TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/2 L517 2239218-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2021
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Entscheidungsdatum

02.03.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L517 2239218-1/4E

L517 2239218-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1, § 42 Abs 1 und 2, § 43 Abs 1, § 45 Abs 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, als unbegründet abgewiesen und darüber hinaus festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H. beträgt.

Aufgrund des ermittelten Sachverhaltes wird festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

26.08.2020 – Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge „bP“ genannt) auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und auf folgende Zusatzeintragung: „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“

21.10.2020 – Erstellung eines Gutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie Orthopädie und orthopädische Chirurgie

10.11.2020 – Parteiengehör

28.11.2020 – Stellungnahme der bP

14.12.2020 – Stellungnahme des Sachverständigen zu den Einwendungen der bP vom 30.11.2020

XXXX – Bescheid der bB

25.01.2021 – Beschwerde der bP

02.02.2021 – Beschwerdevorlage am BVwG

Vorgutachten vom 19.06.2016 befindet sich im Akt

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0.    Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP ist österreichischer Staatsbürger und an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.

Die bP ist seit 11.01.2011 im Besitz eines unbefristeten Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigungen gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“. Der Grad der Behinderung beträgt laut Behindertenpass 50 v.H.

Im Akt befindet sich ein Vorgutachten vom 19.06.2016, in dem der damals beauftragte Sachverständige einen Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 60 v.H. festgestellt hatte. Laut Aktenvermerk der bB vom 09.09.2020 war der Behindertenpass von der bP nicht zur Berichtigung vorgelegt worden, im Datenstammblatt der bB scheint daher ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. auf. Laut telefonischer Auskunft der bB vom 02.03.2020 war im Zusammenhang mit der Änderung des Grades der Behinderung im Jahr 2016 eine Mitteilung an die bP ergangen, dass der Behindertenpass vorzulegen sei, was jedoch unterblieben war.

Am 26.08.2020 stellte die bP den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und auf Eintragung folgender Zusatzeintragung: „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“

In der Folge wurde am 21.10.2020 ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie Orthopädie und orthopädische Chirurgie erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt und eine Nachuntersuchung für Oktober 2022 angeordnet. Das Gutachten weist folgenden relevanten Inhalt auf:

„Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Behandlungen: Physiotherapie, manualmedizinische Behandlungen;

Es wird keine ärztlich bestätigte Medikamentenliste vorgelegt;

Medikamente laut Patient: Schmerzmittel nach Bedarf (2-3x pro Monat);

Hilfsmittel: Gleitsichtbrille;

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Alle vorhandenen Befunde und die mitgebrachten Röntgenbilder wurden eingesehen.

Zusätzliche Befunde wurden nicht vorgelegt.

Befund Physik. FA Dr. Reinhard Waldmann vom 02.03.2020:
- Gonarthrose beidseits

- Status: Valgusstellung, S0-0-135, fester Bandanschlag, minimaler Erguss, keine Rötung, keine Überwärmung, kein relevanter Druckschmerz, retropatelläre Krepitieren
- Ultraschall: mäßige degenerative Veränderungen, geringer Erguss, Bakerzyste links

Röntgenbefund vom 25.08.2020:

Knie beidseits:

- Randzuschärfung der Kniegelenkshöcker

- beidseits vermehrte Sklerosierung am medialen und lateralen Tibiaplateau

- Verplumpung der lateralen Tibiaplateauränder

- minimale Gelenksspaltverschmälerung medial

- spitz zulaufender Patellaoberrand und -unterrand beidseits

- geringe Retropatellargelenksarthrose

beide Hände:

- deutliche Gelenksspaltverschmälerung und Sklerosierung an den DIP und PIP-Gelenken mit hochgradiger Gelenksspaltverschmälerung

- deutliche Deformierung und Destruktion der DIP-Gelenke am 4. Finger rechts sowie am 4. und 5. Finger links

- unauffällige Darstellung der MCP-Gelenke

- vermehrte Sklerosierung am IP-Gelenk

- keine wesentliche Sklerosierung am Daumensattelgelenk
- unauffällige Darstellung der Carpalia, des Radiokarpalgelenkes sowie des proc styloideus ulnae

