TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/26 W153 2115803-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2021
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Entscheidungsdatum

26.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch


W153 2115803-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kasachstan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.02.2021, Zahl: 1049117308-201292410, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) aus Kasachstan brachte den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich am 22.12.2020 ein. Als Fluchtgrund gab er an, dass er, seine Tante, seine beiden Cousins, seine Cousine und seine Schwägerin alle in einer Wohnung in Almaty gelebt hätten. Dort hätten sie einen Konflikt mit Kasachen gehabt und sie seien dort von der Polizei der Wohnung verwiesen worden. Sie hätten gesagt, sie sollen woanders hingehen.

Zuvor brachte der BF bereits am 27.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.09.2015 abgewiesen wurde, der Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt und gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kasachstan für zulässig erklärt.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.08.2017, GZ. W 233 2115803-1/15 E, abgewiesen und das Verfahren erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

In der Folge blieb der BF nicht rechtmäßig im Bundegebiet. Am 23.11.2017 wurde im Zuge einer Polizeikontrolle die weiße Aufenthaltsberechtigungskarte, die der BF bereits hätte abgeben müssen, sichergestellt.

Am 19.02.2018 stellte der BF einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte, sonstige Schlüsselkraft“, den er am 27.02.2018 wieder zurückzog (vgl. aktueller GVS-Auszug).

Bei der Beschaffung des Heimreisezertifikates hat der BF nachweislich nicht mitgewirkt (siehe AS 291ff des Voraktes) und hat durch seinen unbekannten Aufenthalt weitere Maßnahmen zur Außerlandesbringung vereitelt.

Der BF war zumindest im Zeitraum vom 12.03.2018 bis 06.11.2018 im Bundesgebiet nicht aufrecht gemeldet.

Der BF stellte am 23.03.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG, welcher mit Bescheid des BFA vom 18.09.2018 zurückgewiesen wurde, da der BF seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Die Beschwerde des BF wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.11.2018 als verspätet zurückgewiesen.

Der BF gab in der Beschwerde an, dass er 2018 seine nunmehrige Gattin kennengelernt und am 03.11.2018 nach islamischem Recht geheiratet habe. Er war daraufhin vom 06.11.2018 bis 01.09.2020 unter der Adresse dieser Frau gemeldet, wobei bei einem polizeilichen Zustellversuch eines Behördenschriftstückes an den BF von einer Bewohnerin (Verwandte der Frau) am 09.01.2019 angegeben wurde, dass der BF an dieser Adresse nie wohnhaft bzw. auch aufhältig gewesen sei (vgl. AS 385 des Voraktes).

Der BF ist seit 12.09.2019 standesamtlich verheiratet. Seine Gattin ist Angehörige der Russischen Föderation, seit 2007 war sie subsidiär schutzberechtigt und seit 30.07.2018 besitzt sie einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ (vgl. AS 157 sowie AS 201 des Voraktes).

Am 14.07.2019 kam die gemeinsame Tochter zur Welt, welche aufgrund des Aufenthaltsstatus ihrer Mutter auch einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ erhielt.

Der BF stellte am 21.11.2019 ebenfalls einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-weiß-Rot - Karte plus“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Dieser Antrag wurde von der zuständigen Magistratsabteilung mit Bescheid vom 12.12.2019 abgewiesen und am 30.07.2020 zurückgezogen (vgl. AS 65).

Der BF hat auch 2019 und 2020 nachweislich nicht an seinen Ausreisevorbereitungen mitgewirkt. Im Zuge einer Festnahme am 30.07.2020 wurde beim BF ein gültiger kasachischer Reisepass sichergestellt. Am 06.08.2020 wurde dem BF sein Reisepass wieder ausgehändigt (AS 129 des Voraktes) und am 26.08.2020 sollte der BF als Selbstzahler in seinen Heimatstaat freiwillig ausreisen (vgl. AS 171 des Voraktes).

Im August reiste der BF jedoch nach Frankreich, wo er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Gemäß Dublin III-VO wurde die Zuständigkeit Österreichs festgestellt und der BF reiste wieder selbständig nach Österreich zurück.

Als sich der BF am 15.12.2020 wieder auf den Weg nach Frankreich machen wollte, wurde er von deutschen Grenzbeamten abgewiesen und den österreichischen Behörden übergeben.

Über den BF wurde die Schubhaft verhängt und im Stande der Schubhaft wurde nunmehr der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses wurde dem BF am 23.12.2020 eine schriftliche Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 ausgefolgt, mit welcher ihm die Absicht des BFA zur Kenntnis gebracht wurde, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Am 29.12.2020 wurden dem BF mit der Ladung zur Einvernahme vor dem BFA die aktuellen Länderfeststellungen zugestellt.

Am 05.01.2021 erfolgte eine Einvernahme vor dem BFA, in der der BF angab, dass im Wesentlichen seine Fluchtgründe vom Erstverfahren noch immer die Aktuellen seien. Es habe aber Veränderungen in seinem Privat- und Familienleben gegeben. Er sei nunmehr in Österreich verheiratet und habe ein Kind. Er habe hier einen Antrag auf die Familienzusammenführung gestellt.

In einer Stellungnahme vom 18.01.2021 wurde nochmals auf das Familienleben in Österreich und das Kindeswohl hingewiesen, entsprechende Beweismittel vorgelegt und beantragt, das Asylverfahren zuzulassen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 02.02.2021 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 22.12.2020 sowohl hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Kasachstan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen worden sei (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens keinen neu entstandenen asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe.

Mit Verfahrensanordnung vom 02.02.2021 wurde dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Der BF brachte am 16.02.2021 Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nach wie vor befürchte, aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit in Kasachstan verfolgt zu werden. Insbesondere wurde wieder auf sein neues Familienleben hingewiesen.

Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 18.02.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des BF:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kasachstan. Er wurde in XXXX , Kasachstan geboren, ist Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Tschetschenisch und er spricht auch Russisch.

Der BF lebte vor seiner Einreise nach Österreich durchgängig in seinem Herkunftsland und besuchte dort von 1993 bis 2004 die Schule und von 2006 bis 2012 die Universität. Bis zu seiner Ausreise arbeitete er als Sporttrainer.

In Kasachstan leben noch nahe Angehörige des BF (Mutter, Geschwister, etc.), mit denen er auch in Kontakt steht.

Der BF ist seit 12.09.2019 standesamtlich verheiratet. Seine Gattin ist Angehörige der Russischen Föderation, war seit 2007 subsidiär schutzberechtigt und besitzt nunmehr einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“. Sie ist berufstätig. Im gemeinsamen Haushalt leben noch die Schwiegermutter, die Schwägerin und der Schwager des BF.

Am 14.07.2019 kam die gemeinsame Tochter zur Welt, welche aufgrund des Aufenthaltsstatus ihrer Mutter auch einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ erhielt.

Der BF ist arbeitsfähig, wobei er in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Beschäftigung nachgegangen ist. Er ist auf die Leistungen aus der Grundversorgung angewiesen bzw. wird von seiner Gattin erhalten.

Der BF hat am 18.12.2017 eine A2-Prüfung (Sprachkompetenz/Werte- und Orientierungswissen) absolviert, ist Mitglied eines Sportvereins und hat Arbeitszusagen als Fitnesstrainer vorgelegt.

Es wird festgestellt, dass der BF in Österreich ein aufrechtes Familienleben hat. Der BF hat außer den Verwandten seiner Gattin keine weiteren Angehörigen zu denen eine engere Beziehung besteht. Besondere private Bindungen oder außergewöhnliche Integrationsschritte des BF sind jedenfalls nicht bekannt. Der BF hat sich bei der Einvernahme vor dem BFA ausschließlich eines Dolmetschers bedient (vgl. AS 107).

