Entscheidungsdatum
03.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W283 2227804-1/13E
Schriftliche Ausfertigung des am 14.01.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. KOSOVO, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter LECHENAUER und Rechtsanwältin Dr.in Margrit SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019, Zl. 1025480706-181075747, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Kosovo ist im Jahr 2014 nach Österreich eingereist und lebt seit 16.07.2014 mit Hauptwohnsitz in Österreich. Ihm wurde erstmals am 08.07.2014 eine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ für ein Jahr befristet erteilt und jährlich verlängert. Der Beschwerdeführer war seit 18.07.2014 für den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen als außerordentliches Studierender gemeldet. Die Ergänzungsprüfung aus Deutsch als Voraussetzung für die Zulassung als ordentlicher Studierender des Studiums der Angewandten Informatik hat der Beschwerdeführer bis dato nicht bestanden. Mit Bescheid vom 10.08.2018 wurde der Antrag (Verlängerungsantrag) des Beschwerdeführers vom 21.06.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ abgewiesen.
Ein Onkel und zwei Cousins des Beschwerdeführers leben in Österreich, zu denen der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt pflegt. Der Beschwerdeführer war von 2016 bis 2018 mehrere Monate geringfügig oder als Arbeiter in Österreich beschäftigt.
Am 12.11.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) mit Bescheid vom 11.11.2019 abgewiesen. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
Das Bundesamt ging in der Bescheidbegründung insbesondere davon aus, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Studienzwecks keine nennenswerten Erfolge erreichen konnte. Von einer „Integrationsverfestigung“ des Beschwerdeführers könne daher nicht ausgegangen werden. Zudem stehe nicht fest, dass „tatsächlich Verwandte in Österreich“ leben und bestehen keine besondere engen sozialen Kontakte in Österreich. Die öffentlichen Interessen am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens seien stärker zu gewichten als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Mit fristgerecht erhobener Beschwerde bzw. Anregung einer Beschwerdevorentscheidung wurde der Bescheid des Bundesamtes bekämpft und die Erteilung eines Aufenthaltstitels begehrt. Dazu wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sich jahrelang in Österreich integriert und hier seinen Lebensmittelpunkt aufgebaut habe. Er spreche sehr gut Deutsch und handle es sich beim Beschwerdeführer keinesfalls um einen „faulen“ Studenten, sondern falle ihm das Erlernen der deutschen Sprache deutlich schwerer als anderen. Der Beschwerdeführer habe soziale Kontakte zu Mitstudierenden aufgebaut und besuche regelmäßig Lehrveranstaltungen an der Universität. Dadurch habe er bereits ausreichend sein Privatleben in Österreich intensiviert. Darüber hinaus betreibe er regelmäßig Sport. Der Onkel, dessen Frau und Kindern sowie der Cousin des Beschwerdeführers leben in Österreich und pflege der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt und eine sehr nahe Verbindung. Zudem habe der Beschwerdeführer eine Unterkunft und verfüge über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag. Der Beschwerdeführer falle bisher und künftig keiner Gebietskörperschaft zur Last. Der Vater des Beschwerdeführers übermittle dem Beschwerdeführer monatlich 800,-- Euro entweder in bar, über Verwandte oder per XXXX Auch sein Bruder übermittle dem Beschwerdeführer Geld. Die Prüfung des Bundesamtes im Hinblick auf die Integration des Beschwerdeführers, der seit über 5 Jahren in Österreich intensive Bindungen zu Gesellschaft, Kultur und Lebensweise aufgebaut habe, deutsch einwandfrei spreche, mehrfach berufstätig gewesen sei und unbescholten sei, sei nicht nachvollziehbar. Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sei aus den genannten Aspekten in einer Gesamtschau denkunmöglich.
Der gegenständliche Akt wurde der Gerichtsabteilung W283 am 09.03.2020 zugewiesen.
Mit Schriftsatz vom 07.09.2020 wurde ein aktualisierter arbeitsrechtlicher Vorvertrag in Vorlage gebracht und neuerlich auf die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführe und den regelmäßigen Kontakt zu seinem Onkel und dessen Frau und Kinder sowie seinem Cousin hingewiesen und auf die sehr nahe Verbindung zu diesen Personen. Auch habe sich der Beschwerdeführer wohlverhalten, habe sich an die österreichische Rechtsordnung gehalten und sei keiner Gebietskörperschaft zur Last gefallen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.01.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Im Anschluss an die mündliche Beschwerdeverhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.
Mit Schreiben vom 28.01.2021 beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die Ausfertigung des am 14.01.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den allgemeinen Lebensumständen
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Kosovo. Seine Identität steht. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten. Der Beschwerdeführer hat sehr gute Deutschkenntnisse. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Albanisch. Er hat auch Englischkenntnisse (AS 1, AS 13, AS 34; OZ 11 = Verhandlungsprotokoll vom 14.01.2021, S. 3 und S. 12).
Der Beschwerdeführer wurde im Kosovo geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder sowie den Großeltern im Haus seines Vaters und seines Onkels aufgewachsen. Dort hat er bis zu seiner Ausreise nach Österreich im Jahr 2014 gelebt. Der Beschwerdeführer ist im Kosovo aufgewachsen, zur Schule gegangen und hat 2013 eine Schule mit Matura abgeschlossen. Danach hat er ein Semester ein Studium der Informatik an einer Universität in Pristina aufgenommen (AS 4; OZ 11, S. 6 ff).
Der Beschwerdeführer ist seit dem 16.07.2014 in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der Beschwerdeführer lebt seit seinem 20. Lebensjahr in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt seit 14.03.2017 in Studentenheimen. Von 16.07.2014 bis 14.03.2017 lebte der Beschwerdeführer bei einem Bekannten und Freund der Familie (Melderegister; OZ 11, S. 8 ff).
1.2. Zum Familien- und Privatleben
1.2.1. Ein Onkel und zwei Cousins des Beschwerdeführers leben in Österreich. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt zu seinem Onkel und seinen zwei Cousins und besucht sie. Er geht in seiner Freizeit mit ihnen spazieren, schifahren oder schwimmen. Der Onkel und die Cousins des Beschwerdeführers unterstützen den Beschwerdeführer finanziell mit etwa 800,-- Euro monatlich (AS 4; AS 53; AS 229; OZ 11, S. 7 f; S. 11 f).
1.2.2. Die Eltern, der Bruder und die Großmutter und ein weiterer Onkel des Beschwerdeführers leben im Kosovo. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig, jeden dritten oder vierten Tag telefonischen Kontakt zu seinem Bruder und etwa alle zwei Wochen mit seinen Eltern (OZ 11, S. 10).
1.2.3. Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Freundeskreis. Der Freundeskreis des Beschwerdeführers schätzt den Beschwerdeführer sehr. Mit drei von fünf seiner Freundinnen und Freunde die dem Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben ausgestellt haben, hatte der Beschwerdeführer zuletzt vor einem Jahr Kontakt (AS 50 bis AS 52; OZ 11, S. 11; S. 19 f).
Der Beschwerdeführer ist nicht in einem Verein aktiv oder ehrenamtlich tätig (OZ 11, S. 15 f).
Der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers haben den Beschwerdeführer jedenfalls bis 20.12.2019 mit monatlich 800,-- Euro finanziell unterstützt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die finanzielle Unterstützung des Vaters des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vorliegt (AS 3; AS 32; AS 55; AS 230).
