TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/3 W254 2216642-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2021
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Entscheidungsdatum

03.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W254 2216642-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2019, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 30.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, sie gehöre der Volksguppe der Kurden an, habe in Iran als Lehrer gearbeitet und ihre Exfrau habe öffentlich bekannt gegeben, dass sie ungläubig sei. Seitdem fürchte die beschwerdeführende Partei den Geheimdienst und die religiösen Gelehrten, welche ausgesprochen haben, dass der beschwerdeführenden Partei der Tod drohe. Vor dem Bundesamt legte die beschwerdeführende Partei Identitätsdokumente und Dokumente betreffend ihre Einstellung zum Islam und ihre Integration in Österreich vor.

Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der gegenständliche Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass deren Abschiebung nach Iran zulässig sei sowie eine 14-tägige Frist für deren freiwillige Ausreise bestimmt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Bedrohung festgestellt worden sei und die beschwerdeführende Partei habe keine asylrelevanten Probleme aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit. Der vorgebrachte Sachverhalt bezüglich der kritischen Betrachtung des Glaubens und die daraus resultierenden Folgen waren nicht glaubhaft.

Der Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 11.02.2019 zugestellt.

Mit am 07.03.2019 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den Bescheid in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei kein streng gläubiger Muslim sei und im Fokus des Geheimdienstes stehe. Nach der Scheidung habe ein Iman ausgesprochen, dass der beschwerdeführenden Partei der Tod drohe und sei im Zuge der Vorwürfe der Exfrau auch für sechs Monate von ihrer Arbeit beurlaubt worden. Zudem drohe der beschwerdeführenden Partei Verfolgung aufgrund ihrer islamkritischen Einstellung. Die beschwerdeführende Partei stellte den Antrag ihren Namen zu ändern.

Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt am 28.03.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und – nach einer entsprechenden Abnahme – am 18.10.2019 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.

Mit Schreiben vom 20.05.2020 (OZ 11) wurde die beschwerdeführende Partei sowie die belangte Behörde erneut (die zuletzt geplante Verhandlung musste aufgrund COVID-19 abberaumt werden) zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.08.2020 geladen.

Am 20.08.2020 wurde ein Empfehlungsschreiben von Frau XXXX vom 17.08.2020 in Vorlage gebracht (OZ 13).

Die belangte Behörde teilte am 22.07.2020 ihre voraussichtliche Teilnahme an der mündlichen Verhandlung mit (OZ 12).

Mit Schreiben vom 24.08.2020 (OZ 14) wurden in Bezug auf die anberaumte Verhandlung verschiedene Integrationsdokumente und eine psychotherapeutische Stellungnahme übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.08.2020 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die beschwerdeführende Partei sowie dessen Rechtsvertretung und ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Darin wurde die beschwerdeführende Partei ausführlich zu ihren Fluchtgründen sowie den „Postings“ auf Facebook und Instagram, den persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und der aktuellen Situation in Österreich befragt. Es wurde festgehalten, dass die beschwerdeführende Partei nunmehr als XXXX geführt wird. Die beschwerdeführende Partei legte einen Auszug von ihrem Instagram Account (Beilage./A) und einen berichtigten Lebenslauf (Beilage./B) vor, die zum Akt genommen wurden.

Die erkennende Richterin brachte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 19.06.2020 (Beilage ./I) und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Iran, Meldung von Religionsaustritten, Social Media vom 14.06.2018 (Beilage ./II) ein. Eine Kopie der Beilage ./II wurde den Parteien ausgehändigt und die Möglichkeit gegeben in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie zu den von der erkennenden Richterin dargelegten Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben.

Am 26.02.2021 langte ein Empfehlungsschreiben von XXXX und XXXX für die beschwerdeführende Partei beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist.

Die beschwerdeführende Partei gehört der Volksgruppe der Kurden an, spricht Kurdisch (Muttersprache), Farsi und Englisch, besuchte 12 Jahre die Schule, studierte sechs Jahre an der Universität, arbeitete danach als Lehrer, ist geschieden und hat keine Kinder oder andere Sorgepflichten.

