TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/25 W124 2110850-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2021
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Entscheidungsdatum

25.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W124 2110850-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Demokratische Republik Kongo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 10 Abs. 3, 56 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52 Abs. 3 und Abs. 9, 53 Abs. 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

III. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat:

„Gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 2 FPG beträgt die Frist zur freiwilligen Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz

Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX erfolgte ihre Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In weiterer Folge wurde sie am XXXX vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Demokratische Republik Kongo (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde ihr nicht erteilt. Gegen sie wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG ihre Abschiebung nach § 46 FPG in die Demokratische Republik Kongo zulässig ist. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

Nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit dem am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. XXXX , mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. zu lauten hat „Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt“.

Der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom XXXX , XXXX , die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Behandlung der Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom XXXX , XXXX , abgelehnt und gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Der gegen das Erkenntnis vom XXXX erhobenen außerordentlichen Revision wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX , die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , XXXX , wurde die außerordentliche Revision zurückgewiesen.

2. Verfahren über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG

2.1. Vorverfahren

2.1.1. Am XXXX stellte die BF schriftlich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die BF halte sich seit sechs Jahren im Bundesgebiet auf. Ihr Aufenthalt sei länger als drei Jahre rechtmäßig gewesen. Sie verfüge über ausgezeichnete Deutschkenntnisse und habe Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfolgreich abgelegt. Die BF sei arbeitswillig und arbeitsfähig. Im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels werde sie keine Belastung der Gebietskörperschaft sein. Ihren Lebensunterhalt erwirtschafte sie durch den Verkauf von Straßenzeitungen. In Österreich habe sie vielfältige Kontakte und die Unterstützung ihrer Freunde. Ferner sei sie unbescholten. Bei einem derart langen Aufenthalt sei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes überdies grundsätzlich von einer Integration in Österreich auszugehen. Die Geburtsurkunde der BF liege dem Bundesamt bereits vor. Allerdings sei sie ohne Reisedokumente nach Österreich gelangt und habe keine Möglichkeit, sich ein entsprechendes Dokument über die Botschaft zu besorgen, weshalb hiermit der Antrag auf Heilung des Mangels gestellt werde.

Dem Antrag wurden folgende verfahrensrelevante Unterlagen in Kopie beigelegt:

?        ÖSD Zertifikat A2 vom XXXX ;

?        Bestätigung der Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs vom XXXX ;

?        eine auf die Dauer von drei Jahren befristete Mietvereinbarung über ein Zimmer in der Größe von rund 15 m² unter Vereinbarung eines Mietzinses in Höhe von € 250 ,-- , unterfertigt am XXXX .

2.1.2. Am XXXX erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt, im Rahmen welcher der BF eine Frist bis zum XXXX gesetzt wurde, um die Beantragung eines Reisedokumentes nachzuweisen und zu dem ihr in der Einvernahme ausgehändigten Länderinformationsblatt betreffend die Demokratische Republik Kongo Stellung zu beziehen.

Im Zuge der Einvernahme führte die BF an, vom Verein „ XXXX “ vertreten zu werden. Seit ihrer Einreise im Jahr XXXX habe sie Österreich nicht mehr verlassen. Sie lebe in einer Wohngemeinschaft für drei Personen, bestreite ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Zeitungen und werde von Freunden unterstützt. Sonstige Einnahmemöglichkeiten habe sie nicht. Ihr durchschnittliches Einkommen betrage € 400 ,--. Manchmal, etwa zu Weihnachten, bekomme sie € 500 ,--. Die BF zahle keine Steuern, sie verfüge jedoch seit XXXX über eine Sozialversicherung und zahle die Beträge selbst ein. Der Beitrag koste € 42 ,--. Für die Wohnung bezahle sie aktuell € 240 ,-- . Wenn sie den „Bescheid“ bekomme, wolle sie als Putzfrau arbeiten oder in einem Restaurant helfen. Ihr Traum sei es, eine kleine Schneiderei aufzumachen. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich habe sie nicht. Vor circa zwei Wochen habe sie einen entfernt verwandten Cousin getroffen. Zu ihrer Familie im Herkunftsstaat pflege sie ein- bis zweimal im Monat Kontakt. Wenn sie den Aufenthaltstitel erhalte und ausreichend Geld gespart habe, wolle sie in den Kongo fliegen und ihre Kinder nach Österreich bringen. In den Kongo würde sie deshalb fliegen, weil sie in die Demokratische Republik Kongo nicht reisen könne, zumal sie dort festgenommen werde.

Folgende Unterlagen wurden in der Einvernahme in Vorlage gebracht:

?        Bestätigung vom XXXX über die Teilnahme an einem Sprachcafé;

?        Bestätigung vom XXXX über die Teilnahme an Deutschkursen;

?        Nachweis vom XXXX über die freiwillige Teilnahme an dem Gartenprojekt der Caritas im Zeitraum von XXXX bis XXXX ;

?        Verkaufsbedingungen für die Straßenzeitung „ XXXX “, unterfertigt am XXXX , sowie Verkäuferausweis der „ XXXX “ mit Gültigkeit für das Jahr 2020.

2.1.3. Mit Schreiben vom XXXX wurde der Behörde mitgeteilt, dass die BF auf eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen verzichte. Ferner wurde angemerkt, dass ihre Kinder bereits volljährig seien. Ihr sei klar, dass sie ihre Kinder nicht nach Österreich holen könne. Allerdings würde sie ihre Kinder gerne in Brazzaville besuchen, da die Demokratische Republik Kongo für sie noch immer gefährlich sei.

Beiliegend wurden folgende Unterlagen in Kopie vorgelegt:

?        Bestätigung des Honorarkonsulats der Demokratischen Republik Kongo vom XXXX , in welchem festgehalten wird, dass das Honorarkonsulat keine Amtsbefugnis für die Beglaubigung von Urkunden habe. Ferner bestehe keine Passbefugnis und keine Visabefungis. Das Konsulat könne keine Dokumente ausstellen, entgegennehmen oder weiterleiten;

?        eine auf drei Jahre befristete Mietvereinbarung über ein Zimmer in der Größe von 17 m² unter Vereinbarung eines Mietzinses in Höhe von € 240 ,-- inklusive Betriebskosten, unterfertigt am XXXX .

2.1.4. Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 56 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach § 46 FPG in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Gegen die BF wurde unter Spruchpunkt V. ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde.

2.1.5. Mit Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes vom XXXX , XXXX , wurde der Antrag auf Mängelheilung vom XXXX gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter den Spruchpunkten II bis VII. wurde der Spruch des Bescheids vom XXXX wiederholt.

