TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/3 W192 2237929-1

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Veröffentlicht am 03.03.2021
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Entscheidungsdatum

03.03.2021

Norm

AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch


W192 2237929-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2020, Zahl: 547822209-201018261, zu Recht:

A) In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 i.d.g.F. iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG i.d.g.F. auf Dauer unzulässig ist. Gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 AsylG 2005 i.d.g.F. wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Kosovo, stellte am 19.10.2020 unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

In einem beiliegenden Schreiben ihres bevollmächtigten Vertreters wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2013 im Alter von 16 Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern einen Antrag auf Familienzusammenführung zu ihrem in Österreich niedergelassenen Vater gestellt hätte. Nachdem das Verfahren über zwei Jahre anhängig gewesen wäre, sei den Geschwistern und der Mutter der Beschwerdeführerin kurz nach deren 18. Geburtstag eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden, für die Beschwerdeführerin sei dies aufgrund der eingetretenen Volljährigkeit nicht mehr möglich gewesen. Sie habe dann einen Aufenthaltstitel als Studentin erhalten, studiere bis dato an einer österreichischen Hochschule und habe das Familienleben mit ihren Eltern und Geschwistern in Österreich fortgesetzt. Zudem ginge sie einer Teilzeitarbeit nach. Da es ihr in diesem Jahr nicht gelungen wäre, die erforderlichen EC-Punkte zu erreichen, sei eine Verlängerung ihres Studentenaufenthalts nicht mehr möglich gewesen. Ihr Privat- und Familienleben finde ausschließlich in Österreich statt. Sie lebe gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in einem Haus, studiere, ginge einer Arbeit nach, spreche sehr gut Deutsch und habe viele österreichische Freunde. Ihre Eltern hätten im Kosovo alles verkauft, um sich ein eigenes Haus in Österreich leisten zu können; im Kosovo habe sie noch einen pflegebedürftigen Großvater, welcher in engen Wohnverhältnissen bei ihrem Onkel lebe.

Die Beschwerdeführerin legte ihrem Antrag desweiteren (jeweils in Kopie) diverse Unterlagen zum Beleg ihres Studiums in Österreich sowie ihres Schulabschlusses im Kosovo, Unterlagen hinsichtlich des im Jahr 2013 initiierten Verfahrens vor der Niederlassungsbehörde, Einkommens- und Versicherungsbestätigungen, die Aufenthaltstitel und Reisepässe ihrer Familienmitglieder, ihren Reisepass, ihren Führerschein, ihre Geburtsurkunde, einen kosovarischen Strafregisterauszug, Bestätigungen über ihre Teilzeitbeschäftigung seit dem 16.02.2019 in der Systemgastronomie mit einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von EUR 770,89 sowie eine in Aussicht gestellte Vollzeitbeschäftigung durch den gleichen Arbeitgeber, eine Unterstützungserklärung durch ihre Kollegen, einen von ihren Eltern abgeschlossenen Vertrag über den Kauf einer Liegenschaft im Bundesgebiet sowie ein ÖIF-Zeugnis über die Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bei.

Am 19.10.2020 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in deutscher Sprache zu ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab zusammengefasst an, sie habe in Österreich ihre Eltern und ihren Bruder, welche sie auch finanziell mit einem Betrag von etwa EUR 400,- im Monat unterstützen würden. Ihr Vater sei im Jahr 2005 nach Österreich gezogen, ihre Mutter im Jahr 2016. Sie habe Freunde in Österreich, welche sie von der Arbeit und vom Studium kenne, wobei sie keine besonders engen Freunde habe. Sie sei in keinen Vereinen Mitglied. Sie sei gesund, Kosovoalbanerin, Moslem, ledig und kinderlos. Sie sei in Deutschland geboren worden und habe dort die ersten sechs Lebensjahre verbracht; anschließend habe sie von 2004 bis 2016 im Kosovo gelebt. Zuletzt habe sie sich im Dezember 2019 (bis 05.01.2020) im Kosovo aufgehalten; dort habe sie ihren Onkel und Freunde getroffen. Im Kosovo würden noch ihr Onkel mit dessen Familie, zwei Freundinnen und ihr Großvater leben. Sie habe auch manchmal Kontakt zu ihrer Tante und habe fünf Cousins und fünf Cousinen im Herkunftsstaat. Mit ihrem Onkel telefoniere sie jeden Abend.

In einer am 02.11.2020 eingebrachten Stellungnahme führte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin aus, dass die in der Einvernahme vorgelegten Länderberichte zum Kosovo zur Kenntnis genommen würden. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um eine alleinstehende junge Frau, deren Kernfamilie ausschließlich in Österreich lebe und arbeite. Dem Länderinformationsblatt sei zu entnehmen, dass vor allem alleinstehende junge Frauen im Kosovo mit geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung zu rechnen hätten. Die Beschwerdeführerin habe den Großteil ihres Lebens im deutschsprachigen Raum verbracht und weise nur wenige Bezugspunkte zu ihrer Heimat auf. Diese lebe nunmehr seit 2016 gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in Österreich, welche allesamt über Aufenthaltsberechtigungen verfügen würden. Die Beschwerdeführerin spreche Deutsch auf hohem Niveau, habe ein Studium begonnen und verbringe ihre Freizeit mit Freunden. Eine Interessensabwägung führe zu einem Überwiegen der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber den öffentlichen Interessen.

