TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/23 W182 2177521-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.02.2021
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Entscheidungsdatum

23.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W182 2177521-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen Spruchpunkt III. zweiter und dritter Satz sowie Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2017, Zl. 1109743806 - 160448842, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste mittels Schengen-Visum zunächst in die Slowakei und dann am 27.03.2016 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 29.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er die Heimat verlassen habe, weil er Zeuge eines Mordes geworden und in weiterer Folge von unbekannten Leuten beobachtet worden sei.

Nach Durchführung eines Verfahrens nach der Dublin III-VO wurde das Verfahren des BF schließlich in Österreich zugelassen.

In einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 24.08.2016 begründete der BF seinen Antrag damit, dass ein Familienmitglied eines guten Freundes erschossen worden sei. Der BF habe den Schützen gesehen und seinem Freund mitgeteilt, wer es gewesen sei. Um sich zu rächen, habe der Freund den Schützen erschossen und daraufhin die Russische Föderation verlassen. Die Familie des Schützen habe erfahren, dass der BF dessen Name genannt habe, und habe ihn daraufhin verfolgt. Vor seinem Haus habe in der Nacht ein unbekanntes Auto geparkt und sei auch auf das Haus geschossen worden. Als danach ein weiteres Familienmitglied seines Freundes erschossen worden sei, habe der BF das Herkunftsland verlassen.

2. Das Bundesamt wies mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 19.10.2017 den Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde unter Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

3. Die gegen den Bescheid des Bundesamts vom 19.10.2017 erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.11.2019 mit Erkenntnis vom 29.01.2020, Zl. W182 2177521-1/12E, vollumfänglich als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Fluchtgründe des BF als völlig unglaubhaft erwiesen haben. Weiters wurde u.a. ausgeführt, dass der BF im XXXX 2014 in XXXX nach muslimischem Ritus eine russische Staatsangehörige geehelicht habe, welche in Österreich asylberechtigt ist. Die gemeinsame Tochter, die ebenfalls russische Staatsangehörige sei, sei im XXXX 2016 im Bundesgebiet geboren. Der BF lebe in Österreich mit seiner Ehefrau und dem Kind im gemeinsamen Haushalt. Im Herkunftsland würden sich unter anderem seine Eltern und drei Brüder aufhalten, mit welchen der BF in Kontakt stehe. Es sei von einem bestehenden Familienleben auszugehen, welches jedoch hinsichtlich der Ehefrau bereits beim erstmaligen persönlichen Treffen im Jahr 2014 in XXXX begründet worden sei. Auch sei die Tochter bei einem weiteren gemeinsamen Treffen im Jahr 2015 dort gezeugt worden. Im XXXX 2016 sei der BF letztlich ins Bundesgebiet eingereist und lebe seit Juli 2016 mit seiner Frau und seiner Tochter zusammen. Das geltend gemachte Familienleben sei daher jedenfalls zu einem Zeitpunkt begründet worden, in welchem der BF noch nicht einmal über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt habe und sich bewusst sein hätte müssen, dass er in Österreich über keinen Aufenthaltsstatus verfügt habe und die Erlangung eines solchen auch keinesfalls gewiss gewesen sei. Das dadurch entstandene Familienleben sei daher auch unter dem Aspekt der subjektiven Sicht des BF in seinem Gewicht gemindert. Es werde davon ausgegangen, dass keine unüberwindbaren Hindernisse vorlägen, die der Fortsetzung des Familienlebens des BF mit seiner in Österreich niedergelassenen Ehefrau und der Tochter im gemeinsamen Herkunftsland entgegenstünden, wenngleich es wahrscheinlich wäre, dass dies für seine Familienangehörigen mit einer gewissen Härte verbunden wäre. Unabhängig davon wäre es dem BF unter Abwägung aller bisher ausgeführten Faktoren letztlich aber selbst für den Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsland immer noch zuzumuten, unter den gegebenen Umständen zumindest für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens, für das der BF vorübergehend ins Herkunftsland ausreise, die Beziehung zwischenzeitlich über Besuche, Telekommunikation bzw. elektronische Medien und Treffen in Drittländern, aufrechtzuerhalten. Dies gelte umso mehr, als das Familienleben des BF mit seiner Ehefrau ebenfalls in einem Drittstaat begründet worden sei und die beiden ihr Familienleben in den Jahren 2014 und 2015 nur auf diesem Weg ausgeübt hätten. Darüber hinaus habe die Ehefrau, welche sich seit ihrem siebten Lebensjahr in Österreich befinde, angegeben, das Leben in ihrer Heimat nicht zu kennen und in der Russischen Föderation bei null anfangen zu müssen. Sie habe auch angegeben, abgesehen von diesen Umständen keine Probleme im Herkunftsland zu haben. Eine Fortführung des Familienlebens sei somit auch im Herkunftsland möglich, zumal sämtliche Familienmitglieder die russische Staatsangehörigkeit besitzen würden. Der BF halte sich seit seiner Einreise im XXXX 2016 nicht ganz vier Jahre im Bundesgebiet auf. Er habe keine Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Integration dartun können. In Summe könne nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des BF am Verbleib im Inland der Vorzug zu geben sei gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Einhaltung, der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukomme.