Am XXXX stellte die BF fristgerecht einen Vorlageantrag. Die Beschwerdevorlage langte daraufhin am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2.1.6. Mit Schreiben vom XXXX , XXXX sowie vom XXXX legte die BF im Wege ihrer Vertretung folgende Unterlagen (in Kopie) vor:

?        Schreiben von XXXX vom XXXX , wonach diese die BF im Fall der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung als Haushälterin und Kindermädchen auf geringfügiger Basis anstellen werde. Innerhalb des nächsten Jahres sei zudem die Eröffnung einer Wahlarztpraxis für ästhetische Eingriffe geplant und sei prinzipiell eine Weiteranstellung als Reinigungskraft möglich;

?        Empfehlungsschreiben vom XXXX , wonach die BF diverse Näharbeiten erledige, Bekannten im Haushalt sowie bei der Kinderbetreuung helfe und ehrenamtliche Tätigkeiten, wie etwa in der Gärtnerei der Caritas und in der evangelischen Pfarre in XXXX , verrichte. Ferner habe sie für ein Kindertheater Kostüme genäht. Im Fall ihres Verbleibes könne die BF durch den Verkauf von Zeitungen, der Verrichtung von Näharbeiten, Reinigungsarbeiten sowie durch Kinderbetreuung ihren Lebensunterhalt sichern;

?        Bestätigung vom XXXX über die Teilnahme am Deutschkurses B1;

?        Schreiben einer evangelischen Pfarrgemeinde vom XXXX , wonach die BF Teil der Gemeinde sei, die Gottesdienste mit Gesang und Tanz bereichere und für kirchliche Veranstaltungen und Feste backe;

?        Unterstützungsschreiben vom XXXX , wonach die BF an verschiedenen sozialen Aktivitäten teilnehme und gerne im Tourismusbereich arbeiten oder Familien im Haushalt unterstützen wolle;

?        Empfehlungsschreiben vom XXXX sowie vom XXXX ;

?        Schreiben des „ XXXX “, Herausgabe und Vertrieb der Straßenzeitung „ XXXX “, vom XXXX , wonach die Teilnahme am Straßenverkauf von Zeitungen für alle Menschen offen sei, die sich legal in Österreich aufhalten würden und arbeiten dürften. Die BF verfüge aufgrund ihres unklaren Aufenthaltsstatus aktuell über keinen „ XXXX . Verkäuferausweis“, könne ihre Tätigkeit aber wiederaufnehmen, sobald ihr Aufenthaltsstatus geklärt sei und sie die genannten Voraussetzungen erfülle. Ferner sei mit einem Kooperationspartner angedacht gewesen, dass die BF Mundnasenschutzmasken oder Taschen fertigen könne. Auch diese Option stehe im Raum, wenn der Aufenthaltstitel geklärt sei.

2.1.7. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, im Zuge welcher die BF sowie eine Zeugin betreffend die Möglichkeit der Ausstellung eines Reisepasses der Demokratischen Republik Kongo befragt wurden. In der Folge wurde festgehalten, die BF habe Empfehlungsschreiben und eine Bestätigung vorgelegt, aus welchen zusammengefasst hervorgehe, dass sie als Straßenverkäuferin bzw. geringfügig als Reinigungskraft arbeiten könne. Zur Frage, ob sie noch sonstige integrative Schritte vorweisen könne, führte sie an, sie habe noch ein Zeugnis auf dem Niveau A2. Zu ihrer Familie führte sie an, ihr Ehemann und ihre Kinder würden sich nach wie vor im Herkunftsstaat befinden, wobei ihre erste Tochter verschwunden sei. Der Kontakt zu ihrer Familie sei aufrecht. Ergänzend wolle sie nichts angaben.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX nach Durchführung der mündlichen Verhandlung stattgegeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids dahingehend geändert, dass dieser zu lauten hat: „Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm §§ 8 Abs. 1 Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 wird dem Antrag auf Heilung stattgegeben und die Heilung des Mangels, nämlich die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments zugelassen.“ Die Spruchpunkte II., III. IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids wurden ersatzlos behoben.

2.2. Gegenständliches Verfahren

2.2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach § 46 FPG in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gegen die BF wurde unter Spruchpunkt IV. ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

Festgestellt wurde im Wesentlichen, dass die BF Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo sei und am XXXX unrechtmäßig in Österreich eingereist sei. Ihr Asylverfahren sei in zweiter Instanz am XXXX [gemeint wohl am XXXX ] rechtskräftig abgeschlossen worden. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sei abgelehnt und die außerordentliche Revision vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen worden. Die BF sei ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen und halte sich unrechtmäßig in Österreich auf. Sie sei nach dem FPG bestraft worden. Die BF habe ein Zeugnis zur Integrationsprüfung des ÖIF für das Sprachniveau A2 vorgelegt, jedoch habe sie keine geregelten Einkünfte und habe den Nachweis des gesicherten Unterhalts nicht erbringen können. Sie leide weder an schweren körperlichen noch an psychischen Beeinträchtigungen, welche einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden. Auf den Seiten 10 bis 40 des angefochtenen Bescheids wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in der Demokratischen Republik Kongo getroffen.

Beweiswürdigend wurde hinsichtlich der Gründe für die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG festgehalten, die BF habe den Nachweis eines gesicherten Lebensunterhalts nicht erbracht. Die von ihr angeführte Tätigkeit als Zeitungsverkäuferin sei aufgrund ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes von ihrem Arbeitgeber unterbunden worden. Im Übrigen wäre diese aufgrund des geringen Einkommens von circa € 400 ,-- nicht geeignet gewesen, um einen gesicherten Unterhalt nachzuweisen. Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, aus der Aktenlage gehe hervor, dass mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX die gegen sie erlassene Rückkehrentscheidung bestätigt worden sei. Die Behandlung der daraufhin beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde sei mit Beschluss vom XXXX abgelehnt worden und sei die Revision an den Verwaltungsgerichtshof am XXXX zurückgewiesen worden. Die BF weigere sich bis dato beharrlich, der Entscheidung der Behörde bzw. der Gerichte nachzukommen, und habe versucht, ihren Aufenthalt im Nachhinein zu legalisieren. Aufgrund dieser fortgesetzten Missachtung der österreichischen Einreise und Aufenthaltsgesetze sei die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit weiterhin gegeben. Am XXXX sei gegen sie eine Strafverfügung wegen eines Verstoßes gemäß § 121 Abs. 1a iVm § 57 FPG erlassen worden. Überdies sei sie nicht in der Lage, die Mittel für ihren Unterhalt nachzuweisen.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. erwogen, der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG sei abzuweisen, da sie die Erteilungsvoraussetzungen des § 60 AsylG bzw. des § 8 ASylG-DV nicht erfülle. Sie habe nicht nachweisen können, dass ihr Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde. In Bezug auf Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass eine Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf Familienleben begründe. Zudem sei das Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich nur schwach ausgeprägt. Bereits vom Bundesverwaltungsgericht sei eine umfassende Interessensabwägung durchgeführt worden. Eine Neubeurteilung im Sinne des Art. 8 EMRK erachte die Behörde als nicht erforderlich, da sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt seither nicht geändert habe. Lediglich der Aufenthalt habe sich verlängert, was jedoch auf ihren unrechtmäßigen Verbleib im Bundesgebiet zurückzuführen sei. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei sohin gemäß § 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG zulässig. Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass sich weder aus dem Vorbringen der BF noch aus den aktuellen Länderberichten Anhaltspunkte ergeben würden, dass einer Abschiebung der BF in die Demokratische Republik Kongo Hindernisse iSd § 50 FPG entgegenstünden und habe sich auch insoweit der maßgebliche Sachverhalt seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX nicht geändert. Zu Spruchpunkt IV. wurde rechtlich ausgeführt, dass mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden könne. Im gegenständlichen Fall seien die Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 3 und Z 6 FPG erfüllt, da die BF eine Verwaltungsstrafe nach dem FPG erhalten habe und überdies mittellos sei. Hinzu komme, dass sie nach rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben sei. Aufgrund ihres Fehlverhaltens falle die Zukunftsprognose zu Lasten der BF aus. Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung geprüft, verfüge die BF über keine privaten und familiären Anknüpfungspunkte, welche einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Folglich sei auch davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Einreiseverbots aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung das persönliche Interesse der BF überwiege. Eine Gesamtbeurteilung ihres Verhaltens, der Lebensumstände und ihrer privaten sowie familiären Beziehungen ergebe, dass die Erlassung des Einreiseverbots in der Dauer von einem Jahr gerechtfertigt sei. Zu Spruchpunkt V. wurde ferner ausgeführt, dass gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen sei, da die sofortige Ausreise der BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Folglich sei eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht zu gewähren gewesen.