Der Beschwerdeführer hat geringfügig und in Teilzeitbeschäftigung gearbeitet (AS 245 bis AS 253; OZ 11, S. 12 f).
Der Beschwerdeführer ist mangels Arbeitserlaubnis derzeit nicht berufstätig. Der Beschwerdeführer lebt in einem Studentenwohnheim. Der Beschwerdeführer geht in seiner Freizeit gerne wandern, betreibt Sport und unternimmt etwas mit Freunden (OZ 11, S. 9; S 11 ff).
Der Beschwerdeführer kann den Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen und Freundeskreis per Telefon und sozialen Medien aufrechterhalten. Der Beschwerdeführer kann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach Österreich zu Besuchszwecken einreisen.
Der Beschwerdeführer kann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in seinem Herkunftsstaat eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für Österreich beantragen.
1.3. Zum Aufenthaltszweck Studierender
Dem Beschwerdeführer wurde erstmals am 08.07.2014 eine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ erteilt. Die Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ wurde zeitlich befristet, jeweils für ein Jahr erteilt. Der Beschwerdeführer wusste seit der erstmaligen Erteilung, dass seine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ zeitlich auf jeweils ein Jahr befristet wurde (Fremdenregister; OZ 11, S. 9).
Der Beschwerdeführer hat die Ergänzungsprüfung aus Deutsch als Voraussetzung für die Zulassung als ordentlicher Studierender an einer Universität in Österreich bis dato nicht bestanden (AS 46 bis AS 49; AS 224; OZ 11, S. 14).
Mit Bescheid vom 10.08.2018 wurde der Antrag (Verlängerungsantrag) des Beschwerdeführers vom 21.06.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ abgewiesen. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde von einem Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.11.2018 als unbegründet abgewiesen (AS 87 ff; AS 225).
Der Beschwerdeführer war seit 18.07.2014 für den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen als außerordentliches Studium gemeldet. Der Beschwerdeführer war als außerordentlicher Studierender inskribiert und hat zwischen 2014 und 2017 mehrere Kurse zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung Deutsch besucht. Die Ergänzungsprüfung Deutsch hat er bis dato nicht erfolgreich abgelegt (AS 46 bis AS 49; AS 61 bis AS 69; AS 224; OZ 11, S. 14).
Der Beschwerdeführer absolvierte keine Lehrveranstaltungen des angestrebten Studiums der Angewandten Informatik. Der Beschwerdeführer hat keinen Studienerfolg für seinen Aufenthaltszweck Studierender nachgewiesen (AS 89; OZ 11, S.15).
Das Bachelorstudium der Angewandten Informatik an der Universität Salzburg umfasst eine Regelstudiendauer von 6 Semestern und insgesamt 180 ECTS (Beilagen ./I und ./II zu OZ 11).
Der Beschwerdeführer hat seit März 2020 keinerlei Kurse oder Fortbildungen – auch nicht online – absolviert, um seine Deutschprüfung zu bestehen. Der Beschwerdeführer beabsichtigt nicht ernsthaft die Weiterführung seines Informatikstudiums in Österreich (OZ 11, S. 15 und S. 17).
Der Beschwerdeführer hat die Aufenthaltsberechtigung Studierender erlangt, um die ansonsten strengeren gesetzlichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zu umgehen.
1.4. Zur Beschäftigung und zu den Versicherungszeiten
Der Beschwerdeführer war von 30.05.2016 bis 08.09.2017 geringfügig beschäftigt und in der österreichischen Krankenversicherung in diesem Zeitraum selbstversichert. Von 13.12.2017 bis 04.05.2018 war der Beschwerdeführer als Arbeiter beschäftigt. Von 02.06.2018 bis 27.06.2018 und von 19.10.2018 bis 31.12.2018 war der Beschwerdeführer als Arbeiter in der Küche beschäftigt (AS 245 bis AS 253; OZ 11, S. 12 f).
Der Beschwerdeführer verfügt derzeit über keinen Krankenversicherungsschutz, insbesondere über keine private Krankenversicherung (OZ 11, S. 16).
Der Beschwerdeführer ist arbeitswillig und arbeitsfähig (AS 237; OZ 11, S. 13 und S. 16).
Er verfügte zuletzt über ein monatliches Einkommen in der Höhe von € etwa 630,00 netto (OZ 11, S .13).
Der Beschwerdeführer verfügt über einen Vorvertrag zur Anstellung als Abwäscher bei einem Gastbetrieb (AS 237; OZ 11, S. 16).
Der Beschwerdeführer hat Berufserfahrung als Abwäscher (OZ 11, S. 13).
1.5. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat
Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist ein sicherer Herkunftsstaat.
Der Beschwerdeführer war seit seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2014 regelmäßig zwei Mal im Jahr für 1 Woche oder maximal 2 Wochen im Kosovo bei seinen Eltern. Während des Aufenthalts hat er im Haus seines Vaters und Onkels gewohnt. Zuletzt war der Beschwerdeführer im Jahr 2018 im Kosovo (OZ 11, S .10 f).
Der Vater des Beschwerdeführers ist im Heimatort im Kosovo gemeinsam mit seinem Bruder Eigentümer eines Hauses (OZ 11, S. 8).
Bei einer Rückkehr in den Kosovo kann der Beschwerdeführer im Haus seines Vaters Unterkunft nehmen. Er kann seine Lebensbedürfnisse befriedigen, er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen, einer Arbeit nachgehen und sich selbst erhalten.
Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr in den Kosovo zumindest vorübergehend unterstützt werden. Der Vater des Beschwerdeführers hat den Beschwerdeführer auch in der Vergangenheit finanziell unterstützt. Auch der in Österreich lebenden Onkel und die Cousins des Beschwerdeführers können den Beschwerdeführer zumindest vorübergehend im Fall seiner Rückkehr in den Kosovo finanziell unterstützen (AS 3; AS 32; AS 55; AS 230; AS 4; AS 53; AS 229; OZ 11, S. 7 f; S. 11 f).
1.6. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Kosovo gilt als sicherer Herkunftsstaat. Es besteht keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Kosovo einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt ist. Es sind keine Umstände hinsichtlich etwaiger staatlicher Repressalien oder anderweitig gearteter Probleme bekannt bzw. wurden keine solchen vorgebracht.
Die Länderfeststellungen zur Lage im Kosovo basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 11.05.2020.
Politische Lage
Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung sieht eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung vor. Die politische Macht konzentriert sich beim Ministerpräsidenten. Ein umfassender Schutz der anerkannten Minderheiten ist gewährleistet (AA 19.4.2020). Durch die Verfassung als ethnische Minderheit anerkannt sind Serben, Roma, Ashkali, Ägypter, Türken, Bosniaken und Gorani (CIA 7.4.2020; vgl. GIZ 3.2020b). Im Parlament stehen diesen 20 von 120 Sitzen zu, wobei 10 Sitze für Repräsentanten der serbischen Minderheit reserviert sind (GIZ 3.2020a). Die Republik Kosovo ist international von mehr als 110 Staaten anerkannt, nicht jedoch von Serbien. Das ungeklärte Verhältnis zu Serbien behindert die Annäherung Kosovos an EU und NATO. Seit 2011 vermittelt die EU einen politischen Dialog zwischen den beiden Ländern mit dem Ziel einer ehestmöglichen und umfassenden Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. Inzwischen wurden mehrere wichtige Vereinbarungen erzielt, die zu einer deutlichen Entspannung geführt haben. In Kosovo sind einige internationale Missionen tätig: Die NATO-Mission KFOR mit ca. 3500 Soldaten, die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX), die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK) sowie die OSZE-Mission (OmiK) (AA 19.4.2020).