Der BF hat gegen das Fremdenrecht verstoßen, indem er der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung 2017 keine Folge geleistet und sich mehrere Jahre illegal in Österreich aufgehalten hat. Wie oben aufgelistet hat er immer wieder seine Ausreise vereitelt und seine Mitwirkungspflichten vernachlässigt. Er hat sich zuletzt an die Zusage im August 2020, in den Heimatstaat auszureisen, nicht gehalten. Stattdessen ist er illegal nach Frankreich gereist und hat dort neuerlich einen Asylantrag gestellt. Ansonsten hielt er sich seit seiner illegalen Einreise 2015 nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber im Bundesgebiet auf.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

Es wird weiters festgestellt, dass der BF mit seiner Gattin eine gemeinsame Tochter in Österreich hat. Durch eine Rückkehr des BF in seinen Heimatstaat wird in das Kindeswohl der Tochter eingegriffen. Dieser Eingriff ist jedoch für die Tochter zumutbar, da ein Familienleben auch in Kasachstan möglich ist. So können die Gattin und die Tochter als russische Staatsangehörige in Kasachstan visa-frei einreisen und sich für 90 Tage dort aufhalten. In Kasachstan befinden sich Familienmitglieder des BF und die Tochter ist die nächsten Jahre noch in keinem schulpflichtigen Alter.

Eine maßgebliche Änderung des Gesundheitszustandes des BF seit der rechtskräftigen Entscheidung in seinem letzten inhaltlichen Asylverfahren wurde nicht behauptet und kann nicht festgestellt werden.

Zu den Asylanträgen des BF:

Es wird festgestellt, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens, keine wesentlichen Änderungen des Sachverhaltes eingetreten sind.

Gründe, die eine Verfolgung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, wurden vom BF nicht glaubhaft vorgebracht und sind auch im Verfahren nicht hervorgekommen.

Es kann somit festgestellt werden, dass der BF vor seiner Ausreise aus Kasachstan weder aus wohlbegründeter Furcht, noch aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus seiner politischen Gesinnung verfolgt wurde bzw. im Falle seiner Rückkehr nach Kasachstan ihm keine solche Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Es wird festgestellt, dass der BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kasachstan nicht in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen sein würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der junge, arbeitsfähige und gesunde BF würde im Falle einer Rückkehr nach Kasachstan auch nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen. Außerdem verbrachte er den Großteil seines Lebens in Kasachstan, hat dort bereits Berufserfahrung gesammelt und ist mit den dortigen Gebräuchen und dem dortigen Leben vertraut. Es ist ihm daher zumutbar, in seinen Heimatstaat zurückzukehren und dort zu leben.

Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat hat sich gegenüber der in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.08.2017 über die Abweisung des ersten Asylantrages festgestellten Lage in keiner für das vorliegende Verfahren relevanten Weise geändert. Im Hinblick auf die Anfang 2020 weltweit aufgetretene Covid-19-Pandemie, wird festgestellt, dass der gesunde BF nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Jungen gesunden Männern droht selbst im Falle einer Infektion mit Covid-19 mit einer lediglich im (unteren) einstelligen Prozentbereich liegenden Wahrscheinlichkeit eine Gefahr für ihr Leben oder, dass sie dauerhafte schwerwiegende gesundheitliche Schäden davontragen. In der Mehrzahl der Fälle verläuft solch eine Erkrankung der bisherigen Erfahrung nach sogar weitgehend symptomlos bzw. heilt binnen kurzem ohne bleibende Schäden aus.

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat droht dem BF somit kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Festgestellt wird, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht gegeben sind.

Zur Situation in Kasachstan werden auszugsweise folgende Feststellungen aus dem BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 20.07.2018 (letzte Kurzinformation vom 12.06.2019) zitiert, die sich seit der Erlassung des Bescheides nicht geändert haben:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 12.6.2019: Tokajew gewinnt Präsidentschaftswahlen (betrifft: Abschnitt 2./Politische Lage).

Übergangspräsident Kassym-Schomart Tokajew hat die Wahl zum Staatsoberhaupt am 9.6.2019 wie erwartet gewonnen (Standard 10.6.2019). Die OSCE beobachtete einige Unregelmäßigkeiten am Wahltag, darunter das Anstopfen der Wahlurnen sowie eine Missachtung der Auszählungsprozeduren, wodurch eine ehrliche Zählung gemäß der OSCE-Vorgaben nicht garantiert werden konnte (OSCE 10.6.2019). Gemäß der Wahlkommission erhielt Tokajew 70,96 % der Stimmen. Er wurde von der Wahlkommission als gewähltes Staatsoberhaupt anerkannt und wird am 12. Juni angelobt (AT 11.6.2019).

Gemäß offiziellem Endergebnis entfielen auf die anderen Kandidaten: Amirschan Kossanow (Ult Tagdyry Vereinte Nationale Patriotische Bewegung): 16,23 %; Danija Jespajeva (Ak Zhol Demokratische Partei): 5,05 %; Toleutai Rachimbekow (Auyl (Village) Partei): 3,04 %; Amangeldy Taspichov (Kasachische Gewerkschaftsföderation): 1,98 %; Schambyl Achmetbekow (Kommunistische Volkspartei): 1,82 %; Sadybek Tugel (Uly Dala Kyrandary (Adler der Großen Steppe) Vereinigung): 0,92 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 77,5 % (AT 11.6.2019).

Tokajew hatte das Amt im März 2019 von Nursultan Nasarbajew interimistisch übernommen, der sich nach rund 30 Jahren an der Macht zurückgezogen hatte [Anmerkung: siehe dazu KI vom 20.3.2019]. Nasarbajew hält allerdings weiter mehrere einflussreiche Ämter inne und gilt noch immer als mächtigster Mann des Landes (ORF 10.6.2019; vgl. RFE/RL 9.4.2019). Die regulären Wahlen hätten im April 2020 stattgefunden. Jedoch wurden im April 2019 vorgezogene Wahlen für den Juni 2019 angekündigt. Dadurch hatten potentielle Oppositionskandidaten nur wenig Zeit, um Wahlkampagnen auszuarbeiten (RFE/RL 9.4.2019).

Obwohl sieben Kandidaten von verschiedenen Parteien oder Institutionen antraten, wodurch der Eindruck entstand, dass eine politische Vielfalt angeboten wurde, wurden nur selten klare Positionen und kritische Kampagnen getätigt. Der Wahlkampf erzielte nur geringe Aufmerksamkeit. Tokajew erhielt weitreichende Berichterstattung in seiner Funktion als Amtsinhaber sowie explizite Unterstützung von seinem Amtsvorgänger Nursultan Nasarbajew (OSCE 10.6.2019).

Die Wahl war von massiven Protesten gegen Tokajew und den bereits im Vorfeld erwarteten Wahlausgang begleitet gewesen. Menschenrechtsorganisationen beklagen eine Unterdrückung der Opposition (Standard 10.6.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl hatte die Polizei den Druck auf Oppositionelle verstärkt. Demonstranten wurden teilweise zu kurzen Haftstrafen verurteilt, und Wohnungen von Aktivisten durchsucht (Standard 10.6.2019; vgl. Spieghel 9.6.2019). Mit Blick auf die Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei im Vorfeld der Wahl erklärte Tokajew, in einen Dialog mit allen treten zu wollen. (Standard 10.6.2019)

Den ganzen Wahltag über wurden aus verschiedenen Städten Kasachstans, u.a. aus Nursultan, Almaty und Schymkent, Dutzende Festnahmen gemeldet (Spiegel 9.6.2019). Das Innenministerium bestätigte für den Wahltag rund 500 Festnahmen (Standard 10.6.2019; vgl. AiF 11.6.2019). Am Tag nach den Wahlen nahm die Polizei weitere 200 Personen fest (AiF 11.6.2019). Genaue Zahlen zu den Teilnehmern der Proteste wurden nicht genannt. Nach Schätzungen beteiligten sich mehrere Tausend Menschen. Zu den Festgenommenen gehörten auch Journalisten, die nach einiger Zeit wieder freigelassen wurden. Andere Demonstranten wurden stundenlang festgehalten und befragt (Spiegel 9.6.2019). Es handelte sich um die größten Proteste im Land seit drei Jahren. Die Sicherheitskräfte wurden von Tokajew zur "Zurückhaltung" aufgerufen, er fügte jedoch hinzu, dass "ernsthafte Verstöße gegen unsere Gesetze natürlich nicht toleriert" würden (Standard 10.6.2019).