Die beschwerdeführende Partei ist rechtswidrig nach Österreich eingereist und hat – von ihrem asylrechtlichen Status abgesehen – kein Aufenthaltsrecht in Österreich, ihr kam ein solches Aufenthaltsrecht niemals zu.

Die beschwerdeführende Partei ist bis auf eine psychotherapeutische Therapie aufgrund von Alpträumen gesund und arbeitsfähig.

1.2. Die beschwerdeführende Partei hat Iran legal mit einem Schengenvisum verlassen. Sie stammt aus Kamyaran-Stadt, hat aber die letzten Jahre (seit 2013) vor der Flucht in Sanandaj gelebt, gewohnt und ist zur Arbeit nach Kamyaran gependelt. Die beschwerdeführende Partei verfügt über Familienangehörige (Eltern, Geschwistern) in Iran, zu denen sie auch Kontakt hat.

Kamyaran und Sanandaj liegen in der Provinz Kurdistan, werden von den iranischen Behörden kontrolliert und es liegen dort keine kriegs- oder bürgerkriegsähnliche Zustände vor. Im Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei ist die Grundversorgung gesichert.

Der beschwerdeführenden Partei droht wegen der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine behördliche Verfolgung.

1.3. Die beschwerdeführende Partei hat am 30.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit im Spruch bezeichneten Bescheid hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Genannten in den Iran zulässig sei. Schließlich wurde über die Frist für die freiwillige Ausreise entschieden. Der Bescheid wurde am 11.02.2019 zugestellt.

Dagegen richtet sich die am 07.03.2019 bei der Behörde eingebrachte Beschwerde.

1.4. Die beschwerdeführende Partei hat einerseits angegeben, in Iran wegen ihrer liberalen Auffassung des Islam Probleme mit der Ex-Frau und ihrer Familie bekommen zu haben und andererseits in Österreich politisch-kritische Inhalte in den sozialen Medien zu posten, was in Iran zu einer Verfolgung führen würde. Eine weitere Verfolgung wurde nicht vorgebracht.

Die beschwerdeführende Partei ist sunnitischer Muslim mit einer eigenen liberalen Auslegung und stammt aus einer nicht streng religiösen Familie. Die beschwerdeführende Partei hat aufgrund ihrer liberalen Auffassung des Islam und kaum praktizierenden muslimischen Riten keine Probleme bekommen und es ist aus diesem Grund auch zu keinen Bedrohungsvorfällen gekommen. Sie tritt nicht spezifisch gegen den Islam oder Religion generell auf und hat keine Verhaltensweisen verinnerlicht, die bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würden.

Die beschwerdeführende Partei hat einen öffentlichen Faceboot-Account, lautend auf XXXX und einen nicht öffentlichen Instagram-Account. Sie hat Berichte bzw. Beiträge über Menschenrechtsverletzungen, Anschläge oder politische Gefangene in Iran gepostet, wobei die beschwerdeführende Partei Ende 2018 begonnen hat kritische Inhalte zu posten und der letzte Post vom 08.07.2020 über Gewalt an Frauen stammt. Am 09.12.2019 findet sich ein Beitrag des Tagesspiegels mit dem Titel „Der Iran ist einer der schlimmsten Unterdrückerstaaten weltweit“ oder auch eine Karikatur mit dem Vergleich eines politischen Gefangenen und dem berühmten Magritte Bild, auf dem eine Pfeife und darunter der Text auf Französisch „Das ist keine Pfeife“ zu sehen ist. Die beschwerdeführende Partei hat über 400 Facebook-Freunde mit hauptsächlich iranischen Namen.

In ihrem Instagram Account postet sie Fotos und „Storys“ zB von Ermordungen des Regimes. Ein Instagram Follower der beschwerdeführenden Partei ist ein Parlamentarier namens Dr. XXXX . Die Posts wurden großteils von Personen, die außerhalb Iran leben, „geliked“. Diese Beiträge hat die beschwerdeführende Partei nur gepostet, um ihre Erfolgsaussichten im Asylverfahren zu erhöhen und wurden diese Beträge nicht aus einer ernstlichen regimekritischen Einstellung und ein Umdenken der iranischen Bevölkerung fördern zu wollen, gepostet.