Duplexsonographie der Halsgefäße vom 25.08.2020:

- kein Hinweis auf hämodynamisch relevante Stenosierung

Allgemeinzustand:

Gut

Ernährungszustand:

Gut

Größe: 181,00 cm Gewicht: 106,00 kg Blutdruck: 127/87

Klinischer Status – Fachstatus:

Allergie: Pollen

Nikotin: negiert

Alkohol: negiert

FBA: 30cm

Caput/Collum: keine Schluckbeschwerden, Hörvermögen altersentsprechend, Gleitsichtbrille

Thorax: symmetrisch, unauffällige Atemexkursionen;

Pulmo: Vesikuläratmen beidseits (bds), keine Rasselgeräusche;

Cor: Herzaktion rein, rhythmisch und normofrequent, keine pathologischen Geräusche;

Abdomen: weich, kein Druckschmerz (DS), keine pathologischen Resistenzen palpabel, Nierenlager bds. frei;

Miktion und Defäkation: unauffällig

Obere Extremitäten: freie Beweglichkeit beider Schultern, keine Impingement, Kreuzgriff und Nackengriff problemlos möglich, Ellbogen und Handgelenke beidseits unauffällig, an den Fingern beider Hände keine Rötung, keine Schwellung, deutliche arthrotische Veränderungen der Fingermittelgelenke unter Fingerendgelenke mit Bewegungseinschränkung, unauffällige Fingergrundgelenke, der Daumen ebenso unauffällig, der Faustschluss ist beidseits inkomplett, Finger-Hohlhand Abstand am kleinen Finger und am Ringfinger links von jeweils 2 cm, am Ringfinger rechts 1 cm, der Pinzettengriff ist jedoch zu allen Langfingern möglich

Untere Extremitäten: keine Beinlängendifferenz, leicht varische Beinachse beidseits, Flexion beide Hüften bis knapp über 100° möglich, dann Schmerzangabe in der unteren Lendenwirbelsäule, IR/AR 20-0-50° schmerzfrei, kein Leistendruckschmerz, an beiden Kniegelenken keine Rötung, keine Überwärmung, rechts diskrete synovitische Schwellung und minimaler intraartikulärer Erguss, S: 0-0-120° endlagig leicht schmerzhaft, kein Überstreckungsschmerz, Meniskuszeichen negativ, geringer Druckschmerz im medialen Kompartment, deutliches retropatelläres Krepitieren, Zohlen-Zeichen schwach positiv, am linken Knie keine Schwellung, kein intraartikulärer Erguss, S: 0-0-140°, geringer Druckschmerz im medialen Kompartment, Meniskuszeichen negativ, Zohlen-Zeichen negativ, beide Knie bandstabil, Sprunggelenke und Füße unauffällig

Wirbelsäule: diskrete skoliotische Fehlhaltung, HWS-Rotation 60-0-60°, mäßige Hartspann der paravertebralen Muskulatur an der HWS und an der BWS, deutlicher im Bereich der unteren LWS, Druckschmerz paravertebral bei L4/5 und L5/S1 sowie auch über beiden ISG

Neurologie: kein radikuläres sensomotorisches Defizit im Bereich der oberen und unteren Extremitäten erhebbar, die Reflexe seitengleich und mittellebhaft auslösbar, die Pyramidenbahnzeichen negativ

Durchblutung: diskrete Varicositas

Gesamtmobilität – Gangbild:

Der Patient kommt in Konfektionsschuhen und ohne Gehhilfe zur Untersuchung. Unauffälliges Gangbild, kein Hinken, barfuß Zehenspitzen- und Fersengang möglich, Trendelenburg-Zeichen negativ, Seiltänzergang sicher, kein Unsicherheit im Blindgang;

Status Psychicus:

Es besteht eine klarer Bewusstseinslage, die örtliche, zeitliche und situative Orientierung ist gegeben, orthopädischerseits keine Stimmungsschwankungen feststellbar.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Kniegelenksbeschwerden beidseits;

Radiologisch nachgewiesene mäßige degenerative Veränderungen beider Kniegelenke mit nur geringer Verschmälerung des Gelenkspaltes (Röntgen 08/2020), gute Beweglichkeit ohne Streckdefizit (Befund 03/2020 und eigene Untersuchung heute), Schmerzmedikation bei