Am 23.3.2019 wurde die Hauptstadt Kasachstan von Astana in Nursultan offiziell umbenannt (ORF 23.3.2019).

KI vom 20.3.2019:

Präsident Nursultan Nasarbajew zurückgetreten (betrifft: Abschnitt 2./Politische Lage).

Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew hat am 19. März 2019 in einer TV-Ansprache seinen Rücktritt vom Amt erklärt. Der heute 78-jährige war ab 1989 KP-Chef der Sowjetrepublik und wurde seit der Unabhängigkeit Kasachstans 1991 fünfmal zum Präsidenten gewählt. Seine Amtszeit sollte eigentlich erst 2020 auslaufen (Standard 20.3.2019). Anfang Februar 2019 ließ Nasarbajew vom Verfassungsgerichtshof klären, dass er das Recht habe, vorzeitig zurückzutreten (Reuters 5.2.2019; vgl. BBC 19.3.2019).

Nasarbajew behält den rituellen Titel „Ebalsa“, Führer der Nation. Darüber hinaus bleibt Nasarbajew Vorsitzender der Nur-Otan-Partei und Mitglied des Verfassungsrates (New TV News 20.3.2019). Er bleibt auch Vorsitzender des Sicherheitsrates. In dieser Funktion, die er auf Lebenszeit ausüben kann, verfügt er über bedeutende Befugnisse in der Innen- und Außenpolitik (New TV News 20.3.2019; vgl. BBC 19.3.2019).

Gemäß einem Präsidialdekret werden die Befugnisse des Präsidenten vom Vorsitzenden des kasachischen Senats, Kassym-Dschomart Tokajew, übernommen (New TV News 20.3.2019). Tokajew wurde am 20.3.2019 vereidigt und wird bis zu den im Jahr 2020 planmäßig stattfindenden Wahlen im Amt bleiben (AiF 20.3.2019). Der 65-jährige Tokajew ist ein erfahrener Diplomat, er war Vorsitzender der Regierung, insgesamt zehn Jahre Außenminister und von 2011 bis 2013 stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen (New TV News 20.3.2019).

Tokajew gilt als enger Vertrauter des zurückgetretenen Präsidenten (New TV News 20.3.2019). Gemäß Tokajew wird die Meinung seines Vorgängers Nursultan Nazarbajew von entscheidender Bedeutung bei strategischen Entscheidungen sein. Der neue Amtsinhaber schlug auch vor, die Hauptstadt Kasachstans und die Hauptstraßen aller regionalen Zentren des Landes nach dem Ex-Präsidenten zu benennen (AiF 20.3.2019).

Am 19.2.2019 hat Nasarbajew die Regierung wegen schlechter wirtschaftlicher Ergebnisse entlassen. Der seit 2016 im Amt befindliche Premierminister Bakytzhan Sagintayev wurde interimistisch von seinem bisherigen Stellvertreter Askar Mamin abgelöst (France24 21.2.2019), der am 25. Februar bei der Ernennung der neuen Regierung als Premierminister bestätigt wurde (Diplomat 26.2.2019).

Politische Lage

Das unabhängige Kasachstan hatte sich 1993 seine erste – parlamentarische – Verfassung gegeben. Schon 1995 wurde sie durch eine neue Konstitution ersetzt, die, orientiert an der französischen, einen starken Präsidenten etabliert. Durch mehrere Verfassungsänderungen wurden dessen Kompetenzen auf Kosten von Regierung und Parlament noch erweitert (GIZ 6.2018a).

Mit der am 10. März 2017 verabschiedeten Verfassungsreform erfolgte eine Kompetenzverlagerung vom Präsidenten zu Parlament und Regierung. Zudem soll mit der Reform die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt werden. Auch nach der Reform bleiben weitreichende Vollmachten beim Präsidenten: Er ist dem Parlament gegenüber politisch nicht verantwortlich (Präsidentenanklage nur wegen Hochverrats). Auch nach dem Ende seiner Amtszeit genießt er verfassungsmäßig garantiert umfangreiche Immunitäten und das Recht, auf die kasachische Politik Einfluss zu nehmen („Führer der Nation“ seit Mai 2010). 2007 wurde zwar die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre bei nur einer möglichen Wiederwahl reduziert. Präsident Nasarbajew jedoch wurde als „Erster Präsident“ Kasachstans von dieser Wiederwahlbeschränkung durch Ausnahme in der Verfassung befreit. Er ist Vorsitzender der Regierungspartei Nur-Otan, die 1999 gegründet wurde und 2005 mit drei anderen Parteien fusionierte. Von einer echten Opposition kann in Kasachstan nicht gesprochen werden (AA 3.2018a).

Jegliche Art der Gewaltenteilung (checks and balances) im Sinne der Kontrolle der Exekutive ist extrem schwach. Die Exekutive beherrscht alle übrigen Bereiche der Regierung und innerhalb der Exekutive wiederum dominiert der Präsident mit seiner engsten Entourage und der Präsidialverwaltung. Während das gegenwärtige Regime relativ stabil ist, verhindert es das Entstehen neuer politischer Kräfte, verlangsamt die Entwicklung einer Mittelklasse und schafft auf lange Hinsicht Stabilitätsrisiken (BTI 2018).

Die prägende Gestalt des unabhängigen Kasachstan ist Nursultan Nasarbajew. Als Parteichef der KasSSR wurde er 1990 zunächst vom Obersten Sowjet der Unionsrepublik ins neu geschaffene Amt des Präsidenten gewählt und am 1.12.1991 als einziger Kandidat von der Bevölkerung in diesem Amt bestätigt und hat es seither ununterbrochen inne (1995 Verlängerung der Amtszeit per Referendum; 1999 und 2005 reguläre Präsidentschaftswahlen, 2011 um ein Jahr vorgezogene Wahlen). Im Februar 2015 wurden extrem kurzfristig wiederum um ein Jahr vorgezogene Wahlen für den 26.4.2015 angekündigt. Erwartungsgemäß hieß der Sieger erneut Nursultan Nasarbajew. Seine beiden Gegenkandidaten waren in der Bevölkerung unbekannt und ließen auch keinen Zweifel daran, dass sie den Amtsinhaber für die bessere Wahl hielten (GIZ 6.2018a). Nasarbajew wurde mit 97,75% im Amt bestätigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 95% (IFES 2018a). Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden regulär 2020 statt (AA 3.2018a).

Senat (Oberhaus) und Mazhilis (Unterhaus) sind die beiden Häuser des Parlaments. Der Senat setzt sich aus 47 Senatoren zusammen: Je Verwaltungsgebiet (Oblast) werden zwei Senatoren (Amtszeit 6 Jahre) von den örtlichen Vertretungskörperschaften (Maslikhate) gewählt; 15 Senatoren werden vom Präsidenten ernannt. Bei vorgezogenen Unterhauswahlen am 20. März 2016 hat die Präsidentenpartei „Nur Otan“ mit 82,15% den erwarteten Wahlsieg errungen. Oppositionsparteien boten keine ernst zu nehmende politische Alternative zur dominierenden Präsidentenpartei. Die Kommunistische Volkspartei (7,14%) und die wirtschaftsliberale Partei „Ak Zhol“ (7,18%) haben neben „Nur Otan“ die 7%-Sperrklausel überwunden. Beide Parteien waren bereits im vorherigen Parlament vertreten (AA 3.2018a). Von den 98 Sitzen des Unterhauses fielen 84 auf „Nur Otan“, und je sieben auf die „Kommunistische Volkspartei“ sowie auf die „Demokratische Partei Ak Zhol“ (IFES 2018b). Die OSZE konstatierte zwar einige Fortschritte, doch hätte das Land noch Wesentliches vor sich, um die OSZE-Verpflichtungen für die Durchführung demokratischer Wahlen zu erfüllen. Der rechtliche Rahmen schränkt die grundlegenden politischen und Bürgerrechte ein, was eine umfassende Reform von Nöten macht. Am Wahltag selbst kam es zu ernsten prozeduralen Fehlern und Unregelmäßigkeiten (OSCE 21.3.2016).