Generell werden die Konsolidierung der Demokratie im Kosovo sowie deren Effizienz und Reaktionsfähigkeit im politischen Prozess durch eine Reihe von Faktoren wie beispielsweise eine mangelnde Rechenschaftspflicht der politischen Klasse untergraben. Die demokratischen Institutionen werden oftmals als undurchsichtig und wenig kooperativ in der Zusammenarbeit wahrgenommen. Trotzdem ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mit Regierung und Parlament zufrieden. In den letzten vier Jahren konnte - wenngleich von einem niedrigen Niveau ausgehend - doch eine deutliche Verbesserung verzeichnet werden. Eine Umfrage der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) aus dem Jahr 2010 ergab, dass 75% der Kosovaren eine positive Einstellung zur Demokratie haben. Die hohe Zustimmung zur Demokratie hat unter den sozioökonomischen Veränderungen, dem Versöhnungsprozess der Regierung mit Serbien und den serbischen Gemeinden im Kosovo und den 2015 von der Opposition organisierten Straßenprotesten gelitten (BS 2020).
Am 5.10.2019 fanden im Kosovo vorgezogene Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Ministerpräsident und ehemalige UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj wegen einer Vorladung zum Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag vom Amt als Regierungschef zurückgetreten war (DS 7.10.2019; NZZ 7.10.2019). Die Wahlen wurden – bei einer Wahlbeteiligung von 44% - von den bisherigen Oppositionsparteien gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag entschied mit knapp 25,6% der Stimmen die groß-albanische, nationalistische und EU-kritische Oppositionspartei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) mit ihrem Spitzenkandidaten Albin Kurti, für sich. Dicht dahinter folgte mit 24,9% der Stimmen die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK) mit ihrer Spitzenkandidatin Vjosa Osmani. Den dritten Platz belegte mit 21,1% die – von Staatspräsident Hashim Thaci dominierte - Demokratische Partei des Kosovo (PDK). Die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6% der Stimmen (NZZ 7.10.2019; vgl. DP 7.10.2019).
Der Wahlausgang wurde als Signal gegen Korruption und Stillstand gewertet und bedeutete zunächst das Ende der langjährigen Dominanz der PDK von Staatspräsident Hashim Thaci über die kosovarische Politik (ORF 6.10.2019). Mehr als die Hälfte aller Stimmen konnten zwei Politiker auf sich vereinen, deren Karriere nicht in der UCK begann und die für einen klaren Bruch mit dem Klientelsystem des politischen Establishments stehen (NZZ 7.10.2019). Wie von Beobachtern erwartet, kam es zu einem Regierungsbündnis zwischen den nunmehr siegreichen bisherigen Oppositionsparteien unter Führung von Kurti und Osmani. Beide kündigten an, die grassierende Korruption bekämpfen und den Rechtsstaat stärken zu wollen (Spiegel 9.2.2020; vgl. DP 7.10.2019).
Nach nur etwa 50 Tagen im Amt wurde die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti per Misstrauensvotum gestürzt. Hintergrund war ein Streit um Verhandlungen mit Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo bis heute nicht anerkennt (Standard 2.5.2020).
Während Kurti baldige Neuwahlen favorisierte, forderte Präsident Hashim Thaci die Bildung einer Einheitsregierung; dies hätte zu einer Regierungsbeteiligung der oppositionellen Demokratischen Partei des Kosovo, der PDK, führen können, jener Partei, die Thaci bis zur Übernahme der Präsidentschaft vor vier Jahren geleitet hatte (AA – 6.4.2020, vgl. BBC 26.3.2020).
Ein vorläufiges Dekret von Präsident Thaci, mit dem ein Politiker der Mitte-Rechts-Partei LDK den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, wurde jedoch vom Verfassungsgericht ausgesetzt, womit die Regierungsbildung bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung nunmehr auf Eis liegt (Standard 2.5.2020).
Sicherheitslage
Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).
Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).
Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).
In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).
Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).
Rechtsschutz / Justizwesen
Die gesetzgebende Gewalt wird vom kosovarischen Parlament ausgeübt, die exekutive Gewalt von der Regierung (Premierminister, Minister) und die richterliche Gewalt von den Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der höchsten richterlichen Behörde, und des Verfassungsgerichts. Die Exekutive hat sich jedoch wiederholt (informell) in die Arbeit von Legislative und Judikative eingemischt und das Parlament wurde immer wieder dafür kritisiert, dass es sein verfassungsmäßiges Mandat zur Kontrolle der Regierung nicht ausübt. Die parlamentarischen Ausschüsse in der Versammlung wurden von der Exekutive ignoriert, wodurch ihre parlamentarische Kontrollfunktion wesentlich geschmälert wurde. Die Kontrolle und Ausgewogenheit der demokratisch gewählten Institutionen ist zwar formell festgelegt, in der Realität jedoch schwach und ineffizient (BS 2020).
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber diese Unabhängigkeit wird nach wie vor durch politische Autoritäten und ein hohes Maß an Korruption beeinträchtigt. EULEX und seine kosovarischen Pendants haben einige Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Rechenschaftspflicht, Freiheit von politischer Einmischung und Multiethnizität, einschließlich der Einhaltung europäischer Best Practices und internationaler Standards, erzielt. Dennoch hat eine 2016 durchgeführte Umfrage über die Wahrnehmung des Justizsystems durch die Bürger ergeben, dass nur 12,3% die Gerichte für unabhängig hielten, während 61,2% der Ansicht waren, dass Personen mit politischen Verbindungen weniger wahrscheinlich bestraft würden. 50,5% meinten, dass Justizbeamte Bestechungsgelder erhielten oder verlangten und nur 36% konnten jüngste Verbesserungen im Justizsystem feststellen, während 24,4% davon überzeugt waren, dass keine Verbesserungen erzielt wurden (BS 2020).
Die Effizienz bei der Fallbearbeitung hat sich verbessert, aber es gibt immer noch einen beachtlichen Rückstau an offenen Fällen. Ein Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist zwar vorhanden, aber ineffizient. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellt kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung; diese ist jedoch nicht adäquat finanziert und funktioniert nicht wie vorgesehen. Bei Verletzung der Prozessrechte können sich Geschädigte an den Verfassungsgerichtshof wenden (USDOS 11.3.2020).
Die Verfahren werden nicht immer ordnungsgemäß abgewickelt. Nach Angaben der Europäischen Kommission, der NGOs und der Institution der Ombudsperson ist die Justizverwaltung langsam und es fehlen die Mittel, um die Rechenschaftspflicht der Justizbeamten zu gewährleisten. Die Justizstrukturen sind politischer Einflussnahme ausgesetzt, mit umstrittenen Ernennungen und unklaren Mandaten (USDOS 11.3.2020). Die lokale Rechtsprechung sieht sich Einflüssen von außen, v.a. seitens der Exekutive, ausgesetzt und sorgt nicht immer für faire Prozesse (FH 4.2.2019).
