Entscheidungsdatum
19.02.2021Norm
BBG §40Spruch
L515 2234357-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Behindertenpass des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen- Sozialministerium-service, Landesstelle XXXX , vom 26.05.2020, Zl. OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei ("bP") ist seit 13.11.2008 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 80 vH.
I.2. Mit am im Akt ersichtlichen Datum beantragte die bP unter Vorlage eines Befundkonvolutes beim Sozialministeriumservice als belangte Behörde ("bB") die Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
I.3. Die bP wurde am 15.01.2020 einer Begutachtung durch eine medizinische Sachverständige (Fachärztin für Chirurgie) zugeführt und darüber ein Gutachten erstellt. Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung vom 50 v.H. sowie die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
I.4. Mit Schreiben vom 25.02.2020 wurde der bP das im Rahmen des Verfahrens eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Am 12.05.2020 langte eine Stellungnahme ein, in welcher sich die bP über die Herabsetzung des GdB verwundert zeigte.
I.5. Am 25.05.2020 bezog die ärztliche Sachverständige zur Stellungnahme der bP Stellung.
I.6. Der bP wurde mit 26.05.2020 ein entsprechender Behindertenpass (im Scheckkartenformat) mit der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" und „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ übermittelt. Das Gutachten der medizinischen Sachverständigen vom 20.02.2020 samt ihrer Stellungnahme vom 25.05.2020 wurden dem Behindertenpass beigelegt.
I.7. Gegen den Behindertenpass vom 26.05.2020 erhob die bP Beschwerde, in welcher sie sich mit dem festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärte.
I.8. Mit Schreiben der bB vom 18.06.2020 wurde die bP um Übermittlung aktueller Befunde (nicht älter als ein halbes Jahr) zum in der Beschwerde angegebenen HWS-Leiden ersucht. Die bP übermittelte daraufhin einen ärztlichen Entlassungsbericht eines Moorheilbades vom 29.07.2020.
I.9. Mit Schreiben vom 25.08.2020 erfolgte die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht; diese langte am selben Tag hier ein.
I.10. Die Beschwerdesache wurde der ho. Gerichtsabteilung L517 und in weiterer Folge aufgrund eines Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses vom 12.10.2020 der ho. Gerichtsabteilung L151 zur Erledigung zugewiesen.
I.11. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 25.1.2021 beschloss der erkennende Senat die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichischer Staatsangehöriger und an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.
1.2. Am 15.01.2020 erfolgte im Auftrag der bB eine Erstbegutachtung durch eine medizinische Sachverständige (Fachärztin für Chirurgie), welches nachfolgenden relevanten Inhalt aufweist:
„[…]
Anamnese:
Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und Antrag zur Ausstellung eines Parkausweises.
Alle vorhandenen Befunde wurden eingesehen.
Vorgutachten von Dr. […] vom 27.02.2018, 80 % GdB.
Hüfttotalendoprothese beidseits bei Hüftkopfnekrose 2017, koronare Herzkrankheit mit Z. n. Stentimplantation, chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfall L5/S1, Wirbelgleiten L4/S5 und Claudicatio spinalis, Versteifungsoperation C5/C6, Knietotalendoprothese rechts, Z. n. Operation eines Nierenzellkarzinoms, chronische Bronchitis, arterielle Hypertonie
Aktuell:
Z. n. Versteifungsoperation der Lendenwirbelsäule durch TLIF mit Titancage und dorsaler perkutaner Stabilisierung L3 auf L4 und L5 bei instabiler degenerativer Listhese L4/S5 bei massiver Facettengelenksarthropathie und Wirbelkanalstenose L3/L4 Shizas C;
Derzeitige Beschwerden:
Er hat nach wie vor deutliche Schmerzen im unteren Rücken, die Schmerzausstrahlung ins linke Bein hat sich jedoch gebessert, ein Taubheitsgefühl besteht nicht. Die Rückenschmerzen bestehen besonders bei Bewegung und Belastung, teilweise auch in der Nacht. Die maximale Gehstrecke mit 2 Gehstöcken beträgt 30-40 Meter, danach muss er wieder eine Pause machen. Auch das Harnhalten hat sich nun gebessert, er benötigt keine Einlage. Seitens der künstlichen Hüftgelenke und des künstlichen Kniegelenkes rechts hat er derzeit kaum Beschwerden. Auch auf Nachfrage werden keine weiteren Beschwerden geschildert;
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) Chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Z. n. Versteifungsoperation mit Titancage und dorsaler perkutaner Stabilisierung L3 auf L4 und L5 bei instabiler degenerativer Listhese L4/S5 bei massiver Facettengelenksarthropathie und Wirbelkanalstenose L3/L4, 08/2019, Versteifungsop C5/6 vor 25 Jahren;
Dauerschmerzen, Mobilitätseinschränkung, Gehhilfen notwendig;
Pos. Nr. 02.01.03, GdB 50 %
2) Koronare Herzkrankheit mit Z. n. Stentimplantation;
Medikamentös behandelt, Erkrankung stabil, keine wesentliche Dyspnoe;
Pos. Nr. 05.05.02, GdB 30 %
3) Gelenkersatz beide Hüften 2017 bei Kopfnekrose;
Mässiggradige Funktionseinschränkung, belastungsabhängige Beschwerden;
Pos. Nr. 02.05.08, GdB 20 %
4) Knietotalendoprothese rechts;
Belastungsabhängige Beschwerden, geringgradige Funktionseinschränkung;
Pos. Nr. 02.05.18, GdB 20 %
5) Arterielle Hypertonie;
Medikamentös gut eingestellt;
Pos. Nr. 05.01.01, GdB 10 %
6) Z.n. Entfernung eines Nierenzellkarzinoms links 2013;
Abgeschlossenen Heilungsbewährung, keine Nierenfunktionseinschränkung, reaktionslose Narbe;
Pos. Nr. 13.01.01, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Führend ist das Leiden Nummer 1 mit 50 %. Die weiteren Leiden Nummer steigern aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter. Somit ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 %.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Chronisch bronchitisches Syndrom - derzeit keine laufende Therapie, keine Beschwerden geschildert.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Klinische Verschlechterung bei Leiden Nummer 1, klinische Verbesserung bei Leiden Nummer 2, 3 und 4. Die Leiden Nummer 6 und 10 aus dem VGA wurden zu einem Leiden zusammengefasst. Weggefallen ist aufgrund der Geringfügigkeit das Leiden Nummer 7/8 aus dem VGA.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Herabstufung von 80% auf 50% aufgrund der Besserung bei Leiden Nummer 2, 3 und 4.
Dauerzustand
[…]“
1.3. In ihrer am 12.05.2020 bei der bP eingelangten Stellungnahme brachte die bP vor, dass sich an seinen Befunden nichts geändert hätte, weshalb die Herabstufung von 80 auf 50 % nicht verständlich sei. Die erheblichen Schmerzen seien nur medikamentös bewältigbar.
1.4. In der Folge erstattete die bereits im Verfahren befasste Gutachterin am 25.05.2020 eine Stellungnahme zu der Herabstufung, welche wie folgt lautet:
„Die Herabstufung erfolgte bei Leiden Nummer 3 und 4 aufgrund der nach Hüft - bzw. Kniegelenksprothesenimplantation zu erwartenden Beschwerde - und Funktionsverbesserung. Bei Leiden Nummer 2 besteht ebenfalls eine Verbesserung zum Vorgutachten bei stabiler kardialer Situation (geringe Atemnot, keine wesentliche Linksventrikeleinschränkung), weshalb dieses Leiden Gesamtzustand nicht verschlechtert.
Somit bestimmt das Leiden Nummer 1 den Gesamtgrad der Behinderung von 50%. Eine Voraussetzung für die Zusatzeintragung D3 liegt nicht vor.“
1.5. Im Rahmen ihrer Beschwerde erklärte sich die bP mit der Herabstufung von 80 auf 50 % nicht einverstanden und monierte, dass seine HWS-OP 1991 nicht berücksichtigt worden sei. Er müsse alle 2 – 3 Wochen eine Therapie machen.