Ende April 2016 kam es in ganz Kasachstan zu zahlreichenden Demonstrationen, gegen eine geplante Landreform, welche von den Gegnern als Ausverkauf kasachischen Bodens an ausländische Investoren aufgefasst wurde (Erhöhung der Pachtdauer von 10 auf 25 Jahre). In mehreren Städten sollen jeweils zwischen 1.000 und 2.000 Personen teilgenommen haben Die Regierung dementierte, dass dies faktisch dem Verkauf von Land gleichkäme. Präsident Nasarbajew forderte, Provokateure, die bewusst Gerüchte über den Verkauf von Agrarland streuen, streng zu bestrafen. (BBC 28.4.2016; vgl. ZA 27.5.2016). In der Folge suspendierte die Regierung die Änderungen des Landrechts (ODF 20.5.2016), nachdem Präsident Nasarbajew am 5.5.2016 sein Veto bis zur „weiteren Klarstellung“ eingelegt hatte. Am selben Tag entließ Nasarbajew den Wirtschaftsminister, dessen Stellvertreter sowie den Landwirtschaftsminister, weil sie es verabsäumt hätten, der Bevölkerung die diesbezügliche Regierungspolitik zu erklären (JF 16.5.2016; vgl. ZA 16.2.2017).

2017 war die Lage in Kasachstan innenpolitisch - im Gegensatz zum eher unruhigen Vorjahr – stabil (AA 3.2018a).

Sicherheitslage

Erstmals kam es im Jahre 2011 zu mehreren kleineren islamistisch-terroristische Anschlägen in Kasachstan. Daraufhin wurde im Oktober 2011 ein neues Religionsgesetzes verabschiedet, um die Verbreitung extremistischer religiöser Strömungen einzudämmen (GIZ 6.2018a; vgl. AA 3.2018a).

2016 kam es zu den ersten größeren Anschlägen seit 2011 (USDOS 19.7.2017). Am 5.6.2016 und am Folgetag kam es in der 400.000 Einwohner-Stadt Aqtobe zu Schießereien zwischen mutmaßlichen islamistischen Extremisten und Sicherheitskräften, bei denen laut Innenministerium 19 Menschen getötet wurden. Zwei Dutzend junger Männer überfielen zwei Waffengeschäfte, dann einen Posten der Nationalgarde. Es wurde die oberste Terrorwarnstufe ausgerufen (FR 6.6.2016; vgl. ZA 30.6.2016). Unter den Toten waren 13 Attentäter, drei Zivilisten und drei Soldaten der Nationalgarde (RFE/RL 7.6.2016). Während nachfolgender Polizeirazzien wurden fünf weitere vermeintliche Attentäter getötet (RFE/RL 10.6.2016). Die Staatsführung stufte beide Ereignisse als terroristische Akte ein und beschuldigte ausländische Akteure, obwohl die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden keine Hinweise auf eine direkte Verbindung zu ausländischen terroristischen Organisationen ergaben (USDOS 19.7.2017). So brachte etwa Präsident Nasarbajew die Anschläge mit den Farbrevolutionen in Georgien, der Ukraine und Kirgisistan 2010 in Verbindung (ZA 30.6.2016).

Am 18.7.2016 stürmte ein bewaffneter, offenbar islamistischer Einzeltäter mit krimineller Vergangenheit das Bezirkshauptquartier der Polizei in Almaty und tötete fünf Menschen – darunter drei Polizisten – und verletzte drei weitere Personen zum Teil lebensgefährlich (GIZ 6.2018a; vgl. ZA 29.7.2016). Der Hauptangeklagte des Anschlages wurde später zum Tode verurteilt (AA 3.2018a).

Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Es gibt vier spezielle Anti-Terror-Einheiten beim Innenministerium sowie eine weitere beim Nationalen Sicherheitskomitee. Die Regierung hat schon seit langem die Möglichkeit einer Rückkehr ausländischer Terroristen aus dem Irak und Syrien befürchtet, doch haben die Anschläge vom Juni und Juli die Aufmerksamkeit der Regierung wieder verstärkt auf einheimische gewalttätige Extremisten gelenkt. Um dieser Bedrohung besser zu begegnen, änderte die Regierung die Anti-Terror-Gesetzgebung. Was den Umgang mit ehemaligen IS-Kämpfern anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits werden ehemalige IS-Kämpfer auch verhaftet und gerichtlich verfolgt (USDOS 19.7.2017).

Im September 2016 wurde offiziell mitgeteilt, dass durch die Gerichte Kasachstans zahlreiche Urteile im Zusammenhang mit Förderung von „Extremismus“ und Terrorismus, sowie zu militanten Tätigkeiten in Syrien, sowie wegen Rekrutierung von Terroristen verhängt worden sind. Innerhalb von fünf Jahren wurden 64 terroristische Anschläge vereitelt und 445 Terroristen verurteilt, darunter 33 Heimkehrer aus Konfliktregionen (USDOS 19.7.2017).

Wurde im April 2015 die Zahl der Kasachen in Syrien mit 350 Personen angegeben (150 Kämpfer, der Rest Familienmitglieder) (USDOS 2.6.2016), wurden 2017 keine dahingehenden offiziellen Schätzungen abgegeben (USDOS 19.7.2017). US-amerikanische Quellen schätzten im Oktober 2017 die Zahl der kasachischen Staatsbürger unter den IS-Kämpfern auf 500 (ZA 27.1.2018).

Die Sicherheitslage in Kasachstan kann im Vergleich zu den Nachbarländern als stabil bezeichnet werden (BMEIA 25.4.2018). 2017 gab es keine islamistischen Anschläge (GIZ 6.2018a).

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gesetz sieht keine unabhängige Justiz vor. Diese wird in der Praxis von der Exekutive eingeschränkt. Überdies dominiert der Staatspräsident generell die Justiz. Die Rekrutierung von Richtern ist von Korruption geplagt, und bedingt oftmals die Bestechung hochrangiger Beamter (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018).

Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes und jene der lokalen Gerichte sowie die Mitglieder des Obersten Justizrates. Zwar sieht die Verfassung die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit des Gerichtswesens vor, doch in der Praxis ist die Justiz der Exekutive dienlich und schützt die Interessen der herrschenden Eliten. Zusammen mit der allgegenwärtigen Korruption der Gerichte führt dies zu geringem Vertrauen und Erwartungen der Öffentlichkeit in die Justiz (FH 2018).