2.2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung und führte begründend im Wesentlichen aus, sie habe in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX mehrere Arbeitszusagen vorgelegt, nämlich als Zeitungsverkäuferin, Näherin, Reinigungskraft und als Kinderbetreuerin. Das Bundesamt habe nach der Behebung des ersten Bescheides keine weitere Einvernahme mehr durchgeführt und sei es der BF nicht möglich gewesen, dies auch dem Bundesamt vorzulegen. Das Bundesamt habe den Bescheid bereits vor Zustellung der gekürzten Ausfertigung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts ausgefertigt, ohne ein vorheriges Parteiengehör einzuräumen, weshalb die Beschwerdeführerin besagte Arbeitszusagen auch nicht schriftlich vorgelegt habe. Feststehe, dass die BF über ein großes soziales Netzwerk in Österreich verfüge, welches ihr immer bei der Integration behilflich gewesen sei und auch in Zukunft behilflich sein werde. Es sei auf jenes soziale Netzwerk zurückzuführen, dass die BF über mehrere Arbeitszusagen verfüge und damit mit Sicherheit keine Last für eine Gebietskörperschaft werde. Sie sei bereits seit über fünf Jahren im Bundesgebiet aufhältig, erfülle Modul 1 der Integrationsvereinbarung und habe sich ausgezeichnet integriert. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG würden sohin vorliegen. Sie habe sich ein umfangreiches Netz an sozialen und beruflichen Kontakten aufgebaut, was vom Bundesamt nicht bestritten, jedoch auch keiner besonderen Würdigung unterzogen worden sei. Die BF sei einer legalen Arbeit nachgegangen, beziehe seit über einem Jahr keine Grundversorgung mehr und habe sich mit der Hilfe von Freunden und Bekannten selbst versorgen können. Während ihrer Tätigkeit als Zeitungsverkäuferin habe sie auch Versicherungsbeiträge eingezahlt, was verdeutliche, dass sie sich an die Rechtsordnung halten wolle und für sich selbst sorgen könne. Sie werde mit Sicherheit keine Belastung der Gebietskörperschaft sein.

Die BF habe in der Einvernahme vor dem Bundesamt ihren weiteren Lebensplan und ihre Pläne betreffend eine legale Arbeit erklärt. Das Einreiseverbot sei jedenfalls überzogen. Es beziehe sich auf eine Entscheidung, der erst mit XXXX –also mit zweijähriger Verspätung – die Rechtskraft zugekommen sei. Dass die Beschwerdeführerin ihrer Wohnsitzauflage, in einem Container am Flughafen zu wohnen, nicht nachgekommen sei, sei wohl verständlich, da ihr Verfahren noch für ein weiteres Jahr beim Verwaltungsgericht anhängig gewesen sei und ihrer Beschwerde im XXXX vom Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Sie habe eine Strafe von € 100 ,-- in Kauf genommen und diese auch bezahlt, um eine Traumatisierung durch die Wohnsituation am Flughafen zu vermeiden. Dies stelle keine ausreichende Begründung für die Verhängung eines Einreiseverbotes dar. Infolge des Regierungswechsels sowie der COVID-19-Pandemie sei das Container-Lager am Flughafen Wien-Schwechat zudem geschlossen worden. Hinzuweisen sei auch darauf, dass dies das einzige Vergehen der BF gewesen sei und auch lediglich die Mindeststrafe verhängt worden sei.

Ausgeführt wurde weiter, dass die Demokratische Republik Kongo den Platz 142 von 144 beim Gender Inequality Index belege und für alleinstehende Frauen ein grausames und gefährliches Land sei. Dies gehe aus den Länderinformationen des Bundesamtes hervor. Die Rückkehr mit einem lapidaren Verweis auf eben jene Länderinformationen zu begründen, stelle einen groben Begründungsmangel dar. Die BF habe ihre Familie im Herkunftsstaat mit ihren Einkünften als Zeitungsverkäuferin versorgt. Sie habe aktuell nicht viel Kontakt mit ihrer Familie, zumal sie sich schäme, sie nicht hinreichend finanziell unterstützen zu können.

Abschließend wurde festgehalten, die BF habe diverse Unterlagen vorgelegt, welche eine maßgebliche Änderung ihres Privat- und Familienlebens in Österreich begründen würden. Weshalb die nunmehr gesetzten Integrationsschritte weniger wertvoll als während eines laufenden Asylverfahrens gesetzte Integrationsschritte seien, sei nicht erklärlich. Die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei zudem keiner adäquaten und aktuellen Beurteilung unterzogen worden. Die Behörde habe sohin den angefochtenen Bescheid mit Willkür belastet.

2.2.3. Die Beschwerdevorlage langte am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet

1.1.1. Die BF, eine Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, hält sich seither durchgehend in Österreich auf und verfügt seit XXXX über einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde ihr Antrag mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht Erkenntnis vom XXXX abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof erkannte der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde zunächst die aufschiebende Wirkung zu, lehnte die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluss vom XXXX ab und trat die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ab. Der außerordentlichen Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht in der Folge die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom XXXX wurde die außerordentliche Revision zurückgewiesen.

Am XXXX stellte die BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG.

1.1.2. Die BF verfügt über ein ÖSD-Zertifikat A2 vom XXXX und hat einen Werte- und Orientierungskurs absolviert. Derzeit besucht sie einen Deutschkurs für das Sprachniveau B1.

Bis zum XXXX ist die BF als Asylwerberin bzw. Flüchtling zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Seit dem XXXX ist sie zur Sozialversicherung der Selbstständigen gemeldet.

Sie lebt mit zwei weiteren Personen in einer Wohngemeinschaft. Die Kosten für das von ihr gemietete Zimmer (Mietzins und Betriebskosten) belaufen sich auf € 240 ,-- pro Monat.

Die BF hat im Jahr 2019 eine Tätigkeit als Straßenzeitungsverkäuferin aufgenommen und hat hierdurch ein durchschnittliches monatliches Einkommen von rund € 400 ,-- erzielt. In manchen Monaten, insbesondere zur Weihnachtszeit, hat sie bis zu € 500 ,-- verdient. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes hat sie zusätzlich zu ihrem Einkommen Zuwendungen von ihrem Freundes- und Bekanntenkreis erhalten. Aktuell geht die BF keiner Erwerbstätigkeit nach, da der Verkauf der Straßenzeitung an die Bedingung eines rechtmäßigen Aufenthalts geknüpft ist. Sie hat keine Vermögenswerte, mit welchen sie ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten könnte. Leistungen aus der Grundversorgung bezieht die BF aktuell nicht.