1.6. Mit Schreiben der bB vom 18.06.2020 wurde die bP um Übermittlung aktueller Befunde bezüglich der in der Beschwerde angesprochenen HWS-Leiden ersucht. Die bP übermittelte einen ärztlichen Entlassungsbericht eines Moorheilbades vom 29.07.2020.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in die sonstigen relevanten Unterlagen, insbesondere den durch die bP in Vorlage gebrachten ärztlichen Bescheinigungsmittel, das der Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten und dem Parteienvorbringen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Die Ausführungen der bB stellen sich als tragfähig dar und stellen die nachfolgenden Ausführungen hierzu lediglich Konkretisierungen und Abrundungen dar.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das gegenständlich eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.02.2020 der medizinischen Sachverständigen schlüssig, nachvollziehbar und weist keine relevanten Widersprüche auf. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vorgelegten Beweismittel/Befunde bzw. das Vorgutachten von 2018 wurden seitens der Sachverständigen eingesehen und in die Einschätzung miteinbezogen. Das „chronische Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Z. n. Versteifungsoperation mit Titancage und dorsaler perkutaner Stabilisierung L3 auf L4 und L5 bei instabiler degenerativer Listhese L4/S5 bei massiver Facettengelenksarthropathie und Wirbelkanalstenose L3/L4, 08/2019, Versteifungsop C5/6 vor 25 Jahren; Dauerschmerzen, Mobilitätseinschränkung, Gehhilfen notwendig“ wurde als Funktionseinschränkung schweren Grades mit dem unteren Rahmensatz der Pos. Nr. 02.01.03 nachvollziehbar eingeschätzt. Bei der bP liegen zwar maßgebliche radiologische und/oder morphologische Veränderungen vor, welche sich als maßgebliche Einschränkungen im Alltag auswirken, indem die Rückenschmerzen besonders bei Bewegung und Belastung und teilweise auch in der Nacht auftreten, eine einfache analgetische Therapie (NSAR) aber ist ausreichend. Die weiteren Leiden unter der lfd. Nr. 2 bis 6 (Koronare Herzkrankheit mit Z. n. Stentimplantation (30 %), Gelenkersatz beide Hüften 2017 bei Kopfnekrose (20 %), Knietotalendoprothese rechts (20 %), Arterielle Hypertonie (10 %) und der Z.n. Entfernung eines Nierenzellkarzinoms links 2013 mit 10 % GdB) vermochten wegen Geringfügigkeit den GdB nicht weiter zu steigern.
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden der bP gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Den in der Stellungnahme angesprochenen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und die damit einhergende medikamentöse Behandlung, wurden bei der Einschätzung unter der lfd. Nr. 1 „Chronisches Schmerzsyndrom“ seitens der Gutachterin Rechnung getragen.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.
Im angeführten Gutachten wurde von der Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP im ausreichendem Maße eingegangen.
Die in der Beschwerde monierte Nichtberücksichtigung der Halswirbelsäulen-OP 1991 wurde seitens der Gutachterin berücksichtigt. In der Rubrik „Anamnese“ führte die Gutachterin an, dass unter anderem alle vorhandenen Befunde sowie das Vorgutachten von Dr. S. (Gesamtbeurteilung der Gutachten) vom 27.02.2018 eingesehen wurden. Im Gutachten von Dr. H. (Facharzt für Orthopädie) vom 26.02.2018 ist in der Rubrik „Anamnese“ die 1991 statt gefundene OP an der Halswirbelsäule bei Bandscheibenvorfall aufgeführt. Vor diesem Hintergrund wurde die OP der Halswirbelsäule 1991 bei der Einschätzung berücksichtigt. Der klinische Status der HWS ergab folgenden Befund: „gerade, Nackenhartspann, Kinn-Sternum-Abstand: 7/15 cm, kein Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule, Rotation: 35-0-35o“. Der im Zuge des Ersuchens um Übermittlung aktueller Befunde bezüglich der HWS übermittelte ärztliche Entlassungsbericht des Moorheilbades H vom 29.07.2020 vermag eine Änderung des Sachverständigengutachtens nicht herbeizuführen, zumal darin keine Befundung aufscheint und die Funktionseinschränkung weder einer Positionsnummer der Einschätzungsverordnung zugeordnet noch begründet bewertet wurde; es mangelt sohin an Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit und stellt die Stellungnahme keine taugliche Grundlage für ein Entscheidung dar.
Die im Vergleich zum Sachverständigengutachten vom 27.06.2018 geänderte Einstufung der unter lfd. Nummer 01 (vormals lfd. Nr. 4) angeführten Funktionseinschränkung von 02.01.02 mit 40 % auf 02.01.03 mit 50 % resultiert daraus, dass sich das Leiden der Lendenwirbelsäule klinisch verschlechtert hat. Den Zustand nach einer Stentimplantation (lfd. Nr. 2) hat die Sachverständige nunmehr unter die Pos. Nr. 05.05.02 (vormals 05.05.03) mit einem GdB von 30 % (vormals 50 %) auf Grund ihrer klinischen Verbesserung eingeschätzt, zumal sich die Erkrankung stabil zeigt und keine wesentliche Dyspnoe vorliegt. Auch die beiden Hüften mit Gelenksersatz (lfd. Nr. 3, GdB 20, vormals 50 %) sowie das rechte Knie (lfd. Nr. 4, GdB 20, vormals 30 %) wurden auf Grund ihrer klinischen Verbesserung geringer eingeschätzt. Entgegen der klinischen Untersuchung am 26.02.2018 zeigten die Hüftgelenke nunmehr keinen Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz und auch keinen Stauchungs- oder Rüttelschmerz. Die Beweglichkeit stellte sich beidseits mit S:0-0-120o dar, während sie 2018 rechts 105 Grad und links 100 Grad betrug und rechts ein Flexions- und Rotationsschmerz im Trochanterbereich klinisch erhoben wurde. Beim rechten Knie ergab die klinische Untersuchung eine Funktionseinschränkung geringen Grades, welche unter die Pos. Nr. 02.05.18 einzuschätzen ist. Bei der klinischen Untersuchung 2018 wurde beim rechten Knie am Gelenk eine leichte Schwellung erhoben, was zu einer Funktionseinschränkung mittleren Grades führte und unter die Pos. Nr. 02.05.20 einzuschätzen war. Die Gutachterin hat nachvollziehbar die Herabsetzung der Einstufung von 80 auf 50 % erklärt. Die Leiden unter der Pos. Nr. 2 bis 6 vermochten den GdB wegen Geringfügigkeit nicht zu steigern, weshalb es beim GdB von 50 % blieb.