Die beschwerdeführende Partei ist in Iran vor ihrer Ausreise politisch und religiös – bis auf die behaupteten Probleme mit der Ex-Frau – unauffällig gewesen und war kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Organisation; es ist kein Grund zu erkennen, dass die iranischen Sicherheitsbehörden die Accounts der beschwerdeführenden Partei in sozialen Medien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit überwacht haben oder es beabsichtigen zu tun, auch wenn dies (zwar unwahrscheinlich aber) möglich ist. Die exilpolitischen Aktivitäten der beschwerdeführenden Partei bewegen sich insgesamt noch auf einem niedrigen oppositionellen Niveau. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei durch die iranischen Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthafter Regimegegner, welcher auf die Verhältnisse in Iran einzuwirken vermag, identifiziert und qualifiziert worden ist und dass zum anderen wegen der von ihr ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht.

Über das oben festgestellte Vorbringen hinaus hat die beschwerdeführende Partei eine erfolgte oder im Falle der Rückkehr drohende Verfolgung nicht vorgebracht, auch ist nicht zu erkennen, dass dieser im Falle der Rückkehr eine nicht vorgebrachte Verfolgung, insbesondere etwa wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, drohen würde.

1.5. Die beschwerdeführende Partei verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich und lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Seit Februar 2021 wohnt die beschwerdeführende Partei bei Familie XXXX und nimmt an ihrem Alltag teil, hilft bei der Hausarbeit und ist in deren Freizeitleben eingebunden. Die beschwerdeführende Partei hat angegeben, in Österreich viele Freunde zu haben. Die beschwerdeführende Partei wird von ihrer besten Freundin als interessiert, mutig, hilfsbereit, engagiert und großherzig beschrieben. Diese sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, zu dem die Beteiligten um den prekären aufenthaltsrechtlichen Status der beschwerdeführenden Partei wussten.

Die beschwerdeführende Partei spricht sehr gut Deutsch (absolvierte zuletzt einen B2 Kurs), sie hat in Österreich, von freiwilligen Hilfsdiensten abgesehen, nicht gearbeitet und bezieht hier – von der Grundversorgung ausgenommen – kein Einkommen.

Die beschwerdeführende Partei besuchte verschiedene Integrationskurse und ein Sprachcafé, nahm an einer Bildungsberatung teil und absolvierte erste Lehrveranstaltungen an der Universität Salzburg. Ihr zukünftiges Berufsziel ist wieder als Lehrer zu arbeiten.

1.6. Situation im Herkunftsstaat:

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB) und der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Iran, Meldung von Religionsaustritten, Social Media vom 14.06.2018 ergibt sich wie folgt:

Zur Lage in Iran wird festgestellt, dass Iran eine islamische Republik ist, deren Verfassung islamische und demokratische Elemente kennt, eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht aber nicht (LIB, Kapitel 3).

1.3.1. Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken (LIB, Kapitel 2).

Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (LIB, Kapitel 2).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (LIB, Kapitel 2).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen. In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (LIB, Kapitel 2).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region. Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (LIB, Kapitel 2).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen. Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (LIB, Kapitel 2).

1.3.2. Justizwesen und Sicherheitsbehörden

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (LIB, Kapitel 3).

Die Justiz untersteht in Einzelfällen massivem Einfluss der Sicherheitsbehörden, Gerichtsverfahren erfüllen internationale Standards nicht. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung und werden nach wie vor Körperstrafen, grausame und unmenschliche Strafen (zB Peitschenhiebe, Amputationen) und die Todesstrafe angewandt (LIB, Kapitel 3).

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert. Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (LIB, Kapitel 4).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (LIB, Kapitel 4).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (LIB, Kapitel 4).

1.3.3. Ethnische Minderheiten

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (LIB, Kapitel 15).

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt. Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden. Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren und Gefängnisstrafen. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (LIB, Kapitel 15).

Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so gibt es eine kurdischstämmige Vize-Innenministerin). Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan. In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird. Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein. Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden. Zahlreiche Kurden wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten (LIB, Kapitel 15.1).

