TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/24 W220 2152412-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2021
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Entscheidungsdatum

24.02.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W220 2152412-1/12E
W220 2234229-1/7E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX und 2. XXXX , geboren am 1. XXXX und 2. XXXX , beide Staatsangehörigkeit Sri Lanka, vertreten durch Dr. Julia ECKER, Rechtsanwältin in 1010 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1. 18.03.2017 und 2. 13.07.2020, ZIen.: 1. 1032815007/140059922 und 2. 1264554508/200404265, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. sowie den ersten Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides vom 18.03.2017, ZI.: 1032815007/140059922, und gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides vom 13.07.2020, ZI.: 1264554508/200404265, werden gemäß §§ 3, 8 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen den zweiten und dritten Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides vom 18.03.2017, ZI.: 1032815007/140059922, und gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides vom 13.07.2020, ZI.: 1264554508/200404265, wird stattgegeben und werden gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG Rückkehrentscheidungen auf Dauer für unzulässig erklärt.

Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt und gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ erteilt.

III. In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkte IV. des angefochtenen Bescheides vom 18.03.2017, ZI.: 1032815007/140059922, und die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides vom 13.07.2020, ZI.: 1264554508/200404265, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Sri Lanka, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.10.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 12.10.2014 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei zu ihren Fluchtgründen an, dass in Sri Lanka die Tamilen von den Buddhisten verfolgt würden und es für die Volksgruppe der Tamilen, die in Sri Lanka diskriminiert würde, nicht sicher sei. Es gebe Krieg zwischen Buddhisten, Christen und Muslimen; sonst habe sie keine Fluchtgründe.

Am 19.10.2016, 25.10.2016 und 15.12.2016 fanden niederschriftliche Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welchen die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen insgesamt zusammengefasst angab, dass sie mehrmals wegen des Verdachts des Terrorismus festgenommen, aber jedes Mal wieder freigelassen worden sei. Ihre Tante habe sie mit dem Feuerzeug verbrannt, was nunmehr wie ein Erkennungszeichen der LTTE aussehe. Seit ihrem sechzehnten Geburtstag habe sie laufend Probleme mit den Behörden ihres Herkunftsstaates gehabt. Sie sei mehrmals inhaftiert gewesen. Im Alter von sechzehn Jahren sei sie nach Colombo gekommen und dort von Polizisten und einem Politiker vergewaltigt worden; dies habe sie nicht zur Anzeige gebracht, da sie Tamilin sei und deshalb keine Chance habe. Sie habe als Tamilin immer Probleme im Herkunftsstaat gehabt und sich nicht frei bewegen dürfen. Bis zum Alter von zehn Jahren sei sie Hindu gewesen; in weiterer Folge seien sie selbst und mehrere Familienmitglieder konvertiert und Protestanten geworden, wodurch sie Probleme in ihrem Dorf bekommen habe, wo es hauptsächlich Hindus und Buddhisten gegeben habe. Sie seien mit Steinen beworfen und diskriminiert worden; außerdem könne sie in ihrem Dorf ihre Religion nicht in Ruhe ausüben. Sie habe als Tamilin immer Probleme im Herkunftsstaat gehabt und sich nicht frei bewegen dürfen. Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte sie, von den anderen Volksgruppen gefoltert zu werden; außerdem habe sie dort niemanden. Im Herkunftsstaat habe sie nur mehr einen Onkel, der sie immer sexuell belästigt habe. Bei ihrem Bruder und dessen Familie könne sie nicht leben; er habe eine sehr große Familie und sie würden keinen Kontakt pflegen.

Mit Schreiben vom 11.01.2017 übermittelte die Erstbeschwerdeführerin dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine handschriftlich in Tamil verfasste Schilderung ihrer Fluchtgründe, deren Übersetzung veranlasst wurde.

Am 15.05.2020 stellte die Erstbeschwerdeführerin für den in Österreich geborenen minderjährigen Zweitbeschwerdeführer als dessen Mutter den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit oben genannten, gegenständlich angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2017, ZI.: 1032815007/140059922 (Erstbeschwerdeführerin), und 13.07.2020, ZI.: 1264554508/200404265 (minderjähriger Zweitbeschwerdeführer), wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkte I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Sri Lanka (Spruchpunkte II.) abgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (erster Satz des Spruchpunktes III. im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin bzw. Spruchpunkt III. im Bescheid betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (zweiter Satz des Spruchpunktes III. im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin bzw. Spruchpunkt IV. im Bescheid betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Sri Lanka zulässig sei (dritter Satz des Spruchpunktes III. im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin bzw. Spruchpunkt V. im Bescheid betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgelegt (Spruchpunkt IV. im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin bzw. Spruchpunkt VI. im Bescheid betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer).

Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Beschwerden erhoben.

Am 17.12.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Tamil statt, in welcher die Erstbeschwerdeführerin zu ihren persönlichen Lebensumständen sowie zu ihren Fluchtgründen befragt wurde; als gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers wurde sie überdies zu dessen Fluchtgründen befragt. Zudem wurde der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers als Zeuge einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Sri Lanka und der Volksgruppe der Tamilen sowie der Religionsgemeinschaft der protestantischen Christen zugehörig. Sie führen die in Kopf und Spruch dieser Entscheidung genannten Namen und Geburtsdaten; ihre Identität steht fest. Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers und mit dem Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers verheiratet. Die Erstbeschwerdeführerin beherrscht die Sprachen Tamil und Englisch; der minderjährige Zweitbeschwerdeführer wächst im Familienverband mit seiner Mutter und seinem ebenfalls die Sprache Tamil beherrschenden Vater auf.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Sri Lanka geboren und lebte bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2014 unter anderem in XXXX , Colombo und XXXX ; ihr genauer Geburtsort sowie ihre genauen Aufenthaltsorte stehen nicht fest. Sie hat Schulbildung im Umfang von zehn Jahren erhalten und mehrere Jahre in fremden Haushalten als Haushaltshilfe gearbeitet, wodurch sie ihren Lebensunterhalt selbständig finanziert hat. Nach dem Tod ihrer leiblichen Eltern, als die Erstbeschwerdeführerin ein Kleinkind war, lebte die Erstbeschwerdeführerin bei einem Onkel väterlicherseits und dessen Frau und Kindern (den Cousins, unter anderem R. und S., und den Cousinen der Erstbeschwerdeführerin) und half in der Landwirtschaft mit, bis sie als Haushaltshilfe zu arbeiten begann und in den Haushalten, in denen sie tätig war, lebte. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt nach wie vor über zahlreiche Familienangehörige in Sri Lanka, insbesondere ihre Cousins und Cousinen, mit denen sie ab dem Kleinkindalter aufwuchs, zahlreiche Onkeln und Tanten und eine leibliche Schwester; die Erstbeschwerdeführerin hat zu diesen Familienangehörigen Kontakt.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.10.2014 für sich selbst und am 15.05.2020 für den in Österreich geborenen minderjährigen Zweitbeschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Die Erstbeschwerdeführerin hält sich seit Stellung ihres Antrages auf internationalen Schutz im Bundesgebiet auf; der minderjährige Zweitbeschwerdeführer lebt seit seiner Geburt in Österreich. Die Erstbeschwerdeführerin hat am 16.11.2016 in Österreich ihren Ehemann, der auch der Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers ist, geheiratet. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers ist sri-lankischer Staatsangehöriger, lebt seit dem Jahr 1991 in Österreich, verfügt in Österreich über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ und lebt mit der Erstbeschwerdeführerin und – seit dessen Geburt – mit dem Zweitbeschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers hat in Österreich einen älteren volljährigen Sohn, welcher österreichischer Staatsbürger ist, und hat mit diesem sowie dessen Mutter, ebenfalls einer österreichischen Staatsbürgerin, nach wie vor regelmäßigen und guten Kontakt. Auch die Erstbeschwerdeführerin und der minderjährige Zweitbeschwerdeführer haben zu diesem volljährigen Sohn und dessen Mutter regelmäßigen und guten Kontakt. Die Erstbeschwerdeführerin hat in Österreich Deutschkurse bis zum Niveau B1 besucht und am 15.06.2019 die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen bestanden; sie hat diesbezüglich ein Zeugnis des ÖSD vorgelegt. Die Erstbeschwerdeführerin kann sich in einfachem Deutsch unterhalten. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Freundes- und Bekanntenkreises und hat sich sonntags in einer Kirche engagiert, indem sie Kinder betreut und ältere Menschen mit Kaffee verpflegt hat. Wirtschaftliche Anknüpfungspunkte hat die Erstbeschwerdeführerin in Österreich nicht. Die Beschwerdeführer beziehen keine Leistungen aus der Grundversorgung; ihr Lebensunterhalt wird vom Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers finanziert.