Bedarf, leichte Reizzustand rechts, daher oberer Rahmensatz;

02.05.19

30

2

Wirbelsäulenbeschwerden;

Bekannte degenerative Veränderungen mit Wirbelgleiten L3/4, belastungsabhängige Schmerzen, kein neurologisches Defizit, Schmerzmedikation bei Bedarf, kein aktueller radiologischer Befund vorliegend;

02.01.02

30

3

Finger-Polyarthrosen;

Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen der Fingermittelgelenke und Fingerendgelenke (Röntgen 08/2020), Bewegungseinschränkung, inkomplett der Faustschluss Ringfinger und Kleinfinger links sowie Ringfinger rechts, weiterhin Einschätzung im obersten Rahmensatz;

02.06.26

30

4

Gallenblasenentfernung 2002;

Fixsatz;

07.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Führend ist das Leiden Nummer 1 mit 30 %. Die Leiden Nummer 2 und 3 steigern, da sie das Gesamtbild verschlechtern, jeweils um eine Stufe.

Das Leiden Nummer 4 steigert wegen Geringfügigkeit nicht weiter.

Somit ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 %.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

- Bauchspeicheldrüsenentzündung 05/2015: abgeheilt, kein aktueller Fachbefund vorliegend;

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Die Bewertung der Leiden erfolgt aufgrund der vorgelegten Befunde, der Medikamentenliste und des klinischen Zustandsbildes anhand der derzeit gültigen Einschätzungsverordnung im Vergleich zum Vorgutachten von 08.06.2016.

Leiden Nummer 1 (Kniegelenksbeschwerden beidseits): Reduktion von 40 % auf 30 % aufgrund sehr guter Beweglichkeit und Schmerzmedikation bei Bedarf;

Leiden Nummer 2 (Wirbelsäulenbeschwerden): Reduktion von 40 % auf 30 % bei unauffälligem neurologischen Status und Schmerzmedikation bei Bedarf;

Leiden Nummer 3 (Finger-Polyarthrosen): weiterhin Einschätzung im obersten Rahmensatz mit 30 %;

Leiden Nummer 4 (Gallenblasenentfernung 2002): weiterhin Einschätzung mit 10 %;

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Der Gesamtgrad der Behinderung reduziert sich von 60 % auf 50 % durch Neueinschätzung der Leiden Nummer 1 und 2.

?

Dauerzustand

X

Nachuntersuchung 10/2022 - Besserung der Kniebeschwerden und

Wirbelsäulenbeschwerden durch Therapie/Operation möglich

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

Ja

Nein

Nicht

geprüft

Die / Der Untersuchte

??

??

??

ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

??

??

??

ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

??

??

??

ist Orthesenträgerin oder Orthesenträger

??

??

??

ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

??

??

??

ist gehörlos

??

??

??

ist schwer hörbehindert

??

??

??

ist taubblind

??

??

??

ist Epileptikerin oder Epileptiker

??

??

??

ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

??

??

??

Bedarf einer Begleitperson

??

??

??

ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

??

??

??

ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Die Mobilität des Patienten ist aufgrund seiner Kniegelenksbeschwerden beidseits sicher eingeschränkt. Kurze Wegstrecken (400m) können aber aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung einer Gehhilfe, zurückgelegt werden. Es können höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel bei Verwendung eines Handlaufes ausreichend sicher überwunden werden. Es besteht keine Einschränkung der Standhaftigkeit. Dies insbesondere im Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdende Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Die Benützung von Haltegriffen und -stangen ist mit beiden Händen leicht eingeschränkt aber ausreichend möglich.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Kranken-diätverpflegung liegen vor, wegen:

Ja

Nein

Nicht

geprüft

??

??

??

Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03.

??

??

??

Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit

??

??

??

