TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/2 W279 2238836-1

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Veröffentlicht am 02.03.2021
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Entscheidungsdatum

02.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35

Spruch


W279 2238836-1/10E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1969, StA. Tunesien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen dessen Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 11.12.2020 auf Grundlage des Mandatsbescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2020, Zl. XXXX :

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 11.12.2020 gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 30,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.        XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer), gegen den eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung vorliegt, wurde zuletzt am 03.08.2020 festgenommen und es wurde am selben Tag mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) vom 03.08.2020, Zl. XXXX , die Schubhaft über ihn verhängt.

2.       Die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft wurde vom Bundesamt jeweils am 30.08.2020, 28.09.2020, 27.10.2020 und 27.11.2020 überprüft und mittels Aktenvermerken dokumentiert.

3.       Am 11.12.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und mit Mandatsbescheid vom 11.12.2020, Zl. 800404108/201246833, das gelindere Mittel der periodischen Meldeverpflichtung verhängt.

4.       Mit Schriftsatz vom 21.01.2021 wurde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers vom 03.12.2020 bis zum 11.12.2020 Beschwerde erhoben.

5.       Mit Schreiben vom 23.01.2021 legte das Bundesamt den verfahrensgegenständlichen Akt vor und nahm zugleich Stellung zur Beschwerde. Dabei hielt die Behörde fest, dass die Beschwerde inhaltlich zutreffend sei. Demnach kam eines aufgrund eines Tippfehlers zu einem falsch berechneten Datum für die vierte Schubhaftüberprüfung. Aufgrund der evidenten Berichtung der Beschwerde nehme das Bundesamt sowohl von einem Kostenantrag als auch von weiteren Anträgen Abstand.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird festgestellt.

2.       Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus den Unterlagen des Verwaltungsverfahrens. Sie sind zudem von den Parteien unbestritten.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1.    Gesetzliche Grundlagen:

3.1.1. § 76 Fremdenpolizeigesetz (FPG) lautet samt Überschrift:

„Schubhaft

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

3.1.2. § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet samt Überschrift:

„Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.2.    Judikatur:

In seiner Entscheidung vom 16.07.2020, Ra 2020/21/0099, sprach der Verwaltungsgerichtshof zu § 22a Abs. 4 BFA-VG aus:

„Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass das Gesetz eine obligatorische Überprüfung der Zulässigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft für den Fall vorsieht, dass der Fremde länger als vier Monate durchgehend angehalten werden soll. Es ist vom BVwG festzustellen, ob ‚zum Zeitpunkt seiner Entscheidung‘ die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, wozu freilich auch deren Verhältnismäßigkeit zählt. Der ‚Zeitpunkt‘ der ersten diesbezüglichen Überprüfung ist ‚nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde‘. Die Bezugnahme auf ‚nach dem Tag‘, an dem das sechste bzw. vierte Monat ‚überschritten‘ wurde, findet sich in allen wiedergegebenen Fassungen der Regelungen über die amtswegige Prüfung der Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft und wurde in den Gesetzesmaterialien dahin verstanden, dass die Überprüfung ‚nach‘ Ablauf der jeweiligen Dauer von vier bzw. sechs Monaten vorzunehmen ist, wobei diesbezüglich von einem ‚Termin‘ die Rede ist.

Dazu ist zunächst klarzustellen, dass bei der Ermittlung der viermonatigen Dauer der Anhaltung in Schubhaft nicht nach § 32 Abs. 2 AVG vorzugehen ist, wonach im Ergebnis der Tag, in den das fristauslösende Ereignis fällt, nicht mitgezählt wird (vgl. dazu des Näheren unter Bezugnahme auf VwGH 17.1.1990, 89/03/0003, Hengstschläger/Leeb, AVG [2. Ausgabe 2014], Rz. 12 zu § 32). Bei der Ermittlung der (durchgehenden) Dauer der Schubhaft wäre es nämlich nicht gerechtfertigt, den ersten Tag der Anhaltung nicht zu berücksichtigen. Ausgehend vom Beginn der Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft am 24. Oktober 2019 war demnach der 23. Februar 2020 jener Tag, an dem die Schubhaftdauer von vier Monaten im Sinne des ersten Satzes des § 22a Abs. 4 BFA-VG ‚überschritten‘ wurde. Daher wäre nach dem Gesetzeswortlaut am Tag danach, nämlich am 24. Februar 2020, im gegenständlichen Fall die Schubhaftprüfung durch das BVwG vorzunehmen gewesen.“