Angeklagte genießen die Unschuldsvermutung. Für Verbrechen, welche mit der Todesstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie für schwere Verbrechen wie Menschenhandel und die Beteiligung Minderjähriger an kriminellen Aktivitäten, sind Geschworenenprozesse vorgesehen. Aktivisten kritisieren jedoch, dass Geschworene durch Richter, Experten und Zeugen Druck ausgesetzt sind und bei Nichtumsetzung richterlicher „Empfehlungen“ kann die Jury leicht aufgelöst werden. Angeklagte in Strafsachen, welche über wenig Einkommen verfügen, haben das Recht auf Beratung und einen von der Regierung zur Verfügung gestellten Anwalt. Laut Beobachtern dominieren Staatsanwälte die Prozesse und Verteidiger spielen eine untergeordnete Rolle. Angeklagte haben das Recht, eine Entscheidung vor einem höheren Gericht anzufechten. Das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit bleibt ein Problem, insbesondere in einigen politisch motivierten Prozessen mit Oppositionellen und in Fällen, in denen es Vorwürfe unzulässiger politischer oder finanzieller Einflussnahme gibt. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichteten über zahlreiche Probleme im Justizsystem, darunter fehlender Zugang zu Gerichtsverfahren, mangelnder Zugang zu staatlichen Beweismitteln, häufige Verfahrensverstöße, Verweigerung von Verteidigungsanträgen und das Versäumnis von Richtern, Vorwürfen gegen die Behörden bezüglich erzwungener Geständnisse nachzugehen. Korruption ist in gerichtlichen Verfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den am höchsten bezahlten Regierungsangestellten gehören, behaupten Anwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Beamte Bestechungsgelder im Austausch für günstige Entscheidungen in vielen Straf- und Zivilsachen verlangen. Die Staatsanwälte haben eine quasi-richterliche Funktion und sind befugt, Gerichtsentscheidungen auszusetzen. Obgleich es den Gerichten obliegt, Haftbefehle zu bewilligen oder zu verweigern, werden Haftanträge der Staatsanwaltschaft in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ausgestellt. Die Staatsanwälte haben die Macht, Untersuchungen und Festnahmen zu autorisieren. Im ersten Halbjahr 2017 wurden 32 Richter wegen Verstößen gegen die gerichtliche Ethik bestraft: Zwölf Richter wurden verwarnt, vierzehn gerügt und sechs wurden entlassen (USDOS 20.4.2018)

Nach wie vor kommen Korruption und politische Intervention im Rechtsbereich vor. In Strafverfahren werden häufig Verfahrensregeln verletzt. Reformanstöße von innen und außen werden zögernd angenommen und umgesetzt (AA 3.2018a).

Fast zwei Drittel der Bürger empfinden die Justiz als korrupt (BTI 2018). Unternehmen zögern, sich an Gerichte zu wenden. Ausländischen Unternehmen war in der Vergangenheit bei der Anfechtung staatlicher Vorschriften und bei Vertragsstreitigkeiten wenig Erfolg beschieden (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018).

Sicherheitsbehörden

Die Zentralregierung hat das Gewaltmonopol inne. Das Nationale Sicherheitskomitee (KNB), [der kasachische Inlandsgeheimdienst], ist weiterhin die Hauptinstitution, die für die nationale Sicherheit verantwortlich ist und eng mit dem Innenministerium zusammenarbeitet (BTI 2018). Die Sicherheitskräfte werden effektiv von den zivilen Behörden kontrolliert (USDOS 20.4.2018).

Das kasachische Innenministerium beaufsichtigt die Polizei, die vor allem für die nationale Sicherheit verantwortlich ist. Das KNB spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Gesetze, bei der Grenzsicherheit, der inneren Sicherheit, bei Anti-Terror-Maßnahmen und bei der Ermittlung und dem Verbot von illegalen oder nicht registrierten Gruppen, wie z. B. extremistische, militaristische, politische, religiöse Gruppierungen und Gewerkschaften. Der KNB, wie auch der kasachische Auslandsgeheimdienst Syrbar und die Agentur für den öffentlichen Dienst und Korruptionsbekämpfung legen deren Berichte direkt dem Präsidenten vor. Von vielen Ministerien werden Blogs unterhalten, in welchen Bürger Beschwerden einreichen können. (USDOS 20.4.2018).

Am 4.7.2017 unterzeichnete Präsident Nasarbajew Gesetzesänderungen zur Reform der Strafverfolgungsbehörden. Eine dieser Gesetzesänderungen erteilt dem KNB die Befugnis, Korruption durch Beamte der Geheimdienste, des Antikorruptionsbüros und des Militärs zu untersuchen (USDOS 20.4.2018).

Korruption unter den Gesetzesvollzugsorganen ist weit verbreitet. Personen, die verhaftet, festgehalten oder beschuldigt werden, ein Verbrechen begangen zu haben, haben von Anfang an das Recht auf einen Anwalt. Die Strafprozessordnung verpflichtet die Polizei, Verhaftete über ihre Rechte aufzuklären. Weiters erlaubt das Gesetz der Polizei, einen Gefangenen bis zu 72 Stunden vor der Anklage festzuhalten. Menschenrechtsbeobachter kritisieren diese Zeitperiode als zu lange und sie sind der Meinung, dass diese Zeit genutzt wird, um Druck auszuüben und ein Geständnis zu erpressen. Durch die Staatsanwaltschaft wurde in den ersten sechs Monaten des Jahres von fünf Vorfällen willkürlicher Festnahme und Inhaftierung berichtet (USDOS 20.4.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter; dennoch existieren Berichte, dass Häftlinge von Polizei- und Strafvollzugsbeamten gefoltert und misshandelt worden wären (USDOS 20.4.2018).

Am 23.11.2016 drängte die EU im Zuge der Aufnahme engerer politischer und wirtschaftlicher Beziehungen mit Kasachstan auf konkrete Maßnahmen zur Lösung dringender Menschenrechtsprobleme. Die Untersuchung von Folter- und Misshandlungsvorwürfen bleibt trotz positiver Gesetzesänderungen bei der Meldung und Untersuchung von Straftaten wirkungslos, und Straflosigkeit ist nach wie vor die Regel. Der Kern des Problems liegt in der Zurückhaltung der Behörden, das Strafverfolgungssystem der öffentlichen Kritik auszusetzen (OMCT 23.11.2016).

Der Ombudsmann verzeichnete im Jahr 2016 über 106 Beschwerden über Folter, Gewalt und andere grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen und berichtete, dass trotz einiger Fortschritte die Probleme mit Menschenrechtsverletzungen in den provisorischen Haftanstalten nach wie vor gravierend sind. (USDOS 20.4.2018).

Für 2016 wird von mehr als 1.500 Fällen von Folter in kasachischen Gefängnissen berichtet (ZA 27.1.2018).

Amnesty International berichtet, dass die kasachische Generalstaatsanwaltschaft offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2016 insgesamt 700 Anzeigen wegen mutmaßlicher Folter in Haftanstalten erhalten habe und dass in den vergangenen fünf Jahren 158 Beamte wegen Folter schuldig befunden worden seien (AI 22.2.2018).

Korruption

Korruption ist allgemein verbreitet und reicht in alle Bereiche der Regierung hinein (BTI 2018). Nach wie vor kommen Korruption und politische Interventionen im Rechtsbereich vor (AA 3.2018a).

Das Innenministerium, das Komitee für nationale Sicherheit (KNB) und die Disziplinarkommission für den Staatsdienst sind für die Bekämpfung der Korruption verantwortlich. Das Gesetz sieht Strafen für Korruption bei Beamten vor, jedoch hat die Regierung das Gesetz nicht effektiv implementiert, und Beamte wenden häufig ungestraft korrupte Praktiken an. Laut amtlicher Statistik wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres 2017 insgesamt 2.132 Korruptionsvergehen registriert. 1.019 davon wurden vor Gericht gebracht (USDOS 20.4.2018).

Die Chefin der städtischen Agentur für Korruptionsbekämpfung von Almaty erklärte, dass im Jahr 2016 und 1. Quartal 2017 insgesamt 113 Mitarbeiter der staatlichen Verwaltung wegen unethischen Verhaltens disziplinarisch zur Verantwortung gezogen wurden (ZA 27.1.2018).

Im Corruption Perceptions Index 2015 von Transparency International lag Kasachstan auf Rang 123 von 168 Ländern (TI 2015). Im Jahre 2016 lag Kasachstan auf Rang 131 von 176 angeführten Staaten (TI 2016). 2017 erreicht Kasachstan den 122. Rang unter 180 bewerteten Ländern (TI 2017). Kasachstan wird im 2017 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit 31 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean). 2016 hatte das Land nur 29 Punkte erhalten. Im längerfristigen Vergleich hat die Bewertung aber abgenommen (2012: 28Punkte; 2013: 26; 2014: 29; 2015: 28;) (TI 2017). Die Regierung verfolgt vor allem in hochkarätigen Korruptionsfällen selektiv Beamte, denen Missbrauch vorgeworfen wird. Dennoch bleibt Korruption weit verbreitet, und es besteht Straffreiheit, sowohl für Personen, die Autoritätspositionen innehaben, als auch für Personen, die mit Regierungs- oder Strafverfolgungsbeamten in Verbindung stehen (USDOS 20.4.2018).