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig. Sie hat eine Schilddrüsenerkrankung (Thyreoiditis Hashimoto), bezüglich derer sie sich in ärztlicher und medikamentöser Behandlung befindet (letzter ärztlicher Befund vom 07.12.2020, wobei die Therapie mit eineinhalb Tabletten Thyrex 50 täglich sowie eine Verlaufskontrolle nach drei Monaten empfohlen wurden), und nimmt Vitamin D- sowie Eisensubstitution. Der minderjährige Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Sri Lanka nicht von Polizisten vergewaltigt worden und auch nicht von Familienangehörigen in Form von Schlägen misshandelt oder sexuell belästigt worden. Die Erstbeschwerdeführerin ist weiters nicht von sri-lankischen Behörden inhaftiert worden, weder, weil sie Tamilin ist, noch, weil sie aufgrund ihrer Narben einer Mitgliedschaft bei bzw. sonstigen Verbindung zu der Organisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) verdächtigt wurde. Den Beschwerdeführern drohen in Sri Lanka aktuell weder aus dem Grund ihrer Volksgruppen- und/oder Religionszugehörigkeit bzw. einer unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung noch als Rückkehrern aus dem Ausland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle physische und/oder psychische Eingriffe erheblicher Intensität in ihre persönliche Sphäre.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Die Beschwerdeführer laufen nicht konkret Gefahr, in ihrem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie stellt kein Rückkehrhindernis dar. Der minderjährige Zweitbeschwerdeführer ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter von neun Monaten sowie aufgrund des Fehlens einschlägiger physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Auch die Erstbeschwerdeführerin gehört im Hinblick auf ihr Alter von achtunddreißig Jahren und unter Beachtung ihrer Schilddrüsenerkrankung keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Sri Lanka eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würden. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Sri Lanka:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 05.05.2020, zuletzt aktualisiert am 08.09.2020, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:

„[…]

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 9.8.2020: Ergebnis Parlamentswahlen vom 5.8.2020 (Betrifft: Abschnitt 2./Politische Lage)

Nach offiziellen Angaben erhielt die srilankische Podujana Peramuna (SLPP) von Präsident Gotabhaya Rajapaksa und dessen Bruder, Regierungsschef Mahinda Rajapaksa bei den Parlamentswahlen vom 5.8.2020 insgesamt 145 der 225 Parlamentssitze (PoSL 10.8.2020; vgl. BAMF 10.8.2020, DW 7.8.2020). Sie verfehlte lediglich um fünf Parlamentssitze eine Zweidrittelmehrheit (TIE 9.8.2020), die zur Umsetzung einer Verfassungsreform notwendig ist (BBC 7.8.2020). Doch verfügt die 2016 gegründete SLPP mit ihren Verbündeten fortan über jene Mehrheitsverhältnisse, die Verfassungsänderungen im Parlament durchsetzen können (SWP 9.2020); vgl. BBC 7.8.2020).

Gotabaya Rajapaksa (er gewann im November 2019 die Präsidentschaftswahl) und Mahinda Rajapaksa genießen bei der singhalesischen Mehrheit Sri Lankas große Sympathien, da sie 2009 maßgeblich an der Militäroffensive gegen die Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) mitgewirkt haben und zur Beendigung des Bürgerkriegs beitrugen (BAMF 10.8.2020). Viele Menschen im Land schreiben der Regierung auch zu, das Land stabilisiert und den Ausbruch der COVID-19-Pandemie erfolgreich eingedämmt zu haben (BBC 7.8.2020).

Das schwache Abschneiden etablierter Parteien – etwa der United National Party (UNP) (ein Parlamentssitz) und Sri Lanka Freedom Party (SLFP) (ein Parlamentssitz), die seit der Unabhängigkeit 1948 die politische Entwicklung geprägt haben, ist Ausdruck eines Elitenwandels (SWP 9.2020; vgl. TIE 9.8.2020, PoSL 10.8.2020). Das Wahlergebnis baut auch die Privilegien der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit aus (SWP 9.2020). Darüber hinaus werden durch das Wahlergebnis traditionelle Forderungen tamilischen Parteien nach größerer regionaler Autonomie weiter fragmentiert (SWP 9.2020). Die Tamil Natonal Alliance (TNA) erreichte nur zehn Sitze im Parlament (TIE 9.8.2020). Bei einem Beibehalten des autoritären Kurses wird eine erneute gesellschaftliche Polarisierung innerhalb der singhalesischen Mehrheit als auch bei den Minderheiten erwartet (SWP 9.2020).

Infolge der COVID-19- Pandemie war die Parlamentswahl zweimal verschoben worden (BAMF 10.8.2020).

Politische Lage

Sri Lanka ist eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik mit einer frei und direkt gewählten Regierung (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 6.3.2020). Die bestehende Präsidialrepublik räumt dem Staatsoberhaupt eine starke Position vor allem bei der Zusammensetzung der Regierung und in der Außenpolitik ein. Die Legislative ist in einem Ein-Kammer-System mit 225 Mitgliedern organisiert, wobei die Abgeordneten direkt gewählt und bei Freiwerden eines Mandats von der jeweiligen Partei nachbesetzt werden. Die eher linksgerichtete United People's Freedom Alliance (UPFA) steht der eher konservativen United National Party (UNP) gegenüber. Letztere war über Jahrzehnte die stärkste Kraft im Land (ÖB 9.2019).

Wahlen werden regelmäßig auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und eines Mehrparteienwettbewerbs durchgeführt (BTI 2020). Am 16.11.2019 wählten die Wähler bei der Präsidentschaftswahl Gotabaya Rajapaksa zum Präsidenten. Akkreditierte einheimische und internationale Beobachter beschreiben die Wahl als friedlich und gut organisiert, stellten jedoch fest, dass aufgrund nicht regulierter Wahlkampfausgaben, dem Missbrauch staatlicher Ressourcen und der Voreingenommenheit der Medien die Chancengleichheit im Wahlkampf beeinträchtigt wurde (USDOS 13.3.2020). Die Wahl, die so friedlich verlaufen ist, wie wenige vor ihr, verlief jedoch nicht frei von Gewalt. Auf offener Straße wurde ein Bus beschossen, der Muslime ins Wahlbüro fahren sollte. Zudem versuchten radikale Gruppierungen vor allem im Norden des Landes, Menschen gewaltsam von einem Wahlboykott zu überzeugen. Im Vergleich zu den Ausschreitungen und zahlreichen Toten, die es bei früheren Wahlen gegeben hatte, kann aber dieses Mal tatsächlich von einer insgesamt friedlichen Wahl gesprochen werden (KAS 29.11.2019).Verschiedenen Berichten zur Folge kam es nach den Wahlen zu Ausschreitungen, nachdem der neue Präsident Gotabaya Rajapaksa seinen Bruder und ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa zum Premierminister ernannte (TG 22.11.2019; vgl. ACLED 26.11.2019).

