Entscheidungsdatum
24.02.2021Norm
ASGG §32 Z2Spruch
W208 2228941-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch CELAR, SENONER, WEBER-WILFERT Rechtsanwälte GmbH, Mariahilferstraße 88a, 1070 WIEN, gegen die Bescheide der Präsidentin des Arbeits- und Sozialgerichtes WIEN, vom 19.12.2019, GZ 22 Cga 136/18g und 15 Cga 51/19g, wegen Laienrichtergebühren zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 32 Z 2 ASGG mit der Maßgabe stattgegeben, dass die zwei Bescheide vom 19.12.2019 jeweils dahingehend abgeändert werden, dass dem Beschwerdeführer als Entschädigung für Zeitversäumnis Gebühren iHv je € 49,70 (insgesamt € 99,40) zugesprochen werden. Im Übrigen wird die Beschwerde hinsichtlich der Geltendmachung von Reisekosten gemäß § 7 GebAG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) wurde zu den vor dem Arbeits- und Sozialgericht (in der Folge: ASG) geführten Verfahren am 10.09.2019 zu 22 Cga 136/18g und am 17.09.2019 zu 15 Cga 51/19g jeweils als Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgebervertreter geladen und war dafür am 10.09.2019 von 13:00 Uhr bis 17:25 Uhr und am 17.09.2019 von 13:00 Uhr bis 17:35 Uhr am ASG anwesend.
In der Folge machte der BF für beide Verhandlungen jeweils am 18.09.2019 fristgerecht Reisekosten für die Benützung der Öffentlichen Verkehrsmittel iHv jeweils € 2,40, sowie Kosten für Entschädigung von Zeitversäumnis iHv jeweils 7 Stunden zu je € 7,10 nach § 32 Z 2 ASGG geltend und legte zwei entwertete Fahrscheine der Wiener Linien vom 10.09.2019 (37. Woche, Montag) und vom 17.09.2020 (38. Woche, Dienstag) sowie ein Schreiben vom 18.09.2019 der Wiener Linien über die Kündigung der Jahreskarte, aus welchem ein Laufzeitende der Jahreskarte mit 30.09.2019, hervorgeht.
2. Mit den beschwerdegegenständlichen Bescheiden der Präsidentin des ASG (beide vom 19.12.2019) wurden die oben genannten Anträge des BF vom 18.09.2019 auf Ersatz von Reisekosten sowie Entschädigung für Zeitversäumnis für die Teilnahme des BF als Laienrichter an den Verhandlungen am 10.09.2019 zu 22 Cga 136/18g und am 17.09.2019 zu 15 Cga 51/19g abgewiesen.
Begründend wurde hinsichtlich des Reisekostenersatzes Folgendes ausgeführt: Sofern Anspruch auf freie oder ermäßigte Beförderung bestehe, könne keine oder nur die entsprechend ermäßigte Fahrpreisvergütung verlangt werden. Überdies könnten bei Besitz einer Wochen-, Monats- oder Jahreskarte für die Hin- und Rückreise keine Reisekosten vergütet werden (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, 2018, § 7 GebAG). Weiters wurde auf ein Schreiben eines Präsidialrichters, gerichtet „an alle Laienrichter“ hingewiesen, wonach ab 01.05.2019 nur mehr die tatsächlich entstandenen Reisekosten gemäß § 7 GebAG vergütet werden könnten. Überdies wurde ausgeführt, dass laut einem Vermerk vom 20.09.2019, der BF auf den Ersatz von Reisekosten (Fahrscheine innerhalb Wien) verzichtet hätte.
Hinsichtlich des mangelnden Zuspruches der Entschädigung für Zeitversäumnis führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen Folgendes aus: Auch ein fachkundiger Laienrichter habe Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis. Diese sei entsprechend den für Zeugen geltenden Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes zu vergüten. Die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 1 GebAG gebühre nur dann, wenn der Zeuge einen Vermögensnachteil erleide. Der Verlust von Freizeit sei kein Vermögennachteil. Da sich der BF bereits in Pension befinde und Pensionisten oder Urlauber grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis haben, war diese nicht zuzuerkennen.