Sie verfügt über eine durch die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aufschiebend bedingte Einstellungszusage als Haushaltskraft und Kindermädchen auf geringfügiger Basis. Ferner besteht für sie die Möglichkeit im Fall eines rechtmäßigen Aufenthalts weiter einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Straßenzeitungsverkäuferin nachzugehen. Eine Aussicht auf die Ausübung einer sonstigen Erwerbstätigkeit, mit welcher sie ihren Lebensunterhalt finanzieren könnte, hat die BF in absehbarer Zeit nicht.

Es ist zu prognostizieren, dass der weitere Aufenthalt der BF zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen wird.

1.1.3. Die BF lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Gemeinschaft. Sie hat in Österreich oder einem anderen Staat Europas keine nahen Angehörigen.

Während ihres Aufenthalts in Österreich hat sie sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, hat ein Sprachcafé besucht und an ehrenamtlichen Tätigkeiten, wie beispielsweise einem Gartenprojekt der Caritas, teilgenommen. Ferner engagiert sie sich aktiv in einer evangelischen Pfarrgemeinde.

Die BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Mit Strafverfügung vom XXXX wurde gegen sie jedoch eine Verwaltungsstrafe in Höhe von € 100 ,-- verhängt, da sie gegen eine mit Bescheid angeordnete Wohnsitzauflage verstoßen hat.

1.2. Zur Situation der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat

1.2.1. Zur individuellen Situation der BF

Es besteht kein reales Risiko, dass die BF im Fall einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo unmittelbar in eine existenzgefährdende Notlage oder eine lebensbedrohliche oder sonst schwerwiegend kritische Gesundheitslage geraten würde oder ihr in diesem Fall die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in der Demokratischen Republik Kongo eine mit Todesstrafe bedrohte strafbehördliche Verfolgung droht.

Die BF gehört der Volksgruppe der Muwungani an, bekennt sich zum christlichen Glauben und ist volljährig, gesund sowie erwerbsfähig. Sie hat im Herkunftsstaat die Grundschule besucht und eine Ausbildung zur Schneiderin absolviert. Neben ihrer Erstsprache Lingala beherrscht sie auch Französisch. Ihr Ehemann und vier ihrer Kinder leben nach wie vor in Kinshasa.

Die BF wird im Fall ihrer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.2.2. Zur allgemeinen Situation in der Demokratischen Republik Kongo

[…]

KI vom 9.12.2019: Unruhen in Ost-Kongo - Angriffe von ADF Rebellen, Abzug von Ebola-Helfern und Proteste gegen UN-Blauhelme im Osten des Landes(betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage / Abschnitt 17/Medizinische Versorgung).

Das Klima im östlichen Teil der Demokratischen Republik Kongo ist nach wie vor äußerst angespannt (VN 2.12.2019). Anlass der Unruhen war ein Angriff von Rebellen am Wochenende, vom 23. auf den 24.11.2019, bei dem acht Menschen getötet und neun Bewohner der Stadt Beni entführt wurden (DW 26.11.2019a; vgl NZZ 25.11.2019). Für die nächtlichen Attacke in Beni soll die aus dem benachbarten Uganda vorstoßenden islamistische Miliz, Alliierte Demokratische Kräfte (ADF), verantwortlich sein. Im Osten des Landes treiben bis zu 160 verschiedene Rebellen-Gruppen ihr Unwesen (NZZ 25.11.2019). Im instabilen Ost-Kongo geht es bei den Kämpfen der Milizen meist um die Kontrolle über Gebiete und deren Bodenschätze wie Gold oder Kobalt (DW 26.11.2019a).

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Jean-Pierre Lacroix, besuchte am 30.11.2019 Béni, wo seit dem 5.11.2019 mehr als 100 Zivilisten von bewaffneten Gruppen getötet wurden (JA 30.11.2019; vgl JA 27.11.2019), und mehr als 1000 seit 2014 (JA 1.12.2019); gemäß Amnesty International wurden allein in Beni mindestens 2.000 Menschen von Rebellen getötet (DW 26.11.2019; vgl. NZZ 25.11.2019). Mindestens 14 Personen wurden am 29.11.2019, bei einem erneuten Angriff nördlich von Beni getötet (JA 1.12.2019). Der Besuch von Jean-Pierre Lacroix fällt in eine Zeit, in der der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Mandat der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo bis Ende Dezember 2019 verlängern soll (JA 30.11.2019).

Die kongolesische Armee (FARDC) hat Anfang November 2019 eine Großoffensive gegen die Rebellengruppe gestartet, da es immer wieder zu Morden durch die Allied Democratic Forces (ADF) im Umland von Oicha kommt (TAZ 28.11.2019). Die Tötung von Zivilisten ist nach Ansicht von Experten eine Vergeltung der ADF für laufende militärische Operationen in der Region (JA 1.12.2019). Am Montag, den 25.11.2019, kündigte die kongolesische Armee (FARDC) gemeinsame Operationen mit den UN-Friedenstruppen MONUSCO an (TAZ 28.11.2019).

Proteste und Gewalt in der Region richten sich vor allem auch gegen die UN-Blauhelme (DW 26.11.2019b). Die Demonstranten verurteilen die Untätigkeit der Behörden und der UN-Friedenstruppe MONUSCO (VN 2.12.2019; vgl. JA 27.11.2019) und stürmten und plünderten am 25.11.2019 das Rathaus und einen Stützpunkt der UN-Friedenstruppen in der Stadt Beni (NZZ 25.11.2019; vgl. DW 26.11.2019). Zudem wurden beide Gebäude in Brand gesetzt (DW 25.11.2019; vgl NZZ 25.11.2019). Die Polizei ging gewaltsam gegen die Demonstranten vor, dabei kamen zwei Menschen ums Leben. Eine unbekannte Anzahl wurde verletzt. (NZZ 25.11.2019; vgl. DW 26.11.2019). Die MONUSCO-Friedenstruppe räumte indirekt ihr Versagen ein und meint weiters, dass sie ohne Aufforderung seitens der Regierung nicht aktiv werden könne (DW 25.11.2019; vgl NZZ 25.11.2019). Die MONUSCO steht wegen ihrer hohen Kosten und geringen Effizienz in der Kritik. In einer Untersuchung von 2018 warfen Ermittler der UNO der seit 1999 in der Demokratischen Republik Kongo stationierten Blauhelm-Mission Führungsprobleme und Mängel in der Ausbildung vor (DW 25.11.2019; vgl. NZZ 25.11.2019). Die Vereinten Nationen sind seit 20 Jahren in der Demokratischen Republik Kongo präsent und haben mit 16.000 Soldaten und einem Jahresbudget von mehr als einer Milliarde Dollar (Zahlen für 2018) eine ihrer wichtigsten Missionen weltweit (JA 30.11.2019).

In der Nacht vom 26. auf den 27.11.2019 wurden 27 Zivilisten von mutmaßlichen Rebellen der ADF (Allied Democratic Forces) im Dorf Maleki 13 Kilometer außerhalb der Stadt Oicha getötet (JA 27.11.2019; vgl. TAZ 28.11.2019). Die ADF ist seit einem Vierteljahrhundert in diesen Wäldern präsent, sie ist sehr mobil, bewegt sich nachts und kennt die Gegend. Die Lage wird dadurch verkompliziert, dass lokale Milizen, genannt Mai-Mai, versuchen, auf eigene Faust die ADF von der Zivilbevölkerung fernzuhalten und sich auch mit der Armee anlegen. Eine Mai-Mai-Miliz unter dem Kommando von Kyantenga hält seit September 2019 die Region um Samboko besetzt. Die Mai-Mai Miliz hat bereits eine Polizeiwache in Brand gesetzt und Häuser geplündert. Allerdings bleibt unklar, wer genau die Täter der Massaker rund um Oicha waren (TAZ 28.11.2019).