Im Juli 2017 verurteilte ein Militärgericht in Astana fünf ehemalige Mitarbeiter des Verteidigungs- und Finanzministeriums sowie sechs Geschäftsleute wegen Korruption zu Gefängnisstrafen zwischen drei und zwölf Jahren (ZA 27.1.2018).

Im Februar 2018 wurde von der Entlassung von 148 Polizisten aus verschiedenen Abteilungen des Innenministeriums wegen Korruption und anderer Delikte berichtet (ZA 29.6.2018.).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Versammlungsfreiheit wird restriktiv gehandhabt (AA 3.2018a).

Das Gesetz gewährt beschränkte Versammlungsfreiheit. In der Praxis jedoch bestehen weitgehende Einschränkungen. Das Gesetz definiert unerlaubte Versammlungen, öffentliche Treffen, Demonstrationen, Märsche, Streikposten und Streiks, welche die soziale und politische Stabilität gefährden, als Bedrohung der nationalen Sicherheit. Gemäß Gesetz müssen Demonstrationen oder öffentliche Zusammenkünfte bei den lokalen Behörden zehn Tage im Voraus angemeldet werden. Oppositionsvertreter und Menschenrechtsbeobachter beschweren sich, dass das Prozedere kompliziert und vage sei, und die Zehn-Tage-Frist es Gruppen schwer mache, öffentliche Zusammenkünfte oder Demonstrationen zu organisieren. Zudem würden die lokalen Behörden viele Ansuchen zurückweisen oder Demonstrationen nur außerhalb des Stadtzentrums zulassen (USDOS 20.4.2016).

Jegliche zivilgesellschaftliche bzw. religiöse Organisation muss sowohl beim Justizministerium als auch bei den lokalen Außenstellen des Ministeriums, registriert werden. Vereinigungen müssen laut Gesetz ihre spezifischen Aktivitäten festlegen. Jede Organisation, die außerhalb ihres Betätigungsfeldes agiert, kann verwarnt, bestraft, suspendiert oder letztendlich verboten werden. NGOs berichten von Schwierigkeiten öffentliche Vereinigungen zu gründen (USDOS 20.4.2018).

Die EU zeigt sich besorgt darüber, dass eine Zugehörigkeit zu einer nicht registrierten Vereinigung kriminalisiert wird und bedauert, dass Tätigkeiten registrierter Vereinigungen bei jedem auch noch so geringen Verstoß gegen nationales Recht gerichtlich ausgesetzt oder beendet werden können (EP 12.12.2017)

Von einer echten Opposition kann in Kasachstan nicht gesprochen werden (AA 3.2018a). Die einzige als ansatzweise oppositionell zu bewertende Partei, OSDP, ist im Parlament nicht vertreten. Die Kommunistische Partei Kasachstans wurde Anfang August 2015 verboten. Der bekanntesten nichtregistrierten, regimekritischen Partei, Alga (Vorwärts), wurde bereits 2012 die Tätigkeit untersagt. Ihr Vorsitzender Wladimir Koslow wurde Anfang Oktober 2012 in einem höchst umstrittenen Urteil wegen Anheizens sozialer Unruhen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt (GIZ 6.2018a).

Die Regierung verlangt von politischen Parteien, dass sie mindestens 40.000 Unterstützungserklärungen für die Registrierung aufweisen. Das Gesetz verbietet Parteien auf ethnischer, religiöser oder Genderbasis. Mitglieder der Streitkräfte, Angestellte der Gesetzesvollzugsorgane und anderer nationaler Sicherheitsorganisationen dürfen weder einer Partei noch Gewerkschaft beitreten (USDOS 20.4.2018).

Haftbedingungen

Laut offiziellen Angaben befanden sich mit 20.6.2018 insgesamt 33.989 Personen in Haft, was einer Quote von 186 pro 100.000 Einwohner entspricht [vgl. Österreich: 98]. 17% davon befanden sich in Untersuchungshaft. Die Häftlingszahlen sind rückläufig. Offiziell waren 2016 39.179 und 2014 49.821 Menschen inhaftiert (WPB o.D.) Vize-Innenminister Bisenkulow erklärte, dass die Zahl der Häftlinge in kasachischen Gefängnissen aufgrund des reformierten Kriminalstrafrechts in den letzten fünf Jahren um 30% gesunken sei (ZA 27.1.2018).

Die Haftbedingungen sind rau und manchmal lebensbedrohlich, die sanitären und hygienischen Bedingungen unbefriedigend. Die Einrichtungen entsprechen nicht den internationalen Gesundheitsstandards. Gesundheitliche Probleme werden in vielen Fällen nicht behandelt, oder die Haftbedingungen verschärfen diese noch. Die Verbindung zur Außenwelt ist ebenso eingeschränkt wie der Informationsfluss über Häftlingsrechte. Zur Behebung von infrastrukturellen Problemen in den Gefängnissen, wurden von den Behörden in den letzten Jahren jene acht Gefängnisse mit den schlechtesten Bedingungen geschlossen. Verbesserungen haben sich durch das 2015 geänderte Strafrecht ergeben. Es sieht nun auch alternative Strafen wie Geldstrafen und öffentliche Dienstleistungen vor. Von Menschenrechtsaktivisten wird festgestellt, dass dies jedoch nicht wirksam umgesetzt wird (USDOS 20.4.2018).

Die Praxis von Misshandlungen und Folter in Polizeigefängnissen, Untersuchungshaftanstalten und gewöhnlichen Haftanstalten besteht weiterhin (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist für traditionelle Religionen weitgehend gewährleistet. Voraussetzung für die freie Religionsausübung ist zumeist eine staatliche Registrierung und Beachtung verschiedener Auflagen. In letzter Zeit kam es wiederholt zu international und national kritisierten juristischen Verfahren gegen Vertreter unterschiedlicher Religionen bzw. gegen Gemeinschaften. Die kasachische Regierung betont ausdrücklich die Bedeutung der religiösen Vielfalt (AA 3.2018a).

Laut Schätzungen waren 2016 von den rund 18,5 Millionen Einwohnern Kasachstans 70% sunnitische Muslime, die meisten der Hanafi Schule angehörend. Andere islamische Gruppen, wie die Schiiten, umfassen zusammen weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Die russisch-orthodoxen Christen machen circa 26% aus. Andere Gemeinschaften umfassen weniger als 3% der Bevölkerung (USDOS 29.5.2018).

Kasachstan ist laut Verfassung ein säkularer Staat, Religionsfreiheit sowie die Gleichberechtigung der Religionen sind garantiert. Politisch-religiöse Vereinigungen sind verboten (GIZ 6.2018b).

Religiöse Gruppen müssen sich per Gesetz beim Justizministerium registrieren lassen. Die Zugehörigkeit zu einer nicht registrierten religiösen Gruppe ist nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten strafbar. Religiöse Gruppen durften ihren Glauben nur an staatlich genehmigten Orten praktizieren. Zusammenkünfte religiöser Art und die Verteilung religiöser Schriften an nichtgenehmigten Orten wurden mit hohen Geldstrafen geahndet (AI 22.2.2018).

Der Islam wird von der Führung für das „State- und Nationbuilding“ verwendet. Seit der Unabhängigkeit wurden mit staatlichem Segen neue Moscheen errichtet. Islamische Feiertage werden eingehalten. Kasachstan ist Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) und hatte dort 2011 sogar den Vorsitz inne. Daneben besteht ein Volksislam, der manches Element der vorislamischen Zeit enthält. Er wird eher kulturell, als streng den religiösen Geboten folgend, gelebt. Im Alltagsleben der Städte spielt der Islam noch kaum eine Rolle, in den traditionelleren Dörfern des Südens ist er stärker verankert, wobei es auch zu Konflikten zwischen den Bestimmungen des säkularen Staates und den religiösen Regeln kommt. Neue, sich unabhängig vom staatlich tolerierten Islam entwickelnde Bekenntnisse zum Islam, werden allerdings kritisch gesehen (GIZ 6.2018b).

