TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/1 L508 2166584-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.2021
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Entscheidungsdatum

01.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §6
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L508 2166584-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.02.2021, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger des Iran, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 23.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [im Folgenden: AS] 3).

2. Am 24.07.2015 erfolgte eine Erstbefragung nach dem AsylG durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (AS 1 - 13). Der Beschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er ein Objekt seiner Kauffamilie bzw. unfrei gewesen sei. Es habe mehrere von diesen Personen gegeben. Bei einer Rückkehr hätte er niemanden. Daher würde er wieder bei dieser Familie sein.

3. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 14.06.2017 (AS 33 - 43) legte der BF dar, dass sein Vater drogenabhängig gewesen sei und die Drogen von XXXX gekauft habe. Seine Mutter habe er nie gesehen. Sein Vater habe wegen der Drogensucht alle ihre Sachen verkauft. Eines Tages habe er ihn wegen der Drogen an diesen Dealer verkauft. Er sei dort wie ein Sklave gewesen. Der Dealer habe behauptet, dass er sein gesamtes Leben bei ihm bleiben und arbeiten müsse. Er habe dort acht Jahre gearbeitet, kein Einkommen und keine Möglichkeiten gehabt. Essen habe er erhalten. Aufgrund fehlender Dokumente habe er an keinen anderen Ort gehen können. Er sei öfters in einem Park in der Nähe von diesem Lager gewesen. Dort habe er eine Frau getroffen. Er habe sie nicht gekannt, aber ihr vertraut und ihr seine Lebensgeschichte erzählt. Diese habe ihm gesagt, dass sie ihm helfen wolle. Die Frau habe einen Schlepper gefunden und ihm die Reise bezahlt.

Nachgefragt zu Details schilderte der BF unter anderem, dass er iranischer Staatsangehöriger sei. Sein Vater sei Iraner gewesen und seine Mutter sei eine Afghanin. Er habe nicht die Möglichkeit gehabt, sich im Iran an die dortigen Behörden zu wenden. Die Behörden seien weit weg gewesen. Einmal habe er versucht aus dem Lager zu flüchten. Er sei von der Polizei festgenommen worden. Der Dealer habe gute Beziehungen zur Polizei und sei er wieder zurückgebracht worden. Er habe dort bleiben müssen. Ohne Dokumente habe er an keinen anderen Ort gehen können. Wenn er in den Iran zurückkehre, verfüge er über keine Dokumente. Er könne nicht gut Farsi schreiben und lesen. Die iranische Regierung unterstütze ihn nicht. Er könne nicht arbeiten und ohne Dokumente würden ihn die iranischen Behörden nicht akzeptieren. Wenn ihn der Dealer finde, werde ihn dieser umbringen.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 14.06.2017 (AS 51) stellte das BFA fest, dass es sich beim BF um einen iranischen Staatsangehörigen handelt.

5. Am 21.06.2017 brachte der BF bei der belangten Behörde persönlich mehrere Unterlagen bezüglich der Integration und des aktuellen Gesundheitszustandes in Vorlage (AS 45 ff).

6. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2017 (AS 139 - 226) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass - mag das Ausreisevorbingen auch glaubhaft sein - der Beschwerdeführer jedenfalls staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könnte.

In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Antragsteller vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine vierzehntägige für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe.

7. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2017 (AS 233 f, 237 f) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

8. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 26.07.2017 (AS 243 ff) in vollem Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

8.1. Es wird beantragt,

- die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des BF auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde;

- in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen;

- in eventu dem BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuzuerkennen;

- in eventu dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG zu erteilen

- sowie die gegen den BF erlassene Ausweisung und Rückkehrentscheidung aufzuheben