Im Laufe des Jahres 2019 förderte das Justizministerium Änderungen eines Gesetzes von 2010 über die disziplinarische Verantwortung von Richtern und Staatsanwälten, mit denen die Unparteilichkeit des kosovarischen Justizwesens erreicht werden sollte (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus wurden Register zur Erfassung von Beschwerden gegen Richter auf Ebene der Gerichte und des KJC, des „kosovarischen Justizrates“, fertiggestellt und allen Gerichten zur Überprüfung übergeben. Im Einklang mit der Disziplinarordnung wählte die KJC 70 von den Gerichtspräsidenten empfohlene Richter für die Mitgliedschaft in Gremien aus, die für die Untersuchung von Disziplinarbeschwerden zuständig sind. Ihr Mandat ist gestaffelt, um Kontinuität zu gewährleisten: 25 Richter wurden nach dem Zufallsprinzip für eine Amtszeit von einem Jahr, 23 für eine zweijährige und 22 für eine dreijährige Amtszeit ausgewählt. Jährlich sollen neue Mitglieder ausgewählt werden, um eine volle Besetzung von 70 zu gewährleisten. Seit Inkrafttreten des neuen Disziplinarverfahrens sind bei den Gerichtspräsidenten als den zuständigen Behörden 75 Beschwerden gegen Richter eingegangen; der kosovarische Justizrat setzte ein entsprechendes Untersuchungsgremium ein (USDOS 11.3.2020).
Manchmal versäumen es die Behörden, gerichtlichen Anordnungen u.a. auch des Verfassungsgerichts nachzukommen, insbesondere wenn die Urteile Minderheiten begünstigen, wie in zahlreichen Fällen der Rückgabe von Eigentum an Kosovo-Serben. Keiner der Beamten, die 2019 an der Nichtumsetzung von Gerichtsbeschlüssen beteiligt waren, wurde sanktioniert (USDOS 11.3.2020).
Das Gesetz sieht faire und unparteiische Verfahren vor und trotz gravierender Mängel im Justizsystem wie etwa politischer Einmischung, wird das Recht im Allgemeinen umgesetzt. Die Prozesse sind öffentlich, die Angeklagten haben ein Recht auf die Unschuldsvermutung, auf unverzügliche Information über die gegen sie erhobenen Anklagen und auf ein faires, öffentliches Verfahren, bei dem sie sich in ihrer Muttersprache an das Gericht wenden können. Sie haben das Recht, zu schweigen oder sich der Aussage zu entschlagen, Beweise einzusehen, einen eigenen Rechtsbeistand zu haben und gegen Urteile zu berufen. Das Kosovo wendet keine Geschworenenprozesse an (USDOS 11.3.2020).
Die "Free Legal Aid Agency“ (FLAA) ist von der Regierung beauftragt, Personen mit niedrigem Einkommen kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren und führt entsprechende Kampagnen durch, die sich an benachteiligte und marginalisierte Gemeinschaften richteten. Im Mai 2019 finanzierten die Vereinten Nationen das Zentrum für Rechtshilfe, welches über NGOs Frauen kostenlosen Rechtsbeistand in Fällen wie der Überprüfung von Eigentumsrechten, Klagen wegen sexueller Gewalt und Rentenansprüchen aus Serbien garantiert (USDOS 11.3.2020).
Kosovo befindet sich in einem Frühstadium in Bezug auf die Anwendung des aquis communautaire und europäischer Standards im Justizbereich. Ein gewisses Ausmaß an Fortschritt wurde erreicht, unter anderem bei der Untersuchung hochrangiger Korruptionsfälle. Korruption ist dennoch weit verbreitet und bleibt ein problematischer Themenbereich. Die Verabschiedung verschiedener Rechtsdokumente im Bereich Korruptionsbekämpfung stellt einen wichtigen Schritt dar, wesentlich ist nun die konsequente Umsetzung (EC 29.5.2019).
Am 8.6.2018 hat der Rat beschlossen, das Mandat der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, EULEX Kosovo, neu auszurichten. Die Mission hatte seit ihrer Einrichtung vor 10 Jahren zwei operative Ziele: das Ziel der Beobachtung, Anleitung und Beratung durch Unterstützung der Rechtsstaatlichkeitsinstitutionen des Kosovo und des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und zweitens ein exekutives Ziel, nämlich die Unterstützung verfassungs- und zivilrechtlicher gerichtlicher Entscheidungen sowie strafrechtlicher Ermittlungen und gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Strafsachen. Mit dem Beschluss wird der justizielle exekutive Teil des Mandats der Mission beendet und das Kosovo nimmt nun die Verantwortung für alle übertragenen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren wahr. Seit dem 14.6.2018 konzentrierte sich EULEX darauf, ausgewählte Fälle und Gerichtsverfahren in den Straf- und Zivilrechtsinstitutionen des Kosovos zu beobachten, den Justizvollzugsdienst des Kosovos zu beobachten, anzuleiten und zu beraten und die operative Unterstützung für die Umsetzung der von der EU geförderten Dialogvereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo fortzusetzen. Der Ratsbeschluss sieht vor, dass das überarbeitete Mandat bis zum 14.6.2020 gilt (REU 8.6.2018).
Sicherheitsbehörden
Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anm.) und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019).
Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).
Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regionalkommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Verbot der Folter sowie der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe wird im Artikel 27 der kosovarischen Verfassung verankert. Artikel 199 des Strafgesetzbuches kriminalisiert Folter in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen (AA 21.3.2019). Die Gesetze werden aber uneinheitlich umgesetzt und es gab anhaltende Vorwürfe, dass Gefangene von der Polizei und in geringerem Maße auch vom Personal des Strafvollzugsdienstes gefoltert und misshandelt wurden (UDOS 11.3.2020). Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nahm in seinem letzten Bericht über den Besuch in Serbien und Kosovo mit großer Besorgnis zahlreiche Anschuldigungen wegen Folter und Misshandlungen durch die Polizei zur Kenntnis (AA 21.3.2019; vgl. UN 25.1.2019). In erwähntem Papier wird über Misshandlungen von Gefangenen sowie verbale und psychologische Drohungen berichtet. Auch besteht ein Mangel an Aufsicht in der Untersuchungs- und Verhörphase der Inhaftierung, was angeblich zu erzwungenen Geständnissen führt (USDOS 11.3.2020).
Die Ombudsperson des Kosovo (KOI) verfügt in ihrer Eigenschaft als Nationaler Präventionsmechanismus gegen Folter (National Preventive Mechanism against Torture – NPMT) über sieben Mitarbeiter. Darunter sind ein Arzt, ein Psychiater, ein Sozialarbeiter und zwei Anwälte, die sich hauptberuflich mit der Verhütung von Folter befassen. Im Jahr 2018 unterzog sich der NPMT einem intensiven vom Europarat finanzierten Schulungsprogramm, um seine Kapazitäten zu verbessern. Auch führte er in Gefängnissen, Haftanstalten, psychiatrischen Einrichtungen und Polizeistationen Inspektionen durch. Gefangene und Inhaftierte können den NPMT über Rechtsanwälte, Familienangehörige, internationale Organisationen, direkte Telefonanrufe oder über Briefkästen in Haftanstalten, die nur für Mitarbeiter der KOI zugänglich sind, kontaktieren. Die KOI berichtete zwar über Beschwerden gegen die Polizei und den Strafvollzugsdienst; darunter Vorwürfe der körperlichen Misshandlung von Gefangenen, aber keine Folterhandlungen (USDOS 11.3.2020).