Erkrankungen des Verdauungssystems

Begründung:

Es liegen keine medizinischen Indikationen für die oben genannten Zusatzeintragungen oder für eine Krankendiätverpflegung vor.“

Am 10.11.2020 wurde Parteiengehör gewährt und der bP die Möglichkeit gegeben, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

Am 28.11.2020 gab die bP eine Stellungnahme ab. Sie führte darin sinngemäß aus, sie habe den Sachverständigen darauf hingewiesen, dass sie seit einiger Zeit starke Schmerzen in beiden Knien, besonders im rechten Knie und zwar beim Niedersitzen und Aufstehen, beim Stufensteigen, besonders hinunter kippt der Fuß wegen stichartigem Schmerz im Knie plötzlich weg worauf sie schon einmal zu Sturz gekommen sei. Bei abgewinkelten Knien (z.B. Sitzen im Bus) bekomme sie starke Schmerzen in beiden Knien, wenn sie die Beine nicht ausstrecken könne. Aufstehen sei dann sehr schmerzhaft und sei in normaler Geschwindigkeit überhaupt nicht möglich, weil nur mit Abstützen beider Arme aus dem Sitzbereich dies möglich sei. In ihrem PKW habe sie ein beheizbares Lenkrad und Wärme stelle bei der starken Arthrose in 4 Fingern das einzige Hilfsmittel darstelle.

Sie schlucke nur manchmal, wenn die Schmerzen schwer erträglich seien, Schmerzmittel, da sie diese trotz Magenschoner nicht vertrage und seit ihrer Gallen OP starke Magenprobleme bekomme. Seit ihrer Gallen OP dürfe sie nur mehr absolut fettarme Speisen zu sich nehmen.

Sie könne sich nicht vorstellen, dass der Grad der Behinderung nur 50 % betrage, da die Beinschmerzen vom Hüftgelenk abwärts nicht nur von den Knien kommen würden, sondern wie der behandelnde Arzt sage, auch von dem Gleitwirbel (L4/5).

Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte die bP aus, dass die Expertise in Zeiten der Corona Pandemie schon alleine wegen Viren auf den Haltestangen und Griffen sei, sie sei Risikopatientin wegen der Allergien. Sie könne nicht Stufen steigen und das Halten bei Haltegriffen und Stangen sei nicht möglich, weil sie nicht mit allen Fingern, wegen zu großen Schmerzen umgreifen könne und bei einem Bremsmanöver zu Sturz kommen würde.

Eine Krankendiätverpflegung bestehe nach wie vor.

Am 14.12.2020 erfolgte eine Stellungnahme des Sachverständigen zu den Einwendungen der bP vom 30.11.2020. Der Sachverständige führte darin aus:

„Stellungnahme:

ad1 - die Beschwerden in beiden Kniegelenken wurden entsprechend der Bewegungseinschränkung laut EVO sowie dem radiologischen Befund vom 08.2020 (minimale Gelenksspaltverschmälerung medial) unter der Positionsnummer 02.05.19 (20- 30%) aufgrund des Reizzustandes im rechten Knie im oberen Rahmensatz eingeschätzt. Für eine Einschätzung in der nächsthöheren Position 02.05.21 fehlt die, laut EVO geforderte, Bewegungseinschränkung (Streckdefizit). Mein klinischer Untersuchungsbefund vom 21.10.2020 deckt sich hier mit der klinischen Untersuchung des vom Patienten eingereichten Befundes vom 02.03.2020

ad2 - die Funktionseinschränkungen durch die Arthrose in den Fingergelenken wurden von mir mit der Positionsnummer 02.06.26 (10-30%) mit 30 % weiterhin im obersten Rahmensatz eingeschätzt

ad3 - laut vorliegenden Unterlagen wurde bei dem Patienten 2002 eine GallenblasenOperation durchgeführt, weiters hat er 05/2015 eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse erlitten. Für anhaltende Folgeschäden oder Beschwerden finden sich in den vorgelegten Befunden keine Anhaltspunkte. Es liegen keine internistischen Fachbefunde, Laborbefunde oder Gastroskopiebefunde vor. Ebenso wenig wird vom Patienten die Einnahme von Medikamenten angegeben die Funktion des Magens oder Darmtraktes verbessern. Es erfolgt daher die Einstufung der Gallenblasenentfernung laut EVO unter der Positionsnummer 07.06.01 (10-20%) weiterhin mit 10 % wie im Vorgutachten ad4 - die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule bei bekannten degenerativen Veränderungen mit Wirbelgleiten wurden von mir mit der Positionsnummer 02.01.02 (30- 40%) laut EVO mit 30 % eingeschätzt. Es bestehen fortgeschrittene radiologische Veränderungen (Wirbelgleiten), wenn auch keine aktuellen radiologischen Befunde vorliegen. Es liegen keine Wurzelreizzeichen vor, das Ausmaß des Wirbelgleitens (Einteilung nach Meyerding) ist nicht bekannt, Schmerzmittel (WHO Stufe 1) werden nur bei Bedarf eingenommen, daher ist eine Einschätzung im oberen Rahmensatz (40 %) nicht möglich.