Am 1.10.2015 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Konsens mit Sri Lanka die Resolution „Promoting reconciliation, accountability and human rights in Sri Lanka“ (A/HRC/30/L.29) beschlossen (AA 12.1.2020). Nachdem sich 2015 die Regierung zu nationaler Wiederversöhnung bekannte und gegenüber dem Menschenrechtsrat erklärte, Maßnahmen zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs umzusetzen, kamen wichtige Schritte, darunter auch die Verfassungsreform, ins Stocken (AA 6.3.2020a). Nach einer ersten Verlängerung (Res. 34/1) 2017 wurden Sri Lanka im März 2019 zwei weitere Jahre Zeit gegeben, die Maßnahmen zu implementieren. Sri Lanka hat sich damit bereit erklärt, die mutmaßlichen im Bürgerkrieg begangenen Kriegsverbrechen rechtlich aufzuklären (AA 12.1.2020).

Allerdings kündigte im Nachgang der Präsidentschaftswahlen 2019 die Regierung am 27.2.2020 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an, den von der internationalen Gemeinschaft in einer Resolution eingeforderten Aufarbeitungsprozess nicht fortzuführen (AA 6.3.2020a,; vgl. HRW 3.3.2020).

Am 2.3.2020 löste Präsident Rajapaksa gemäß geltender Verfassung das Parlament nach viereinhalb Jahren – also bereits ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Ende der Legislaturperiode mit dem Zweck auf, die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zugunsten seiner Fraktion auszubauen. Wird das Parlament durch den Präsidenten aufgelöst, muss es spätestens drei Monate später (2.6.2020) wieder zusammentreten (DS 23.4.2020). Doch entschied sich die Wahlkommission Sri Lankas wegen der Coronavirus-Pandemie die Parlamentswahlen im Land nicht wie geplant am 25.4.2020 durchzuführen (Reuters 19.3.2020; vgl. TH 17.3.2020). Als neuer Wahltermin wird der 20. Juni 2020 angegeben (TH 21.4.2020; vgl. News1st 20.4.2020).

Der Aufforderung der Opposition das alte Parlament wiedereinzusetzen, lehnte der Präsident jedoch bisher ab. Der Disput zwischen dem Parlament, der Wahlkommission und dem Präsidenten führt das Land nun immer weiter in eine wirtschaftliche Krise (DS 23.4.2020).

Sicherheitslage

Das staatliche Gewaltmonopol ist unangefochten. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die bewaffnete Opposition gegen den Staat nicht völlig aufgegeben wurde (BTI 2020), dennoch dürfte der umfassende Sicherheits- und Überwachungsapparat insbesondere im Norden und Osten noch intakt sein (AA 12.1.2020).

Am 21.4.2019 verübten sri-lankische islamistische Terroristen Selbstmordanschläge auf katholische Kirchen im Westen und Osten des Landes sowie drei Luxushotels in Colombo. Unter den rund 260 Todesopfern befanden sich 45 ausländische Staatsbürger. Der Großteil der Opfer waren sri-lankische Christen. Verantwortlich für die Anschläge war die National Thowheed Jamath (NTJ), deren Mitglieder dem sog. Islamischen Staat die Treue geschworen haben. Am 22.4.2019 rief die Regierung den Notstand gemäß der Verordnung über die öffentliche Sicherheit aus und setzte die Streitkräfte im Inland ein und erteilte ihnen Festnahmebefugnisse. Nach Ablauf des Notstands am 22.8.2019 ordnete der damalige Präsident Maithripala Sirisena an, dass das Militär auch nach Ablauf des Notstands im ganzen Land stationiert bleibt. Dieser Befehl wurde durch den derzeitigen Präsidenten Rajapaksa am 22.11.2019 verlängert (CT 22.4.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, ÖB 9.2019). Mögliche Hintergründe für die erfolgten Anschläge wurden durch die Regierung auch als eine Strategie internationaler Kräfte zur Spaltung der Gesellschaft und der Destabilisierung dieser im „Fadenkreuz der Großmächte und ihrer zunehmenden Konkurrenz im Indischen Ozean gesehen“ (CT 21.4.2019). Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass mehr als eine islamistische Zelle in Sri Lanka aktiv ist (GW 8.2.2020).

Bis auf kleine noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne „Hochsicherheitszonen“ um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Sri Lanker im ganzen Land frei bewegen und niederlassen (AA 12.1.2020).

Für das gesamte Land gelten derzeit auf Grund der COVID-19 Pandemie bis auf weiteres Ausgangsbeschränkungen (BMEIA 22.4.2020). Seit der am 20.3.2019 verhängten landesweiten Ausgangssperre wurden mehr als 10.000 Menschen verhaftet (HRW 3.4.2020).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis diskriminiert nicht nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung. Von sogenannten „Altfällen“ mit Bezug auf die „Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE)“ befindet sich nach Einschätzung des OHCHR niemand mehr aufgrund des Prevention of Terrorism Act (PTA) in Haft. Sippenhaft wird nicht praktiziert. Keiner Person oder Personengruppen wird kategorisch der Rechtsschutz verweigert (AA 12.1.2020).

Das schwache Justizwesen ist nach wie vor politischem Druck ausgesetzt und wird durch eine politisierte Polizei, auf die das Gerichtssystem bei der Beweisführung häufig angewiesen ist, behindert. Seit Anfang 2015 sind in der früheren Verwaltung eine Reihe von Staatsbeamten und Militärs strafrechtlich verfolgt worden. Ebenso werden Verdachtsfälle von Korruption von Beamten und Politikern, die seit Anfang 2015 an der Macht sind, untersucht (BTI 2020; vgl. AA 12.1.2020).

Die Untersuchungshaftzeiten sind lang. Es dauert oftmals mehr als ein Jahr, bis überhaupt entschieden wird, ob eine Anklage erhoben wird. Ausländer und Sri Lanker sind davon gleichermaßen betroffen. Die zulässige reguläre Haftdauer bis zur Anklageerhebung beträgt zwölf Monate – verlängerbar in dreimonatigen Etappen bis maximal 24 Monate, falls die Staatsanwaltschaft eine Erklärung zur Notwendigkeit abgibt. Insbesondere bei Inhaftierungen nach dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) kam es oft zu sehr langen, in einzelnen Fällen bis zu fast zwanzigjährigen Gefängnisaufenthalten ohne Urteil oder richterliche Entscheidung (AA 12.1.2020).

