Entscheidungsdatum
02.03.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W240 2239797-1/2E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Kosovo alias Albanien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2021,
Zl. 1271691305/201195821, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben. Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden auch BF) stellte am 29.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) in Österreich.
Betreffend die BF wurde ein handschriftliches Schreiben der in Österreich aufhältigen Kinder (AS 87) vorgelegt, darin wurde ausgeführt, es sei ihr Wunsch, dass die Beschwerdeführerin in Österreich bleiben könne. Obwohl die beiden in Österreich lebenden Kinder über 18 Jahre alt seien, sei es ohne Elternteil schwierig, sie seien nur mit dem Vater aufgewachsen und hätten die Mutter vermisst.
Weiters wurden ärztliche Unterlagen (AS 95ff) vorgelegt, im Detail ein Befund eines österreichischen Landesklinikums vom 29.11.2020 mit der Diagnose „Vd. A. Gastritis, Zn Hyperventilation/Panikattacke“ samt Rezept und Notfallprotokoll sowie ein ambulanter Patientenbrief einer österreichischen Klinik vom 16.12.2020.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 08.02.2021 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52
Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt V.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht festgesetzt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) sowie gegen die BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 FPG ein auf 2 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.),
3. Die BF erhob Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurden insbesondere ausgeführt, dass das Vorgehen der belangten Behörde gegen die Artikel 2, 3 und 8 EMRK verstoße, weil eine unrichtige Interessensabwägung durchgeführt worden sei und es sei der Sachverhalt nicht umfassend ermittelt worden. Die BF habe bereits bei der Einvernahme vor dem BFA ausführlich und wahrheitsgetreu über ihre Beweggründe, warum sie ihre Heimat verlassen habe, Angaben getätigt. Die BF sei in ihrer Heimat mit dem leiblichen Vater ihrer beiden Kinder, die in Österreich leben, lernen und arbeiten, nicht offiziell verheiratet, sondern nur traditionell ohne standesamtliche Eheschließung. Wie der Asylbehörde bekannt sei, hätten die Frauen, überhaupt die weiblichen Familienangehörigen kaum Rechte über ihr Leben selbst eine Entscheidung zu treffen. Der Vater der Kinder habe damals einfach ohne Wissen und Mitspracherecht der Mutter, beschlossen mit seinen Kindern nach Österreich auszuwandern. Die Mutter hätte zu Hause bleiben sollen. Er habe damals mit Gewalt die Kinder von ihrer Mutter getrennt, sie habe nur selten ihre Kinder treffen dürfen, wenn sie auf Besuch in Kosovo gewesen sei. Die BF habe seitdem bei ihrem jüngeren Bruder gelebt, der auch eine eigene Familie habe, in einem gemeinsamen Haushalt. Obwohl sie die ältere Schwester sei, habe sie keine Rechte über ihr eigenes Leben eine Entscheidung zu treffen. Als Mann und Familienoberhaupt habe ihr Bruder die BF sehr schlecht behandelt, bedroht und zuletzt im November von zu Hause weggejagt. Die örtliche Polizei habe ihr gegen Gewalt in der Familie auch nicht helfen können, da sie die Meinung vertrete, dass die Männer immer das Recht haben alleinige Entscheidungen zu treffen. Dagegen zu kämpfen bedeute für die BF, dass sie aus Blutrache von ihren eigenen Familienangehörigen getötet werde. Der leibliche Vater ihrer Kinder verbüße eine langjährige Haftstrafe wegen einer Gewalttat. Die nun inzwischen volljährigen Kinder hätten in unregelmäßigen Abständen finanziell ihrer Mutter geholfen, damit sie in Kosovo halbwegs überleben hätte können. Nachdem die BF obdachlos geworden sei, keine Existenzmöglichkeit in Kosovo gesehen habe, hätten ihre Kinder sie ersucht, dass sie nach Österreich komme. Seitdem bekommt sie regelmäßige Besuche von ihrer Tochter und ihrem Sohn, sie werde auch finanziell nur von ihren Kindern unterstützt. Im gegenständlichen Fall sei ein direkter Eingriff ins Privat- und Familienleben und somit Art. 8 der EMRK. Ihre beiden leiblichen Kinder seien im Besitz von Aufenthaltstitel, die BF sei direkt von ihren Kindern familiär und finanziell abhängig. Es sei aus den Berichten herangezogenen Materialien eindeutig ersichtlich, dass in der aktuellen Situation eine alleinstehende Frau bei einer Rückkehr in den Kosovo nicht damit rechnen könne, ausreichende Unterkunft und Verpflegung zu finden. Sie könne auch nicht mit Sicherheit damit rechnen, einen Arbeitsplatz zu finden, um ihre Existenzgrundlage verdienen zu können oder durch einen Sozialhilfebeitrag unterstützt zu werden.
4. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und sind am 23.02.2021 beim BVwG eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
In Österreich leben zwei über einen Aufenthaltstitel verfügende volljährige Kinder der Beschwerdeführerin, zu diesen wird eine enge Bindung behauptet. Der Vater der Kinder verbüßt in Österreich eine mehrjährige Gefängnisstrafe.
Betreffend die Beschwerdeführerin wurden ärztliche Unterlagen über gesundheitliche Beschwerden vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG, sowie aus eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie Zentralem Fremdenregister (IZR) und Strafregister (SA).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Rechtliche Bestimmungen:
§ 18 Abs. 2 und 5 FPG lauten:
„(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet
zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
[…]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“
3.2. Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Spruchteil A.):
Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden und in Form eines Teilerkenntnisses ergehenden Entscheidung nur jener Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung (aW) der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richten.
Die Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache, das heißt hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.
Die belangte Behörde stützte sich bei der Aberkennung der aW darauf, dass laut Einschätzung der belangten Behörde keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe.
Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines
(Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aW vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aW zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin gehen insofern konkrete Anhaltspunkte für der BF bei einer Abschiebung möglicherweise drohenden Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK einher, als auf gesundheitliche Beschwerden sowie mangelnde finanzielle Mittel im Fall ihrer Rückkehr und ein in Österreich bestehendes Familienleben der BF zu ihren hier aufenthaltsberechtigten Kindern verwiesen wird und diesbezüglich Unterlagen vorgelegt wurden.
Das von der BF behauptete reale Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen kann bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Diese Grobprüfung bedeutet keine tatsächliche Feststellung einer tatsächlich drohenden Verletzung der EMRK per-se, sondern beurteilt lediglich, ob eine Verletzung der vorzitierten Rechte realistisch erscheinen könnte, weshalb es geboten erscheint, dass die BF den Ausgang des Verfahrens im Bundesgebiet abwarten kann.
Der Beschwerde war daher gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der hier maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
3.4. Unzulässigkeit der Revision (Spruchteil B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen vor dem Hintergrund der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des VwGH keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Spruchpunktbehebung TeilerkenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2239797.1.00Im RIS seit
19.05.2021Zuletzt aktualisiert am
19.05.2021