ad5 - die Belastung von Haltegriffen und Haltestangen in öffentlichen Verkehrsmitteln mit Keimen (Viren, Bakterien, Pilzen) war auch schon vor der Corona-Pandemie gegeben. Diese Tatsache und auch die vom Patienten angegebene Pollenallergie begründet, laut derzeitigen Vorgaben des Bundessozialamtes, keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

ad6 - in der klinischen Untersuchung vom 21.10.2020 fand sich eine eingeschränkte Beweglichkeit der Fingergelenke sowie ein eingeschränkter Faustschluss beidseits. Die Finger und die Faust können jedoch, aus meiner orthopädischen Sicht, so weit geschlossen werden, dass ein suffizientes Halten an Griffen und Stangen und ebenso am Lenkrad eines Fahrzeuges, möglich ist. Eine Einschränkung des sicheren Standes und damit eine erhöhte Sturzgefahr fand sich in dieser Untersuchung nicht.

ad7 - die Zuteilung der Patienten zum jeweiligen Gutachter obliegt dem Bundessozialamt ad8 - im Vorgutachten des chirurgischen Facharztes vom 08.06.2016 wurde ebenso keine Diätverpflegung bei Zustand nach Gallenblasenoperation zuerkannt ad9 - der junge (danke) Orthopäde und Allgemeinmediziner wurde vom Bundessozialamt als Amtssachverständiger nach § 90 KOVG 1957 genau für diese Tätigkeit bestellt. Die

Bewertung der Leiden erfolgt aufgrund der vorgelegten Befunde, der Medikamentenliste und des klinischen Zustandsbildes anhand der derzeit gültigen Einschätzungsverordnung.“

Mit Datum vom XXXX erging der Bescheid der bB mit dem der Antrag der bP vom 26.08.2020 abgewiesen wurde. Mit einem Grad der Behinderung von 50 % sei keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ würden nicht vorliegen. Rechtsgrundlage waren die §§ 41, 43 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, in der jeweils geltenden Fassung. Begründend wurde ausgeführt: Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 50 %. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragung: „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) sei der bP mit Schreiben vom 10.11.2020 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Aufgrund der Eingabe der bP vom 28.11.2020 sei eine ergänzende ärztliche Stellungnahme eingeholt worden. Nach nochmaliger Prüfung der Sachlage seien dabei keine neuen Aspekte festgestellt worden, die eine Abänderung der Einschätzung rechtfertigen würden. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

Mit dem Bescheid der bB wurden der bP das Gutachten 21.10.2020 (neuerlich) sowie die Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.12.2020 übermittelt. Die bP wurde auch darauf hingewiesen, dass es ihr freistehe, ab einem Grad der Behinderung von mindestens 25 % mit obigem Bescheid den pauschalierten Steuerfreibetrag beim Finanzamt zu beantragen.

Im Anschluss erhob die bP am 25.01.2021 Beschwerde. Sie führte darin sinngemäß aus, sie sehe immer nur Einschätzung, erwarte aber von einem Sachverständigen ein konstruktives Gutachten. Eine Medikamentenliste gäbe es deshalb nicht, weil es auch alternative Heilbehandlungen gäbe. Sie unterziehe sich bezüglich ihrer LWS Probleme alle 3 bis 4 Wochen chiropraktischer Behandlungen beim Hausarzt und erhalte laufend Physiotherapien um die Probleme erträglich zu halten.