Im Rule of Law Index 2020 des World Justice Project (WJP) rangiert Sri Lanka auf Platz 66 von 128 Ländern (2017-18: Platz 59 von 113 Ländern), was eine Verschlechterung um zwei Plätze zum Ergebnis von 2019 bedeutet (WJP 27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018). In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land 2020 den Rang 99 von 128 Staaten ein (2018: Rang 91 von 113 Staaten) und in der Subskala Strafjustiz den Rang 65 von 128 Staaten (2018: Platz 53 von 113 Staaten) (WJP 27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig und untersteht dem Verteidigungsministerium. Das Militär ist für die äußere Sicherheit zuständig. Das Militär kann aufgefordert werden, speziell abgegrenzte Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen. Die fast 11.000 Mitglieder zählende paramilitärische Sondereinsatzgruppe [Specila Tasc Force, STF] ist eine dem Generalinspekteur der Polizei unterstellte Polizeieinheit, die gelegentlich Operationen zur inneren Sicherheit mit dem Militär koordiniert. Der Präsident handelt als Verteidigungsminister, aber der zivile Verteidigungssekretär hat die tägliche operative Verantwortung für das Heer (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung hat die vollständige Kontrolle über den gesamten Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) gewonnen (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 12.1.2020). Freie Meinungsäußerungen ist in jenen Teilen des Nordens, in denen die Sicherheitskräfte stark vertreten sind, eingeschränkter als in anderen Teilen des Landes. Offene Kritik am Militär bleibt selten (BTI 2020).

Polizei- und Sicherheitskräfte wenden gelegentlich missbräuchliche Praktiken, wie willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Vergewaltigung, Folter an. Von solchen Maßnahmen sind Tamilen unverhältnismäßig stark betroffen (FH 4.2.2020).

Opfer können Fälle direkt vor den Obersten Gerichtshof bringen, aber auch die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) und die Strafgerichte können Fälle untersuchen. Im April 2019 ernannte die Regierung fünf Beauftragte für das Amt für Wiedergutmachung, eine unabhängige Behörde, die durch das im Oktober 2018 verabschiedete, gleichlautende Gesetz geschaffen wurde. Das Büro hat den Auftrag, geschädigte Opfer, die für Reparationen in Frage kommen, zu ermitteln und einzeln oder kollektiv angemessene Entschädigungen zu leisten (USDOS 11.3.2020). Bedingt durch einen Arbeitsrückstand und Ressourcenmangel waren unabhängige Kommissionen langsam bei Untersuchungen zu behauptetem Fehlverhalten von Polizei und Militär (FH 2.2020).

Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupteten, dass die Regierung und die Gerichte zögern, gegen Sicherheitskräfte vorzugehen. Zwar leitete die Regierung Ermittlungen gegen einige Beamte ein, die im Verdacht stehen Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, doch gelang es nicht, Verurteilungen zu erwirken (USDOS 11.3.2020).

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Verbot der Folter ist in Art. 11 der Verfassung verankert. Internationalen Organisationen und Presseberichten zufolge war Folter durch Polizisten bis 2016 verbreitet (UN-Sonderberichterstatter über Folter Méndez nach seinem Besuch im April/Mai 2016 festgestellt und darauf hingewiesen, dass 90 Prozent der Verurteilungen in Sri Lanka aufgrund von Aussagen in Polizeigewahrsam erfolgten), um Geständnisse zu erpressen. Eine systematische Anwendung von Folter im Rahmen von Ermittlungen wurde aber nicht mehr beobachtet, auch wenn weiterhin einzelne Menschenrechtsvertreter im Norden und Osten gelegentlich überwacht und drangsaliert werden (AA 12.1.2020; vgl. AA 16.12.2017), jedoch berichtet die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (HRCSL), dass Folter im ganzen Land Routine ist und weiterhin angewandt wird. Berichte beziehen sich dabei auf Polizeibeamte, die angeblich Verdächtige "zusammenschlagen", um Geständnisse zu erhalten (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 12.1.2020, BTI 2020).

Das Gesetz macht Folter strafbar und schreibt eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als sieben Jahren und nicht mehr als zehn Jahren vor. Die Regierung unterhält einen Ausschuss zur Verhütung von Folter, der den Vorwurf der Folter prüft und vorbeugende Maßnahmen ergreift (USDOS 11.3.2020). Die gerichtliche Verfolgung von Folter ist mit enormen Zeit- und Geldaufwand für die Opfer verbunden, so dass in der Realität kaum ein Fall zur Anzeige kommt. HRW zufolge haben auch Fälle, die vor Gericht behandelt werden, auf Grund langer Verfahren, hoher Gerichtskosten und Einflussnahme durch die Polizei kaum eine Chance auf Verurteilung der Täter (AA 12.1.2020).

Polizei- und Militärkräfte setzten unter dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) Folter und sexuellen Missbrauch ein, um Geständnisse zu erwirken (USDOS 11.3.2020). Sri Lankas Verpflichtungserklärungen beim UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) im Jahre 2015, welche die Etablierung von Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Wiedergutmachungsmechanismen und Reformen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen abzielen, bleiben am Jahresende 2019 weitgehend unerfüllt (AI 30.1.2020).

Der PTA wurde 1979 als Reaktion auf separatistische Aufstände, insbesondere der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), erlassen und während der 26 Jahre des Bürgerkriegs weitreichend eingesetzt. Doch während andere Notfallregelungen mit dem Ende des Konflikts im Mai 2009 ausgelaufen sind, blieb der PTA in Kraft (HRW 29.1.2018). Das Gesetz zur Verhütung des Terrorismus (Prevention of Terrorism Act - PTA), eine der Hauptursachen für Menschenrechtsverletzungen, wurde nicht aufgehoben (AI 30.1.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Die Polizei darf körperlichen Zwang ausüben, um Aussagen zu erhalten. Gemäß PTA sind diese Aussagen grundsätzlich vollständig verwertbar (AA 12.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Der den PTA ablösende Counter Terrorism Act (CTA) wurde noch nicht verabschiedet (AA 12.1.2020).

Misshandlungen bei der Festnahme von Tatverdächtigen sowie in den Gefängnissen sind zwar verboten, kommen aber weiterhin vor (AA 12.1.2020).

Korruption

Es besteht die verbreitete Ansicht, dass Korruption nach wie vor in der Verwaltung präsent ist (BTI 2020; vgl. GW 18.12.2019). Die öffentlichen Beschaffungssysteme sind anfällig für Bestechung, und es gibt praktisch keine Rechenschaftspflicht der Amtsinhaber in Form von Vermögenserklärungen oder Regeln für Interessenkonflikte (BTI 2020). Gesetzlich sind Strafen für behördliche Korruption vorgesehen, doch die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um. Regierungsbeamte sind manchmal in korrupte Aktivitäten unter Straffreiheit involviert. Im Laufe des Jahres gab es zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz verpflichtet alle Kandidaten für Parlaments-, Kommunal-, Provinz- und Präsidentschaftswahlen, ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Parlamentspräsidenten zu erklären. Einige, aber nicht alle Kandidaten bei den Parlamentswahlen, haben ihre Finanzberichte vorgelegt. Die Behörden haben die Einhaltung nicht durchgesetzt. Nach dem Gesetz kann man gegen Zahlung einer Gebühr auf die Aufzeichnungen über das Vermögen und die Schulden der gewählten Amtsträger zugreifen (USDOS 11.3.2020).

Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Sri Lanka unter 180 Ländern und Territorien an 93. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100 (2018: 91/38) (TI 2020; vgl. TI 2017). In der Unterskala „Abwesenheit von Korruption“ des World Justice Project nimmt Sri Lanka 2020 Rang 61 von 128 Staaten (2018: 58/113) ein (WJP 27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018).