Das Kosovo-Rehabilitationszentrum für Folteropfer (KRCT), die führende NGO des Landes in Fragen der Folter, gab ebenfalls an, im Laufe des Jahres keine glaubwürdigen Berichte über Folterungen erhalten zu haben, obwohl die Misshandlung von Gefangenen nach wie vor ein Problem darstellt (USDOS 11.3.2020).
Korruption
Laut Gesetz steht Korruption von Beamten unter Strafe, aber die Regierung setzt diese Vorgaben nicht effektiv um. Korruption bei Beamten bleibt gelegentlich ungesühnt. Das Fehlen einer wirksamen Justizaufsicht und eine allgemeine Schwäche der Rechtsstaatlichkeit tragen zu diesem Problem bei. Gegen Korruptionsfälle wird routinemäßig wiederholt Berufung eingelegt, und das Justizsystem lässt oft Verjährungsfristen auslaufen, ohne die Fälle vor Gericht zu bringen. Die Antikorruptionsbehörde (ACA) und das Nationale Rechnungsprüfungsamt tragen gemeinsam die Verantwortung für die Bekämpfung staatlicher Korruption. Verurteilungen wegen Korruptionsvorwürfen machen weiterhin nur einen geringen Teil der untersuchten und angeklagten Fälle aus. NGOs berichten, dass Anklageerhebungen oft fehlschlagen, weil Staatsanwälte falsche Anklagen erheben oder Verfahrensfehler machen (USDOS 11.3.2020).
Die institutionellen Rahmenbedingungen zur Korruptionsbekämpfung sind schwach. Die Zuständigkeitsbereiche der vier primären Korruptionsbekämpfungsbehörden überlappen sich, was eine effiziente Koordinierung der Bemühungen erschwert. Die Behörden zeigen nur wenig Anstrengung, hochrangige Korruptionsfälle zu untersuchen, und wenn hochrangige Beamte doch verfolgt werden, so kommt es selten zu Verurteilungen. Ende 2018 waren vier Minister, denen Korruption bzw. Interessenskonflikte vorgeworfen wurden, trotz entsprechender Anklagen weiterhin im Amt. Staatsanwälte und Gerichte sind nach wie vor anfällig für politische Einmischung und Korruption durch mächtige politische und geschäftliche Eliten, wodurch ordnungsgemäße Verfahren untergraben werden (FH 4.2.2019). Auch die Ergebnisse der EULEX-Anti-Korruptionsbemühungen waren minimal. Besonders hochrangige Korruptionsfälle wurden nicht einmal untersucht, was einen weit verbreiteten Eindruck der Straflosigkeit hervorrief. Es schien, als sollte wichtigen Persönlichkeiten der politischen Elite des Kosovo eine Untersuchung oder gar ein Gerichtsverfahren erspart bleiben, im höheren Interesse der Aufrechterhaltung des kosovarischen Staatsbildungsprojekts (BS 2020).
Zentrale Bereiche der Korruption sind neben dem Gesundheits- und Bildungswesen die Justiz, in der es regelmäßig zu politischer Einflussnahme kommt, außerdem die öffentliche Verwaltung, in der Nepotismus, Beschäftigung nach Parteibuch wie die Manipulation öffentlicher Ausschreibungsverfahren weit verbreitet sind. Politische Korruption, etwa bei der Besetzung von Aufsichtsräten herrscht auch bei öffentlichen Unternehmen vor. Die kosovarische Presse berichtet regelmäßig von Korruptionsskandalen, in die hochkarätige Partei- oder Regierungsvertreter verwickelt sein sollen. Zur Anklage kommt bisher jedoch nur ein kleiner Teil davon und zu Verurteilungen kommt es ganz selten. So wurde der frühere Minister Fatmir Limaj diverse Male, unter anderem von EULEX-Richtern, wegen Korruption angeklagt, zu einer Verurteilung kam es nie. Auch sein Bruder, Florim Limaj, der im Innenministerium mit der Bekämpfung von Korruption betraut war, wurde wegen Korruption angeklagt. Ähnlich gelagert war der Fall des Staatsanwalts Nazim Mustafi. Der mit der Bekämpfung von Korruption beauftragte Staatsanwalt wurde 2013 von einem EULEX-Gericht selbst zu fünf Jahren Haft verurteilt - wegen Bestechlichkeit. Nicht nur lokalen Richtern, Staatsanwälten und Polizei fehlt die politische Unabhängigkeit zur Verfolgung politisch sensibler Korruptionsfälle – selbst die EU-Rechtsstaatsmission EULEX erwies sich als außerordentlich ineffizient, hochkarätige Fälle politischer Korruption abzuurteilen. 2017 wurden laut offiziellen Statistiken von den Staatsanwaltschaften im Kosovo knapp 1.800 Personen wegen Korruption angeklagt, 90% davon waren Behördenvertreter. 2015 wurde eine behördenübergreifende Task Force gegen politisch sensible Korruption und organisierte Kriminalität geschaffen. Bis einschließlich 2018 kamen allerdings lediglich 27 Fälle zur Anklage, ganze 9 Personen wurden verurteilt. Nicht zuletzt wegen der ineffizienten Korruptionsbekämpfung haben zwei Drittel der Bevölkerung im Kosovo kein Vertrauen in die Justiz bzw. den Rechtsstaat (GIZ 3.2020a).
Diese Auffassung vertritt auch der Direktor der albanischen Antikorruptionsbehörde, Shaip Havolli und rief die Justizbehörden auf, keine Angst zu haben, auch hochrangige Personen wegen Korruption anzuklagen. Er betonte, dass niedrige Strafen und Freilassungen ein negatives Signal für die Entwicklung des Kosovo und seine Integration in die internationalen Strukturen seien (CoE o.D.a; vgl. Telegrafi 25.5.2019). Das Kosovo Law Institute beklagte 2019, dass das Ausmaß der Nichtbestrafung von Korruption als besorgniserregend. Die Korruption auf hoher Ebene bleibe ein ernstes Problem. Der britische Botschafter im Kosovo zeigte sich beunruhigt, dass trotz aller Investitionen der internationalen Gemeinschaft ein hoher Prozentsatz von in Korruption verwickelten hohen Beamten nicht bestraft wird (CoE o.D.b).
Transparency International listet den Kosovo in seinem „Corruption Perceptions Index“ 2019 auf Platz 101 von insgesamt 180 bewerteten Staaten. Dies entspricht einer Verschlechterung um acht Plätze gegenüber 2018 (TI 1.2020; vgl. TI 30.1.2019). Im regionalen Vergleich zu seinen Nachbarländern liegt das Kosovo hinsichtlich des Ausmaßes an Korruption im Mittelfeld GIZ 3.2020a).
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Zahlreiche heimische und internationale Menschenrechtsorganisationen konnten ohne Einschränkungen seitens der Regierung ihren Aufgaben nachgehen, Menschenrechtsfälle untersuchen und die Ergebnisse darüber publizieren (USDOS 11.3.2020, vgl. FH 4.2.2019), sind dabei aber gelegentlich Druck seitens der Regierung ausgesetzt, Kritik an derselben zu beschränken (FH 4.2.2019).