3.3.    Zur Anhaltung des Beschwerdeführers vom 03.12.2020 bis zum 11.12.2020:

3.3.1. Wie in der Beschwerde richtigerweise vorgebracht wird und auch vom Bundesamt selbst implizit bestätigt wird, unterließ das Bundesamt zu Unrecht die Vorlage des Verwaltungsaktes an das erkennende Gericht. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG muss nämlich bei einer über viermonatigen Schubhaft die Zulässigkeit der Schubhaft vom Bundesverwaltungsgericht überprüft werden. Dabei muss das Bundesamt den Verwaltungsakt so rechtzeitig vorlegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Unter Beachtung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dabei der erste Tag der Anhaltung des Beschwerdeführers (03.08.2020) nicht mitzuzählen. Ausgehend davon wurde demnach mit Ablauf des 02.12.2020 die viermonatige Frist im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG überschritten. Die Überprüfung der Schubhaft durch das Bundesverwaltungsgericht wäre daher bis spätestens 03.12.2020 vorzunehmen gewesen. Dazu hätte das Bundesamt den Verwaltungsakt bis zum 26.11.2020 (=eine Woche vor dem gegenständlichen Termin) vorlegen müssen.

3.3.2. Gegenständlich kam es beim Bundesamt zu einem internen Fehler bei der zeitlichen Erfassung der Überprüfungstermine im Sinne des § 80 Abs. 6 FPG, wonach die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen ist. Aufgrund dieses Fehlers übersah das Bundesamt die Überschreitung der viermonatigen Frist nach § 22a Abs. 4 BFA-VG und es legte den Verwaltungsakt dadurch nicht nur verspätet, sondern gar nicht vor, weil der Beschwerdeführer vor dem nächsten intern errechneten Termin (25.12.2020) aus der Schubhaft entlassen wurde. Erst nachdem die gegenständliche Beschwerde beim erkennenden Gericht eingebracht wurde und dieses daraufhin den Verwaltungsakt anforderte, kam es zur Aktenvorlage durch das Bundesamt, wobei dieses in seiner Stellungnahme selbst auf den behördlichen Fehler hinwies.

3.3.3. Dies hat zur Folge, dass dem Bundesverwaltungsgericht die Feststellung, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist, nicht möglich war. Somit war die Anhaltung des Beschwerdeführers ab dem Überschreiten der viermonatigen Frist des § 22a Abs. 4 BFA-VG – somit vom 03.12.2020 – bis zu seiner Entlassung am 11.12.2020 mangels Fortsetzungsausspruch durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls rechtswidrig. Denn nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes stellt bereits die nicht binnen einer Woche erfolgte und somit verspätete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes eine Verletzung des Rechtes auf Freiheit und Sicherheit nach Art. 6 Abs. 1 letzter Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit dar (vgl. zuletzt VfGH 26.06.2020, E 4272/2019 mwN). Diese Rechtsprechung ist jedenfalls auf eine vollkommen unterbliebene Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht übertragbar.

3.3.4. Vor diesem Hintergrund ist der Beschwerde stattzugeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 11.12.2020 in Anwendung des § 22a Abs. 4 BFA-VG für rechtswidrig zu erklären.

3.4.    Zum Kostenersatz:

3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

3.4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

3.4.3. Als Aufwendungen im Sinne des Abs. 1 gelten gemäß Abs. 4 Z 1 u.a. die „Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat“. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist darunter auch die Eingabengebühr für Beschwerden (vgl. § 2 Abs. 1 BuLVwG-Eingabengebührverordnung) zu verstehen, so dass auch diese gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Z 1 VwGVG ersatzfähig sind (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2019/21/0336).

3.4.4. Insoweit ist daher dem Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz in Höhe der Eingabengebühr (€ 30) stattzugeben. Sonstige Aufwendungen machte der Beschwerdeführer nicht geltend.

3.4.5. Das Bundesamt stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.

3.5.    Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

3.5.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

3.5.2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG kann die Verhandlung u.a. entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.

3.5.3. Fallbezogen ist § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG als erfüllt anzusehen, weil die Rechtswidrigkeit der Anhaltung im genannten Zeitraum bereits aufgrund der Aktenlage evident ist, wie dies auch das Bundesamt selbst in seiner Stellungnahme vorbrachte. Darüber hinaus wurde eine mündliche Verhandlung von beiden Parteien nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insbesondere die unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Dauer Fristüberschreitung Kostenersatz Rechtswidrigkeit Schubhaft Verhältnismäßigkeit Vorlagepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W279.2238836.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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