Im November 2019 verhaftete die Kommission zur Untersuchung von Bestechungs- oder Korruptionsvorwürfen 42 Personen wegen des Verdachts im Laufe des Jahres Bestechungsgelder angenommen oder bezahlt zu haben (USDOS 13.3.2020).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) arbeiten relativ frei, auch wenn Aktivisten, die sich mit heiklen Themen befassen - darunter Korruption, Menschenrechtsverletzungen aus der Kriegszeit und Vermisste - weiterhin über Überwachung, Belästigung und Einschüchterung durch die Sicherheitskräfte berichten (ÖB 9.2019; vgl. DFAT 4.11.2019). Diese Überwachungsmaßnahmen ereignen sich vor allem im Norden und Osten, aber auch anderorts (DFAT 4.11.2019). Eine 2016 durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass das Vertrauen gegenüber NGOs bei der tamilischen Minderheit (über 73 Prozent) und den Muslimen (65 Prozent) viel größer ist als bei der singhalesischen Mehrheit (35,3 Prozent) (BTI 2020). Seit November 2019 ist das Verteidigungsministerium als Aufsichtsorgan für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eingesetzt worden. Durch diese Maßnahme steigt die Gefahr einer Überwachung für die NGOs. Von mehr als einem Dutzend NGOs und Medienorganisationen werden Einschüchterungsbesuche durch Strafverfolgungsbehörden und den Geheimdiensten gemeldet (AI 28.2.2020).

Tamilische Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten berichteten darüber hinaus weiterhin von Belästigungen durch Strafverfolgungsbeamte. Menschenrechtsaktivisten im Norden und Osten berichten, dass Interaktionen mit der Polizei oft mit sexueller Erniedrigung einhergehen (ÖB 9.2019). Nachrichtendienste haben begonnen, Finanz- und Verwaltungsaufzeichnungen von NGOs der vergangenen fünf Jahre, sowie Einzelheiten von Finanzierungen durch ausländische Geldgeber ins Visier zu nehmen. Aktivisten befürchten, dass die Behörden Fehler in der Buchführung als Vorwand für das Einstellen von Tätigkeiten der betroffenen NGOs oder für Strafanzeigen geltend machen werden (HRW 3.3.2020).

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte sind in der sri-lankischen Verfassung geschützt. Sri Lanka hat zudem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert (AA 12.1.2020).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsverletzungen durch Regierungsstellen gehören unrechtmäßige Tötungen, Folter, sexueller Missbrauch, willkürliche Verhaftungen, langwierige Inhaftierungen, fehlende Rückgabe von Eigentum durch das Militär sowie Überwachung und Belästigung von zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Journalisten und Blockaden sozialer Medien, Korruption, Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle (LGBTI) Personen und die Kriminalisierung gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens (USDOS 11.3.2020).

Die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) hat das Recht, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die HRCSL nimmt Beschwerden entgegen, kann aber auch selbständig Untersuchungen einleiten. Nachdem eine Anschuldigung vorgebracht wurde, macht die HRCSL einen Vorschlag zur finanziellen Entschädigung des Opfers und leitet den Fall zur Vollziehung disziplinärer Maßnahmen weiter und/oder übergibt ihn an den Generalstaatsanwalt zur weiteren Strafverfolgung. Wenn die Regierung einem HRCSL-Antrag nicht nachkommt, kann die HRCSL den Fall an den Obersten Gerichtshof verweisen. Die HRCSL hat per Gesetz weitreichende Befugnisse und Ressourcen und kann nicht als Zeuge vor Gericht geladen oder wegen seiner Amtspflichten verklagt werden. Die HRCSL arbeitete in der Regel unabhängig und ohne Einmischung der Regierung. Die HRCSL erhielt bis November 2019 zahlreiche Beschwerden über willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, ein Abschlussbericht steht jedoch noch aus (USDOS 11.3.2020).

Einige tamilische Politiker und lokale Menschenrechtsaktivisten bezeichnen mutmaßliche ehemalige LTTE-Kämpfer, denen terrorismusbezogene Gewaltverbrechen zur Last gelegt werden, als "politische Gefangene". NGOs berichten, dass die Behörden mehr als 130 politische Gefangene im Land festhalten. Die Regierung hat keine politischen Gefangenen anerkannt und darauf bestanden, dass diese Personen wegen krimineller Handlungen inhaftiert wurden. Die Regierung erlaubte der HRCSL, Richtern und dem Board of Prison Visits Zugang zu den Gefangenen und erlaubte dem IKRK, die Haftbedingungen zu überwachen. Die Behörden gewährten Rechtsberatern nur unregelmäßigen Zugang (USDOS 11.3.2020).

Als Folge dess Bürgerkrieges mit den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gelten schätzungsweise noch 20.000 Menschen als verschwunden (IPS 30.4.2018). Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Behörde für vermisste Personen (Office of Missing Persons, OMP), die mit der Untersuchung solcher Fälle beauftragt ist (IPS 30.4.2018). Das OMP eröffnete 2019 drei Regionalbüros in Mannar, Matara und Jaffna und setzt seine Bemühungen um die Familien der Vermissten und Verschwundenen fort (USDOS 11.3.2020). Dennoch wurden die von Sri Lanka im Jahr 2015 eingegangenen Verpflichtungen zur Schaffung von Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Wiedergutmachungsmechanismen und zu Reformen zur Verhinderung, dass sich diese Verbrechen wiederholen, bis Ende des Jahres 2019 nicht umgesetzt (AI 30.1.2020). Die Regierung hat keinen Mechanismus eingeführt, um Angehörige des Militär- und der Sicherheitskräfte, die Gräueltaten während des Bürgerkrieges von 1983 bis 2009 beschuldigt werden, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 11.3.2020).

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor, und die Regierung hat diese Rechte im Allgemeinen respektiert (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2020). Auf dem World Press Freedom Index 2020 der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ belegt Sri Lanka Platz 127 von 180 Ländern, eine Verschlechterung um einen Rang im Vergleich zu 2019 (RwB 2020).

Zwar kontrolliert der Staat einige wichtige Medien, doch gibt es Spielraum für Meinungsvielfalt. Die Opposition hat zwar nur begrenzten Zugang zu den staatlichen Medien, nichtstaatlich kontrollierte Medien stehen der Regierung jedoch oft offen kritisch gegenüber (BTI 2020).

Unabhängigen Medien sind aktiv und äußern sich sehr unterschiedlich. Journalisten im tamilischen Norden und Osten berichteten jedoch von Schikanen, Einschüchterungen und Einmischungen durch den Sicherheitsapparat, wenn sie über sensible Themen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg oder seinen Folgen berichteten. Journalisten berichten, dass das Militär sie kontaktiert habe, um Kopien von Fotos, Listen der Teilnehmer an Veranstaltungen und Namen von Quellen aus Artikeln anzufordern und ersuchte, nicht über Themen wie tamilische Kriegsdenkmäler oder Proteste gegen die Landbesetzung zu berichten (USDOS 11.3.2020).

Über Fälle von Einschüchterungen von Journalisten, wie auch deren Familien und Medienvertreter im Jahr 2019 wird berichtet (AI 16.1.2020). Journalisten berichten von Anrufen von Anhängern der Regierung, in denen sie aufgefordert wurden, alles zu unterlassen, was ein negatives Licht auf die Regierungspartei oder die Oppositionspolitiker wirft (USDOS 11.3.2020).