Ebenso unklar bleibt, wer die medizinische Hilfskräfte in der Region angreift. In der Nacht auf den 28.11.2019 wurden zeitgleich Ebola-Hilfskräfte in Benis Stadtvierteln Mangina und Byakato angegriffen. In Byakato wurden drei Ebola-Hilfskräfte getötet, drei verletzt und vier sind verschwunden. Zelte und Autos wurden angezündet (TAZ 28.11.2019). Nach den Angriffen stellten die Hilfskräfte ihre Arbeit vor Ort teilweise ein. In einer Klinik von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Beni werden zwar weiterhin Ebola-Patienten behandelt, das Personal wurde aber aus Sicherheitsgründen reduziert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ebenfalls aus Sicherheitsgründen 49 Mitarbeiter aus Beni abgezogen. Insgesamt sind 120 WHO-Mitarbeiter im Einsatz. Die Kinderhilfsorganisation World Vision hat nach eigenen Angaben ihre Arbeit in Beni einstweilen komplett eingestellt (DW 26.11.2019b).

Seit mehr als einem Jahr wütet in der Region eine Ebola-Epidemie [vgl. KI vom 12.11.2019]. Im Kongo kommt zudem ein Ausbruch der Masern dazu, seit Anfang des Jahres sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) daran mehr als 5100 Menschen gestorben (DW 26.11.2019a).

[…]

KI vom 12.11.2019: Fortschritte beim Kampf gegen Ebola (betrifft: Abschnitt 17/Medizinische Versorgung).

Der seit 1. 8.2018 anhaltende Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo hat seinen Mittelpunkt im Nordosten des Landes, in den Provinzen Nordkivu und Ituri (MSF 5.11.2019). Seit dem Frühsommer 2018 infizierten sich nach Regierungsangaben mehr als 3.200 Menschen, mehr als 2.100 kamen ums Leben (NZZ 18.10.2019; vgl. WHO 9.11.2019).

In den ersten acht Monaten der Epidemie bis März 2019 wurden in der betroffenen Region mehr als 1.000 Fälle von Ebola gemeldet. Zwischen April und Juni 2019 hat sich diese Zahl noch verdoppelt (MSF 5.11.2019). Im April 2019 lag die Anzahl der pro Woche gemeldeten Neuerkrankungen im Durchschnitt bei 120 (NZZ 18.10.2019; vgl. WHO 9.11.2019); zwischen Anfang Juni und Anfang August 2019 zwischen 75 und 100 pro Woche. Seit August 2019 ist diese Rate langsam zurückgegangen und betrug im Durchschnitt immer noch knapp 50 pro Woche (MSF 5.11.2019; vgl. WHO 9.11.2019).

Die Zahl der neuen Fälle ist zuletzt auf 15 pro Woche zurückgegangen (NZZ 18.10.2019; vgl. WHO 9.11.2019). Mitte Oktober 2019 entschied die Weltgesundheitsorganisation (WHO) trotz der Fortschritte, die Situation weiterhin als „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ einzustufen. Die WHO folgte damit dem Rat eines unabhängigen Expertengremiums, das die Lage in drei Monaten neu beurteilt (NZZ 18.10.2019).

[…]

Bis Ende August 2019 haben 28 von insgesamt 47 Gesundheitszonen in den Provinzen Ituri und North Kivu Fälle von Ebola gemeldet. Von diesen 28 gelten 13 als aktive Übertragungszonen, was bedeutet, dass sie in den letzten 21 Tagen neue bestätigte Fälle gemeldet haben (maximale Inkubationszeit für Ebola). South Kivu hat kürzlich Fälle in der Gesundheitszone Mwenga registriert und ist damit die dritte Provinz in der Demokratischen Republik Kongo, die vom aktuellen Ausbruch betroffen ist (MSF 5.11.2019).

Mitte Oktober 2019 hat die Arzneimittelbehörde der EU offiziell einen Impfstoff zur Zulassung empfohlen, mit dem bereits seit einem Jahr in der DR Kongo ohne Zulassung geimpft wird (SRF 18.10.2019; vgl. MSF 5.11.2019). Bis Ende September 2019 wurden über 230.000 Personen geimpft (MSF 5.11.2019). Seither hat sich das Virus viel langsamer ausgebreitet als noch vor vier Jahren bei der Epidemie in Westafrika (SRF 18.10.2019). Die neuen Fälle konzentrieren sich zudem in einer kleineren Region im Osten des Landes; Stand Mitte Oktober 2019 ist das Ebola-Virus aus den Städten im Ostkongo fast verschwunden (NZZ 18.10.2019) und wurde in schwer erreichbare Gebiete zurückgedrängt (NZZ 18.10.2019; vgl. DW 3.11.2019).

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Ein hohes Maß an Unsicherheit behindert weiterhin die Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie (MSF 5.11.2019). Es gibt Meldungen von Gewalt und Angriffe gegen Ebola-Impfteams und lokales Gesundheitspersonal (MSF 5.11.2019; vgl. NZZ 18.10.2019, DW 3.11.2019).

[…]

KI vom 11.1.2019: Oppositionskandidat der UDPS gewinnt Präsidentschaftswahlen (betrifft: Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 10 / Allgemeine Menschenrechtslage)

Die nationale Wahlkommission CENI erklärte am Donnerstag, den 10.1.2019, den Kandidaten der oppositionellen Union pour la Démocratie et le Progrès social UDPS, Félix Tshisekedi, zum Sieger der Präsidentschaftswahlen vom 30.12.2018 (JA 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2019, ZO 10.1.2019, NZZ 10.1.2019). Es könnte der erste friedliche Machtwechsel seit 50 Jahren werden (FAZ 10.1.2019; vgl. ZO 10.1.2019), wenn Tshisekedi den seit 2001 regierenden Joseph Kabila als Präsident ablöst (NTV 10.1.2019; vgl. ZO 10.1.2019). Präsident Joseph Kabila kündigte an, die Verfassung zu respektieren und nicht für eine dritte Amtszeit anzutreten (JA 10.1.2019). Noch nie ist es im Land zu einem friedlichen Machtwechsel gekommen (NZZ 10.1.2019).

Der 55-jährige Felix Tshisekedi ist der Sohn des 2017 verstorbenen, ehemaligen Ministerpräsidenten und langjährigen kongolesischen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi. Felix Tshisekedi versprach den Wählern, Korruption und Armut zu bekämpfen und das instabile Land zu befrieden, das immer noch von zahlreichen bewaffneten Konflikten erschüttert wird (FAZ 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2019). Der neue Präsident soll bereits am 18.1.2019 vereidigt werden (NTV 10.1.2019; vgl. RO 10.1.2019, VN 2.1.2019) und laut Wahlkommission müssen die endgültigen Ergebnisse der Wahl am 15.1.2019 vom Verfassungsgericht verkündet werden (RO 10.1.2019).