4. In Erledigung einer dagegen erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21.09.2020, Zl. E738/2020-15, entschieden, dass der BF durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation und gegen die Feststellung einer zweiwöchigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt worden ist. Das Erkenntnis wurde insoweit aufgehoben und im Übrigen die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

„[…]

2. Dem Bundesverwaltungsgericht ist bei der gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung ein solcher in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen:

2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. die in VfSlg. 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf das Familienleben und auf das Kindeswohl etwaiger Kinder des Betroffenen zu erörtern (vgl. hiezu VfGH 24.9.2018, E 1416/2018; zur Bedeutung der mit einer Trennung des Beschwerdeführers von seinem Kind verbundenen Auswirkungen VfSlg. 19.362/2011). Einer mit der Ausweisung verbundenen Trennung von Familienmitgliedern kommt eine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl. VfSlg. 18.388/2008, 18.389/2008, 18.392/2008). Die Intensität der privaten und familiären Bindungen im Inland ist dabei zu berücksichtigen (VfSlg. 18.748/2009).

2.2. Dabei sind insbesondere die Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Familienleben zwischen Eltern und Kindern in der Abwägung zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10.730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16.969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23.218/94 [Z 32]). Ferner ist es nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein grundlegender Bestandteil des Familienlebens, dass sich Eltern und Kinder der Gesellschaft des jeweiligen anderen Teiles erfreuen können; die Familienbeziehung wird insbesondere nicht dadurch beendet, dass das Kind in staatliche Pflege genommen wird (vgl. VfSlg. 16.777/2003 mit Hinweis auf EGMR 25.2.1992, Fall Margareta und Roger Andersson, Appl. 12.963/87 [Z 72] mwN; zu den Voraussetzungen für ein [potentielles] Familienleben zwischen einem Kind und dessen Vater siehe auch EGMR 15.9.2011, Fall Schneider, Appl. 17.080/07 [Z 81] mwN). Davon ausgehend kann eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art. 8 EMRK führen (vgl. VfGH 28.2.2012, B 1644/10 mit Hinweis auf EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99 sowie insbesondere EGMR 28.6.2011, Fall Nunez, Appl. 55.597/09; VfGH 12.10.2016, E 1349/2016).

2.3. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für einen Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 19.362/2011; VfGH 25.2.2013, U 2241/2012; 19.6.2015, E 426/2015; 9.6.2016, E 2617/2015; 12.10.2016, E 1349/2016; 14.3.2018, E 3964/2017; 11.6.2018, E 343/2018 ua.; 11.6.2018, E 435/2018). Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, es sei lebensfremd anzunehmen, dass der Kontakt zwischen einem Kleinkind und einem Elternteil über Telekommunikation und elektronische Medien aufrechterhalten werden könne (vgl. dazu VfGH 25.2.2013, U 2241/2012; 19.6.2015, E 426/2015; 12.10.2016, E 1349/2016; 11.6.2018, E 343/2018 ua.; 3.10.2019, E 3456/2019; 28.11.2019, E 707/2019).

2.4. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK, die das Bundesverwaltungsgericht vornimmt, als unzureichend:

2.5. Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinen Feststellungen aus, dass der Beschwerdeführer eine am XXXX 2016 geborene Tochter in Österreich habe. Er lebe mit dieser und seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt.

2.6. Aus diesen Umständen schließt das Bundesverwaltungsgericht zunächst zutreffend, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Kind sowie seiner Ehefrau ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK bestehe und es wird außerdem ausgeführt, dem Kindeswohl komme im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ein besonderes Gewicht zu.