Die kurdische Region des Iran ist militarisiert und die iranische Regierung überwacht die kurdische Bevölkerung durch regelmäßige Checkpoints ebenso wie durch die Nutzung von Telekommunikation und sozialen Medien. Die iranische Regierung sieht jede Art von politischem oder zivilem Aktivismus als potenzielle Bedrohung an, insofern können sowohl politische als auch zivilgesellschaftliche Aktivisten von Verfolgung bedroht sein. Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht und einige Mitglieder der lokalen Bevölkerung arbeiten als Informanten für die iranischen Behörden. Die militärische und geheimdienstliche Präsenz ist nicht immer sichtbar. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (LIB, Kapitel 15.1).

Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet. Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“, Schwesterorganisation der PKK in Iran), der kommunistischen Komala-Partei, oder der KDP-Iran – und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Derzeit sollen etwa 100 Kurden auf ihre Hinrichtung warten. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind. Im ersten Halbjahr 2019 wurden 651 Personen wegen Drogenschmuggel und –konsum verhaftet. KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (LIB, Kapitel 15.1).

1.3.4. Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (LIB, Kapitel 14).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament. Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten. Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden und ihre politische Vertretung bleibt schwach (LIB, Kapitel 14).

Apostasie ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (LIB, Kapitel 14).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (LIB, Kapitel 14).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (LIB, Kapitel 14).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (LIB, Kapitel 14).

1.3.5. Social Media:

Der VA der ÖB gibt dazu an, dass das Hauptziel der iranischen Cyberspace-Polizei (FATA) und anderer staatlicher Geheimdienste darin besteht, offene Bedrohungen politischer Natur (wie Z.B. frontale Opposition, Anstiftung zu Gewalt und Aktionen jeglicher Art) gegen das Establishment zu überwachen. Sofern der Kontoinhaber in solchen Medien kein „hochkarätiger Fisch“ oder anderweitig auf dem „Radarschirm der iranischen Polizei“ steht, machen sie sich nicht einmal die Mühe zu überprüfen, was gesagt oder ausgetauscht wird. Darüber hinaus kann die bloße Zurschaustellung eines Getränks oder einer Frau ohne Schal, selbst bei aller Phantasie, nicht unter den extraterritorialen Aspekt (§ 5 des islamischen Strafgesetzbuches) fallen, der eine strafrechtliche Verfolgung rechtfertigen würde, wenn der Täter in Iran gefunden wird (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Iran, Meldung von Religionsaustritten, Social Media, Seite 2).

1.3.6. Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert. Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (LIB, Kapitel 19).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (LIB, Kapitel 19.1).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (LIB, Kapitel 19.1).

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen (LIB, Kapitel 20).

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch. Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (LIB, Kapitel 20).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (LIB, Kapitel 20).

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet (LIB, Kapitel 20).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (LIB, Kapitel 21).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (LIB, Kapitel 21).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (LIB, Kapitel 21).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (LIB, Kapitel 21).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein. Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (LIB, Kapitel 21).

1.3.6. Zu COVID-19: WHO Coronavirus disease (COVID-19) Weekly Epidemiological Update and Weekly Operational Update - Wöchentliches epidemiologisches und operationelles Update vom 10.11.2020, Seite 6: (https://www.who.int/publications/m/item/weekly-epidemiological-update---10-november-2020; https://app.powerbi.com/view?r=eyJrIjoiN2ExNWI3ZGQtZDk3My00YzE2LWFjYmQtNGMwZjk0OWQ1MjFhIiwidCI6ImY2MTBjMGI3LWJkMjQtNGIzOS04MTBiLTNkYzI4MGFmYjU5MCIsImMiOjh9; letzter Zugriff am 16.11.2020)

Im östlichen Mittelmeerraum stieg die wöchentliche Zahl der neuen Fälle im Vergleich zur Vorwoche um 18%, so dass sich die kumulierte Zahl der Fälle auf über 3,3 Millionen erhöhte. In der vergangenen Woche stieg die Zahl der neuen Todesfälle in der Region um 23%, so dass die kumulative Zahl der Todesfälle auf über 84 000 gestiegen ist. Die Islamische Republik Iran, Marokko, Jordanien, Irak und Libanon meldeten die höchste Zahl neuer Fälle in den letzten sieben Tagen.