In den letzten zwei Jahren hat die Medienfreiheit zugenommen und die zunehmende Verbreitung elektronischer Geräte hat zu einem Wachstum der sozialen Medien geführt (BTI 2020). Es gab keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht. Die Regierung erlässt begrenzte Beschränkungen für Webseiten, die sie als pornografisch einstuft. Nach den Angriffen am Ostersonntag verhängte die Regierung ein vorübergehendes Verbot für mehrere soziale Medienplattformen, darunter Facebook, WhatsApp und Instagram. Das neuntägige Verbot sozialer Medien wurde am 13. Mai 2019 nach anti-muslimischen Unruhen kurzzeitig wieder verhängt (USDOS 811.3.2020).

In einer am 1.4.2019 erlassenen Anordnung wird die Polizei angewiesen, Personen, die Amtsträger in ihrer Dienstverrichtung mit Bezug auf Maßnahmen zur Verbreitung der COVID-19 Pandemie „kritisieren“ oder „falsche“, wie auch „bösartige“ Nachrichten zur Pandemie weitergeben, zu verhaften. Seit der am 20. März 2019 verhängten landesweiten Ausgangssperre wurden mehr als 10.000 Menschen verhaftet (HRW 3.4.2020).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Freiheiten der friedlichen Versammlung und der Vereinigung sind gesetzlich garantiert. Sie werden von der Regierung im Allgemeinen respektiert. Diese Rechte wurden aber in einer begrenzten Anzahl von Fällen durch die Regierung 2019 eingeschränkt (USDOS 11.3.2020). Auch erlaubt die Verfassung die Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Interesse der religiösen Harmonie, der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit oder Moral, im Interesse der Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer oder im Interesse des allgemeinen Wohlergehens der demokratischen Gesellschaft (USDOS 11.3.2020).

Nach Artikel 77(1) der Polizeiverordnung müssen Demonstrationen bei der örtlichen Polizei genehmigt werden. Die nach den Angriffen am Ostersonntag vom 22.4. bis zum 23.8.2019 geltenden Notstandsverordnungen räumten den Sicherheitsdiensten weitreichende Befugnisse ein, u.a. Verdächtige ohne Gerichtsbeschluss bis zu 90 Tage lang festzuhalten und zu vernehmen. Im Rahmen des Notstands führte die Regierung nächtliche Ausgangssperren ein, beschränkte die Bewegungsfreiheit und gestattete dem Präsidenten, öffentliche Versammlungen zu verbieten (USDOS 11.3.2020).

Unter der Regierung von Mahinda Rajapaksa vor 2015 wurden unerwünschte Veranstaltungen von NGOs entweder verboten oder verhindert, indem Störer – hier kamen regelmäßig radikal-nationalistische buddhistische Mönche zum Einsatz – nicht zurückgehalten wurden. Nach Anfang 2015 sind Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit grundsätzlich nicht mehr eingeschränkt (AA 12.1.2020). Oppositionsparteien und regierungskritische Gruppen der Zivilgesellschaft agieren relativ offen (BTI 2020).

Nationale und internationale Menschenrechtsgruppen agieren in der Regel ohne staatliche Einschränkung und untersuchten und veröffentlichten ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte waren einigermaßen entgegenkommend gegenüber ihren Ansichten (USDOS 11.3.2020). Infolge von Ausschreitungen im Bezirk Kandy wurden im März 2018 Ausgangssperren und Einschränkungen, wie auch Blockaden der sozialen Medien im Rahmen des Ausnahmezustands verhängt. Ähnliche Maßnahmen ergriff die Regierung unter Wickremesinghe nach den Anschlägen am 21.4. 2019 und den lokalen Unruhen in der Nordwestprovinz Mitte Mai 2019 (AA 12.1.2020).

Vereinigungsfreiheit ist durch das Gesetz garantiert. Eine Verbindung zu, oder eine Mitgliedschaft bei einer verbotenen Organisation wird jedoch kriminalisiert. Das Gesetz sieht das Recht der Arbeitnehmer vor, Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. Davon ausgenommen sind Angehörige der Streitkräfte, Polizisten, Justiz- und Gefängnisbeamte (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz erkennt das Streikrecht zwar nicht ausdrücklich an, aber die Gerichte haben ein implizites Streikrecht auf der Grundlage der Gewerkschaftsverordnung und des Arbeitskonfliktgesetzes anerkannt (USDOS 11.3.2020). Dennoch kommt es Berichten zu Folge zu Vorfällen, bei denen der Staat zur Unterdrückung friedlicher Proteste zur Abschreckung Einschüchterungsmaßnahme eingesetzt hat (CPA 2.2020).

Gemäß den Notfallregelungen der Verordnung über die öffentliche Sicherheit hat der Präsident einen weit gefassten Ermessensspielraum, um Sektoren als „wesentlich“ für die nationale Sicherheit, das Leben der Gemeinschaft oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu erklären und damit die Rechte der Arbeiter, legale Streiks durchzuführen, zu widerrufen. Mit dem Essential Public Services Act von 1979 kann der Präsidenten auch „Dienstleistungen“ von Regierungsstellen als „wesentliche“ öffentliche Dienstleistungen deklarieren. 2018 und 2019 beispielsweise berief sich die Regierung auf den Essential Public Services Act, um die sri-lankische Eisenbahn und den Erdölsektor zu wesentlichen Sektoren zu erklären, und somit streikende Gewerkschaftsmitglieder zur Rückkehr an ihren Arbeitsplatz zu zwingen (USDOS 11.3.2020).

Haftbedingungen

Mit Dezember 2018 befanden sich rund 23.355 Personen in Haft (2017: 20.598), was einer Rate von 105 Häftlingen auf 100.000 Einwohner entspricht (2017: 94). Der Prozentsatz von Untersuchungshäftlingen lag bei 60,2 Prozent aller Insassen (2017: 53,4 Prozent). 4,9 Prozent der Häftlinge waren zur Jahresmitte 2018 Frauen, 0,1 Prozent waren Jugendliche unter 18 Jahren (ICPR 2018; vgl. ICPR 2017, WPB 2019).

Offiziellen Statistiken zufolge übersteigt die Zahl der Gefangenen die Kapazität der Gefängnisse zwischen 50 und fast 64 Prozent (2013: 190,6 Prozent). Schätzungen zufolge wartet mehr als die Hälfte der Gefängnisinsassen jahrelang auf ihren Prozess (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 4.11.2019; vgl. WPB 2020). In einigen Fällen werden Jugendliche und Erwachsenen zusammen untergebracht. Untersuchungshäftlinge sind oft nicht von verurteilten Straftätern getrennt inhaftiert (USDOS 11.3.2020). In den Gefängnissen soll es zu Misshandlungen und Folter kommen (DFAT 4.11.2020). Die Haftbedingungen sind schlecht und entsprechen aufgrund mangelnder sanitärer Einrichtungen und starker Überbelegung nicht internationalen Standards. In vielen Gefängnissen schlafen Insassen auf Betonböden und es mangelt ihnen an natürlichem Licht und ausreichender Belüftung (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 4.11.2019).

Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist ausreichend, die Bewegungsmöglichkeiten für Gefangene erscheinen relativ gut (viel Freigang, soweit keine Verurteilung zur Todesstrafe). In minder schweren Fällen können sich Gefangene bei Hinterlegung einer Sicherheitsleistung frei im Land bewegen. Zwangsarbeit ist in Sri Lanka kaum verbreitet (AA 12.1.2020).

Einige der größeren Gefängnisse verfügten über eigene Krankenhäuser. Meist existiert jedoch nur eine medizinische Abteilung. Häftlinge kleinerer Gefängnisse, die medizinisch versorgt werden mussten, werden zur Behandlung in das nächstgelegene Krankenhaus transferiert (USDOS 11.3.2020).