2.7. Das Bundesverwaltungsgericht führt jedoch aus, dass einer Fortsetzung des Familienlebens im gemeinsamen Herkunftsland – wenngleich mit einer gewissen Härte verbunden – keine unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen würden. Selbst für den Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsland wäre es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes dem Beschwerdeführer immer noch zuzumuten, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens die Beziehung zwischenzeitlich über Besuche, Telekommunikation bzw. elektronische Medien und Treffen in Drittländern aufrechtzuerhalten. Dabei lässt das Bundesverwaltungsgericht zum einen den Aufenthaltsstatus der Ehefrau, die in Österreich asylberechtigt ist, außer Betracht; daran ändert auch – wie vom Bundesverwaltungsgericht in der Gegenschrift vorgebracht – die Befragung in der mündlichen Verhandlung nichts, ob die Ehefrau abgesehen von den Problemen bei einer neuen Existenzgründung und dass ihr der Asylstatus genommen werden könnte, wenn sie in die Russische Föderation zurückkehren würde, noch andere Probleme im Herkunftsland hätte. Zum anderen widerspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfGH 12.10.2016, E 1349/2016; 11.6.2018, E 343/2018 ua.) anzunehmen, der Kontakt könne mit einem Kind im Alter von vier Jahren bloß über Telekommunikation bzw. elektronische Medien aufrechterhalten werden.

2.8. In der rechtlichen Beurteilung zur Rückkehrentscheidung hält das Bundesverwaltungsgericht weiters fest, das Familienleben des Beschwerdeführers sei zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, in welchem der Beschwerdeführer noch nicht einmal über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt habe und sich bewusst sein hätte müssen, dass er in Österreich über keinen Aufenthaltsstatus verfügt habe und die Erlangung eines solchen auch keinesfalls gewiss gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt eine konkrete Auseinandersetzung sowohl mit der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Kind als auch mit dem Kindeswohl der Tochter (vgl. VfGH 3.10.2019, E 3456/2019). Damit lässt es die konkrete Lebenssituation wie zB gemeinsamer Haushalt, Intensität der Beziehung, Betreuung des Kindes, Alter und Bedürfnisse des Kindes etc. sowie die Auswirkungen auf das Kindeswohl außer Acht. Das Bundesverwaltungsgericht kommt somit der grundrechtlichen Verpflichtung nicht nach, die Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Tochter und das Kindeswohl zu ermitteln (VfGH 28.11.2019, E 707/2019 mwN).

2.9. Vor dem Hintergrund seiner Feststellungen zum Sachverhalt hätte das Bundesverwaltungsgericht eingehend begründen müssen, weshalb die aufenthaltsbeendende Maßnahme gegenüber dem Beschwerdeführer und die damit verbundene Trennung von seinem Kind im öffentlichen Interesse geboten ist. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht einen wesentlichen Gesichtspunkt des konkreten Sachverhaltes, nämlich die Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers – insbesondere die Beziehung zu seinem minderjährigen Kind – sowie das Kindeswohl dieses Kindes vollständig außer Acht gelassen (vgl. VfSlg. 19.776/2013; VfGH 11.3.2015, E 1884/2014; 27.2.2018, E 3775/2017, jeweils mwN).

2.10. Indem das Bundesverwaltungsgericht diese Umstände bei seiner Interessenabwägung nicht berücksichtigt hat, hat es – unabhängig davon, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen (vgl. zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser Umstand zwar zu berücksichtigen ist, einen Eingriff in das Recht aus Art. 8 EMRK aber nicht ausschließt, etwa VfSlg. 18.223/2007; VfGH 3.10.2012, U 119/12; 25.3.2013, U 2241/12) – diese mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler belastet.“

2.11. Die Entscheidung ist daher insoweit aufzuheben, als mit ihr die im angefochtenen Bescheid getroffene Rückkehrentscheidung bestätigt wird.

[…]“

5. Der BF ist laut einer Ausreisebestätigung von IOM am 17.11.2020 unter Ausnutzung der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation zurückgekehrt und wurde am 14.12.2020 im Bundesgebiet abgemeldet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Seine Identität steht fest.

Er stammt aus der Teilrepublik XXXX und verbrachte dort den Großteil seines Lebens. Er verfügt über eine 11-jährige Schulausbildung sowie eine abgeschlossene 3-jährige Ausbildung an einer technischen berufsbildenden Schule. Er weist zudem Arbeitserfahrungen im Baustellengewerbe auf.

