TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/18 95/19/1708

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Veröffentlicht am 18.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §35;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1995, Zl. 109.815/4-III/11/95, betreffend Verhängung einer Mutwillensstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. Juni 1995 verhängte der Bundesminister für Inneres gegen den Beschwerdeführer gemäß § 35 erster Fall AVG eine Mutwillensstrafe in der Höhe von S 1.000,--. In der Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister für Inneres folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe als Vertreter der D. am 2. Dezember 1994 einen Antrag gemäß § 73 AVG auf Übergang der Zuständigkeit der Entscheidung zu einem Zeitpunkt eingebracht, als D. durch den Landeshauptmann von Wien am 28. September 1994 bereits eine bis zum 12. Jänner 1996 befristete Bewilligung nch dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei.

Der Bundesminister für Inneres habe den Devolutionsantrag daher nur abweisen können. Da der Beschwerdeführer diesen Antrag zu dem Zeitpunkt gestellt habe, als er als bevollmächtigter Vertreter von der bereits erteilten Bewilligung wissen habe müssen, nehme der Bundesminister für Inneres als erwiesen an, daß dem Beschwerdeführer die Nutz- und Zwecklosigkeit des Anbringens bewußt gewesen sein mußte und es seine Absicht gewesen sei, durch den Antrag auf Devolution beim Bundesminister für Inneres zusätzliche behördliche Aktivitäten hervorzurufen. In der Sache selbst sei offenkundig gewesen, daß durch den Antrag für die Partei - auch in zeitlicher Hinsicht - nichts zu erreichen gewesen sei. Bei der Festlegung des Strafausmaßes sei zu berücksichtigen gewesen, daß die Behörde bereits einige gleichartige Strafen gegen den Beschwerdeführer verhängt habe, zur Erreichung des Strafzweckes daher eine geringere Strafe als die Höchststrafe von S 1.000,-- als nicht ausreichend zu erachten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 4. Oktober 1995, B 1986/95-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab; antragsgemäß wurde sie den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Der Beschwerdeführer ergänzte seine Beschwerde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, in dem er hinsichtlich des Sachverhaltes auf seine Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof verwies. Geltend gemacht werden Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Nichtbestrafung nach dem AVG verletzt.

In der Begründung der Beschwerde wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Auftrag und Vollmachtsnamen von D. am 2. Dezember 1994 bei der belangten Behörde den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung eingebracht. Diesem Antrag sei die Informationserteilung durch die Mandantin und deren Ehemann zugrundegelegen, daß der Mandantin auf Grund ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bisher keine solche erteilt worden sei, weshalb diese den Auftrag erteilt habe, die rechtlich notwendigen Schritte zur Erreichung dieses Zwecks unverzüglich in die Wege zu leiten. Dem Devolutionsantrag sei die Beantwortung einer Anfrage des Landeshauptmanns von Wien vom 4. Mai 1994 vorangegangen, mit der die Vorlage bestimmter Urkunden begehrt worden sei. Mit Schreiben vom 6. Juni 1994 habe der Beschwerdeführer als bevollmächtigter Rechtsvertreter der D. die begehrten Urkunden vorgelegt und die gestellten Fragen beantwortet. Seit dieser Antwort habe der Landeshauptmann von Wien keine Erledigung erlassen und dem Beschwerdeführer zugestellt. Dieser habe daher davon ausgehen müssen, daß der Landeshauptmann von Wien über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bis zur Einbringung des Devolutionsantrages nicht entschieden habe. Von seiner Mandantin habe der Beschwerdeführer keine gegenteilige Information erhalten. Daß D. vom Landeshauptmann von Wien bereits am 28. September 1994 eine bis zum 12. Jänner 1996 befristete Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei, habe der Beschwerdeführer erstmals durch den Bescheid vom 9. Juni 1995 erfahren.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß sein Vorgehen keineswegs als "offenbar mutwillig" verstanden werden konnte. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er nachgewiesenermaßen die Tätigkeit der belangten Behörde im Bewußtsein der Nutzlosigkeit seines Devolutionsantrages in Anspruch genommen hätte. Mangels eines von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens habe der Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung gehabt, weshalb er erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens in der Lage sei, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß ihm die belangte Behörde kein Parteiengehör gewährt habe. Bei Gewährung des Parteiengehöres hätte der Beschwerdeführer behaupten und beweisen können, daß er auf Grund der von D. erteilten Information und der von dieser vorgelegten Urkunden davon habe ausgehen können und müssen, daß über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages keine sachliche Erledigung vorgelegen sei.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde abzuweisen und dem Beschwerdeführer den Ersatz der Prozeßkosten aufzuerlegen. In ihrer Gegenschrift wiederholte die belangte Behörde zunächst die Bescheidbegründung des angefochtenen Bescheides, fügte aber ergänzend hinzu, daß der Beschwerdeführer offenkundig nicht von der erstinstanzlichen positiven Entscheidung des Amtes der Wiener Landesregierung vom 28. September 1994 und der bereits vorliegenden Aufenthaltsbewilligung erfahren habe bzw. es offenkundig unterlassen habe, sich vor der Ergreifung eines Rechtsmittels im Verwaltungsverfahrens darüber zu erkundigen, ob und inwieweit diese Tätigkeit noch im Interesse des Vertretenen liege. Bei der Einbringung des Devolutionsantrages am 2. Dezember 1995 habe sich der Beschwerdeführer auf seine Vertretungsbefugnis und somit auf einen Auftrag des Mandanten berufen. Dies sei für die belangte Behörde als offenkundige und mutwillige Verzerrung der tatsächlichen Gegebenheiten zur werten gewesen. Die Offensichtlichkeit der Kontaktlosigkeit zwischen dem Beschwerdeführer und der Vernachlässigung der Interessenswahrung des Mandanten sei für die belangte Behörde schlüssig und nachvollziehbar gegeben gewesen. Die Mutwilligkeit des Beschwerdeführers werde auch durch weitere Verfahren mit "fast konkludenten Sachverhalten offenbar". Zur Rüge der Verletzung des Parteiengehöres führt die belangte Behörde aus, daß nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Parteiengehör zu gewähren sei, wenn nur unbestrittene Tatsachen zugrundegelegt würden. Der in der Beschwerdeschrift ausgeführte Sachverhalt decke sich vollkommen mit der im bekämpften Bescheid festgestellten rechtlich relevanten materiellen Wahrheit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Gemäß § 35 AVG kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis S 1.000,-- verhängen. Diese Bestimmung findet auch auf berufsmäßige Parteienvertreter Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1954, Slg. NF Nr. 3500/A). Verfahren über Mutwillensstrafen stellen keine solchen wegen Verwaltungsübertretungen im Sinne des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG dar (vgl. zu Ordnungsstrafen gemäß § 34 AVG das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 94/17/0427).