Die Präsidentschaftswahl hätte laut Verfassung eigentlich schon vor zwei Jahren stattfinden müssen. Der bisherige Präsident Kabila hatte sich jedoch 2016 nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit geweigert abzutreten und ließ die Wahlen mehrmals verschieben (VN 9.1.2019; vgl. ZO 10.1.2019). Proteste ließ Kabila niederschlagen (VN 2.1.2019; vgl. ZO 10.1.2019) und die Wahlen wurde auf den 23.12.2018 verschoben (VN 2.1.2019).

Aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten, zu denen auch die Zerstörung von mehr als 8.000 Wahlmaschinen bei einem Brand beigetragen hat, wurden die Wahlen nochmals um eine Woche verschoben (VN 2.1.2019), gewählt wurde der neue Präsident somit am 30.12.2018 (TAZ 6.1.2019; vgl. VN 2.1.2019).

Gleichzeitig herrst im Osten des Landes eine Ebola-Epidemie (FAZ 10.1.2019; vgl. VN 2.1.2019, VN 9.1.2019). Es ist die bislang zweitgrößte Epidemie weltweit mit mehr als 628 Erkrankten und 383 Toten (NTV 10.1.2019). In den Regionen Beni, Butembo und Yumbi wurde deswegen der Urnengang nicht durchgeführt (VN 2.1.2019; vgl. VN 9.1.2019). Damit waren rund 1,25 von 40 Millionen Wahlberechtigten ausgeschlossen. Die Stimmabgabe soll dort im März 2019 nachgeholt werden (FAZ 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2019, VN 2.1.2019).

Ursprünglich wollte die Wahlkommission (CENI) den Sieger der Wahl am Sonntag, den 6.1.2019, vermelden (BAMF 7.1.2019; vgl. SO 9.1.2019, ZO 10.1.2019). Die Ergebnisse der Wahlen wurden allerdings nicht veröffentlicht und es entstand der Verdacht, dass die Zahlen manipuliert wurden (VN 8.1.2019). Wahlbeobachter hatten zahlreiche Unregelmäßigkeiten gemeldet (ZO 10.1.2019).

Die Opposition hatte vor der Bekanntgabe der Ergebnisse Wahlbetrug zugunsten des Regierungskandidaten und früheren Innenminister Emmanuel Ramazani Shadarys befürchtet. Viele Beobachter rechneten ebenfalls mit einem Sieg des Regierungskandidaten (FAZ 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2018, TS 10.1.2019). Bereits am 3.1.2019 hatte die katholische Kirche, die als einzige Organisation mit 40.000 Wahlbeobachtern flächendeckend in den Wahllokalen präsent war, bekanntgegeben, dass es laut der von ihr vorgenommenen Stimmenauszählung einen klaren Sieger gebe (BAMF 7.1.2019; vgl. VN 8.1.2019) und hatte unter Berufung auf ihre tausenden Wahlbeobachter den zweiten Oppositionskandidaten Martin Fayulu zum Sieger erklärt (FAZ 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2019, TS 10.1.2019).

Félix Tshisekedi wurde mit 7.051.013 abgegebenen Stimme (38,57%) zum Präsidenten der gewählt (JA 10.1.2019; vgl. RO 10.1.2019, ZO 10.1.2019), so die vorläufigen Ergebnisse der Wahlkommission. Die Wahlbeteiligung betrug 47,56% (RO 10.1.2019), 18.329.318 Stimmen wurden abgegeben (JA 10.1.2019).

Auf dem zweiten Platz landete demnach mit über sechs Millionen (6.366.732) Stimmen der zweite Oppositionskandidat Martin Fayulu. Die Partei von Kabila stellte Emmanuel Ramazani Shadary als seinen Nachfolgekandidaten auf, da er selbst nicht wieder antreten durfte. Shadary kam nur auf gut vier Millionen (4.357.359) Stimmen (23,84%) (FAZ 10.1.2019; vgl. JA 10.1.2019, ZO 10.1.2019). Der unterlegene Fayulu zweifelt das amtliche Ergebnis an und spricht von Wahlputsch (TS 10.1.2019; vgl. ZO 10.1.2019) und es bleibt abzuwarten ob Oppositionskandidat Fayulu das Ergebnis akzeptieren wird (FAZ 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2019). Das Verfassungsgericht hat 14 Tage Zeit, um das Ergebnis zu bestätigen (ZO 10.1.2019). Nach anderen Angaben ist Tshisekedi bis 15.1.2019 provisorischer Sieger. Dann soll das Verfassungsgericht das definitive Resultat verkünden. Für 18.1.2019 ist die Vereidigung vorgesehen (NZZ 10.1.2019).

[…]

Sicherheitslage

Infolge des offiziellen Endes der zweiten Amtszeit des Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo am 19.12.2016 ist es in Kinshasa und anderen kongolesischen Städten zu – teilweise gewalttätigen - Protesten gekommen. Regierung und Opposition haben inzwischen zwar eine Vereinbarung über den politischen Übergang (Anm.: anstehende Präsidentenwahl) getroffen; deren Umsetzung ist bislang jedoch nicht vorangekommen. Am 28.3.2017 kam es in diesem Zusammenhang in der Hauptstadt Kinshasa zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Weitere Proteste, die jederzeit einen gewaltsamen Verlauf nehmen können, sind angekündigt. Dabei sind weitgehende Störungen des öffentlichen Lebens nicht auszuschließen (AA 26.4.2017).

Der Nordosten der Demokratischen Republik Kongo ist seit dem Genozid in Ruanda (1994) von Wellen der Gewalt gekennzeichnet. Hintergrund ist die „Gier“ der unterschiedlichsten Waffenträger nach Rohstoffen wie Coltan, Gold und Diamanten. Zeitweise bewegten sich 14 verschiedene bewaffnete Gruppen und Rebellenorganisationen im Gelände. Ungelöst ist das Problem des Verbleibs der FDLR (Demokratische Front zur Befreiung Ruandas), jener Rest-Hutu-Armee, die seit dem Ende des Genozids 1994 ihr gewalttätiges Unwesen in der ganzen Region – einschließlich Ruanda - treibt. Am 08.1.2013 beschließt die Afrikanische Union 4.000 Soldaten in die Region zu entsenden. MONUSCO erhält von den Vereinten Nationen mit der Resolution 2098 erstmalig den Auftrag, die Befriedung der Region mit Gewalt zu erzwingen. Unter ugandischer Federführung kommt es am 13.12.2013 zur Unterzeichnung eines Friedensvertrags zwischen der kongolesischen Regierung und Repräsentanten der Rebellengruppe M-23. Die Kampfkraft der verschiedenen Rebellengruppen – allen voran die der FDLR nahestehenden – bleibt ungebrochen. Die im Oktober und November 2015 begonnenen aktiven Angriffe und Kämpfe der MONUSCO haben bisher nichts an der Situation verändert. Seit Januar 2017 operiert erneut die "wiederauferstandene" M-23 in den Bergen im Osten des Landes. Bereits im Januar kam es zu ersten militärischen Auseinandersetzungen mit regulären kongolesischen Truppen (LIPortal 7.2016).