Die Haftbedingungen für politische Straftäter waren und sind noch immer etwas härter, seit Anfang 2015 aber verbessert (AA 12.1.2020).

Die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (Human Rights Commission of Sri Lanka, HRCSL) prüft Haftbeschwerden und leitet sie bei Bedarf an die zuständigen Behörden weiter. Die HRCSL berichtete, dass es einige glaubwürdige Behauptungen über Misshandlungen von Gefangenen erhalten habe, das Ministerium für Gefängnisreformen jedoch berichtete, keine Beschwerden erhalten zu haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat ebenfalls ein Mandat zur Überwachung der Haftbedingungen. 2019 führte das HRCSL eine nationale Studie über Gefängnisse durch und besuchte 20 Gefängnisse im ganzen Land. Zum Jahresende lag kein Bericht vor (USDOS 11.3.2020).

Willkürliche Verhaftungen sind gesetzlich verboten und jeder Person hat das Recht die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Dennoch gab es weiterhin Berichte über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen im November 2019 zahlreiche Beschwerden wegen willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen. Die Polizei hält Häftlinge manchmal ohne Kontakt zur Außenwelt fest, und Rechtsanwälte müssen eine Erlaubnis beantragen, um sich mit Klienten zu treffen, wobei die Polizei bei solchen Zusammenkünften häufig anwesend ist. In einigen Fällen umfassten die unrechtmäßigen Festnahmen Berichten zufolge auch Verhöre mit Misshandlung oder Folter (USDOS 11.3.2020).

Todesstrafe

Die Todesstrafe wird weiterhin verhängt, seit 1976 aber nicht mehr vollstreckt (CLS 2020; vgl. FAZ 6.2.2019; AFP 7.2.2019, Himal 28.9.2018), wobei kein offizielles Moratorium existent ist (Himal 28.9.2018). Die Todesstrafe ist in Sri Lanka für zahlreiche Verbrechen im Strafgesetzbuch definiert (Himal 28.9.2018) und wird für Mord, Vergewaltigung und Drogendelikte häufig verhängt (AA 12.2.2020; vgl. AFP 7.2.2019).

Seit Mitte Juli 2018 sprach sich Sri Lankas ehemaliger Präsident Sirisena angesichts der Häufung von schweren Drogendelikten dafür aus, die Todesstrafe in besonders schweren Fällen wieder zu vollziehen (AA 12.1.2020; vgl. Guardian 7.2.2019). 2018 waren insgesamt 1.299 zum Tode verurteilte Personen inhaftiert, darunter 84 Frauen (Guardian 7.2.2019). 48 Personen wurden wegen Drogenvergehen zum Tode verurteilt (Guardian 14.2.2019). Sri Lanka stimmte aber am 17.12.2018 bei der Generalversammlung der VN für das „Moratorium on the use of the death penalty“. Seine Aussage zur Todesstrafe bekräftigte der ehemalige Präsident erneut im Juni 2019 und nannte dabei vier konkrete Fälle von kommerziellen Drogendealern, bei denen die Todesstrafe vollstreckt werden sollte. Der Supreme Court in Sri Lanka blockiert jedoch auch in diesen Fällen die Vollstreckung. Alle im Parlament vertretenen Parteien haben sich zudem gegen die Initiative des ehemaligen Präsidenten ausgesprochen (AA 12.1.2020). 2019 wurden in mindestens 34 Fällen die Todesstrafe ausgesprochen. Zum Jahresende 2019 wurde die Anzahl der zum Tode verurteilten Personen in Sri Lanka auf mehr als 1.000 beziffert (AI 4.2020).

Religionsfreiheit

Die in Sri Lanka vertretenen Religionen sind Buddhismus (70,2 Prozent), Hinduismus (12,6 Prozent), Muslime (9,7 Prozent), Christen (4 Prozent) und Sonstige (0.05 Prozent) - (CIA 16.4.2020; vgl. AA 12.1.2020, USDOS 21.6.2019).

Das Gesetz erkennt vier Religionen an: Buddhismus, Islam, Hinduismus und Christentum (USDOS 21.6.2019). Die sri-lankische Verfassung gibt keine Staatsreligion vor und garantiert Religionsfreiheit, weist aber dem Buddhismus eine herausgehobene Rolle zu. Die Religionen begegnen sich in Sri Lanka traditionell mit Respekt und Toleranz. Nach den Terroranschlägen auf Kirchen und Hotels durch islamische Extremisten zu Ostern 2019 hat sich allerdings eine skeptische Grundstimmung gegen die muslimische Minderheit entwickelt, die zeitweise zu einem informellen Boykott muslimischer Geschäfte führte (AA 12.1.2020). Die erfolgten islamistischen Angriffe vom April 2019 verschärfen die bestehenden kommunalen Bruchlinien zwischen der buddhistischen Mehrheit Sri Lankas und der muslimischen Minderheit (GW 18.12.2019). Übergriffe radikaler buddhistisch-nationalistischer Gruppierungen auf Minderheiten sind immer wieder öffentlich bemerkbar. Dabei werden insbesondere seit den Terroranschlägen Muslime mit rassistisch-aggressiver Rhetorik angegriffen (AA 12.1.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Die Behörden schränkten "Hassrede", einschließlich der Beleidigung von Religion oder religiösen Überzeugungen durch die Polizeiverordnung und das Strafgesetzbuch ein (USDOS 11.3.2020).

Rechtliche Einschränkungen für andere Religionen oder Ideologien, einschließlich der Freiheit zum Religionsübertritt, gibt es nicht (AA 12.1.2020). Religiöse Gruppen müssen sich registrieren, um die Genehmigung zum Bau neuer Gotteshäuser zu erhalten. Eine Registrierung als Treuhandgesellschaft, Verein oder NGO ist notwendig, um finanzielle Transaktionen durchführen, ein Bankkonto eröffnen oder Eigentum besitzen zu können. Religiöse Organisationen können auch durch ein vom Parlament mit einfacher Mehrheit verabschiedetes Gesetz staatliche Anerkennung und die Erlaubnis zum Betrieb von Schulen beantragen (USDOS 21.6.2019).

Nach den Bombenanschlägen am Ostersonntag 2019 erließ die Regierung Anordnungen, die Gesichtsbedeckungen verbieten, insbesondere die Schleier, die einige muslimische Frauen tragen. Nach dieser Anordnung sahen sich muslimische Frauen, auch solche, die andere Formen der Kleidung wie Kopftücher und Abayas trugen, am Arbeitsplatz und an öffentlichen Orten Schikanen ausgesetzt. Einigen wurde der Zugang zu öffentlichen Diensten wie Schulen, Krankenhäusern und Universitäten verweigert (HRW 14.1.2020).

Ethnische Minderheiten

Nach dem 14. Zensus im Jahr 2011/2012 stellen die Singhalesen mit 74,9 Prozent die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von 11,2 Prozent Tamilen, 4,2 Prozent sog. Indian Tamils (Einwanderung während der britischen Kolonialzeit als Plantagenarbeiter) und 9,2 Prozent sog. Moors muslimischen Glaubens (AA 12.1.2020; vgl. CIA 16.4.2020).