Mit Stand vom 16.11.2020 registrierte die WHO in Iran insgesamt ca. 762.000 COVID-19 Fälle, davon sind 41. 500 Todesfälle und zu diesem Stichtag wurden 12.500 Neuinfektionen gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Beweiswürdigung stützt sich auf die Aussagen der beschwerdeführenden Partei vor der Polizei (siehe Niederschrift der Erstbefragung vom 30.10.2017), dem Bundesamt (siehe Niederschrift der Einvernahme vom 29.08.2018 samt Beilagen) und dem Bundesverwaltungsgericht (siehe Niederschrift der Verhandlung vom 25.08.2020 samt Beilagen), auf die Beschwerde vom 07.03.2019 samt beiliegender Vollmacht und die von der beschwerdeführenden Partei abgegebene Urkundenvorlagen vom 24.08.2020 (OZ 14) sowie auf die in der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichte, welche im Verfahrensgang beschrieben sind und auf folgende Beweismittel:

?        iranische Identitätsdokumente (Personenstandsdokument, Personalausweis, Führerschein, Wehrdienstnachweis, Studentenausweis und Lehrerausweis)

?        Schriftstück Überlegungen „Alkohol und Islam“

?        Schriftstück „Gedanken zur Problematik des religiösen Extremismus“

?        diverse Deutschkursbestätigungen und Deutschzertifikate (A2)

?        Teilnahmebestätigungen v. öh MORE

?        Schreiben des Magistrats der Stadt Salzburg vom 14.08.2020

?        Schreiben des Diakoniewerks vom 05.2020

?        Kursbestätigung der Universität Salzburg vom 31.01.2020 und vom 29.06.2020, Anmeldebestätigung der Universität Salzburg vom 20.01.2020 und Teilnahmebestätigung der ÖH der Universität Salzburg vom 12.08.2020

?        ÖIF Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 21.02.2019

?        Kursbestätigung der Volkshochschule Salzburg (Interkulturalität in Alltag und Beruf) vom 30.07.2019

?        Teilnahmebestätigung der BiBer Bildungsberatung vom 16.04.2019

?        Psychotherapeutische Stellungnahme vom 01.07.2020

?        Empfehlungsschreiben von Frau XXXX vom 17.08.2020 und Empfehlungsschreiben von Familie XXXX vom 23.02.2021 und

?        Einsichten in den Datenbanken (Zentrales Melderegister, Grundversorgungs-Informationssystem und Strafregisterauskunft).

2.2. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage und der vorgelegten iranischen Identitätsdokumente der beschwerdeführenden Partei (Personenstandsdokument, Personalausweis, Führerschein, Wehrdienstnachweis, Studentenausweis und Lehrerausweis) sowie aus der Einsicht in das österreichische Strafregister.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die beschwerdeführende Partei – betreffend weitere Personenmerkmale (ethnische Zugehörigkeit, Sprachkenntnisse, Bildung, Beruf, Familienstand und Familienangehörige) für persönlich glaubwürdig, weil sie im behördlichen und gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Zusätzlich legte die beschwerdeführende Partei diverse iranische Zeugnisse, einen Lehrerausweis und ihr Personenstandsdokument als Beleg für ihre Ausbildung, Berufstätigkeit und Scheidung vor.

Die Feststellungen zur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus ihrer Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht, gesund zu sein (Verhandlungsprotokoll, Seite 9); aus diesem Umstand, ihrem Alter und da nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde oder hervorgekommen ist, ist auf die Arbeitsfähigkeit der beschwerdeführenden Partei zu schließen. Betreffend die psychotherapeutische Therapie wurde ein medizinisches Schriftstück (Psychotherapeutische Stellungnahme vom 01.07.2020) vorgelegt, dass die beschwerdeführende Person an einer posttraumatischen Störung leidet, aber auf Nachfrage berichtete sie, es gehe ihr gut, sie habe keine Panikattacken mehr und nehme auch keine Medikamente (Verhandlungsprotokoll, Seite 9 und 34).