3. Gegen diese Bescheide (beide zugestellt am 23.01.2020) richtet sich die am 17.02.2020 eingebrachte Beschwerde des BF.
Begründend wird darin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Es sei richtig, dass er eine Jahreskarte besessen habe und diese am 18.09.2019 zum 30.09.2019 aufgekündigt habe. Diese Jahreskarte habe er ausschließlich für Fahrten zum und vom ASG verwendet. Da er Pensionist sei, habe eine Jahreskarte sonst keinen Sinn für ihn. Seine Erledigungen würde er mit seinem PKW, dem E-Bike und dem E-Scooter bewerkstelligen. Er verlange daher, die ihm zustehenden Gebühren iHv € 91,20 zur Auszahlung zu bringen.
4. Mit Schreiben vom 19.02.2020, eingelangt am 25.02.2020, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG zur Entscheidung vor.
5. Mit Schreiben vom 08.11.2020 wurde sowohl der belangten Behörde als auch dem BF das bis dahin vorliegende Ermittlungsergebnis mitgeteilt und ihnen insbesondere aufgetragen, zu einem Vermerk vom 20.09.2019, wonach der BF auf den Ersatz von Reisekosten verzichtet hätte und Gebühren ausgezahlt worden seien, Stellung zu nehmen. Dafür wurde eine Frist von 2 Wochen ab Zustellung eingeräumt.
6. Am 20.11.2020 langte lediglich eine Stellungnahme des BF ein, in der Folgendes ausgeführt wurde: Der BF sei Laienrichter auf Arbeitgeberseite und habe in diesem Zusammenhang für zwei Verfahren zu 22 Cga 136/18g und 15 Cga/19g Gebühren iHv € 91,20 sowie den Ersatz der Fahrtkosten (2 Fahrscheine á € 2,40) beansprucht. Diesbezüglich sei festzuhalten, dass gemäß § 32 Z 1 ASGG fachkundige Laienrichter Anspruch auf Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten entsprechend den für Zeugen geltenden Bestimmungen des GebAG sowie zusätzlich Anspruch auf die Hälfte des im § 18 Abs 1 Z 1 GebAG jeweils genannten Bezugs unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensnachteils haben würden. Der BF sei zur Verhandlung zu 15 Cga/19g am 17.09.2019 sowie zu 22 Cga 136/18g am 10.09.2019 jeweils ab 13:00 Uhr als Laienrichter geladen gewesen und bis 17:25 Uhr bzw. 17:35 Uhr anwesend gewesen. Es seien von ihm zwei entwertete Fahrscheine der Wiener Linien vom 10.09.2019 vorgelegt worden und Fahrtkosten sowie die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 1 Z 1 GebAG beantragt worden. Auf einen Ersatz von Fahrtkosten habe der BF nicht verzichtet. In beiden Fällen habe der BF keine Jahreskarte, sondern lediglich zwei Einzelfahrscheine gehabt. Die Fahrtkosten seien somit wie in den bekämpften Bescheiden selbst dokumentiert, urkundlich nachgewiesen worden. Unrichtig sei, dass der BF auf den Ersatz von Reisekosten verzichtet hätte. Demgemäß seien beide angefochtenen Bescheide in keiner Weise nachvollziehbar, da dem BF die beantragten Gebühren sowie der Fahrtkostenersatz gesetzlich zustehen würden, er auf keiner dieser Ansprüche verzichtet habe und keine Grundlage für die Abweisung der beantragten Gebühren vorliege. Daher habe der BF in beiden Fällen keine Gebühren erhalten und würden ihm somit zwei Fahrscheine innerhalb von Wien iHv € 4,80 x 2 sowie für die Teilnahme von zwei sechsstündigen Verhandlungen eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß der Hälfte des in § 18 Abs 1 Z 1 GebAG genannten Betrages somit zweimal € 45,60 = € 91,20 zuzüglich der Fahrscheine daher in Summe ein Betrag iHv € 100,80 zustehen.