Der BF ehelichte im XXXX 2014 in XXXX nach muslimischen Ritus eine russische Staatsangehörige, welche in Österreich asylberechtigt ist. Die gemeinsame Tochter, welche ebenfalls die russische Staatsangehörigkeit hat, wurde am XXXX 2016 im Bundesgebiet geboren. Der BF reiste am 29.03.2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht begründet erwies. Die Antragstellung erfolgte offensichtlich, um eine Erstantragstellung im Ausland nach § 46 NAG zu umgehen.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der gesunde BF konkret Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Der BF ist am 17.11.2020 im Rahmen einer unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgereist. Ein gemeinsamer Haushalt mit seiner Ehefrau und dem Kind in Österreich wurde vom BF freiwillig für eine Rückkehr ins Herkunftsland aufgegeben. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfolgreich absolviert hat oder einer legalen Erwerbstätigkeit nachgeht. Er hat Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Er wurde in Österreich mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom April 2018 wegen der Vergehen der versuchten mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung sowie der Urkundenfälschung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Im Übrigen wird der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang der Entscheidung zugrundgelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aufgrund seiner Angaben im Laufe des Verfahrens sowie der Vorlage des russischen Inlandsreisepasses.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF und seiner Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus den Angaben des BF sowohl vor dem Bundesamt als auch in der Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen im Inland sowie im Herkunftsstaat ergeben sich zweifelsfrei auf Grundlage des Inhaltes des zur Beschwerde vorgelegten Aktes des Bundesamtes zur im Spruch genannten Zahl und den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung am 11.11.2019.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergeben sich aus den zum Stichtag eingeholten Strafregisterauszug sowie den diesbezüglichen Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung. Die Feststellungen zum Bezug von Grundversorgung resultieren aus einer entsprechenden GVS-Anfrage.

Die Feststellungen zur Gefährdungssituation im Herkunftsstaat ergeben sich aus der diesbezüglich rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2020, Z W182 2177521-1/12E.

Die Feststellungen zur freiwilligen Rückkehr ins Herkunftsland ergeben sich zweifelsfrei aus einer entsprechenden Ausreisebestätigung des IOM vom 18.11.2020 sowie einer Anfrage beim Zentralen Melderegister am 22.02.2021, wonach der BF seit 14.12.2020 mit der Anmerkung „Verzogen nach Russische Föderation“ im Bundesgebiet abgemeldet war. Da der BF nachweislich die von IOM gewährte Rückkehrhilfe in Anspruch genommen hat, ist begründet davon auszugehen, dass die Ausreise nicht zu Urlaubs-, Verwandtenbesuch oder vergleichbaren Zwecken erfolgte. Dafür spricht neben der Dauer der Abwesenheit auch die Abmeldung von der gemeinsamen Wohnadresse. Die Ausreise erfolgte zudem fast zwei Monate nach und sohin in Kenntnis von der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 21.09.2020. Unter Zugrundelegung dieser Tatsachen kann aber nur der Schluss gezogen werden, dass die Intention bzw. der Wille des BF, - wenn auch allenfalls nur vorübergehend - ins Herkunftsland zurückzukehren, stärker war, als sein Interesse am Familienleben mit seinem Kind in Österreich. Dieses Verhalten konnte dem BF sohin aber bei der Beurteilung der Gewichtung seiner privaten Interessen am Verbleib in Österreich – gerade auch im Rahmen einer konkreten Auseinandersetzung sowohl mit seiner Beziehung zu seinem Kind als auch mit dem Kindeswohl – im Ergebnis nicht zu seinem Vorteil angerechnet werden.

Indem der BF in dieser Weise freiwillig unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe ins Herkunftsland zurückgekehrt ist, hat er die Unterbrechung oder Beendigung des gemeinsamen Familienlebens in Österreich auch im Hinblick auf das Kindeswohl bewusst in Kauf genommen und ist es ihm in dieser Konstellation im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen jedenfalls zuzumuten, zur Erlangung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger nunmehr auch die im Fremdenrecht dafür vorgesehenen Bestimmungen (insbesondere § 46 iVm § 21 NAG) einzuhalten.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Gemäß § 24 Abs. 2a AsylG 2005 ist bei freiwilliger Abreise des Fremden in den Herkunftsstaat das Asylverfahren mit seiner Ausreise einzustellen, es sei denn der Sachverhalt ist entscheidungsreif.

Zu Spruchteil A):

2.1. Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfGH 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, zl. 2002/20/0423).

Im Übrigen wird zur relevanten höchstgerichtlichen Judikatur auf die entsprechenden unter Punkt I.3. wiedergegebenen Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21.09.2020, Zl. E738/2020-15, verwiesen.