Ca. 6.000 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) sind im Kosovo registriert, wovon allerdings nur 10% als aktiv gelten. Im Kosovo gibt es durchaus eine zumindest jüngere Tradition der Zivilgesellschaft, die eine bedeutende Rolle in der kosovarischen Parallelgesellschaft der 1990er Jahre sowie während des Konflikts und in der folgenden Phase der Soforthilfe und des Wiederaufbaus einnahm. Hervorzuheben ist dabei die Rolle der „Mutter Teresa Gesellschaft“. Die zivilgesellschaftliche Szene ist aufgrund des hohen Anteils an Jugendlichen in der Gesellschaft hochdynamisch, aber weitestgehend unpolitisch. Die größte Anzahl der aktiven NGOs konzentriert sich auf die Zentren, wohingegen die Anzahl aktiver NGOs in ländlichen Gebieten gering ist. Die Gewerkschaften im Kosovo haben ca. 60.000 Mitglieder und sind mit einem Organisationsgrad von ca. 90% Abdeckung im öffentlichen Sektor ein gewichtiger Sozialpartner (GIZ 3.2020a).
Ombudsmann
Die Institution der Ombudsperson hat die Befugnis, Anschuldigungen wegen Menschenrechtsverletzungen sowie den Missbrauch von staatlicher Autorität zu untersuchen und agiert als nationaler Präventionsmechanismus gegen Folter (National Preventive Mechanism against Torture – NPMT). Sie ist überdies die wichtigste Einrichtung zur Überwachung der Gefängnisse und kann, wenn ihre Empfehlungen nicht befolgt werden, die Fälle vor Gericht bringen. Weiters kann die Ombudsperson Empfehlungen zur Vereinbarkeit von Gesetzen und anderen untergesetzlichen oder administrativen Rechtsakten, Richtlinien und Praktiken abgeben (USDOS 11.3.2020). Die Institution der Ombudsperson nimmt ihr Mandat weiterhin wahr, schützt fundamentale Rechte und Freiheiten für alle, und stärkt ihre Kapazitäten, um Fälle effizient bearbeiten zu können. Sie bleibt jene Institution im Kosovo, der am meisten Vertrauen geschenkt wird. Die Implementierung der Empfehlungen der Ombudsperson durch andere Institutionen hat sich verbessert (EC 29.5.2019).
Wehrdienst und Rekrutierungen
Es gibt im Kosovo keinen verpflichtenden Militärdienst (AA 21.3.2019).
Allgemeine Menschenrechtslage
Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Art. 22 der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden im Kosovo zuständig ist, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nachgeht und in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung gibt. Im Juli 2015 hat das Parlament ein neues Gesetz zur Ombudsperson verabschiedet, das die Ombudsperson zum nationalen Präventionsmechanismus (NPM) ernannt und die Unabhängigkeit dieser Institution und ihre Rolle als unabhängiger Beobachter und Hüter der Grundrechte und Grundfreiheiten im Kosovo gestärkt hat (AA 21.3.2019).
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen garantieren den Schutz der Menschenrechte sowie der fundamentalen Rechte gemäß europäischen Standards. Es sind jedoch weitere Anstrengungen zur Durchsetzung nötig. Die Anwendung der menschenrechtlichen Gesetzgebung und Strategien wird oft durch unzureichende finanzielle Mittel oder Mangel an anderen Ressourcen, durch fehlende politische Priorisierung und schlechte Koordination unterminiert. Die existierenden Mechanismen zur Koordination und Implementierung von Menschenrechten sind ineffizient. Es besteht eine starke Abhängigkeit von ausländischen Gebern (EC 25.2.2019).
Meinungs- und Pressefreiheit
Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die kosovarische Verfassung garantiert und in eigenen Gesetzen verankert (AA 21.3.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Diese Gesetze stehen im Allgemeinen im Einklang mit den EU- und anderen international anerkannten Standards zum Schutz der Meinungsfreiheit. Ein Sondergesetz regelt den Schutz der Quellen von Journalisten, wurde aber nach Auffassung mancher nicht vollständig umgesetzt (IREX o.D.). Die Rechte auf Meinungs- und Pressefreiheit können generell ohne staatliche Einschränkungen wahrgenommen werden, wenngleich es laut glaubwürdigen Berichten durch einzelne Staatsbeamte, Politiker, Unternehmen und radikale religiöse Gruppen zu Einschüchterungsversuchen von Medienvertretern und zu Bedrohung bzw. versuchter Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und organisierte Kriminalität gekommen ist (AA 21.3.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Medien haben auch Schwierigkeiten, Informationen, wie gesetzlich vorgesehen, von der Regierung und den öffentlichen Institutionen zu erhalten (USDOS 11.3.2020).
Zahlreiche Medien im Kosovo sind finanziell nicht stabil, was sie anfällig für politische Einflussnahme macht und neben häufigen Schikanen und Einschüchterungen oft zu Selbstzensur führt. Minderheitenmedien stehen oftmals am Rande der Existenz und überleben vor allem durch ausländische Spenden (RSF o.D.; vgl. FH 4.2.2019). Die politische Einmischung in den Medienbereich hielt 2019 an, während die Gebergemeinschaft aber gleichzeitig ihre Unterstützung für unabhängige Medien verstärkte (FH 2020).
Drohungen und Angriffe gegen Journalisten haben sich 2019 fortgesetzt und Bedrohungen auf Social-Media-Plattformen stellten ein weit verbreitetes Problem dar, während die Ermittlungen und die Strafverfolgung schleppend verliefen. Zwischen Januar und September 2019 registrierte der Verband der Journalisten des Kosovo vier physische Angriffe und sieben Drohungen gegen Journalisten und Medien (HRW 14.1.2020). Journalisten, die über radikale muslimische Gruppen berichteten, erhielten Morddrohungen (USDOS 11.3.2020).
Während die Medienvielfalt durch die Expansion der Kabelnetzbetreiber zugenommen hat, beklagen Mitarbeiter von Fernsehsendern, dass die Kabelnetzbetreiber ihre Signale nicht übertragen, weil ihre Programme die Regierung kritisieren. Der Staat finanziert das öffentliche Radio und Fernsehen des Kosovo (RTK) direkt, was eine ausgesprochen regierungsfreundliche Berichterstattung zur Folge hat. Journalisten werden gelegentlich der Verleumdung von Regierungsbeamten beschuldigt, obwohl es Bemühungen gab, die Verleumdung zu entkriminalisieren. Da es den privaten Medien an stabilen und ausreichenden Einnahmen aus Verkäufen und Anzeigen mangelt, sind sie stark von ihren Eigentümern abhängig und müssen deren politische oder wirtschaftliche Interessen berücksichtigen. Neue Medienformate haben das Bewusstsein für strittige politische und soziale Fragen geschärft, die bisher nicht öffentlich diskutiert wurden, wie Homosexualität oder Korruption. Der Zugang zu Informationen über das Internet ist nicht eingeschränkt (BS 2020), Online-Inhalte werden nicht zensiert und es gibt keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht hätte (USDOS 11.3.2020).