Zur beantragten Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte die bP sinngemäß aus, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Festhalten an kalten Haltestangen, Griffen und Einstiegsgeländern zu Bussen, Zügen und der Bedienung eines beheizten KFZ-Lenkrades bestehe. Wärme sei das Um und Auf bei der Behandlung und Linderung von Arthrose. Das sichere Ein- und Aussteigen, Halten an kalten Haltestangen, Griffen und Geländern, die Beförderung im Stehen und das Aussteigen bei fahrenden, haltenden oder stehenden öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht schmerz- und beschwerdefrei oder gefahrlos möglich.

Am 02.02.2021 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das eingeholte Sachverständigengutachten vom 21.10.2020 (Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie) schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Dies gilt auch die ergänzende Stellungnahme dieses Sachverständigen vom 14.12.2020, die dezidiert auf die einzelnen Einwendungen der bP eingeht.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.

Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrs-mittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).

Wie der VwGH in seinem am 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3 ergangenen Erkenntnis bestätigte, kann der tatsächlich gegebenen Infrastruktur in diesem Sinne, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit, aber nur im Hinblick auf die entscheidende Beurteilung der Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigungen, und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Bedeutung zukommen, weil der VwGH im gegenständlich zitierten Erkenntnis - der hg. Judikatur folgend - wiederholend zum Ausdruck gebracht hat, dass es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit, „nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen Wohnung und der nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel“ ankommt (vgl. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013, mwN).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung.

Im angeführten Gutachten wurde von dem Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen. Insbesondere erfolgte die Auswahl und Begründung weshalb nicht eine andere Positionsnummer mit einem höheren Prozentsatz gewählt wurde, schlüssig und nachvollziehbar (VwGH vom 04.12.2017, Ra 2017/11/0256-7).

Laut diesem Gutachten bestehen bei der bP als führendes Leiden Kniegelenksbeschwerden rechts. Das Leiden wurde nach der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.05.19 mit einem Grad der Behinderung von 30 % eingestuft. Diese Positionsnummer erfasst Funktionseinschränkungen geringen Grades im Kniegelenkt, beidseitig und ermöglicht eine Einstufung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes von 20 – 30 %. Betreffend eines Grades von 30 % wird ausgeführt: Radiologisch nachgewiesene mäßige degenerative Veränderungen beider Kniegelenke mit nur geringer Verschmälerung des Gelenkspaltes (Röntgen 08/2020), gute Beweglichkeit ohne Streckdefizit (Befund 03/2020 und eigene Untersuchung heute), Schmerzmedikation bei Bedarf, leichte Reizzustand rechts, daher oberer Rahmensatz. In seiner Stellungnahme vom 14.12.2020 führt der Sachverständige sinngemäß ergänzend aus, er habe die Beschwerden in beiden Kniegelenken entsprechend der Bewegungseinschränkung laut EVO sowie dem radiologischen Befund vom 08.2020 (minimale Gelenksspaltverschmälerung medial) unter der Positionsnummer 02.05.19 (20 – 30 %) aufgrund des Reizzustandes im rechten Knie im oberen Rahmensatz eingeschätzt. Für eine Einschätzung in der nächsthöheren Position 02.05.21 fehle die laut EVO geforderte Bewegungseinschränkung (Streckdefizit). Sein klinischer Untersuchungsbefund vom 21.10.2020 decke sich hier mit der klinischen Untersuchung des vom Patienten eingereichten Befundes vom 02.03.2020. Die Angaben der Einschätzungsverordnung decken sich mit der Einschätzung im Sachverständigengutachten, den vorgelegten Befunden und den Angaben der bP. Befragt nach ihren derzeitigen Beschwerden gab die bP im Rahmen der persönlichen Untersuchung gegenüber dem Sachverständigen sinngemäß folgendes an: Sie habe anhaltende starke Schmerzen in beiden Kniegelenken. Vor allem das Stiegensteigen bergab bereite starke Schmerzen. Zusätzlich habe sich die Fingerbeweglichkeit in beiden Händen verschlechtert, es würden weiterhin belastungsabhängige Rückenschmerzen bestehen, er sei laufend in Physiotherapie und werde doch immer wieder manualmedizinisch behandelt. Die Einstufung erfolgte nach Ansicht des ho. Gerichts schlüssig und nachvollziehbar.