Der Pressedienst des Ministeriums für Religionsangelegenheiten und Zivilgesellschaft berichtet, dass die geistliche Direktion der kasachischen Muslime (DSKM) das Verbot des Tragens eines Hidschabs oder des Kopftuches an Schulen, an denen Uniformen getragen werden, unterstützt. Das Verbot war bereits im Januar 2016 verabschiedet worden. Gleichzeitig empfiehlt die DSKM muslimischen Frauen nach Erreichen der Volljährigkeit in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen (ZA 29.6.2018).

Die christliche russisch-orthodoxe Kirche hat im Staat besondere Bedeutung, erst vor zwei Jahren wurde etwa in Astana eine prächtige (von Gazprom gesponserte) russisch-orthodoxe Kathedrale neu eröffnet. In Karaganda wurde ebenfalls vor zwei Jahren eine (vorwiegend aus österreichischen Spendenmitteln finanzierte) katholische Kathedrale neu eröffnet. Man kann davon ausgehen, dass die ethnisch russische Minderheit (ca. 4 Millionen, knapp 30% der Bevölkerung) russisch-orthodox ist. Römisch-katholische Christen zählen etwa 150.000, sie sind v.a. Nachkommen nach Kasachstan exilierter/vertriebener Osteuropäer (v.a. Polen). Es kann keinesfalls von einer Verfolgung der christlichen Bevölkerungsgruppe in Kasachstan gesprochen werden (ÖB Astana 16.2.2015).

Durch die Emigration von vor allem Russen und Ukrainern ist die Zahl der nominell wie tatsächlich russisch-orthodoxen Gläubigen stark zurückgegangen. Gleiches gilt für Protestanten und Katholiken durch die Aussiedlung von Deutschen und Polen. Das Verhältnis zwischen Islam und christlichen Kirchen ist entspannt. Sogenannte „nichttraditionelle Religionen“ – Scientology, Hare Krishna, Mormonen - hatten und haben Zulauf, was Widerspruch bei den Amtsträgern der traditionellen Glaubensrichtungen hervorruft und den Staat zum Handeln veranlasst hat. Beobachter beklagen den Versuch des Staates, auch religiöse Angelegenheiten traditioneller Glaubensrichtungen zu kontrollieren (GIZ 5.2018b).

Religiöse Gruppen sind angehalten, sich bei lokalen-, regionalen- oder nationalen Stellen des Justizministeriums zu registrieren. Dabei sind – je nach Verwaltungsorganisation – verschiedene Mitgliederzahlen für eine Registrierung erforderlich. Auf lokaler Ebene sind 50, auf regionaler Ebene 500 und auf nationaler Ebene 5000 Mitglieder erforderlich, um registriert zu werden.

Viele Gruppen konnten diese Schwellenwerte nicht erreichen und so ist die Zahl registrierter Religionsgemeinschaften im Land stark zurückgegangen. Von 48 „nicht-traditionellen religiösen Organisationen“ wurden nur 16 neu registriert. Die Union der evangelisch-.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl christlichen Baptisten mit 11.000 Mitgliedern verweigerte aus Gewissensgründen eine Registrierung. Schiiten und Ahmadis wurden für eine Registrierung abgelehnt.

Seit 2013 erfolgt eine Registrierung muslimischer Gruppen nur noch, wenn sie dem staatlich unterstützten muslimischen Vorstand angehören (USCIRF 3.2018).

Im Dezember 2015 bestätigten die Gerichte hohe Geldstrafen gegen zwei Zeugen Jehovas und einen Rentner, wegen Gesprächen über ihren Glauben in der Öffentlichkeit (USCIRF 4.2018). Ein Gericht in Astana verurteilte im Mai 2017 einen Zeugen Jehovas wegen des unerlaubten Abhaltens einer „Versammlung“ zu einer Haftstrafe von fünf Jahren. Ende Juni 2017 wurde auf Beschluss eines Gerichts in Almaty das Gebietsbüro der Zeugen Jehovas aus unbekannten Gründen für drei Monate geschlossen und eine hohe Geldstrafe gegen die Religionsgemeinschaft verhängt (ZA 27.1.2018).

Nach NGO-Angaben waren 2017 insgesamt 279 Verwaltungsstrafverfahren mit religiösem Hintergrund bekannt. 259 davon endeten mit Strafen, einschließlich Geldstrafen, einer kurzfristigen Gefängnisstrafe, Abschiebungen, Gottesdienstverboten, Beschlagnahmungen und der Vernichtung religiöser Literatur (Forum 31.1.2018).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Laut Schätzung (2009) sind 63,1% der Einwohner Kasachstans ethnische Kasachen; 23,7% Russen; 2,9% Usbeken; 2,1% Ukrainer; 1,4% Uiguren; 1,3% Tataren; 1,1% Deutsche und 4,4% gehören anderen Ethnien an (CIA 12.7.2018; vgl. ASRK 2011). Von 1999 bis 2009 nahm der Anteil der Kasachen hierbei von 53,5 auf 63,1% zu, jener der Russen als zweitgrößter Gruppe schrumpfte im gleichen Zeitraum von 29,9 auf 23,7%. Mit Ausnahme der Usbeken, haben sich die Anteile aller Minderheiten an der Gesamtbevölkerung verkleinert, auch jener Minderheiten, die in absoluten Zahlen gewachsen sind (ASRK 2011).

Kasachstan ist nicht nur das neuntgrößte Land der Erde, auf seinem Territorium leben auch Angehörige von 120 Nationalitäten. Entsprechend groß ist die Vielfalt der Sprachen, Religionen, Traditionen und Kulturen – auch wenn früher das „Sowjetische“ und heute zunehmend das „Kasachische“ im Vordergrund steht. Nach der Unabhängigkeit hat es eine starke Emigration vieler nichtkasachischer Nationalitäten (Russen, Deutsche, Polen u.v.a.) gegeben, gleichzeitig kehrten Kasachen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, der Mongolei und China in ihre „historische Heimat" zurück. Das Zusammenleben war seit der Unabhängigkeit nicht problemfrei, aber abgesehen von ganz kleinen, lokal begrenzten Auseinandersetzungen, friedlich. Nicht nur in der Verfassung, sondern auch in der Realität genossen die Nationalitäten Schutz; Eintracht zwischen den Nationalitäten war ausdrückliches Politikziel. In den letzten Jahren lässt sich aber deutlich eine „Kasachisierungs“-Tendenz erkennen. Nach der Unabhängigkeit wurde Kasachisch in der Verfassung zur Staatssprache erhoben, Russisch erhielt aber eine herausgehobene Sonderrolle als Sprache der interethnischen Kommunikation. Durch die Ereignisse in der Ukraine reagiert das offizielle Kasachstan derzeit sehr nervös auf vereinzelte Forderungen nach Autonomie oder Anschluss an Russland. Offenbar ausgelöst durch die aktuelle Wirtschaftskrise ist seit 2015 eine neue Ausreisewelle von Russen zu beobachten (GIZ 6.2018b).