- und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

8.2. Nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges und der Wiederholung des wesentlichen Vorbingens werden Überlegungen zu den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen. Demnach sei auch darauf hinzuweisen, dass der BF im Iran keine Dokumente erhalten habe, da seine Mutter aus Afghanistan gestammt habe. Er sei nicht im Besitz einer Geburtsurkunde oder sonstiger iranischer Dokumente, weshalb er sich illegal im Iran aufgehalten habe. Aus diesem Grunde hätte er dort niemals staatlichen Schutz in Anspruch nehmen können. Während der Einvernahme am 14.06.2017 habe der BF angegeben, dass er mit der Polizei im Iran Probleme gehabt habe, da er nicht im Besitz von Dokumenten gewesen sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Behörde den Beschwerdeführer als iranischen Staatsangehörigen führe. Ferner sei nochmals festzuhalten, dass der Widersacher des BF eine sehr einflussreiche Person gewesen sei. Auch aus diesem Grunde habe der BF nicht die Möglichkeit gehabt, sich an die Behörden zu wenden. Einmal habe der BF versucht, aus dem Lager zu flüchten. Er sei von der Polizei festgenommen worden und aufgrund der guten Beziehung seines Widersachers zur Polizei wieder zu diesem zurückgebracht worden.

8.3. Das BFA hätte in diesem Zusammenhang prüfen müssen, ob der BF einer bestimmten sozialen Gruppe angehöre.

8.4. Aufgrund der Tatsache, wonach die Mutter des BF aus Afghanistan stamme und er im Iran nicht als iranischer Staatsangehöriger betrachtet werde, werde er Zeit seines Lebens im Iran keine Aufenthaltspapiere erhalten. Aus diesem Grunde könne er nicht mit dem notwendigen staatlichen Schutz rechnen. Diesbezüglich seien die Informationen in den Länderfeststellungen ab Bescheid Seite 54 (Flüchtlinge) zu beachten. Darin werde auf die Situation von Afghanen im Iran eingegangen. Daraus gehe klar hervor, dass sich die Angaben des BF mit den objektiven Informationen decken.

8.5. Der BF habe sich seit seiner Einreise in Österreich mit verschiedenen Religionen (Mormonen, Zeugen Jehovas, Bahá’í, Katholiken) in Form von Kursbesuchen auseinandergesetzt, jedoch fühle er sich keiner davon zugehörig. In diesem Zusammenhang werden die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen zum Kapitel „Religionsfreiheit“ und weitere Länderinformationsquellen zur Thematik „Atheismus“ auszugsweise zitiert (AS 251 - 255).

8.6. Des Weiteren wird moniert, dass es das BFA unterlassen habe, ein adäquates Ermittlungsverfahren zu führen. Die belangte Behörde habe in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls seien Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

8.7. Hinsichtlich des Eventualantrages auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten sei anzuführen, dass der BF im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbarer Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre.

8.8. Im Hinblick darauf, dass der Aufenthalt des BF im Iran als illegal bezeichnet werden könne, sei die Würdigung der belangten Behörde, wonach im Fall einer Rückkehr keine gefahrenerhöhenden Umstände vorliegen würden und der BF in der Lage sein würde, sich im Iran wieder zu resozialisieren, nicht richtig getroffen. Aufgrund des bisherigen Lebens des BF als Sklave seines Widersachers sei auch der Würdigung des BFA, dass der BF im Iran sozialisiert worden wäre und die dort herrschenden sozialen und kulturellen Werte kennen würde, nicht zuzustimmen.

8.9. Mit diesem Rechtsmittel wird jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

9. Mit Eingabe vom 13.02.2019 legte der BF eine Einstellungszusage, ein ÖSD Zertifikat A1, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung Niveau A2, eine Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs und drei Bestätigungen bezüglich des Besuches von Kursen beim Berufsförderungsinstitut Salzburg (OZ 6) vor.

10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2020 wurde der Bescheid vom 13.07.2017 behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde bloß ansatzweise ermittelt bzw. zum fluchtrelevanten Vorbringen keine ausreichenden Ermittlungen vorgenommen habe und ihre Ausführungen auch nicht den Anforderungen einer verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung entsprechen würden.

11. Gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2020 wurde seitens der belangten Behörde fristgerecht außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben (OZ 9).

12. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.11.2020 (OZ 12) wurde der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2020 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

13. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 04.02.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung an. In diesem Zusammenhang wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur Vorbereitung für die anberaumte mündliche Verhandlung aktualisierte Länderdokumentationsunterlagen zur Lage im Iran übermittelt und wurde ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme bis spätestens in der mündlichen Verhandlung freigestellt (OZ 16).