Alle relevanten Minderheiten in Kosovo sind durch eigene politische Parteien bzw. Vereinigungen im öffentlichen Leben präsent, der öffentlich-rechtliche Fernsehsender RTK strahlt Sendungen in Minderheitensprachen (Serbisch, Türkisch, Romanes) aus. Ein eigener serbisch-sprachiger Kanal wurde im Jahre 2012 im Rahmen der Umsetzung des Ahtisaari-Pakets unter dem Dach von RTK eingerichtet (AA 21.3.2019).
Es gab 2019 keine Berichte über eine direkte Zensur von Print- oder Rundfunkmedien, obwohl Journalisten behaupteten, dass der Druck von Politikern und organisierten kriminellen Gruppen häufig zur Selbstzensur führte. Einige Journalisten verzichteten aus Angst um ihre körperliche oder berufliche Sicherheit auf eine kritische investigative Berichterstattung. Journalisten erhielten gelegentlich Angebote finanzieller Vorteile als Gegenleistung für eine positive Berichterstattung oder für den Abbruch einer Untersuchung. Andere Journalisten beschwerten sich darüber, dass Medienbesitzer und -manager sie daran hinderten, regierungskritische Beiträge über die Regierung, politische Parteien oder bestimmte Funktionäre zu veröffentlichen oder zu senden. In einigen Fällen drohten die Eigentümer Berichten zufolge damit, Journalisten zu entlassen, wenn sie kritische Berichte verfassen würden. Die Journalisten beschwerten sich auch darüber, dass die Eigentümer sie daran hinderten, über Korruption auf hoher Regierungsebene zu berichten (USDOS 11.3.2020).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die kosovarische Verfassung garantiert (AA 21.3.2019; vgl. USDOS 11.3.2020) und werden im Allgemeinen von der Regierung, EULEX und KFOR gewährleistet. Demonstrationen werden allerdings aus Sicherheitsgründen gelegentlich eingeschränkt (BS 2020).
Die politische Opposition wurde in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt (AA 21.3.2019).
In den meisten Teilen des Landes operieren die politischen Parteien frei und es gibt keine nennenswerten Hindernisse für deren Registrierung. In den kosovo-serbischen Mehrheitsbezirken berichteten oppositionelle und unabhängige Kandidaten, dass Druck ausgeübt worden wäre, sich von den Wahlen zurückzuziehen, und von Druck auf die Wähler, die Srpska-Liste zu unterstützen. Vertreter der kosovo-serbischen Opposition berichteten von Gewaltandrohungen während der Bürgermeisterwahlen am 19. Mai von Anhängern der Srpska-Liste und der serbischen Regierung. Die Parteizugehörigkeit spielt oft eine Rolle beim Zugang zu staatlichen Diensten und sozialen und Beschäftigungsmöglichkeiten (USDOS 11.3.2020).
Bereits 2015 und 2016 haben die damaligen Oppositionsparteien Vetevendosje!, AAK und NISMA die Arbeit des Parlaments massiv blockiert. Ein beliebtes Mittel war dabei der Einsatz von Tränengas, welches von einzelnen Mitgliedern der Opposition in das Parlament geschmuggelt und dort gezündet wird. Aber auch Eier wurden wiederholt auf Regierungsmitglieder geworfen. Die kosovarische Justiz hat in diesem Zusammenhang mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Hintergrund des Protests sind, nach Aussage der Opposition, zwei Abkommen welche die kosovarische Regierung mit den Nachbarländern Montenegro und Serbien geschlossen hat (GIZ 3.2020a). Von ebenso großer Relevanz ist das Abkommen mit Serbien, welches die Bildung einer Gemeinschaft (serb. zajednica) der serbischen Gemeinden im Kosovo regelt, womit eine Übertragung bestimmter Kompetenzen an die Gemeinschaft verbunden ist. Vetevendosje! fordert von der Regierung eine Annullierung dieses Abkommens. Bei Protesten, an denen sich auch Teile der Zivilgesellschaft beteiligten, versammelten sich schätzungsweise bis zu 40.000 Kosovaren, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein Großteil der Proteste verlief friedlich (GIZ 3.2020a).
Im Jänner 2018 wurde der prominente kosovo-serbische Politiker Oliver Ivanovi? bei einem Attentat in Nord-Mitrovica erschossen. Die Hintergründe des Mordes sind bis dato nicht aufgeklärt. Die von der EU vermittelten Normalisierungsgespräche zwischen Vertretern der kosovarischen und serbischen Regierung wurden vorübergehend ausgesetzt. Ivanovi? galt als einer der wichtigsten Politiker in Kosovo, der sich um den Ausgleich zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern bemühte (GIZ 3.2020a; vgl. SZ 16.1.2018).
Haftbedingungen
Die Situation in kosovarischen Haftanstalten ist unzureichend und trotz Verbesserungen (insbesondere in Hinblick auf schwere Menschenrechtsverletzungen) werden internationale Standards verfehlt (GIZ 3.2020a).
Probleme stellen insbesondere Gewalt zwischen den Häftlingen, Korruption, Kontakt mit radikalen religiösen oder politischen Ansichten sowie eine unterdurchschnittliche medizinische Versorgung dar. In einigen Teilen des überfüllten Gefängnisses von Dubrava sind die physischen Bedingungen nach wie vor minderwertig. Im Laufe des Jahres 2019 gingen beim KRCT („Kosovo Rehabilitation Center for Torture Victims“) Beschwerden von Häftlingen ein, die behaupteten, Opfer von Belästigung bzw. körperlicher Misshandlung durch Vollzugsbeamte geworden zu sein, vor allem in den Gefängnissen von Dubrava und Lipjan/Lipljan. Auch haben sich mehrere Häftlinge Verletzungen zugefügt, um auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen (USDOS 11.3.2020).
Aufgrund mangelhafter Ausbildung und unzureichender Personalausstattung üben die Behörden nicht immer die Kontrolle über Einrichtungen oder Häftlinge aus. Ungefähr 30% der Insassen kommen mit einer Drogenabhängigkeit ins Gefängnis. Es gab keine Drogenbehandlungsprogramme innerhalb des Strafvollzugssystems, und das KRCT berichtet, dass regelmäßig illegale Drogen in die Einrichtungen geschmuggelt werden. Das KRCT dokumentierte Verzögerungen und Fehler bei der medizinischen Versorgung der Gefangenen sowie einen Mangel an spezialisierter Behandlung. Häufig sehen sich Gefangene gezwungen, benötigte Medikamente aus privaten Quellen zu beschaffen. Das KRCT beobachtete Lücken im Gesundheitsversorgungssystem des Gefängnisses in der Einrichtung in Dubrava und berichtet über eine unzureichende Zahl von psychiatrischen Fachkräften. Anwälte beschuldigen die Regierung, regelmäßig Untersuchungshäftlinge mit diagnostizierter geistiger Behinderung zusammen mit anderen Untersuchungshäftlingen unterzubringen. Die Untersuchungshäftlinge werden getrennt von den verurteilten Häftlingen untergebracht. Das Gesetz schreibt jedoch vor, dass verurteilte Kriminelle mit nachgewiesenen psychischen Problemen in Einrichtungen für psychische Gesundheitsfürsorge inhaftiert werden müssen. Aufgrund der Überbelegung solcher Einrichtungen ist dies oftmals nicht möglich. Betroffene erhalten Medikamente und können regelmäßige Konsultationen bei einem Psychiater wahrnehmen, bekommen aber darüber hinaus keinerlei Unterstützung und Behandlung (USDOS 11.3.2020).