2.3. Die Feststellungen zu 1.2 ergeben sich betreffend die legale Ausreise mit einem Visum aus der Aktenlage und den diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben der beschwerdeführenden Partei.

Hinsichtlich des Herkunftsgebietes sowie die Verlegung des Wohnsitzes nach Sanandaj im Jahr 2013 ist auf die diesbezüglich gleichbleibenden und unwidersprochenen Angaben der beschwerdeführenden Partei im behördlichen und gerichtlichen Verfahren zu verweisen. Die festgestellte Sicherheitslage basiert auf das Länderinformationsblatt; dieses führt hinsichtlich der Sicherheitslage zusammengefasst aus, dass, auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden könne, latente Spannungen im Land bestehen würden, insbesondere in der Herkunftsprovinz Kurdistan verzeichnen die Länderberichte ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Die sicherheitsgefährdenden Anschläge richten sich laut den Länderinformationen gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus, weil dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das in das Verfahren eingeführt wurde, diesbezüglich nicht entgegengetreten worden ist, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Sicherheitslage in der Provinz Kurdistan (ebenso in Sistan-Belutschistan und West-Aserbaidschan) zum Teil unstabil, aber nicht kriegs- oder bürgerkriegsähnlich ist.

Auch ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, dass in Iran die Grundversorgung gesichert ist.

Betreffend die Feststellung der beschwerdeführenden Partei drohe wegen der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit behördliche Verfolgung, ist ebenfalls auf das Länderinformationsblatt zu verweisen; dieses führt hinsichtlich der Rückkehr nach Iran – soweit entscheidungsrelevant – aus, dass allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt habe, bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen auslöse. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem könne es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher sei kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Zum Thema Rückkehrer gebe es kein systematisches Monitoring das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen habe im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden können, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hätten. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbieten würde, unternehme ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr.

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein. Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab.

Da dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das in das Verfahren eingeführt wurde, diesbezüglich nicht entgegengetreten worden ist, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass im gegenständlichen Fall kein reales Risiko von über ein Verhör hinausgehenden Repressionen im Falle der Rückkehr besteht. Dies gründet auch auf die Feststellung, dass sich die exilpolitischen Aktivitäten der beschwerdeführenden Partei insgesamt noch auf einem niedrigen oppositionellen Niveau bewegen und eine bisherige oder zukünftige Überwachung der Accounts der beschwerdeführenden Partei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Siehe dazu auch die genaueren Ausführungen zu den kritischen Posts der beschwerdeführenden Partei auf Facebook und Instagram unter Punkt 2.5.

2.4. Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage.

2.5. Die Feststellungen zu 1.4. zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zu ihren Fluchtgründen bzw. zu den Gründen, warum diese nicht nach Iran zurückkehren kann, ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus deren Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung der Religionszugehörigkeit und Religiosität der Familie der beschwerdeführenden Partei gründet auf die Angaben in der mündlichen Verhandlung. Sohin gibt sie wiederholt an, gebürtiger Muslim zu sein und bestehe auch der aktuelle Glaube aus Islam und anderen Religionen mit ihren eigenen Meinungen. Gleichzeitig verneinte die beschwerdeführende Partei konvertiert oder vom Islam abgefallen zu sein, weshalb das erkennende Gericht weiter davon ausgeht, dass sie dem islamischen Glauben folgt. Die eigene liberale Auslegung des Islam basiert auf der Angabe, nicht streng religiös zu sein, der Anerkennung auch für das Christentum und Judentum und das nur eingeschränkte praktizieren islamischer Riten und Feste. Auch die Familie sei nicht strenggläubig und habe die beschwerdeführende Partei ihren Vater niemals beten gesehen (Verhandlungsprotokoll, Seite 11 f, 17). Weiters beruht die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei nicht spezifisch gegen den Islam oder Religion generell auftritt, diesbezüglich keine Verhaltensweisen verinnerlicht hat, die bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würde, einerseits auf der Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei bereits in Iran kaum muslimische Riten praktiziert habe und aus diesem Grund keine Probleme hatte und auf den Länderinformationen, welche anführen, dass Personen (Konvertiten) die den Behörden nicht bekannt waren und keine Aktivitäten in Bezug auf die Religion setzen für die Behörden nicht von Interesse sein werden. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen.