14. Am 04.02.2021 wurde vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher der Beschwerdeführer und ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen (OZ 19). Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation im Iran sowie ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei.

15. Auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes teilte die Bahai-Gemeinde in Österreich per E-Mail vom 04.02.2021 (OZ 21) und 05.02.2021 (OZ 23) mit, dass der BF kein eingetragenes Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft sei. Ferner wurde auf entsprechendes Ersuchen des BVwG näher erläutert, welche Voraussetzungen (Prozesse, Schritte usw.) erforderlich seien, um Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft zu werden.

16. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und der am 04.02.2021 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer gehört väterlicherseits der Volksgruppe der Perser und mütterlicherseits der Volksgruppe der Hazara an. Er wurde als Moslem geboren; mittlerweile bezeichnet er sich als Mitglied der Bahai-Gemeinde in Österreich.

Die Identität und das Geburtsdatum des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage von geeigneten Dokumenten nicht festgestellt werden.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat, sowie des Umstandes, dass der Antragsteller eine für den Iran gebräuchliche Sprache spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über den Iran ist festzustellen, dass es sich bei ihm um einen Staatsangehörigen aus dem Iran handelt.

Dem Beschwerdeführer fehlt es an persönlicher Glaubwürdigkeit.

Der Beschwerdeführer wurde im Alter von etwa sieben Jahren von seinem Vater zur Finanzierung von dessen Drogensucht an den Betreiber eines Recyclinghofes, der gleichzeitig als Drogenhändler aktiv (gewesen) ist, „verkauft“. Er erhielt für seine Tätigkeit keine Entlohnung, wurde aber verpflegt. Die dort zu leistende Zwangsarbeit ging nicht mit Gewalt, Übergriffen, Misshandlungen oder dergleichen einher, hatte keine weitergehenden Folgen und hat weder die politische noch die religiöse Einstellung/ Haltung des Beschwerdeführers beeinflusst.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund des im Kindesalter erfolgten „Verkaufes“ seiner Person und der anschließenden Verpflichtung zur Zwangsarbeit im Iran im Falle einer Rückkehr Verfolgung zu befürchten hat. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat liefe der Beschwerdeführer nicht ernstlich Gefahr, wegen dieser Umstände, intensiven Übergriffen durch den Staat, andere Bevölkerungsteile oder sonstige Privatpersonen im Iran ausgesetzt zu sein.

Der Beschwerdeführer hatte weder aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit noch wegen seiner politischen Gesinnung oder Religion asylrelevante Probleme.

Er stammt aus einer muslimischen Familie. Den Lehren des Islams und Christentums - insbesondere religiösen Verhaltensvorschriften bzw. Verboten - steht der Beschwerdeführer leicht kritisch gegenüber. Der Beschwerdeführer besuchte bereits im Iran keine Moschee und hielt die religiösen Verhaltensvorschriften bzw. Gebote des Islam nicht ein, ohne dass er deswegen Schwierigkeiten zu gewärtigen hatte.

Der Beschwerdeführer hat oberflächliche Kenntnisse vom Bahaitum und von den Grundlagen dieses Glaubens.

Der Beschwerdeführer ist kein eingetragenes Mitglied der Bahai-Gemeinde in Österreich. Er hat sich nicht tatsächlich, und schon gar nicht aus Überzeugung, vom islamischen Glauben ab- und dem Bahaitum zugewandt. In den vergangenen Jahren hat er zwar ein gewisses Interesse am Bahaitum entwickelt und sich damit befasst, er ist aber nicht aus innerer Überzeugung zum Bahaitum konvertiert und der Glaube der Bahai ist nicht wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers. Seine Hinwendung zum Bahaitum erweist sich als eine Scheinkonversion, die der Erlangung des Status des Asylberechtigten dienen soll. Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat weiterhin mit diesem Glauben befassen oder nach dem Glauben der Bahai leben oder sich privat oder öffentlich zu diesem Glauben bekennen würde.