7. Das BVwG räumte in der Folge der belangten Behörde mit Schreiben vom 18.12.2020 ein neuerliches Parteiengehör ein und übermittelte ihr die Stellungnahme des BF zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme binnen 4 Wochen ab Zustellung. Diese Frist lies die belangte Behörde ebenfalls ungenutzt verstreichen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.
Insbesondere wird festgestellt:
Die Anwesenheit des BF als Laienrichter bei dem Verfahren vor dem ASG zu 22 Cga 136/18g war am 10.09.2019 von 13:00 Uhr bis 17:25 Uhr und bei dem Verfahren zu 15 Cga 51/19g am 17.09.2019 von 13:00 Uhr 17:35 Uhr erforderlich.
Der BF hat die durch seine dortige Funktion als Laienrichter sowohl am 10.09.2019 als auch am 17.09.2019 bedingte Reise von seiner Wohnadresse XXXX , XXXX zum ASG, XXXX , XXXX , die Öffentlichen Verkehrsmittel (Wiener Linien) benutzt und dafür pro Strecke eine Fahrtzeit von knapp einer Stunde aufgewendet. Er ist seine Reise damit sowohl am 10.09.2019 als auch am 17.09.2019 frühestens um 12:00 Uhr angetreten und ist spätestens um 19:00 Uhr zurückgekehrt.
Es wird daher festgestellt, dass er sowohl für die Teilnahme an der Verhandlung zu 22 Cga 136/18g am 10.09.2019 als auch für die Teilnahme an der Verhandlung zu 15 Cga 51/19g jeweils 7 Stunden Zeit aufgewandt hat.
Für seine An- und Abreise hat der BF die Öffentlichen Verkehrsmittel (Wiener Linien) benutzt. Er war bis inklusive 30.09.2019 in Besitz einer Jahreskarte für die Wiener Linien.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Die festgestellten Reisezeiten beruhen insbesondere auf den durchgeführten Abfragen in Google Maps durch die belangte Behörde und das BVwG, aus denen sich jeweils eine kürzeste Reisezeit von 52 Minuten, somit knapp eine Stunde, pro Strecke ergibt.
Dass der BF im Besitz einer bis 30.09.2019 gültigen Jahreskarte war, geht eindeutig aus dem im Akt aufliegenden Kündigungsschreiben der Wiener Linien vom 18.09.2019 hervor. Daran vermag auch die Vorlage entwerteter Einzeltickets für die Tage der zwei Verhandlungen nichts zu ändern. Wer mit diesen Tickets tatsächlich gefahren ist, ist vor diesem Hintergrund nicht entscheidend.
Das von der Behörde ins Treffen geführte Schreiben des Präsidialrichters „an alle Laienrichter“, wonach ab 01.05.2019 nur mehr die tatsächlich entstandenen Reisekosten gemäß § 7 GebAG vergütet werden könnten hebt lediglich die geltende Rechtslage hervor, weshalb mit dem Argument des BF, wonach er dieses nicht bekommen habe, nichts für ihn gewonnen ist.
Ebensowenig war der laut Aktenvermerk vom 20.09.2019 angeblich abgegebene und vom BF bestrittene Verzicht auf Ersatz der Reisekosten relevant, zumal wie später noch in der rechtlichen Beurteilung begründend ausgeführt, der BF keinen Anspruch auf Ersatz der Reisekosten hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, wobei kein Verbot einer „reformatio in peius“ besteht und kein Neuerungsverbot (vgl Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2; stRsp des VwGH, zB 29.06.2017, Ra 2017/16/0085 mwN). Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amtswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Das ist der Fall.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom 26.01.2012, 2009/09/0187 und in diesem Sinne wohl auch 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) ist nicht erforderlich. Die vorgelegten Verfahrensakten lassen nicht erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt ist bekannt.
