sie ersuche um eine neue Begutachtung.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in den sonstigen relevanten Unterlagen, insbesondere den durch die bP in Vorlage gebrachten ärztlichen Bescheinigungsmittel, das der Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten sowie dem Parteienvorbringen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Das seitens der belangten Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Orthopädie vom 26.05.2020 zeigt den aktuellen Gesundheitszustand der bP im Lichte des BBG bzw. der Einschätzungsverordnung in nachvollziehbarer Weise auf, ist ausführlich begründet, schlüssig und weist keine Widersprüche auf. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurden vom Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchung am 26.05.2020 unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde erhoben und den entsprechenden Positionsnummern der Einschätzungsverordnung zugeordnet.
Das Wirbelsäulenleiden wurde von dem Sachverständigen basierend auf der klinischen Untersuchung als mittelgradige Bewegungseinschränkung der Pos. Nr. 02.01.02 zugeordnet und im Hinblick auf die radiologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen aber ohne neurologisches Defizit, der belastungsabhängigen Schmerzen jedoch ohne regelmäßige Schmerzmedikation, schlüssig mit dem unteren Grenzwert eingeschätzt. Laut Gutachten des Sachverständigen sowie die seitens der bP vorgelegten MR-Befunde bestehen radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen im beschriebenen Ausmaß, jedoch kein radikuläres sensomotorisches Defizit im Bereich der oberen und unteren Extremitäten und keine regelmäßige Schmerzmedikation. Entscheidend für die Einstufung einer Funktionseinschränkung nach Pos. 02.01.02 mit dem oberen Rahmensatz ist aber das Vorliegen von rezidivierenden und anhaltenden Funktionseinschränkungen, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, maßgebliche radiologische und/oder morphologische Veränderungen, maßgebliche Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben; diese stellen nach der Einschätzungsverordnung das Abgrenzungskriterium dar. Einer Einstufung der Wirbelsäulenerkrankung der bP als Funktionseinschränkung mittleren Grades mit dem oberen Rahmensatz stehen daher die - wie oben erwähnt - die fehlenden rezidiverenden und anhaltenden Funktionseinschränkungen, die Dauerschmerzen und die regelmäßige Schmerzmedikation entgegen.
Die im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Rückenschmerzen, die, wenn sie länger steht oder auch bei Arbeiten im Haushalt unerträglich werden, dass sie dagegen Schmerzmittel einnehmen muß, wurden bereits in dem dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zu Grunde liegenden Gutachten entsprechend gewürdigt; ebenso wie die Nr 2 - 3. Die Narbe nach Schnittverletzung am linken Handgelenk stellt keinen Krankheitswert im Sinne der Einschätzungsverordnung dar. Die Epicondylitis humeroradialis rechts ist abgeheilt und klinisch unauffällig und erreicht somit keinen Grad der Behinderung.
Die vorgelegten Beweismittel stehen sohin nicht im Widerspruch zum Ergebnis des von Amts wegen eingeholten Gutachtens, es wurde kein für die Einschätzung entscheidendes höheres Funktionsdefizit beschrieben als von Amts wegen gutachterlich festgestellt. Mit ihren Beschwerdeausführungen zeigt die bP keine Widersprüche, Ungereimtheiten oder Mängel des Sachverständigengutachtens auf, auch ist sie den gutachterlichen Ausführungen weder auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten noch hat sie Beweise vorgelegt, die die Annahme zulassen würde, die Schlussfolgerungen des Sachverständigen seien unzutreffend (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ro 2014/06/0044). Es bedarf mehr als einer pauschalen Behauptung, also eines gewissen Mindestmaßes an Konkretisierung des Vorbringens, um im Rahmen der freien Beweiswürdigung an der Richtigkeit der Sachverständigengutachten Zweifel zu erwecken bzw. um die Pflicht der Behörde zum weiteren Tätigwerden auszulösen. Hinsichtlich behaupteter weitergehender Leiden – Depression und Orientierungsstörung - ist die bP auf ihre zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes bestehende Mitwirkungspflicht zu verweisen. Der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ist nämlich die Mitwirkungspflicht der Partei gegenübergestellt, der insbesondere dort Gewicht zukommt, wo ihr eine bessere Kenntnis der Sachlage zuzumuten ist (vgl. VwGH vom25.05.2005, 2004/09/0030). Die bP ist dieser Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen, insbesondere wurden weder psychiatrische Befunde noch Nachweise einer medikamentösen Behandlung vorgelegt.
Der bP wurde das Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Eine Stellungnahme hat sie diesbezüglich nicht eingebracht.
