TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/26 W218 2237591-1

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Veröffentlicht am 26.02.2021
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Entscheidungsdatum

26.02.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W218 2237591-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 09.11.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Bescheid vom 09.11.2020 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.

2.       Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er gehbehindert sei und eine neue Untersuchung durch einen Facharzt beantrage.

3.       Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 09.12.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Pos.Nr.: 02.01.02, Grad der Behinderung 30%

2. Depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung, Pos.Nr.: 03.06.01, Grad der Behinderung 20%

3. Hypertonie, Pos.Nr.: 05.01.01, Grad der Behinderung 10%

4. Einschränkung des Sehvermögens rechts auf 1/3 bei gutem Sehvermögen links, Pos.Nr.: 11.02.01, Grad der Behinderung 10%

5. Abnützungserscheinungen an beiden Kniegelenken, Pos.Nr.: 02.02.01, Grad der Behinderung 10%

6. Funktionseinschränkung im rechten Schultergelenk, Pos.Nr.: 02.06.01, Grad der Behinderung 10%

7. Rhizarthrose links, Pos.Nr.: 02.06.26, Grad der Behinderung 10%

8. Chronisches Schmerzsyndrom, Pos.Nr.: 04.11.01, Grad der Behinderung 10%

Da der Beschwerdeführer keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

2.       Beweiswürdigung:

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 22.09.2020, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der medizinische Sachverständige stufte das Leiden 1 „Degenerative Wirbelsäulenveränderungen“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 vH ein, da nur mäßige funktionelle Einschränkungen objektivierbar sind. Im Zuge der ausführlichen persönlichen Untersuchung zeigten sich endlagige mäßige Einschränkungen insbesondere in der Retroflexion und in der Drehbewegung. Aus dem Kernspintomographiebefund der BWS und LWS vom 05.06.2019 geht eine Hyperkyphose der BWS hervor und sowohl an der BWS als auch an der LWS bestehen Protrusionen an den verschiedenen Wirbeln, wodurch eine Einstufung des Leidens als „Funktionseinschränkung mittleren Grades“ vorzunehmen war. Darunter fallen nach der Einschätzungsverordnung rezidivierende Episoden über Wochen andauernd und radiologische Veränderungen. Eine höhere Einstufung des Leidens ist aufgrund der Untersuchungsergebnisse und der vorliegenden Befunde nicht vorzunehmen.

Das Leiden 2 „Depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung“ wurde vom medizinischen Sachverständigen unter der Positionsnummer 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft, da es unter Dauermedikation stabilisierbar ist.

Das Leiden 3 „Hypertonie“ wurde unter der Positionsnummer 05.01.01 „leichte Hypertonie“ mit dem fixen Rahmensatz von 10 vH eingestuft. Der Blutdruck bei der Untersuchung war 140/80.

Die beim Beschwerdeführer vorliegende „Einschränkung des Sehvermögens rechts auf 1/3 bei gutem Sehvermögen links“ wurde vom medizinischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 11.02.01 mit einem Grad der Behinderung 10 vH eingestuft.

Das Leiden 5 „Abnützungserscheinungen an beiden Kniegelenken“ wurde vom medizinischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.02.01 „Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades“ mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft. Im Zuge der persönlichen Untersuchung konnte der Beschwerdeführer seine Kniegelenke beidseits aktiv im Sitzen 0-0-110 bewegen. Es liegen keine objektiven Befunde vor, welche eine höhere Einstufung der Funktionseinschränkung rechtfertigen würden. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Gehbehinderung war im Zuge der persönlichen Untersuchung nicht objektivierbar, er zeigte zwar ein Gehen mit 2 Stützkrücken unter Stöhnen, doch führte der Sachverständige aus, dass die Zuhilfenahme dieser Stützkrücken medizinisch nicht begründbar ist. Es liegen auch keine Befunde vor, aus denen sich die Notwendigkeit der Benützung der Stützkrücken ableiten lassen bzw. eine Gehbehinderung objektivieren lassen. Höhere Auswirkungen der Erkrankung des Bewegungsapparates in den Kniegelenken sind nicht objektivierbar und ist sohin keine höhere Einstufung des Grades der Behinderung vorzunehmen.

Das Leiden 6 „Funktionseinschränkung im rechten Schultergelenk“ wurde unter der Positionsnummer 02.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft. Im Zuge der persönlichen Untersuchung zeigte sich das rechte Schultergelenk endlagig bei Rotation eingeschränkt. Der Nacken- und Kreuzgriff waren beidseits durchführbar.

Das Leiden 7 „Rhizarthrose links“ wurde unter der Positionsnummer 02.06.26 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da kein relevantes funktionelles Defizit objektivierbar ist. Dem Beschwerdeführer war der Pinzetten- und der Spitzgriff beidseits vollständig durchführbar und waren die Greiffunktionen beidseitig erhalten.

Das beim Beschwerdeführer vorliegende „Chronisches Schmerzsyndrom“ wurde unter der Positionsnummer 04.11.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da es mittels Bedarfsmedikation behandelbar ist.

Der medizinische Sachverständige stufte den Gesamtgrad der Behinderung mit 30 vH ein, da das führende Leiden 1 „Degenerative Wirbelsäulenleiden“ durch das Leiden 2 mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter erhöht wird und die Leiden 3 bis 8 von zu geringer funktioneller Relevanz sind.

Der medizinische Sachverständige führte schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die Fettleber und die Hyperlipidämie keinen Grad der Behinderung erreichen, da keine Hinweise auf relevante funktionelle Einschränkungen bestehen. Die erektile Dysfunktion erreicht ohne Hinweis auf ein malignes Geschehen und ohne Restharnbildung ebenso keinen Grad der Behinderung. Die vorgebrachte Lungenerkrankung ist nicht befundmäßig belegt und sohin nicht objektivierbar.

Insoweit der Beschwerdeführer vorbringt, das Gutachten und die Stellungnahme seien von einem Arzt für Allgemeinmedizin und keinem Facharzt erstellt worden, so ist festzuhalten, dass es auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens ankommen und kein Anspruch auf Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung besteht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.

Der Beschwerdeführer konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist er ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person des Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer dem Gutachten nicht entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 30 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-         sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-         zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Wenn der Beschwerdeführer moniert, dass nur ein Allgemeinmediziner und kein Facharzt mit der Gutachtenserstellung befasst wurde, so ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.06.1997, 96/08/0114, wenngleich zum Behinderteneinstellungsgesetz ergangen, zu verweisen, wo ausgeführt wurde, dass die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung nach dem BEinstG verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an, welche im vorliegenden Fall gegeben ist.

Da ein Grad der Behinderung von 30 (dreißig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W218.2237591.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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