Ein Entfall der Verhandlung widerspricht weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl 1958/210, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen (Auszug, Hervorhebung durch BVwG)
Die maßgebliche Bestimmung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz – ASGG lautet:
„Entschädigung
§ 32. Fachkundige Laienrichter haben Anspruch auf
1. Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten sowie auf Entschädigung für Zeitversäumnis entsprechend den für Zeugen geltenden Bestimmungen des GebAG 1975, BGBl. Nr. 136;
2. die Hälfte des im § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 jeweils genannten Betrags als Entschädigung für Zeitversäumnis unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensnachteils.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) lauten:
Reisekosten
§ 6. (1) Der Ersatz der notwendigen Reisekosten (§ 3 Abs. 1 Z 1) umfaßt die Kosten der Beförderung des Zeugen mit einem Massenbeförderungsmittel oder mit einem anderen Beförderungsmittel und die Entschädigung für zu Fuß zurückgelegte Wegstrecken (Kilometergeld); er bezieht sich, vorbehaltlich des § 4, auf die Strecke zwischen dem Ort der Vernehmung des Zeugen und seiner Wohnung oder Arbeitsstätte, je nachdem, wo der Zeuge die Reise antreten oder beenden muß.
[…]
Massenbeförderungsmittel
§ 7. (1) Massenbeförderungsmittel im Sinn des § 6 ist jedes Beförderungsmittel, das dem allgemeinen Verkehr zur gleichzeitigen Beförderung mehrerer Personen dient, die es unabhängig voneinander gegen Entrichtung eines allgemein festgesetzten Fahrpreises in Anspruch nehmen können.
(2) Führen verschiedene Massenbeförderungsmittel zum selben Ziel, so gebührt die Vergütung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, für dasjenige, dessen Benützung den geringeren Zeitaufwand erfordert.
(3) Der Fahrpreis ist nach den jeweils geltenden Tarifen zu vergüten; hierbei sind allgemeine Tarifermäßigungen maßgebend. Für Strecken, auf denen der Zeuge für seine Person zur freien Fahrt mit dem benützten Massenbeförderungsmittel berechtigt ist, gebührt keine, für solche Strecken, auf denen er zur ermäßigten Fahrt berechtigt ist, nur die Vergütung des ermäßigten Fahrpreises.
„Entschädigung für Zeitversäumnis
§ 17. Die Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 3 Abs. 1 Z 2) bezieht sich, vorbehaltlich des § 4, auf den Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muß.
Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis
§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1. 14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2. anstatt der Entschädigung nach Z 1
a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,
b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,
c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,
d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.
(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.“
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
3.3.1. Der BF moniert in seiner Beschwerde den mangelnden Zuspruch von Entschädigung für Zeitversäumnis und Reisekosen für die Teilnahme als Laienrichter an zwei Verhandlungen vor dem ASG am 10.09.2019 und am 17.09.2019.
Die belangte Behörde hat den mangelnden Zuspruch von Entschädigung für Zeitversäumnis damit begründet, dass der BF in Pension sei und daher keinen Vermögensnachteil erleiden könne. Die Reisekosten hätten aufgrund einer zum Zeitpunkt der Verhandlungen gültigen Jahreskarte der Wiener Linien nicht ersetzt werden können.
Die Zuerkennung der Gebühren für Laienrichter erfolgt nach § 32 ASGG:
Ziffer 1 leg cit verweist hinsichtlich des Anspruches der Laienrichter für den Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten sowie auf Entschädigung für Zeitversäumnis auf die für Zeugen geltenden Bestimmungen des GebAG 1975.
Ziffer 2 leg cit besagt zusätzlich, dass Laienrichter Anspruch auf die Hälfte des im § 18 Abs 1 Z 1 GebAG 1975 jeweils genannten Betrags als Entschädigung für Zeitversäumnis unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensnachteils haben.