In der mündlichen Verhandlung verneinte die beschwerdeführende Partei jemals Probleme mit den iranischen Behörden bekommen zu haben, weil sie sich den religiösen Verpflichtungen des Islam entzogen hat und berichtete, dass es auch möglich sei, in Iran zu leben, ohne die Moschee zu besuchen (Verhandlungsprotokoll, Seite 17, 27). In Bezug auf außenwirksame religiöse Aktivitäten gab die beschwerdeführende Partei lediglich an, das Ziel zu verfolgen, dass Iraner die eigene Geschichte kennen. Zudem gab die beschwerdeführende Partei an, dass sie nicht vom Islam sich abgewendet habe und bezeichnet sich selbst als liberaler Muslim. Für eine islamkritische Einstellung oder die generelle Ablehnung von Religion ergaben sich auch in den weiteren Ausführungen der beschwerdeführenden Partei keine substantiierten Indizien und wurde dies von der beschwerdeführenden Partei auch nicht vorgebracht.

Zur Feststellung der mangelnden Glaubhaftmachung des Vorbringens zu den (Nach)Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei ist beweiswürdigend auszuführen:

Zum Vorbringen der Probleme mit der Ex-Frau und der unterstellten Ungläubigkeit:

Die beschwerdeführende Partei gab an, dass es zur Scheidung kam, weil seine Ex-Frau im Gegensatz zu ihm streng gläubig gewesen sei und es dadurch zum Streit auch mit der Familie der Ex-Frau gekommen sei.

Die Schilderung, dass die beschwerdeführende Partei vor der Heirat nicht wusste, dass die Ex-Frau streng gläubig ist, war für das erkennende Gericht nicht plausibel. Die beschwerdeführende Partei konnte dies auf Vorhalt auch nicht nachvollziehbar erklären und verstrickte sich mehr und mehr in Widersprüche. Weshalb die Familie erst nach der Hochzeit begonnen hat, der beschwerdeführenden Partei Fragen zu stellen und die Ex-Frau sich verstellt habe, um ihren strengen Glauben zu verheimlichen, ist gleichfalls nicht plausibel (Verhandlungsprotokoll, Seite 15-17: „BF: Sie hat mir in dieser Zeit, als wir uns kennengelernt haben, ihr Charakter anders gezeigt, als sie wirklich war. Sie zeigte sich als nett, menschlich und dass sie ihre Arbeit liebt, sie liest sehr gerne. R: Was hat Ihnen besonders an ihr gefallen, dass Sie beschlossen haben, sie zu heiraten? BF: Ob sie glauben oder nicht, sie war meine erste Freundin. Sie war die erste Frau, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, so richtig als Freundin. Alles, was sie mir gezeigt hat, hat mich fasziniert. Ich lebte in einer kleinen Stadt und jeder hat den anderen gekannt und ich konnte nicht so lange Zeit mit ihr Zeit verbringen, damit wir uns besser kennenlernen. Ich musste sie heiraten. R: Wenn die Stadt so klein ist, mussten sie gewusst haben, welchen sozialen Hintergrund sie gehabt hat und dass sie so streng religiös ist. BF: Äußerlich wurde das nicht so gezeigt, dass sie so streng religiös ist. Erst, als ich die Familie kennenlernte, habe ich gesehen, dass sie streng religiös ist. R: Warum haben Sie sich dann entschlossen, sie zu heiraten? BF: Erst nachdem ich sie geheiratet habe, habe ich bemerkt, dass sie und ihre Familie strenggläubig sind. Davor hat sie es nicht gesagt und auch nicht gezeigt.