Der Wunsch nach einer neuen Begutachtung ist als Erkundungsbeweis im Sinne der Rechtsprechung zu werten, zumal eine solche Untersuchung nicht dazu dient, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern ihr erst ermöglichen soll, ein solches zu erstatten (vgl. VwGH vom 16.10.2002, 2002/03/0026, vom 09.09.2016, Ra 2014/02/0059). Der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ist jedoch die Mitwirkungspflicht der Partei gegenübergestellt, der insbesondere dort Gewicht zukommt, wo ihr eine bessere Kenntnis der Sachlage zuzumuten ist (vgl. VwGH vom25.05.2005, 2004/09/0030).
Da das Gutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Weitere, nach der Einbringung der Beschwerde bzw. nach Ablauf der Beschwerdefrist und erfolgter Aktenvorlage vorgelegte Bescheinigungen bzw. ein nach dem oa. Zeitpunkt erstattetes Vorbringen sind im Beweisverfahren nicht weiter zu berücksichtigen (§ 46 letzter Satz BBG: „In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“)
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Das ho. Gericht geht –in dubio- von einer fristgerecht eingebrachten Beschwerde aus.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs. 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs. 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs. 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).
Das angeführte Sachverständigengutachten und die Angaben der bP im Verfahren sowie die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in der Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.
Die von der ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.
Im Beschwerdeverfahren stellte sich heraus, dass bei der bP ein Gesamtgrad von 30 v.H. vorliegt und sie damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.5. Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt - bei Zustellung ohne Zustellnachweis - die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG, wonach die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt "gilt", eine Vermutung der Zustellung vorsieht (vgl. Walter/Thienel, MSA Verwaltungsverfahrensgesetze (2004), Anm. 3 zu § 26 ZustG), und zwar deshalb, weil andernfalls die vom Gesetz für den Zweifelsfall angeordnete Pflicht der Behörde, das tatsächliche Zustelldatum festzustellen, sinnlos wäre (VwGH 20.12.2007, 2007/16/0175).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/16/0175). Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2008, Zl. 2007/17/0202). [(VwGH v.15.05.2013, 2013/08/0032)].
Im vorliegenden Fall findet sich im gesamten Verwaltungsakt kein Zustelldatum. Lediglich im „Datenstammblatt Behindertenpass“ wurde als Datum der Entscheidung der 24.07.2020 und das Ende der Rechtsmittelfrist mit 09.09.2020 angeführt. Die Zustellung des Bescheides erfolgte ohne Zustellnachweis.
Die Zustellung des Bescheides gilt bei Zustellung ohne Zustellnachweis gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan - im gegenständlichen Fall also am Mittwoch, 29.07.2020 - als bewirkt.
Ausgehend davon endete die sechswöchige Beschwerdefrist damit (gemäß § 33 Abs. 2 AVG) mit Ablauf des 09.09.2020. Die von der Beschwerdeführerin per Post eingebrachte Beschwerde weist als Postaufgabedatum den 09.09.2020 auf. Demnach ist die Beschwerde entsprechend der Aktenlage rechtzeitig eingebracht worden.
3.6. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, Zl. 2013/08/0153).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführt wurde, wurde das hierfür eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet und zeigt die bP weder Widersprüche, Ungereimtheiten noch Mängel auf. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind für das Absehen einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts folgende Kriterien beachtlich vgl. Erk. d. VwGH vom 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, Beschluss des VwGH vom 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10):
- Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde von der bB vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht noch immer die gebotene Aktualität und Vollständigkeiten auf.
- Die bB musste die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das ho. Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
- In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der bB festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, welches gegen das Neuerungsverbot gem. § 46 BBG verstößt.
- Auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist Bedacht zu nehmen.
Da die oa. Kriterien im gegenständlichen Fall erfüllt sind, und für es im Rahmen der Gewährung des schriftlichen Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren auf den persönlichen Eindruck nicht ankam, da die Leiden der bP nicht in Zweifel gezogen wurden, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben.
3.7. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das ho. Gericht orientiert sich insbesondere im Zusammenhang mit den einschlägigen Vorschriften zur Feststellung des Grades der Behinderung und hier insbesondere der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF, sowie in Bezug auf die an ein schlüssiges Gutachten zu stellenden Anforderungen an der zitierten einheitlichen Judikatur der Höchstgerichte.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Im Rahmen der Frage des Umfanges der Ausnahme von der Verhandlungspflicht orientierte sich das ho. Gericht ebenfalls an der Judikatur des VwGH.
Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2235308.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021