Frauen

Knapp 52% der Bevölkerung Kasachstans sind Frauen. Sie sind im sozialen Leben und auf der Einkommensskala nicht gleichberechtigt und in Spitzenpositionen von Politik und Wirtschaft trotz ihrer relativ hohen Bildungs- und Erwerbstätigkeitsquote unterrepräsentiert (GZ 5.2018b; vgl. AA 3.2018a). Im Vergleich mit anderen Staaten der Region steht Kasachstan in Sachen Gleichberechtigung jedoch relativ gut da. Das drücken auch die verschiedenen internationalen Gender Indizes aus. Kasachstan hat eine Reihe internationaler Gender Equality Vereinbarungen unterzeichnet (GIZ 6.2018b). Auf dem Gender Gap Index des World Economic Forum nahm Kasachstan 2017 Rang 52 (2015: 47/145) von 144 Ländern ein. Überdurchschnittlich war das Abschneiden bei den Subkategorien: „economic participation and opportunity“ (mit Ausnahme der Komponente Einkommen), „educational attainment“ und „health and survival“. Unterdurchschnittlich rangierte Kasachstan hinsichtlich der politischen Position von Frauen. Infolge der unterdurchschnittlichen Repräsentanz in politischen Vertretungs- und Regierungsorganen gab es hier bloß Platz 93 (2015: 78/145) (WEF 2017). Das Europäische Parlament hieß in der Resolution zur Implementierung der EU-Zentralasienstrategie die kasachische Strategie zur Geschlechtergleichstellung willkommen, bedauerte jedoch gleichzeitig die mangelnde Vertretung von Frauen in den kasachischen staatlichen Entscheidungsorganen trotz der gesetzlich festgelegten 30%-Quote (EP 13.4.2016). Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, stellt ein Problem dar. Das Gesetz zur häuslichen Gewalt kennt zahlreiche Arten häuslicher Gewalt, wie physische, psychologische, sexuelle, und ökonomische und beinhaltet die Zuständigkeiten der lokalen und nationalen Regierungen sowie der NGOs bei der Bereitstellung von Unterstützung für Opfer von häuslicher Gewalt. Für häusliche Gewalt können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Vergewaltigung ist strafbar, das Strafmaß beträgt zwischen drei und fünfzehn Jahren Haft; Vergewaltigung in der Ehe ist hier ebenfalls inkludiert. Es gibt jedoch Berichte darüber, dass - insbesondere bei Vergewaltigungen in der Ehe - Polizei und Gerichte eher zögerlich vorgehen. Sexuelle Belästigung bleibt ein Problem. Rechts- und Genderexperten sehen die Gesetzeslage als unzureichend, da das Gesetz nur bestimmte Formen sexueller Belästigung verbietet. Es gibt Berichte über Fälle von sexueller Belästigung in denen das Opfer keinen Schutz durch das Gesetz gefunden hat und es gibt auch keine Berichte über dahingehende Strafverfolgung. Die Polizei greift in Familiendispute nur ein, wenn sie annimmt, dass der Missbrauch lebensgefährlich ist. Laut Innenministerium bestehen 28 Krisenzentren für Opfer häuslicher Gewalt. NGOs schätzen, dass jährlich mehr als 400 Frauen an den Folgen häuslicher Gewalt sterben. Die Staatsanwaltschaft hingegen zählte 2016 lediglich 36 Todesopfer (Frauen) als Folge häuslicher Gewalt (USDOS 20.4.2018). Schätzungsweise 17.000 bis 18.000 Kinder leiden unter psychischer oder physischer Misshandlung durch ihre Eltern. Laut Zahlen von UNICEF werden gar 62% der Kinder in Kasachstan in ihren Familien misshandelt. In 65% der Familien wird psychischer Druck auf Kinder ausgeübt und in 40% werden Kinder mit körperlicher Bestrafung diszipliniert. 75% der Befragten heißen die Prügelstrafe für Kinder gut (USDOS 20.4.2018; vgl. ZA 29.6.2018) Auch Gewalt in Schulen ist ein Problem. Experten schätzen, dass zwei von drei Schülern Gewalt erlitten oder miterlebt haben. Gewalt und Misshandlung stellen sich in Internaten und Waisenhäusern besonders gravierend dar (USDOS 20.4.2018). Das UN-Kinderrechtskomitee zeigte sich im Oktober 2015 besorgt, weil es Berichten zufolge noch immer zu Fällen von Folter und Misshandlung von Kindern in Polizeigewahrsam bzw. Pflegeeinrichtungen komme. Zwar lobte das Komitee einige positive Gesetzesänderungen, doch zeigte es sich besorgt, dass die Gesetzgebung es verabsäumte, körperliche Züchtigung ausdrücklich zu verbieten. Besorgnis äußerte das Komitee auch hinsichtlich Fällen von Gewalt gegen Kinder durch Lehrer mit schwerwiegenden Folgen, inklusive des Todes eines Kindes. Weiters gibt es Berichte von einem Anstieg von Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern und einem Mangel an Schutzeinrichtung für die Opfer (CRC 2.10.2015). Die Unterhausabgeordnete Sagipa Balijewa ist 2016 durch ein präsidentielles Dekret zur ersten kasachischen Ombudsfrau für Kinderrechte bestimmt (USDOS 20.4.2018; vgl. ZA 1.4.2016). Das rechtliche Mindestalter für die Ehe beträgt 18 Jahre, mit der Möglichkeit einer Senkung auf 16 Jahre im Falle einer Schwangerschaft oder des gegenseitigen Einvernehmens. Die NGO „League of Women of Creative Initiative“ geht von 2.000 bis 3.000 Zwangsehen bzw. Ehen von Minderjährigen jährlich aus (USDOS 20.4.2018).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert die innere Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Trotz einiger Einschränkungen respektiert die Regierung diese Rechte und kooperiert mit dem Flüchtlingshochkommissariat und anderen humanitären Organisationen, um Binnenflüchtlingen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu gewähren (USDOS 20.4.2018).

Grundversorgung und Wirtschaft

Im Februar 2014 musste der Tenge um fast 20% abgewertet werden. Die Verschiebung bei der Aufnahme der Erdölförderung in Kaschachstan zeigte Auswirkungen, vor allem aber bereitet die schwächelnde russische Wirtschaft bei der engen Verknüpfung beider Ökonomien Probleme. Bei der mangelnden Diversifizierung der Wirtschaft hat Kasachstan darüber hinaus wenige Einflussmöglichkeiten. Der global immer weiter sinkende Ölpreis macht die wirtschaftliche Situation immer schwieriger. Ende 2015 hatte der Tenge einen um mehr als 50% geringeren Wert als zu Beginn des Jahres. Die Führung des Landes reagiert mit verschiedenen Antikrisenmaßnahmen. Beobachter halten vor allem auch eine effektive Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption für notwendig (GIZ 6.2018c).

Die Wirtschaftskrise, traf die mittleren Einkommensgruppen am stärksten und verkleinerte die Kluft zu den ärmsten Bevölkerungsschichten. Laut UNDP-Bericht über die menschliche Entwicklung 2016 liegen 36,4% der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze. 2001 waren dies noch 47%. Dennoch bestehen soziale Ausgrenzung und Marginalisierung ebenso weiter, wie auch eine grundlegende Ausgrenzung durch Armut und schlechte Bildung (BTI 2018).

Die Reallöhne sinken seit mehreren Jahren. Unzufriedenheit mit der eigenen sozialen Lage und mit von der Regierung geplanten Reformen wirkt nur die Menschen wenig aktivierend. Anfang Februar 2014 hat die Freigabe des Tenge-Kurses und die darauffolgende Entwertung zu Protesten geführt, was ein Durchgreifen der Sicherheitskräfte provozierte. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die damit verbundene Entwertung des Tenge verschärfen die sozioökonomische Lage großer Teile der Bevölkerung. Bislang tragen aber nur verzweifelte Hypothekenschuldner ihren Protest auf die Straße, doch kann man die Demonstrationen gegen das Projekt eines neuen Landgesetzes im Frühjahr 2016 - die bislang größten im unabhängigen Kasachstan - als Zeichen interpretieren, dass die Geduld vieler Kasachen nicht unendlich ist. Der Anteil der nach internationaler Definition Armen erscheint gering, doch erfordert das Überleben in so teuren Städten wie Almaty und Astana weit mehr als 2 US-Dollar pro Tag. Besonders von Armut betroffen sind häufig Rentner, daneben Arbeitslose und ländliche Zuwanderer.

Die Arbeitslosenquote wurde im Juli 2017 off

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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