Die Provinz Kasaï ist ein neuer Konfliktherd im Kongo. Seit der brutalen Ermordung des regionalen Milizenführers Kamwina Nsapu durch Soldaten im Sommer 2016 liefern sich die dort ansässigen Rebellen einen Kleinkrieg mit der Armee. Laut UNO, die 19.000 Blauhelme im Land stationiert hat, zwang der Konflikt seit letztem August 216.000 Menschen zur Flucht. 600 Personen seien insgesamt ums Leben gekommen. Der Osten des Riesenreichs wird schon seit Jahrzehnten von zahlreichen Milizen heimgesucht. Sie kämpfen um Einflussgebiete und die Kontrolle über reiche Mineralienvorkommen, etwa Gold, Diamanten und Coltan. Rebellengruppen aber auch Regierungssoldaten werden immer wieder für Massentötungen an der Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht. Sie mischen regelmäßig in den mafiösen Verteilungskämpfen mit oder gehen äußerst brutal gegen Oppositionelle oder Rebellen vor (derStandard 20.2.2017).

In den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Orientale, Ituri und Maniema finden häufig kriegerische Handlungen zwischen den zahlreichen Rebellengruppen und der Armee sowie der Mission der Vereinten Nationen (MONUSCO) statt (BMEIA 26.4.2017). Lokale und von außen beeinflusste Konflikte setzen sich insbesondere in den Ostprovinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Tanganyika, Ituri, Haut-Uele und Bas-Uele fort. Ausländische Rebellen- und Milizgruppen (RMGs) wie u.a. die demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR), die vereinten Kräfte zur Befreiung Ugandas (ADF/NALU), die nationalen Befreiungskräfte (FNL), die Lord’s Resistance Army (LRA), aber auch indigene RMGs, wie die lokalen Mai-Mai-Gruppen (z.B. die Mazembe, Charles Shetani, Yakutumba und andere), bekämpften Regierungstruppen, sich gegenseitig und attackierten die Zivilbevölkerung. Dabei kam es immer wieder zu massiven Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten, die nur gelegentlich zur Anklage kamen. Zur Neutralisierung dieser bewaffneten Gruppen installierte die UNO die Mission MONUSCO mit ca. 17.500 Soldaten und einer Interventionsbrigade (USDOS 3.3.2017).

[…]

Rechtsschutz/Justizwesen

Während gesetzlich eine unabhängige Justiz vorgesehen ist, war die Justiz in der Praxis Korruption und politischer Einflussnahme unterworfen. Beamte und andere einflussreiche Personen zwangen Richter oft zur Nötigung um genehme Urteilssprüche zu erhalten. Richtermangel führte zu langwierigen Gerichtsverfahren, insbesondere in den Provinzen. Behörden missachteten regelmäßig Gerichtsurteile. Disziplinarkommissionen beschäftigten sich mit zahlreichen Fällen von Korruption und Amtsmissbrauch, die in Entlassungen und Suspendierungen von Richtern mündeten (USDOS 3.3.2017, vgl. AA 6.9.2015).

Gemäß der Verfassung ist die Demokratische Republik Kongo ein Rechtsstaat. Das Rechtssystem wurde in enger Anlehnung an das belgische Recht festgelegt. In der Praxis funktioniert das Rechtswesen nur sehr unzureichend. Es gibt eine sehr eingeschränkte Rechtssicherheit. Die Ursachen sind vielfältig: ausufernde Korruption, Postenschieberei und schlechte Bezahlung auf allen Ebenen sowie mangelnde Ausbildung, Bezahlung und Disziplin der Polizei. Besonders in den ländlichen Gebieten kommt das traditionelle Recht zum Tragen, hier werden örtliche Streitigkeiten von den traditionellen Entscheidungsträgern entschieden (LIPortal 7.2016).

Die Militärjustiz ist für alle Vergehen von und gegen Soldaten und Polizisten zuständig. Sie ist überlastet, aber nach Einschätzung des Menschenrechtsbüros von MONUSCO und des Menschenrechtskommissars sehr bemüht, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, die Straflosigkeit bei Angehörigen der Sicherheitsdienste wirksam zu bekämpfen (AA 6.9.2015).

Straffreiheit blieb ein Problem, insbesondere im Falle von höherrangigen Personen und Mitgliedern bewaffneter Gruppen, resultierend aus mangelnder finanzieller Ausstattung der Richter und justizieller Unabhängigkeit (AI 22.2.2017, vgl. HRW 12.1.2017).

[…]

Sicherheitsbehörden

Die kongolesische Nationalpolizei (Police National Congolaise - PNC) untersteht dem Innenministerium. Zur PNC gehören die „Schnelle Eingreiftruppe“ und die „integrierte Polizeieinheit“. Die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) unterstehen dem Verteidigungsministerium und spielen auch eine Rolle im Bereich der inneren Sicherheit. Angehörige der PNC und FARDC sind regelmäßig für die Einhebung illegaler Bestechungsgelder und Erpressung von Zivilisten an Checkpoints verantwortlich. Die FARDC ist überdies durch schlechte Führung und Organisation, mangelnde Ausbildung und Loyalität, besonders im östlichen Landesteil gekennzeichnet. Obwohl es zu Verurteilungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte kam, blieb die Straffreiheit ein Problem. In diesem Zusammenhang betrieben die Behörden zusammen mit der UN-Schutztruppe MONUSCO gemeinsame Menschenrechtskomitees und nutzten diesbezügliche internationale Einrichtungen, um Vergehen von Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte bzw. disziplinäre Probleme zu untersuchen und zu bestrafen (USDOS 3.3.2017).

Bei Protesten gegen die Regierung kam es immer wieder zur Anwendung von übertriebener Gewalt mit Todesfolge durch die Sicherheitskräfte. Insbesondere im nach wie vor konfliktträchtigen Osten des Landes kommt es zu regelmäßigen und zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch das Militär aber auch durch Aufständische, wobei es nur in Einzelfällen zu Verurteilungen kam (AI 22.2.2017).

Laut einem Bericht von GlobalSecurity existiert eine richtige kongolesische Armee, gemessen an modernen Kriterien, gar nicht. Vielmehr gäbe der Staat nur vor eine zu haben. Die FARDC wurde 2003 aus verschiedenen bewaffneten Gruppen unterschiedlicher politischer Gruppierungen geformt, die seit dem kaum als einheitlicher Armeekörper in Erscheinung tritt und durch mangelnde Loyalität, Disziplin und eine kaum vorhandene Befehlskette gekennzeichnet ist. Daneben leidet die Armee unter schlechter Ausbildung und schlechtem Kriegsmaterial, Korruption, schwachen Kommandostrukturen, Versorgungsproblemen und unregelmäßiger Bezahlung, was dazu führt, dass Mitglieder der Armee oft in Plünderungen und Überfällen auf Zivilisten, einhergehend mit massiven Menschenrechtsverletzungen und selbst am ständigen Hin- und Her-Wechsel zwischen den Fronten beteiligt sind. Ein Reformplan zur Umwandlung der Truppe in eine moderne Armee, wurde 2009 dem Parlament präsentiert. Lt. MONUSCO hat die kongolesische Armee bedeutende Schritte zur Hebung der Armeedisziplin durch Verfolgung von durch Soldaten begangener Menschenrechtsverletzungen unternommen. Trotzdem bleibt Straffreiheit in der Armee weiterhin ein großes Problem (GlobalSecurity o.D.).

[…]

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz kriminalisiert zwar die Anwendung von Folter, dennoch gibt es Berichte von Menschenrechtsorganisationen, dass die Sicherheitskräfte weiterhin Zivilisten, vor allem Häftlinge, foltern und grausame und entwürdigende Bestrafungen anwenden. Andererseits gibt es auch einige Berichte, dass Regierungsbehörden gegen die für solche Taten verantwortliche Personen vorgehen und Gerichte Verurteilungen aussprechen (USDOS 3.3.2017, vgl. AA 6.9.2015).