Die Behörden führen nicht immer ordnungsgemäße Untersuchungen von Misshandlungsvorwürfen durch. Außerdem funktioniert der gesetzlich vorgeschriebene interne Beschwerdemechanismus nicht, da die Häftlinge Misshandlungen oft aus Mangel an Vertraulichkeit und aus Angst vor Vergeltung nicht melden. Das KRCT stellt auch fest, dass die Behörden keine schriftlichen Entscheidungen zur Rechtfertigung der Einzelhaft vorlegen. Die Regierung gestattet Besuche unabhängiger Menschenrechtsbeobachter, aber nur die nationale Institution der Ombudsperson und EULEX hatten das ganze Jahr über kontinuierlichen und ungehinderten Zugang zu den Haftanstalten. Das KRCT und das Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte und Freiheiten sind verpflichtet, Besuche 24 Stunden im Voraus anzukündigen. Zu den Verbesserungen, die 2019 vorgenommen wurden, gehören die Einstellung von 120 neuen Vollzugsbeamten, die teilweise Eröffnung des neuen Haftzentrums in Pristina, die Durchführung eines Pilotprogramms für Bewertungs- und Klassifizierungseinheiten und ein Verfahren, das es einigen Häftlingen ermöglicht, über Skype mit ihren Familien zu kommunizieren (USDOS 11.3.2020).
Die Lebensbedingungen in den Gefängnissen gelten insgesamt als sehr schlecht. Der Informationsgrad unter Häftlingen über deren Rechte ist gering (GIZ 3.2020a).
Todesstrafe
Die Todesstrafe ist im Kosovo seit 2002 gesetzlich verboten (AI o.D.).
Das Verbot der Anwendung der Todesstrafe ist in der Verfassung verankert (AA 21.3.2019).
Religionsfreiheit
Die Republik Kosovo ist gemäß Verfassung ein säkularer Staat (AA 21.3.2019; vgl. GIZ 3.2020b) und verhält sich in religiösen Angelegenheiten neutral. Religionsfreiheit wird nach Art. 38 der Verfassung garantiert. Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nicht bekannt. Weder Apostasie oder Konversion noch Mission stehen unter Strafe (AA 21.3.2019). Weiters verbietet die Verfassung jegliche Diskriminierung aufgrund der Religion (USDOS 21.6.2019).
Das Gesetz erlaubt es religiösen Gruppen nicht, sich als juristische Personen registrieren zu lassen, was ihnen bei der Führung ihrer Geschäfte Steine in den Weg legt. Während religiöse Gruppen angeben, dass sie im Allgemeinen kooperative Beziehungen zu den Kommunalverwaltungen unterhalten, erklären einige Gruppen, dass die Kommunalverwaltungen religiöse Organisationen in Eigentumsfragen, einschließlich Baugenehmigungen, nicht gleich behandeln. Vertreter der Serbisch-Orthodoxen Kirche (SOC) sagten, die Regierung habe deren Eigentumsrechte verletzt, unter anderem durch die Weigerung, Gerichtsentscheidungen zugunsten der SOC umzusetzen oder Bautätigkeiten in besonderen Schutzzonen auszusetzen (USDOS 21.6.2019).
Religiöse Gruppen
Über 95% der kosovarischen Bevölkerung (Albaner, Gorani, Türken, Bosniaken sowie ein Teil der Roma, Ägypter und Ashkali) bekennen sich zum islamischen Glauben (GIZ 3.2020b), wobei die Mehrheit der Muslime der hanafi-sunnitischen Schule angehört. Auch Derwisch-Orden wie eine Sufi-Tarikat- und eine Sufi-Bektashi-Gemeinschaft bestehen, jeweils mit einer geringen Zahl an Anhängern (USDOS 21.6.2019). Schätzungsweise etwa 2% der albanischen Kosovaren bekennen sich zum römisch-katholischen Glauben. Die katholische Gemeinde erfährt in jüngster Zeit zunehmende Popularität und konzentriert sich auf die größeren Städte Djakova, Peja und Prizren, laut USDOS auch auf Janjevo, Klina und Pristina. Die serbische Bevölkerung gehört in der überwiegenden Mehrzahl der Serbisch-Orthodoxen Kirche an (ca. 100.000 Mitglieder). Es gibt kleine jüdische Gemeinden in Prizren und Pristina. Die Anzahl von Personen jüdischen Glaubens beläuft sich auf weniger als 100 Personen (GIZ 3.2020b; AA 21.3.2019; vgl. USDOS 21.6.2019). Die evangelisch-protestantische Bevölkerung ist über das ganze Land verteilt und konzentriert sich in Pristina und Gjakove/Djakovica (USDOS 21.6.2019).
Allenthalben kam es in den vergangenen Jahren zu religiös motivierten Konflikten. Polizeiberichten zufolge griffen Demonstranten serbisch-orthodoxe Pilger an und verhinderten die Abhaltung von Gottesdiensten in Gjakove/Djakovica und Istog/Istok. Auch protestierten ethnische Albaner vor der örtlichen serbisch-orthodoxen Kirche in Gjakove/Djakovica gegen geplante Pilgerfahrten (USDOS 21.6.2019).
Radikaler Islamismus
Nur wenige Muslime praktizieren ihren Glauben, sondern befolgen nur einige Aspekte (z.B. religiöse Feste) und dies häufig auch nicht sehr streng (AA 21.3.2019).
Nur eine sehr kleine Minderheit folgt einem radikalen, fundamentalistischen oder gewaltbereiten Islam und Tendenzen eines sich radikalisierenden Islam, wie aus Bosnien-Herzegowina bekannt, sind bislang eher ein überschaubares Phänomen (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). Allerdings richtet der sogenannte Islamische Staat (IS) seine Rekrutierungsversuche unter anderem direkt an Muslime in der Region. Die Bekämpfung von (religiösem) Extremismus ist zu einer der Prioritäten der Regierung Kosovos geworden (GIZ 3.2020b). Dem deutschen Auswärtigen Amt liegen keine Hinweise auf versuchte Zwangsrekrutierungen und Repressionen durch den „Islamischen Staat“ vor (AA 21.3.2019).
Der Kosovo hat seine Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus weiter verstärkt, unter anderem durch die Anwendung von Maßnahmen zur Unterbindung von gewaltbereitem Extremismus. Seit dem Jahr 2016 gibt es keine Berichte mehr über neue Fälle von kosovarischen Bürgern, die als Kämpfer in die Konflikte in Syrien und Irak als ausländische terroristische Kämpfer reisen. Von 2012 bis heute sind schätzungsweise 355 kosovarische Bürger in die Konfliktzone im Nahen Osten gezogen, größtenteils als ausländische terroristische Kämpfer (EC 29.5.2019).
Die kosovarischen Exekutiv- und Justizbehörden reagieren konsequent auf den Terrorismus. Die Polizei hat eine beträchtliche Anzahl von Personen, die seit dem Jahr 2012 terroristischen Gruppen beigetreten sind, verhaftet. Eine bedeutende Anzahl dieser Fälle endete mit Verurteilungen. Der Kampf gegen Geldwäsche und die Finanzierung von