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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1995, Zl. 303.208/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) "sowie" § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.
Die belangte Behörde ging dabei davon aus, daß die Beschwerdeführerin die Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater anstrebe und sich zu privaten Zwecken in Österreich aufhalten wolle. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin gehe hervor, daß deren Unterhalt allein durch das Einkommen ihres Vaters bestritten werden solle; eine solche Finanzierung des Aufenthaltes sei aber nicht geeignet, die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten. Überdies sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu versagen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 des FrG vorliege. Bei der Beschwerdeführerin sei sowohl der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG als auch der des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegeben. Sie verfüge nämlich nicht über ausreichende eigene Mittel zu ihrem Unterhalt und auch nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz. Weiters sei davon auszugehen, daß sie seit dem 10. Jänner 1995 in Österreich aufrecht polizeilich gemeldet sei. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin habe sie ihr Vater, um sie vor den Gefahren des Krieges zu retten, nach Österreich holen lassen. Daraus ergebe sich, daß sie sich "nach wie vor" in Österreich ohne im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung zu sein, aufhalte, zumal die Beschwerdeführerin auch keine Aufenthaltsberechtigung nach § 12 AufG habe vorweisen können. Durch ihren illegalen Aufenthalt in Österreich zeige die Beschwerdeführerin, daß sie nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung, insbesondere in einem Bereich, der für den geordneten Ablauf eines geregelten Fremdenwesens vorgesehen sei, zu respektieren. Diese Tatsache stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, zumal das Verhalten der Beschwerdeführerin auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könne.
Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 4 Abs. 1 AufG ist im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht erwähnt. Im Hinblick darauf und nach dem Aufbau der Begründung des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde keine eigenständige Ermessensentscheidung getroffen, sondern sich ausschließlich auf § 5 Abs. 1 AufG (in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 2 und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG) gestützt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 95/19/1544).
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem am 31. Jänner 1995 bei der Behörde erster Instanz eingelangten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung die Frage nach einer aufrechten polizeilichen Meldung in Österreich bejaht. Sie hat weiters als Aufenthaltszweck die Familienzusammenführung mit ihrem Vater angegeben und die Frage nach besonders zu berücksichtigenden Gründen für die Familienzusammenführung mit dem Hinweis auf die Kriegslage im Gebiet um Bihac - die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und hatte als solche ihren Wohnsitz in Bihac - beantwortet. Hinsichtlich der in Österreich verfügbaren Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer des Aufenthaltes verwies sie auf einen monatlichen Lohn in der Höhe von S 18.000,-- und gab bei der Frage nach den Daten einer in Österreich alle Risken abdeckenden Krankenversicherung für die Dauer des Aufenthaltes eine Sozialversicherungsnummer des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger an. Dem Antrag beigeschlossen war u.a. eine "Verpflichtungserklärung" des Vaters der Beschwerdeführerin, mit der er erklärte, für den Unterhalt und die Unterkunft der Beschwerdeführerin aufzukommen; er verpflichtete sich danach weiters, der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern, alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstünden, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung, zu bezahlen. Die Echtheit der Unterschrift des Vaters der Beschwerdeführerin ist notariell beglaubigt. Nach den mitvorgelegten Urkunden verfügt der Vater der Beschwerdeführerin über einen unbefristeten Wiedereinreisesichtvermerk für das Gebiet der Republik Österreich, ausgestellt am 25. Mai 1993. Nach der gleichfalls mit dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vorgelegten Lohnbestätigung des Vaters der Beschwerdeführerin bezieht dieser einen monatlichen Nettolohn in der Höhe von S 18.138,--.
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
Nach § 10 Abs. 1 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn (Z. 2) der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt, bzw. (Z. 4) der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Gemäß § 10 Abs. 3 FrG kann die Behörde einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes (u.a.) gemäß Abs. 1 Z. 2 leg. cit. einen Sichtvermerk in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen (Z. 1) oder dann erteilen, wenn (Z. 2) auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint.
§ 1 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995, über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina gewährt ein Aufenthaltsrecht für nach dem 1. Juli 1993 eingereiste und einreisende Personen (Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten und anderweitig keinen Schutz fanden), sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.
Die belangte Behörde hat nicht dargelegt, warum die Finanzierung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin durch ihren Vater nicht geeignet erscheint, die dauernde Sicherung ihres Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten. Die belangte Behörde hat die vorgelegte "Verpflichtungserklärung" nicht als unzureichend angesehen, sie hat auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des sich Verpflichtenden nicht als unzureichend beurteilt. Welche Erwägungen der von der belangten Behörde aufgestellten These zugrundeliegen, kann der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnommen werden. Da es sich bei der von der belangten Behörde aufgestellten These jedoch keineswegs um eine offenkundige Tatsache handelt, hindert das Fehlen der Bekanntgabe der maßgebenden Erwägungen die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit. Dies gilt in gleicher Weise für die Annahme fehlender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG wie für die Annahme des Vorliegens des Versagungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 95/19/1544). Die belangte Behörde hat auch nicht dargelegt, warum sie trotz Angabe einer Sozialversicherungsnummer von keinem Krankenversicherungsschutz der Beschwerdeführerin ausging.
Der belangten Behörde fällt somit insoweit ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 in Verbindung mit § 67 AVG zur Last.
Der bekämpfte Bescheid war jedoch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aus einem anderen Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde ist im Zusammenhang mit dem Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG) davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigung nach § 12 AufG nicht habe vorweisen können. Das dem in § 2 der oben angeführten Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina (diese hatte die belangte Behörde entsprechend dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwenden), umschriebenen Personenkreis zustehende vorläufige Aufenthaltsrecht beruht - OHNE DAß ES EINES RECHTSGESTALTENDEN BEHÖRDENAKTES BEDÜRFTE - unmittelbar auf dieser Verordnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1246). Die allfällige Ersichtlichmachung eines derartigen Aufenthaltsrechtes etwa im Reisepaß hat nur deklarative Wirkung. Die belangte Behörde hätte sich daher mit der Frage, ob die Beschwerdeführerin über ein Aufenthaltsrecht im dargelegten Sinne verfügt, auseinandersetzen und diesbezüglich Feststellungen treffen müssen. Daß sie dies unterlassen hat und zum Ergebnis gelangt ist, die Beschwerdeführerin halte sich in Österreich auf, ohne im Besitz irgendeiner Aufenthaltsberechtigung zu sein, "zumal" sie "auch keine Aufenthaltsberechtigung nach § 12 AufG VORWEISEN" habe können, beruht offenbar auf einem Rechtsirrtum. Für den Fall aber, daß der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigung im Sinne der zitierten Verordnung zukäme, hätte sie sich nicht illegal im Inland aufgehalten.
Auch auf die Frage, ob die belangte Behörde eine ausreichende Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 MRK vorgenommen hat, war nicht mehr näher einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des insgesamt begehrten Kostenersatzes - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191819.X00Im RIS seit
02.05.2001