3.3.2. Entschädigung für Zeitversäumnis
Der § 32 ASGG idgF zugrundeliegenden Regierungsvorlage, RV 1654 XVIII. GP, ist hinsichtlich der Entschädigung für Zeitversäumnis Folgendes zu entnehmen:
„Zur Z 12 (§ 32):
1. Vorausgeschickt sei, daß sich die fachkundigen Laienrichter nach dem ASGG von anderen Laienrichtern insbesondere dadurch unterscheiden, daß sie zum einen weit häufiger zu Gerichtsverfahren heranzuziehen sind sowie sie zum anderen keine Pflicht trifft, das Amt des (fachkundigen) Laienrichters zu übernehmen, und daß sie selbst nach ihrer Amtsübernahme sich jederzeit ihres Amtes ohne Angabe von Gründen wieder entheben lassen können.
2. Derzeit richtet sich der Anspruch der fachkundigen Laienrichter auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis im wesentlichen nach den Bestimmungen des GebAG 1975, BGBI. Nr. 136. Nur hinsichtlich der Höhe ist eine Abweichung dahingehend vorgesehen, daß sich der im § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 festgesetzte Betrag um die Hälfte erhöht. Dies wurde vorgesehen, um den fachkundigen Laienrichtern die Erfüllung ihrer Pflichten materiell zu erleichtern (vgl. AB 527 BlgNR XVI. GP.). Der Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis ist aber dem Grunde nach davon abhängig, daß der fachkundige Laienrichter durch die Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht im gerichtlichen Verfahren einen Vermögensnachteil erleidet; kann er einen solchen nicht nachweisen, so hat er überhaupt keinen Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis und somit auch nicht auf den erhöhten Betrag nach dem geltenden § 32 letzter Halbsatz ASGG; wie die Praxis zeigt, ist dies in vielen Fällen gegeben. Demgemäß kann sehr häufig dem Anliegen nicht Rechnung getragen werden, den fachkundigen Laienrichtern die Erfüllung ihrer Pflichten materiell zu erleichtern. Hiezu kommt, daß auch bei einem Fehlen eines Vermögensnachteils (eines Verdienst- bzw. Einkommensentgangs) die dem fachkundigen Laienrichter durch seine Anwesenheit bei Gericht zur Bewältigung seiner Arbeit an seinem Arbeitsplatz verloren gegangene Zeit von ihm wiederholt durch eine erheblich intensivere und damit höhere Arbeitsleistung wettgemacht werden muß. Um diesen Umständen Rechnung zu tragen und auch einen zusätzlichen Anreiz für die fachkundigen Laienrichter zu schaffen, trotz derartiger Belastungen an arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren mitzuwirken, wird vorgeschlagen, ihnen den bisher nach dem letzten Halbsatz des § 32 ASGG vorgesehenen Zuschlag auch unabhängig vom Nachweis eines Vermögensnachteils zu geben. Durch die Trennung der Z 1 und 2 soll demgemäß sichergestellt werden, daß einem fachkundigen Laienrichter der in der Z 2 in Verbindung mit dem § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 vorgesehene Betrag (derzeit 73,50 S) auch dann zusteht, wenn er keinen Anspruch auf eine Gebühr nach der Z 1 in Verbindung mit dem GebAG 1975 hat. Rechtsvergleichend sei bemerkt, daß auch nach dem § 2 des deutschen Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter, dBGBI. I 1969 S. 1753, den ehrenamtlichen Richtern nicht nur ein vom Verdienstausfall abhängiger Entschädigungsbetrag, sondern auch eine fixe Entschädigung gebührt.“
Schon dem Gesetzeswortlaut zur Folge steht fest, dass der Laienrichter für seine Tätigkeit Anspruch auf die Hälfte des im § 18 Abs 1 Z 1 GebAG jeweils genannten Betrages als Entschädigung für Zeitversäumnis unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensnachteils hat.
Mit Blick auf die Erläuterungen ist ebenfalls klargestellt, dass § 32 Z 2 ASGG geschaffen wurde, um sicherzustellen, dass fachkundige Laienrichter, die keinen Anspruch auf eine Gebühr nach der Z 1 in Verbindung mit § 18 GebAG geltend machen können, dennoch zumindest eine Gebühr in Form der Hälfte des in § 18 Abs 1 Z 1 GebAG genannten Betrages erhalten, auch um zusätzlichen Anreiz für die fachkundigen Laienrichter zu schaffen.
Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Begründung, wonach dem BF die Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zuzusprechen gewesen sei, da er aufgrund seiner Pensionierung keinen Vermögensnachteil erlitten habe, widerspricht somit vor dem Hintergrund obiger Ausführungen dem hier anzuwendenden § 32 Z 2 ASGG.
Da – wie oben festgestellt – der BF sowohl für die Verhandlung am 10.09.2019 als auch für die Verhandlung am 17.09.2019 jeweils 7 Stunden Zeitversäumnis zu verzeichnen hatte, sind ihm gemäß § 32 Z 2 ASGG für jeden der beiden Verhandlungstage 7 Stunden Zeitversäumnis zu je € 7,10, daher Gebühren iHv jeweils € 49,70, insgesamt daher ein Betrag von € 99,40, als Entschädigung für Zeitversäumnis zuzusprechen.
3.3.3. Reisekosten
Im gegenständlichen Fall hat der BF für die Anreise von seinem Wohnort zum Ort der Verhandlung sowohl am 10.09.2019 als auch am 17.09.2019 ein Massenbeförderungsmittel (die Wiener Linien) benutzt und hat hierfür Fahrtkosten iHv jeweils € 4,80 (Einzelticket pro Strecke iHv € 2,40), insgesamt € 9,60, geltend gemacht.
Gemäß § 7 Abs 3 zweiter Satz GebAG gebührt für Strecken, auf denen der Zeuge für seine Person zur freien Fahrt mit dem benützten Massenbeförderungsmittel berechtigt ist, keine, für solche Strecken, auf denen er zur ermäßigten Fahrt berechtigt ist, nur die Vergütung des ermäßigten Fahrpreises.
Kann der Zeuge eine Wochen-, Monats- oder Jahreskarte für die Fahrt zum Gericht und die Rückreise benützen, sind ihm keine Reisekosten zu vergüten (Anmerkung 6 zu § 7 GebAG in Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, 2018). Das BVwG teilte die Meinung der Kommentatoren, da nach § 6 Abs 1 GebAG nur „notwendige“ Reisekosten zuzusprechen sind und beim Vorliegen einer gültigen Jahreskarte auf den Namen des BF der Kauf eines Einzelfahrscheines nicht notwendig ist. Sofern der BF argumentiert er habe die Jahreskarte ausschließlich für die Fahrten zum ASG verwendet, ist ihm entgegen zu halten, dass dies nicht notwendig war, weil er ja für jede Fahrt zum ASG und zurück zu seinem Wohnort die Kosten für den Einzelfahrschein rückvergütet erhalten hätte.
Da der BF zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Verhandlungen in Besitz einer gültigen Jahreskarte der Wiener Linien gewesen ist, konnten ihm - wie von der belangten Behörde zutreffend erkannt - keine Reisekosten für die Einzelfahrscheine für die Fahrten mit den Wiener Linien zugesprochen werden.
3.3.4. Da den angefochtenen Bescheiden in Ausmaß des Punktes 3.3.2. eine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG anhaftet, ist der Beschwerde mit der im Spruch genannten Maßgabe stattzugeben. Hinsichtlich der Reisekosten ist die Beschwerde gemäß § 7 GebAG hingegen abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt zwar soweit ersichtlich keine Rechtsprechung des VwGH vor, die Formulierungen des § 32 Z 2 ASGG und des § 7 Abs 3 GebAG sind aber unmissverständlich und klar, weshalb nach ständiger Rechtsprechung des VwGH trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des VwGH zu einer konkreten Fallgestaltung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegt (vgl zB VwGH 01.09.2015, Ra 2015/08/0093).
Schlagworte
Bescheidabänderung Maßgabe Massenbeförderungsmittel Pensionierung Reisekosten Richter Teilstattgebung Vermögensnachteil ZeitversäumnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2228941.1.00Im RIS seit
18.05.2021Zuletzt aktualisiert am
18.05.2021