Wenn jemand von den Aktivitäten des Beschwerdeführers in der Bahai-Gemeinde in Österreich im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers Kenntnis hat, kann es sich nur um Personen handeln, die der Beschwerdeführer selbst informiert hat und von denen er nichts zu befürchten hat.

Die Behörden im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers haben von der - nicht aus innerer Überzeugung geschehenen - Konversion keine Kenntnis und es ist auch nicht davon auszugehen, dass sie vom geringen religiösen Engagement des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr in den Iran Kenntnis erlangen würden.

Selbst für den Fall, dass Angehörige, das übrige soziale Umfeld, sonstige Privatpersonen oder die Behörden im Herkunftsstaat von den religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich Kenntnis haben oder erlangen sollten, liefe der Beschwerdeführer nicht ernstlich Gefahr, im Zusammenhang damit, im Zusammenhang mit der behaupteten Konversion zum Bahaitum oder wegen eines allenfalls unterstellten Glaubensabfalls bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat intensiven Übergriffen durch den Staat, andere Bevölkerungsteile oder sonstige Privatpersonen ausgesetzt zu sein. Dem Beschwerdeführer würde nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische oder psychische Gewalt oder Strafverfolgung oder eine andere aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung, Bedrohung oder sonstige Gefährdung drohen.

Ferner wäre der Beschwerdeführer nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Perser (väterlicherseits) und der Volksgruppe der Hazara (mütterlicherseits) im Falle seiner Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, unmittelbaren (persönlichen) und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.

Bei der Volksgruppe der Perser handelt es sich mit etwa 51% der Iraner ohnehin um die Mehrheitsethnie im Herkunftsland. Die Hazara, die ca. 1,567 Millionen der 82 Millionen Einwohner des Iran ausmachen, sind im Iran im Allgemeinen, ohne Hinzutreten von individuellen Momenten, weder einer ernsthaften Gefahr physischer oder psychischer Gewalt oder Strafverfolgung oder einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte, generell einer existenzbedrohenden Notlage noch Benachteiligungen, die das Leben im Iran unerträglich machen, oder sonst einer (ernsthaften Gefahr einer) Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung (regelmäßig) ausgesetzt.

Schließlich wäre der Beschwerdeführer nicht wegen der vorgebrachten Umstände, wonach er an einer Dokumentation einer französischen Journalistin mitgewirkt hat und das entsprechende Video nun im Internet, etwa auf Youtube, samt seiner Kritik am iranischen Staat wegen des in seiner Kindheit erlittenen Schicksals abrufbar ist, im Falle seiner Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, unmittelbaren (persönlichen) und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.

Es kann sohin auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Iran pro futuro asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sein wird.

Es konnten im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

In der Vergangenheit litt der Beschwerdeführer an epileptischen Anfällen. Aktuell ist der BF gesund, nimmt keine Medikamente ein und steht nicht in ärztlicher Behandlung. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat der Beschwerdeführer ebenso wenig in Vorlage gebracht, weshalb von keiner – schon gar keiner schwerwiegenden – Erkrankung oder Behandlungsbedürftigkeit auszugehen ist.

Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt XXXX in der gleichnamigen Provinz geboren und lebte dort zuletzt vor seiner Ausreise. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise Analphabet gewesen ist. Mag er auch zur Zwangsarbeit verpflichtet gewesen sein, so sammelte der BF im Rahmen dieser Tätigkeit in einem Recyclinghof und als Straßenverkäufer doch über mehrere Jahre erste Berufserfahrungen. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Familie/ Verwandte hat und ob zu diesen Personen Kontakt besteht.

Der Beschwerdeführer reiste etwa Ende April 2015 - das genaue Datum kann nicht festgestellt werden - aus dem Iran illegal aus und etwa Ende Juli 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 23.07.2015 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Er verfügte noch nie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich außerhalb des Asylverfahrens.

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat in Österreich keine Verwandten.

Der BF verfügt hier über einen Freundes- und Bekanntenkreis, dem auch österreichische Staatsangehörige beziehungsweise in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigte Personen angehören. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Bekannten/ Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung. Der BF brachte keine Unterstützungserklärungen in Vorlage.