Es gibt keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis. Allerdings gibt es weiterhin soziale Missstände insbesondere im Norden und Osten des Landes, die vom Bürgerkrieg am stärksten betroffen waren (AA 12.1.2020). Der Zugang zu öffentlichen Diensten ist nach geltendem Recht für alle gleich. In der Praxis bestehen jedoch Ungleichheiten. Während Nicht-Singhalesen während der Kolonialzeit einen bevorzugten Zugang zu wirtschaftlichen, bildungspolitischen und politischen Möglichkeiten genossen, verfolgten die Regierungen nach der Unabhängigkeit eine Politik, die darauf abzielte, Singhalesen zu begünstigen. Dies führte in der postkolonialen Zeit zu einer Umkehrung der horizontalen Ungleichheitsmuster der Kolonialzeit. Fast drei Jahrzehnte Bürgerkrieg vergrößerten die Kluft zwischen tamilischen Hindus und buddhistischen Singhalesen weiter (BTI 2020). So ist die soziokulturelle Struktur des politischen Lebens in erster Linie durch die Werte der singhalesischen (ganz überwiegend theravada-buddhistischen) Mehrheit bestimmt. Darüber hinaus lebt im Land eine große Minderheit von Tamilen sowie Christen und Muslime. Nach wie vor ist die Innenpolitik vom Bürgerkrieg (1983 – 2009) zwischen der tamilischen Separatistenorganisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) und der Regierung geprägt (AA 6.3.2020a).

Singhalesisch und Tamilisch sind Amtssprachen in Sri Lanka (CIA 16.4.2020).

Tamilen

Über 26 Jahre lang haben sich die Armee der singhalesischen Regierung und separatistische Tamilen-Rebellen einen blutigen Bürgerkrieg geliefert, von dem sich das Land bis heute noch nicht erholt hat. Die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) kämpften darin für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden der Insel. Die LTTE verübte hunderte Selbstmordanschläge im ganzen Land und führte Zwangsrekrutierungen von Kindern durch. Von der Armee wiederum wurden großflächig die Tamilen-Gebiete im Norden bombardiert. Geschätzte 100.000 Menschen kamen während des Konflikts ums Leben (DP 22.4.2019).

Zwar gab es gegenüber den Tamilen im Norden und Osten seit Amtsantritt des ehemaligen Präsidenten Sirisena am 9.1.2015 keine direkten staatlichen Repressionen mehr (AA 12.1.2020), doch kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu blutiger Gewalt radikaler Buddhisten gegen Muslime. So gingen singhalesische Schlägertrupps Anfang 2018 in der Touristenregion rund um Kandy im Zentrum des Landes gegen Muslime vor und zerstörten ihre Geschäfte, verprügelten Händler und griffen Moscheen an. Die Regierung sah sich angesichts der Gewalt schließlich gezwungen, für begrenzte Zeit den Notstand auszurufen (DP 22.4.2019).

Im ganzen Land, besonders im Norden und Osten, berichteten Tamilen, insbesondere Aktivisten und ehemalige oder mutmaßliche ehemalige LTTE-Mitglieder, von ethnischem Profiling, Überwachung und Belästigung durch Sicherheitskräfte (AI 22.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). Sowohl lokale als auch indischstämmige Tamilen behaupteten, dass sie in den Bereichen Hochschulbildung, Regierungsbeschäftigung, Wohnen, Gesundheitswesen, Sprachgesetze und Verfahren zur Einbürgerung von Nichtbürgern seit langem systematisch diskriminiert werden (USDOS 11.3.2020).

Die Landrückgabe wird fortgesetzt. Insgesamt hat das Militär laut Regierung 92 Prozent des einst besetzten Landes an Zivilisten zurückgegeben (AA 12.1.2020). Die Tamilische Nationale Allianz und das Verteidigungsministerium hielten 2019 einen 2017 eingeleiteten formellen Dialog über die Rückgabe von Militärgebieten in den nördlichen und östlichen Provinzen aufrecht (USDOS 11.3.2020).

Es gibt eine Reihe von Ministerien und präsidentiell ernannte Gremien, die sich mit den sozialen und entwicklungspolitischen Bedürfnissen der tamilischen Minderheit befassen sollen. Die Regierung hat eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen ergriffen, um Beschwerden der tamilischen Gemeinschaft zu begegnen (USDOS 11.3.2020).

Das vom Präsidenten im Jahr 2016 eingerichtete Büro für nationale Einheit und Versöhnung koordinierte weiterhin die Versöhnungsbemühungen der Regierung. Das Büro konzentriert sich auf die Förderung der sozialen Integration zum Aufbau einer integrativen Gesellschaft, die Sicherung der Sprachrechte für alle Bürger, die Unterstützung eines Heilungsprozesses innerhalb der vom Krieg betroffenen Gemeinden durch die von der Regierung vorgeschlagene Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung und Nichtwiederholung der Gewalt (USDOS 11.3.2020).

[…]

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Obwohl rechtlich und in der Religion gleichgestellt, sind Frauen gegenüber Männern benachteiligt. Die Erwerbsquote der sri-lankischen Frauen im Alter von 15 Jahren und älter lag sowohl 2015 als auch 2016 bei 36 Prozent (Männer: 75 Prozent) (AA 12.1.2020; vgl. BTI 2020). Im Gender Inequality Index liegt Sri Lanka auf Platz 76 von 187 Ländern, im World Economic Forum Global Gender Gap Report 2018 auf Platz 109 von 144 Staaten (AA 12.1.2020).

Es gibt keine gesetzliche Einschränkung der Beteiligung von Frauen oder Angehörigen von Minderheiten am politischen Prozess (USDOS 11.3.2020). Der Anteil von Frauen in hohen politischen Ämtern ist allgemein gering (AA 12.1.2020).

Geschlechtsspezifische Normen und andere Hindernisse für das Engagement von Frauen in Gesellschaft und Wirtschaft bedeuten, dass sri-lankische Frauen im Erwerbsleben und im Parlament deutlich unterrepräsentiert sind und in informellen, gering qualifizierten und schlecht bezahlten Berufen überrepräsentiert bleiben (DFAT 4.11.2019). Die allgemein gültigen Gesetze diskriminieren nicht. Allerdings gibt es vor allem auf der Jaffna-Halbinsel und in muslimischen Gemeinden (Ostküste) weiterhin kulturelle Bräuche („personal laws“), die von den Angehörigen der Gemeinschaft als verbindlich angesehen werden und Frauen diskriminieren. Es ist davon auszugehen, dass es Fälle von Genitalverstümmelung in muslimisch-dominierten Kreisen Sri Lankas gibt. In den Medien wurde über Versuche berichtet, zwischen der religiös gebotenen Beschneidung und der verbotenen Verstümmelung zu unterscheiden (AA 12.1.2020).

Gewalt gegen Frauen, vor allem häusliche Gewalt, ist in ganz Sri Lanka verbreitet (AA 12.1.2020). Das Gesetz verbietet Vergewaltigung und häusliche Gewalt, aber die Durchsetzung des Gesetzes war uneinheitlich. Vergewaltigung in der Ehe ist nur verboten, wenn die Eheleute rechtlich getrennt sind (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 9.2019). Seit 2005 gibt es ein Gesetz, das häusliche Gewalt ächtet und betroffenen Frauen Beratungsmöglichkeiten eröffnet (AA 12.1.2020). Opfer können für ein Jahr Schutz erhalten und eine Unterhaltsbeihilfe beantragen (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 9.2019). Trotzdem bleibt häusliche Gewalt ein großes Problem, von dem neben Frauen auch Kinder betroffen sind. Das Thema ist in Sri Lanka weitg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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