Das der Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten beschreibt letztlich auch die eingetretenen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten und die damit einhergehenden Änderungen im festzustellenden Grad der Behinderung schlüssig und nachvollziehbar.
Die bP hatte im Rahmen des von der belangten Partei gewährten Parteiengehörs bzw dem Ersuchen um Übermittlung aktueller Befunde Gelegenheit, die Darlegungen der Fachärztin für Chirurgie in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten oder durch Vorlage von Beweismittel zu widerlegen; dies hat sie jedoch unterlassen. Die gutachterlichen Ausführungen wurden von ihr zudem weder bestritten noch wurden Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
Soweit die bP einen ärztlichen Entlassungsbericht des bereits genannten Moorheilbades vom 29.07.2020, übermittelte, weist das ho. Gericht darauf hin, dass in diesem kein über den gutachterlich festgestellten Leidenszustand der bP beschrieben wird. Insbesondere ergibt sich in Bezug auf das von der bP monierte Beweisthema nichts Neues.
In dem Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Mit den Beschwerdeausführungen trat die bP dem Sachverständigen-gutachten nicht substantiiert und nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen und zeigte auch keine Ungereimtheiten im Gutachten auf. Neue Befunde, welche zu einer anderen Einschätzung führen würden, wurden im Beschwerdeverfahren nicht vorgelegt. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen.
Da das Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 41 Abs. 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 43 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Gemäß § 43 Abs. 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 54 Abs. 12 BBG treten § 1, § 13 Abs. 5a, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs. 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs. 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs. 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).
Das angeführte Sachverständigengutachten und die Angaben der bP im Verfahren sowie die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in der Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.
Die von der ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.
Gemäß den angeführten Gutachten ist bei der bP folglich von einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH auszugehen.
Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 – also die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren) zu überprüfen, ist also daran gebunden.
Die Einwendungen der bP in der Beschwerde - ihre Leiden seien zu gering bewertet worden, der Gesamtgrad der Behinderung müsse 80 % betragen - erwies sich demnach als unrichtig, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung der Leidenszustände ein neuer Antrag des Beschwerdeführers beim Sozialministeriumservice und damit eine neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
3.5. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, Zl. 2013/08/0153).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführt wurde, wurde das hierfür eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet und zeigt die bP weder Widersprüche, Ungereimtheiten noch Mängel auf. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind für das Absehen einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts folgende Kriterien beachtlich vgl. Erk. d. VwGH vom 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, Beschluss des VwGH vom 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10):
- Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde von der bB vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht noch immer die gebotene Aktualität und Vollständigkeiten auf.
- Die bB musste die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das ho. Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
- In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der bB festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, welches gegen das Neuerungsverbot gem. § 46 BBG verstößt.
- Auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist Bedacht zu nehmen.
Da die oa. Kriterien im gegenständlichen Fall erfüllt sind, und für es im Rahmen der Gewährung des schriftlichen Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren auf den persönlichen Eindruck nicht ankam, da die Leiden der bP nicht in Zweifel gezogen wurden, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben.
3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen nicht vor. Ein wesentlicher Schwerpunkt des gegenständlichen Erkenntnisses im Rahmen der Beweiswürdigung und hier insbesondere im Rahmen der Frage der Beweiskraft eines schlüssigen Gutachtens. Zu dieser Frage liegt umfangreiche und einheitliche Judikatur des VwGH vor. Die grundsätzlichen Bestimmungen betreffend die Einstufung bzw. der Feststellung des Grades der Behinderung stellten sich im gegenständlichen Fall als eindeutig dar. Im Rahmen der Frage des Umfanges der Ausnahme von der Verhandlungspflicht orientierte sich das ho. Gericht ebenfalls an der Judikatur des VwGH.
Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2234357.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021