2.2. Der BF, der illegal nach Österreich eingereist ist und dessen Aufenthalt sich lediglich auf einen von Vornherein unbegründeten Asylantrag gestützt hat, ist in Österreich weder einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen noch konnte er gute Deutschkenntnisse nachweisen. Er wurde zudem straffällig.

Was die Beziehungsintensität zu seiner Frau und Tochter, die beide russische Staatsangehörige sind, betrifft, kann unter Zugrundelegung des bisher unter den Punkten II.1 und II.2 Ausgeführten nur der Schluss gezogen werden, dass die Intention bzw. der Wille des BF, ins Herkunftsland zurückzukehren, stärker war, als sein Interesse am Familienleben in Österreich. Dieses Verhalten des BF konnte ihm sohin aber im Rahmen einer Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK – gerade auch im Rahmen einer konkreten Auseinandersetzung sowohl mit seiner Beziehung zu seinem Kind als auch mit dem Kindeswohl – im Ergebnis nur zu Lasten seines privaten Interesses an einem Verbleib in Österreich angerechnet werden.

Indem der BF in dieser Weise freiwillig unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe ins Herkunftsland zurückgekehrt ist, hat er die Unterbrechung bzw. Beendigung des gemeinsamen Familienlebens in Österreich auch im Hinblick auf das Kindeswohl bewusst in Kauf genommen. Somit ist aber kein Grund mehr ersichtlich, warum es für den BF in der von ihm herbeigeführten gegenständlichen Konstellation nicht zumutbar wäre, unter Wahrung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen die vom Gesetzgeber vorgesehenen Bestimmungen über die Familienzusammenführung (insbesondere § 46 iVm § 21 NAG) nunmehr einzuhalten und für die Dauer des dafür im Herkunftsland vorgesehenen Antragsverfahrens eine vorübergehende Unterbrechung seines Familienlebens auf sich zu nehmen. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen redlich beachten, letztlich gegenüber Personen, die unter bewusster und konsequenter Hinwegsetzung über fremdenrechtliche Bestimmungen die Behörden vor vollendete Tatsachen stellen würden, schlechter gestellt wären, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung von Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

Gemäß § 52 Abs. 8 dritter Satz FPG ist im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn der Drittstaatsangehörige sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält (vgl. dazu auch VwGH 21.12.2017, Zl. Ra 2017/21/0234, wonach § 21 Abs. 5 BFA-VG trotz überschießenden Wortlauts eingeschränkt zu verstehen ist).

Wie auch aus den Verfahrensgang hervorgeht, ist der Antrag auf internationalen Schutz vom BF missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt worden. In solchen Konstellationen wiegt das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch besonders schwer, zumal von den Beteiligten zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib des Revisionswerbers in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen (vgl. VwGH 18.10.2012, Zl. 2011/23/0549, VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180, VwGH 07.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0168; aber auch EGMR 11.04.2006, Nr. 61292/00, Useinov gegen Niederlande). Dabei war zu Recht davon ausgehen, dass dem BF schon im Zeitpunkt der im XXXX 2014 in XXXX nach muslimischem Ritus erfolgten Eheschließung (und freilich auch in weiterer Folge) die Unsicherheit eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich in evidenter Weise bewusst sein musste. Im Hinblick auf die Erlangung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung wären vom BF hingegen die bereits genannten Bestimmungen des NAG einzuhalten gewesen, weshalb unter Zugrundelegung der zitierten Judikatur auch festzustellen ist, dass die Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der noch relativ zeitnah zur Antragstellung ergangenen Erlassung durch die Behörde rechtmäßig war. (vgl. dazu insbesondere VwGH 23.02.2017, Zl. Ra 2016/21/0235, zur Trennung eines Drittstaatsangehörigen von der zum Entscheidungszeitpunkt in Österreich asylberechtigten, neuerlich schwangeren Ehefrau und asylberechtigten minderjährigen Kindern im Alter von zwei Jahren und einem Jahr). Der Umstand der freiwilligen Rückkehr des BF unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe ins Herkunftsland lässt aber auch rückblickend eine entsprechend mindere Gewichtung der Intensität der Beziehung zu seiner Tochter in Österreich zu, wobei das Bundesamt den Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf das Kindeswohl sohin im Ergebnis zurecht kein entscheidendes Gewicht beigemessen hat.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Familienbegriff Familieneinheit freiwillige Ausreise Intensität Interessenabwägung öffentliche Interessen Rechtsanschauung des VfGH Resozialisierung Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W182.2177521.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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