Er absolvierte von 06.03.2018 bis 21.06.2018 einen Kurs „Dunja - Basisbildungskurs kompakt“ des Berufsförderungsinstituts Salzburg im Ausmaß von 200 Unterrichtseinheiten, von 05.11.2018 bis 25.01.2019 einen Kurs „Vielfalt als Chance, 8 Berufsfelder stellen sich vor - Ein Berufsvorbereitungslehrgang für junge Flüchtlinge“ des Berufsförderungsinstituts Salzburg und von 28.01.2019 bis 19.04.2019 einen Kurs „Vielfalt als Chance, 8 Berufsfelder stellen sich vor - Ein Berufsvorbereitungslehrgang für junge Flüchtlinge“ des Berufsförderungsinstituts Salzburg und hat am 04.07.2018 zudem am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen. Er stellte zudem in der mündlichen Verhandlung am 04.02.2021 für April 2021 seinen Pflichtschulabschluss - nach Absolvierung der fehlenden Prüfungen in Englisch und Mathematik - in Aussicht.

Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache auf unterschiedlichem Niveau: „Deutsch für AsylwerberInnen AnfängerInnen“ der Volkshochschule Salzburg, „Deutsch für Asylwerbende A 1/1 – XXXX “ der Volkshochschule Salzburg von 09. März 2016 bis 02. Juli 2016 im Ausmaß von 60 Unterrichtseinheiten und „Deutsch für Asylwerbende A 1/2 – XXXX “ der Volkshochschule Salzburg von 11. Juli 2016 bis 03. November 2016 im Ausmaß von 60 Unterrichtseinheiten. Eine entsprechende Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 legte er auch erfolgreich ab. Ferner hat der BF die A2-Prüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen (Prüfungsdatum: 25.01.2019) des ÖIF bestanden. Er trat auch zu einer Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1 an, die er jedoch nicht bestand. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihm erlaubten, die in der Verhandlung am 04.02.2021 in deutscher Sprache gestellten Fragen auf alltagstaugliche Weise zu beantworten und verbessert diese weiter.

Der Beschwerdeführer übernahm in der Vergangenheit in einem Gotteshaus bzw. einer früheren Wohnsitzgemeinde - nicht näher präzisierte - ehrenamtliche Tätigkeiten. Im Übrigen war und ist der Beschwerdeführer weder ehrenamtlich noch gemeinnützig tätig.

Der Beschwerdeführer frequentiert ein Fitnessstudio. Ansonsten ist er weder in einem Verein noch in einer sonstigen Organisation Mitglied.

Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und ist aktuell in einer Unterkunft für Asylwerber in Salzburg untergebracht. Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet bislang nicht legal erwerbstätig und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ihm wurde lediglich Ende 2018 für die Zeit ab Frühjahr 2019 von einem Unternehmen in der Baubranche eine Beschäftigung unter der Bedingung einer gültigen Aufenthaltsberechtigung in Aussicht gestellt, wobei das Ausmaß der Beschäftigung und das Entgelt aus der diesbezüglichen Absichtserklärung nicht hervorgeht. Gegenwärtig verfügt er weder über eine aktuelle Einstellungszusage noch hat er eine bestimmte Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt in verbindlicher Weise durch Abschluss eines (bedingten) Dienstvertrages in Aussicht.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthaltes in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil im Iran verbracht, wo er auch sozialisiert wurde.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran wieder in der Heimatprovinz wohnen wird können. Der Beschwerdeführer spricht Farsi. Außerdem beherrscht der Beschwerdeführer die deutsche Sprache in alltagstauglicher Weise.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Iran festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran war insbesondere festzustellen:

2.1.2.1. Zur Lage in der Republik Iran werden unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen folgende - mit Note vom 19.01.2021 bzw. im Zuge der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte - Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

Politische Lage

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des Weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wieder gewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch- irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Verbotene Organisationen

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2019). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA).

Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Wenn sich Gesetze nicht mit einer Situation befassen, dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ für schuldig erklären (US DOS 11.3.2020).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

-        Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

-        Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

-        Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

-        Spionage für fremde Mächte;

-        Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

-        Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab- Pflicht (AA 26.2.2020).

Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der St

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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