Folter und andere Misshandlungen sind im ganzen Land weit verbreitet und werden von den Sicherheitskräften häufig während rechtswidriger Festnahmen und Inhaftierungen angewendet. Sowohl die Polizei als auch Angehörige der Geheimdienste werden beschuldigt, für Folter und andere Misshandlungen verantwortlich zu sein (AI 22.2.2017, vgl. FCO 21.7.2016).

[…]

Korruption

Gesetzlich sind Strafen für Korruption durch Beamte zwar vorgesehen, jedoch setzte die Regierung diese Vorgaben nicht effektiv um und war oft mit Straflosigkeit verbunden. Auch auf dem Gebiet der Wirtschaft ist diese stark verbreitet. So kommt es z.B. im industriellen Bergbau durch Korruption auf allen Ebenen zu beträchtlichen staatlichen Einnahmeverlusten, insbesondere im ressourcenreichen Osten des Landes. Die Einrichtung des Korruptions- und Ethik-Watchdogs OSCEP soll die Korruption im zivilen Bereich mittels Datenbanken und Sensibilisierungsmaßnahmen in den Regierungsstellen besser überwachen und bekämpfen helfen, wobei auch eine Zusammenarbeit der OSCEP mit den Antibetrugseinheiten in verschiedenen Ministerien besteht. Weitere Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Korruption bestehen in Entlassungen von korrupten Beamten bzw. werden Beamte in den staatlichen Einrichtungen mittlerweile mittels direkt durchgeführter Überweisungen bezahlt. Die endemische Korruption im Land ist ein wesentlicher Hemmfaktor bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes (USDOS 3.3.2017, vgl. AI 25.2.2015).

Im aktuellen Ranking von Transparency International rangiert die DR Kongo an 156. Stelle bei insgesamt 176 gereihten Ländern (TI 25.1.2017).

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

In der Republik Kongo ist die Wahrung grundlegender Menschenrechtsnormen und Prozessstandards nicht garantiert. Willkür ist im Justiz- und Polizeiwesen und bei den Streitkräften verbreitet. Die Menschenrechtslage in den Konfliktregionen im Osten des Landes ist äußerst problematisch: Zivilisten werden häufig Opfer von Gewalt, auch sexualisierter Gewalt, verübt durch Regierungstruppen sowie Rebellengruppen. Viele Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender Nahrung, Bildung, und Gesundheitsversorgung. Auch grundlegende Arbeitsnormen (darunter das Verbot von Kinderarbeit, Höchstarbeitszeiten, Gesundheitsnormen etc.) werden kaum beachtet. Rechtlich besteht Gleichheit der Geschlechter; in der Realität werden Frauen benachteiligt. Medien- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt (AA 8.2016, vgl. USDOS 3.3.2017). Die Lage politischer Parteien, NGOs und Journalisten, die der Opposition zugerechnet werden, sind zwar keiner systematischen staatlichen Verfolgung ausgesetzt, können aber jederzeit willkürlich durch die Polizei oder Armee verfolgt bzw. deren Versammlungen aufgelöst werden. Versammlungen und Demonstrationen sind grundsätzlich erlaubt, diesbezügliche Verbote können aber bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit verhängt werden (AA 6.9.2015, vgl. HRW 12.1.2017, LIPortal 7.2016).

Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo sind seit Anfang November 2006 erstmals Gegenstand eines internationalen Strafprozesses. Dem ehemaligen kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga wird vor dem Internationalen Strafgerichtshof IStGH in Den Haag vorgeworfen, in den Jahren 2002 und 2003 Kindersoldaten in einen grausamen Bürgerkrieg geschickt zu haben. Auch Germain Katanga, der wie Lubanga zu jenen Warlords gehört, die zwischen 1999 und 2003 in Ituri, im Nordosten des Kongo, Massaker und Massenvergewaltigungen verübten, wurde im Oktober 2007 aus Kinshasa nach Den Haag überstellt. Im Februar 2008 traf mit Mathieu Ngudjolo Chui der dritte Untersuchungshäftling in Den Haag ein (LIPortal 7.2016).

Politische Parteien können sich betätigen. Zu den Parlamentswahlen 2006 waren insgesamt 213 Parteien angetreten. Auch ehemalige Rebellengruppen wie MLC oder RCD-Goma wurden als Parteien anerkannt und registriert. Die Lage ethnischer Minderheiten im Vielvölkerstaat DR Kongo (rund 250 ethnische Gruppen) bleibt zum Teil schwierig, eine systematische und zielgerichtete Verfolgung ist jedoch nicht auszumachen. In den Auseinandersetzungen in Nord- und Süd-Kivu spielen auch ethnische Dimensionen eine zunehmende Rolle, wobei diese zu politischer und militärischer Mobilisierung einzelner Bevölkerungsgruppen eingesetzt werden (AA 6.9.2015).

[…]

Religionsfreiheit

Grundsätzlich ist die Religionsausübung nicht eingeschränkt. Es kommt allerdings immer wieder zu Übergriffen auf Personen, die der Hexerei beschuldigt werden (AA 6.9.2015). Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und verbietet Diskriminierungen aufgrund der religiösen Einstellung. Gelegentliche Vorfälle konnten aufgrund der Vermischung von Politik und Religion nicht als ausschließlich religiös motivierte bezeichnet werden (USDOS 10.8.2016).

Die große Mehrheit der Kongolesen ist sehr religiös. Das Leben mit den Ahnen und Gott bestimmt das Leben in all seinen Facetten. In den abgelegen ländlichen Gebieten und in den großen Wäldern sind es die verschiedenen Naturreligionen, die das Leben bestimmen. Mehr als 80% der Bevölkerung bekennen sich zu christlichen Religionen. Mit 50% ist die Katholische Kirche die einflussreichste Konfessionsgemeinschaft; 20% sind evangelisch und 10% gehören der einheimischen christlichen Kirche der Kimbanguisten an. Daneben gibt es eine wachsende muslimische Gemeinde, die im städtischen Umfeld bis zu 10% der Bevölkerung erfasst (LIPortal 1.2017).

[…]

Frauen

Im UNDP Human Development Index belegt die Demokratische Republik Kongo Platz 187 (letzter Platz der HDI Liste), beim Gender Inequality Index (GII) steht sie auf Platz 142 von 144. 36,2% der Männer und nur 10,7% der Frauen verfügen über einen Schulabschluss. Die Entwicklungschancen sind für Mädchen deutlich schlechter als für Buben. 76% der Mädchen und Frauen sind Opfer häuslicher Gewalt. Die Zahl der alleinstehenden Frauen und Mütter nimmt besonders auch im städtischen Umfeld stark zu. Die Frauen sind mit schweren sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen konfrontiert. Im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes, sind sexuelle Übergriffe Teil der Kriegsführung geworden. Im Rahmen der Friedens- und Traumaarbeit erhalten die Opfer Unterstützung, jedoch wird nur ein geringer Teil erreicht. Im öffentlichen Leben nehmen Frauen zunehmend am politischen und wirtschaftlichen Leben teil. 44 Frauen (8,9% der Abgeordneten) sind als Volksvertreter im kongolesischen Parlament vertreten (LIPortal 1.2017).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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