Weiters bestehen Wirbelsäulenbeschwerden. Diese wurden nach der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 % eingestuft. Diese Positionsnummer erfasst Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mittleren Grades und ermöglicht eine Einstufung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes von 30 – 40 %. Betreffend eines Grades der Behinderung von 30 % wird vom Sachverständigen ausgeführt: Bekannte degenerative Veränderungen mit Wirbelgleiten L3/4, belastungsabhängige Schmerzen, kein neurologisches Defizit, Schmerzmedikation nach Bedarf, kein aktueller radiologischer Befund vorliegend. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.12.2020 führt der Sachverständige aus, dass fortgeschrittene radiologische Veränderungen (Wirbelgleiten) bestehen würden, wenn auch keine aktuellen radiologischen Befunde vorliegen würden. Es würden keine Wurzelreizzeichen vorliegen, das Ausmaß des Wirbelgleitens (Einteilung nach Meyerding) wie nicht bekannt, Schmerzmittel (WHO Stufe 1) würden nur bei Bedarf eingenommen, daher sei eine Einschätzung im oberen Rahmensatz (40 %) nicht möglich. Die Angaben in der Einschätzungsverordnung, die für eine Einstufung mit 40 % vor allem auch das Vorliegen von Wurzelreizzeichen voraussetzt, decken sich mit der Einschätzung im Sachverständigengutachten, den von der bP vorgelegten Befunden und den im Akt vorliegenden Angaben der bP im Rahmen des Gutachtens vom 21.10.2020.

Zudem leidet die bP unter Finger-Polyarthrosen. Dieses Leiden wurde unter der Positionsnummer 02.06.26 eingestuft, welche Funktionsbehinderungen einzelner Finger erfasst und mit einem Grad der Behinderung von 30 % eingestuft. Die Einschätzungsverordnung ermöglicht eine Einstufung innerhalb eines Rahmensatzes von 10 – 30 %. Dazu führte der Sachverständige aus: Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen der Fingermittelgelenke und Fingerendgelenke (Röntgen 08/2020), Bewegungseinschränkung, inkomplett der Faustschluss Ringfinger und Kleinfinger links sowie Ringfinger rechts, weiterhin Einschätzung im obersten Rahmensatz. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.12.2020 führt der Sachverständige aus, dass die Funktionseinschränkungen durch die Arthrose in den Fingergelenken von ihm mit der Positionsnummer 02.06.26 (10 – 30 %) weiterhin im obersten Rahmensatz eingeschätzt worden seien. Die Angaben der Einschätzungsverordnung decken sich mit der Einschätzung im Sachverständigengutachten, den vorgelegten Befunden und den Angaben der bP im Rahmen des Gutachtens vom 21.10.2020.

Zudem wurde der bP im Jahr 2002 die Gallenblase entfernt, dies wurde vom Sachverständigen unter der Position 07.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 % erfasst. Diese Positionsnummer erfasst funktionelle Störungen der Gallenwege, worunter auch eine Entfernung der Gallenblase einzuordnen ist und ermöglicht eine Einstufung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes von 10 – 20 %. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.12.2020 führt der Sachverständige sinngemäß aus, dass laut vorliegenden Unterlagen bei der bP 2002 eine Gallenblasen-Operation durchgeführt worden sei, weiters habe er 05/2015 eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse erlitten. Für anhaltende Folgeschäden oder Beschwerden würden sich in den vorgelegten Befunden keine Anhaltspunkte finden. Es würden keine internistischen Fachbefunde, Laborbefunde oder Gastroskopiebefunde vorliegen. Ebenso wenig werde vom Patienten die Einnahme von Medikamenten angegeben, die die Funktion des Magens oder Darmtraktes verbessern würden. Es erfolge daher die Einstufung der Gallenblasenentfernung mit 10 %. Die Angaben in der Einschätzungsverordnung decken sich mit der Einschätzung im Sachverständigengutachten, vor allem auch im Hinblick darauf, dass es für eine höhere Einschätzung keine Hinweise in den vorgelegten Befunden für anhaltende Folgeschäden oder Beschwerden geben würde. Die bP selbst bezieht sich in ihren Angaben zur Einnahme von Medikamenten lediglich auf Schmerzmittel, die aber in keinen Zusammenhang mit der Verbesserung der Funktion des Magens oder Darmtraktes stehen, sondern bei Bedarf zur Linderung der übrigen festgestellten Leidenszustände der bP dienen. Eine bei der bP allenfalls bestehende Einschränkung in der Ernährung nach Entfernung der Gallenblase wurde jedenfalls im Rahmen der oben angeführten Positionsnummer ausreichend mitberücksichtigt. Auch würde der angenommene Grad der Behinderung von 10 % nicht den Eintrag einer Gesundheitsschädigung im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung rechtfertigen. Der Sachverständige weist in seiner ergänzenden Stellungnahme zudem darauf hin, dass auch im Vorgutachten des chirurgischen Facharztes vom 08.06.2016 keine Diätverpflegung bei Zustand nach Gallenblasenoperation zuerkannt worden sei, in seinem Gutachten vom 21.10.2020 führt er dazu aus, dass keine medizinischen Indikationen für diese Zusatzeintragung vorliegen würden.

Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt. Der Sachverständige begründet dies damit, dass das Leiden Nummer 1 – Kniegelenksbeschwerden beidseits – mit 30 % führend sei. Die Leiden Nummer 2 – Wirbelsäulenbeschwerden – und Nummer 3 – Finger-Polyarthrosen würden, da sie das Gesamtbild verschlechtern, jeweils um eine Stufe steigern. Das Leiden Nummer 4 – Gallenblasenentfernung 2002 – würde hingegen wegen Geringfügigkeit nicht weiter steigern.

Der Sachverständige gab in seinem Gutachten vom 21.10.2020 unter anderem auch eine Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zu einem Vorgutachten eines Allgemeinmediziners und Facharztes für Chirurgie vom 19.06.2016 ab. In diesem Gutachten war ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v. H. festgestellt worden. Der Sachverständige beschreibt folgende Änderungen zum Vorgutachten: Leiden Nummer 1 (Kniegelenksbeschwerden beidseits): Reduktion von 40 % auf 30 % aufgrund sehr guter Beweglichkeit und Schmerzmedikation bei Bedarf; Leiden Nummer 2 (Wirbelsäulenbeschwerden): Reduktion von 40 % auf 30 % bei unauffälligem neurologischen Status und Schmerzmedikation bei Bedarf; Leiden Nummer 3 (Finger-Polyarthrosen): weiterhin Einschätzung im obersten Rahmensatz mit 30 %; Leiden Nummer 4 (Gallenblasenentfernung 2002): weiterhin Einschätzung mit 10 %; begründend führte der Sachverständige aus, dass sich der Gesamtgrad der Behinderung von 60 % auf 50 % durch Neueinschätzung der Leiden Nummer 1 und 2 reduziere.

Zu der von der bP beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ wird folgendes ausgeführt: Laut Gutachten des Sachverständigen vom 21.10.2020 „ist die Mobilität des Patienten aufgrund seiner Kniegelenksbeschwerden beidseits sicher eingeschränkt. Kurze Wegstrecken (400 m) können aber aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung einer Gehhilfe, zurückgelegt werden. Es können höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel bei Verwendung eines Handlaufes ausreichend sicher überwunden werden. Es besteht keine Einschränkung der Standhaftigkeit. Dies insbesondere in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Die Benützung von Haltegriffen und -stangen ist mit beiden Händen leicht eingeschränkt aber ausreichend möglich.“ In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.12.2020 führt der Sachverständige dazu sinngemäß aus, dass sich in der klinischen Untersuchung vom 21.10.2020 eine eingeschränkte Beweglichkeit der Fingergelenke sowie ein eingeschränkter Faustschluss beidseits gefunden hätte. Die Finger und die Faust könnten jedoch aus seiner orthopädischen Sicht so weit geschlossen werden, dass ein suffizientes Halten an Griffen und Stangen und ebenso am Lenkrad eines Fahrzeuges möglich sei. Eine Einschränkung des sicheren Standes und damit eine er

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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