R: Warum nicht? BF: Ich will nicht über Frauen im Iran schlecht reden, aber jede Frau, bevor sie heiratet, zeigt sie gute Seiten. R: Aber streng religiös sind doch gute Seiten im Iran. BF: Sie wusste, dass ich nicht konservativ bin und nicht so gläubig bin, deshalb hat sie sich verstellt. […] R: Und bevor Sie sie geheiratet haben, ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, herauszufinden, welche Einstellung sie hat? BF: Ich bin ein Mensch, welches respektvoll jede einzelne Meinung von anderen hat. Dazu muss ich sagen, ob Sie glauben oder nicht, ich habe damals nie gedacht, dass sie so religiös ist. Nachdem ich nicht gläubig bin, war die Religion für mich egal. Über Religion haben wir nicht so viel gesprochen. R: Hat sie noch gearbeitet, als Sie geheiratet haben? BF: Ja. R: Ist es nicht ungewöhnlich für jemanden streng religiösen, dass sie selbstständig arbeitet und dass die Versorgung nicht der Mann übernimmt? BF: Nein, das ist nicht ungewöhnlich. R: Wie hat sich dann die strenge Religiosität Ihrer Frau geäußert? BF: Nachdem wir verheiratet waren, hat ihre Familie begonnen mir Fragen zu stellen. Z.B. wieso ich nicht bete, wieso ich keine Moschee besuche, wieso ich nicht faste, wieso nehme ich am Freitag an Gottesdiensten nicht teil. Einmal aus Respekt an einem Freitaggottesdienst mit dem Mann ihrer Tante besucht. Von Anfang an bis Ende hat der anwesende Mullah über unwichtige Sachen gesprochen, über aber-gläubige Themen. Danach habe ich einfach meine Meinung geäußert und sagte, dass das das erste und letzte Mal ist, dass ich an einen Gottesdienst teilnehme. Ich habe begonnen mich mehr mit dem Islam zu beschäftigen, aber gleichzeitig habe ich meine Meinung auch geäußert.

R wiederholt die Frage. BF: Regelmäßig hat sie fünf Mal am Tag gebetet und regelmäßig freitags den Gottesdienst besucht. Sie war dann lästig zu mir, warum ich das nicht tue. R: Bevor Sie geheiratet haben, hat sie nicht den Gottesdienst besucht und gebetet? BF: Ich wusste, dass sie regelmäßig betet, aber ich wusste von dem Gottesdienst nicht, dass sie ihn regelmäßig besucht. Für mich war es aber egal, ob sie betet oder nicht.“).

Ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit war, dass die beschwerdeführende Partei zum Teil ausweichend auf die Fragen reagierte und nicht auf die gestellten Fragen passend antwortete, sohin die Fragen mehrmals wiederholt werden mussten.

Weiters geht auch das Gericht von der Annahme aus, dass es sich um die Vorfälle in Verbindung mit der Tätigkeit als Lehrer um eine konstruierte Geschichte handelt. Sohin machte die beschwerdeführende Partei sehr vage Angaben und konnte auch auf Nachfragen keine genauen zeitlichen Angaben machen und waren diese auch widersprüchlich. Die Erklärung, sich mit Daten schwer zu tun, passt nicht mit dem Vorbringen zusammen, als Direktor gearbeitet zu haben und handelt es sich bei der beschwerdeführenden Partei um eine gebildete Person mit universitären Abschluss. Unplausibel war auch, dass die beschwerdeführende Partei von der Ex-Frau als „Ungläubiger“ bei der zuständigen Sicherheitsbehörde angezeigt wurde und den Islam nicht regelmäßig praktizierte, aber trotzdem nach der Scheidung eine Position als Direktor bekommen haben soll. Die Erklärung der beschwerdeführenden Partei, Unterstützung von Freunden des Vaters bekommen zu haben, war insofern nicht glaubwürdig, weil diese gleichfalls widersprüchlich war. Die beschwerdeführende Partei gab einerseits an, dass die Unterstützung enden sollte und sohin es zu einer Bedrohung kommen könnte, weil es nach Parlamentswahlen auch zum Wechsel des Behördenapparates kommt. Andererseits konnte die beschwerdeführende Partei nicht das Jahr der letzten Parlamentswahl in Iran nennen, ein „Unterstützer“ hatte noch die Position inne und sollte der Wechsel auch mitunter drei Jahre dauern (Verhandlungsprotokoll, Seite 22 f).

Beim Vorbringen der fluchtauslösenden Ereignisse mangelt es auch an Aktualität, denn die beschwerdeführende Partei konnte

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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