Strafbarer Mutwille bei Ergreifung von Rechtsmitteln - dazu zählt auch ein Antrag gemäß § 73 AVG - hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Bewußtsein von der Grundlosigkeit des Rechtsmittels zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Rechtsmittel daher dann ergriffen, wenn sich der Rechtsmittelwerber wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewußt ist, daß der vorliegende Tatbestand keinen Grund zur Beschwerde gibt (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1928, Slg. Nr. 15.245/A). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung in der Folge dahingehend präzisiert, daß auf Seiten desjenigen, der das Rechtsmittel einbringt, ein offenbar mutwilliges Handeln erforderlich ist. Wenn das Gesetz neben der Mutwilligkeit, d.h. neben einem von der Absicht, die Behörde zu behelligen, geleiteten und von dem Bewußtsein getragenen Handeln, daß mit dem Rechtsmittel der erstrebte Zweck überhaupt nicht verwirklicht werden kann, noch verlangt, daß der Mutwille offenbar ist, so läßt sich daraus erkennen, daß die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschehen muß, daß jedermann die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, hätte erkennen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1954, Slg. NF. Nr. 3410/A). Die Verhängung einer Mutwillensstrafe über einen Vertreter einer Partei ist nach dieser Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn der Vertreter ohne Ermächtigung durch einen den konkreten Fall betreffenden Auftrag die Berufung in offenbar mutwilliger Gebrauchnahme seiner allgemein gehaltenen Ermächtigung eingebracht hätte (vgl. das. eben zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1954). Eine derartige offenbar mutwillige Einbringung eines Rechtsmittels hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. dann angenommen, wenn ein Rechtsanwalt am selben Tag einen Devolutionsantrag einbringt, an dem ihm auf seine telefonische Anfrage von der Behörde mitgeteilt wird, daß der Zustellvorgang des von ihm urgierten Bescheides bereits im Gange sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0046).

Mit einer solchen Konstellation, wie sie dem zuletzt zitierten Erkenntnis zugrundeliegt, ist allerdings der vorliegende Fall nicht zu vergleichen.

Die belangte Behörde bezieht sich im angefochtenen Bescheid auf einen Antrag der D. vom 25. April 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Der von der Behörde übermittelte Verwaltungsakt enthält zwar nur Anträge der D. vom 22. November 1993, vom 16. Juni 1994 und vom 7. Dezember 1995 (vgl. OZ 1, OZ 16 und OZ 20 des Verwaltungsaktes). Da sich jedoch auch der Beschwerdeführer im maßgeblichen Devolutionsantrag für D. vom 2. Dezember 1994 auf einen Antrag der D. vom 25. April 1994 bezieht, besteht für den Verwaltungsgerichtshof kein Grund, an der Existenz eines derartigen Antrages zu zweifeln.

Im Lichte der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durfte die Behörde nicht allein auf Grund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer am 2. Dezember 1994 einen Devolutionsantrag für D. einbrachte, annehmen, daß dies offenkundig mutwillig geschah. Eine derartige Annahme, insbesondere die tragende Prämisse von der "Kontaktlosigkeit" zwischen dem Beschwerdeführer und D., wäre nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens allenfalls berechtigt gewesen. Es wäre für die belangte Behörde naheliegend gewesen, D., darüber einzuvernehmen, ob sie den Beschwerdeführer von der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung am 28. September 1994 in Kenntnis gesetzt hatte. Das Ergebnis einer derartigen Einvernahme hätte die belangte Behörde im Rahmen der Gewährung von Parteiengehör dem Beschwerdführer vorzuhalten gehabt. Ohne eine solche Vorgangsweise durfte die Behörde hingegen die offensichtliche Mutwilligkeit der Einbringung des Devolutionsantrages nicht als erwiesen erachten. Der belangten Behörde ist daher ein Verfahrensfehler anzulasten, bei dessen Vermeidung sie, wie die Ausführungen des Beschwerdeführers zeigen, zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191708.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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