2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen diese gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.), traf gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Feststellung, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin „nach“ [ohne Bezeichnung eines Zielstaats] gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gewährte dieser gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe seit Oktober 2016 bis zum Ablauf ihrer Aufenthaltsbewilligung am 10.10.2020 rechtmäßig mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einem gemeinsamen Haushalt im Bundesgebiet gelebt. Das Vorliegen einer überdurchschnittlichen Integration oder eines besonders schützenswerten Privat- und Familienlebens habe nicht erkannt werden können. Es liege kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Angehörigen im Bundesgebiet vor. Die Beschwerdeführerin sei durch ihre Erwerbstätigkeit grundsätzlich finanziell unabhängig und habe im Zeitraum 2005 bis 2016 getrennt von ihrem Vater gelebt. Aufgrund der regelmäßigen besuchsweisen Aufenthalte im Kosovo sowie der dort absolvierten Schulbildung sei von nach wie vor bestehenden Bindungen zum Heimatland auszugehen. Die Beschwerdeführerin habe sich darüber bewusst sein müssen, dass ihr Aufenthaltstitel maßgeblich zur Absolvierung eines Studiums, nicht jedoch zu einer nachhaltigen Integration in Österreich diene und habe demnach auf keinen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet vertrauen können. Den Kontakt zu Freunden und Bekannten werde sie durch wechselseitige Besuche und diverse Kommunikationsmittel aufrechterhalten können. Da eine relevante Gefahrenlage laut der zugrunde gelegten Berichtslage nicht vorliege, sei die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat festzustellen gewesen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht erhobene Beschwerde vom 09.12.2020. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin verfüge entgegen der Ansicht der belangten Behörde über ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich; sie lebe seit 2016 gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in Österreich, welche ihren Lebensmittelpunkt vom Kosovo nach Österreich verlegt hätten. Bei einer korrekten Vornahme der Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG wäre die Behörde zum Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen sei. Die Beschwerdeführerin sei vier Jahre mit einem Aufenthaltstitel in Österreich aufhältig gewesen, sie studiere, spreche Deutsch auf dem Niveau B1 und werde von ihrer Familie finanziell unterstützt. Sie falle dem österreichischen Staat nicht zur Last und habe ihr gesamtes Leben mit ihren Eltern und Geschwistern im Familienverband gelebt. Auch hätte sie als alleinstehende junge Frau bei einer Rückkehr in die patriarchal geprägte Gesellschaft im Kosovo mit Problemen zu kämpfen. Sie ersuche um die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Befragung ihrer Eltern und ihres Bruders als Zeugen, um ihr schützenswertes Familien- und Privatleben darzulegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige Staatsangehörige der Republik Kosovo, welche am 02.11.2016 einen Nebenwohnsitz in Österreich begründete, welcher bis zum 10.01.2017 bestand. Seit dem 10.01.2017 verfügt sie über einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, welcher bis dato vorliegt.

Die damals minderjährige Beschwerdeführerin hatte am 03.10.2013 bei der zuständigen Niederlassungsbehörde, ebenso wie ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder, einen Antrag auf Familienzusammenführung in Bezug auf ihren seit dem Jahr 2005 im Bundesgebiet niedergelassenen Vater gestellt. Den Anträgen der Mutter und des (damals noch minderjährigen) Bruders der Beschwerdeführerin wurde nach mehr als zweijähriger Verfahrensdauer im Jahr 2016 stattgegeben, im Fall der Beschwerdeführerin unterblieb eine stattgebende Erledigung aufgrund ihrer zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit. In der Folge wurde ihr antragsgemäß erstmals am 02.11.2016 eine Aufenthaltsbewilligung als Studierende mit einer Gültigkeit von 07.10.2016 bis 07.10.2017 erteilt, welche am 08.10.2018 und am 09.10.2019 jeweils um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Die ihr zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung als Studierende besaß eine Gültigkeit bis 10.10.2020.

Am 19.10.2020 stellte diese beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Die ledige und kinderlose Beschwerdeführerin lebt im Bundesgebiet gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder im Eigentumshaus ihrer Eltern. Die Eltern und der Bruder der Beschwerdeführerin sind jeweils aufgrund des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit 16.02.2019 in einem Beschäftigungsverhältnis im Ausmaß von 20 Wochenstunden im Bereich der Systemgastronomie und bezieht ein monatliches Bruttogehalt von etwa EUR 770,-. Von ihren Eltern und ihrem Bruder wird sie zusätzlich mit einem Betrag von rund EUR 400,- im Monat unterstützt. Der Arbeitgeber der Beschwerdeführerin hat dieser eine Vollzeitbeschäftigung in Aussicht gestellt. Die Beschwerdeführerin ist im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit versichert und hat bislang keine staatlichen Unterstützungsleistungen bezogen. Sie ist für ein Studium im Bereich der Sozialwissenschaften an einer österreichischen Hochschule inskribiert. Sie hat einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich. Die Beschwerdeführerin hat im August 2020 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 absolviert.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten. Sie ist gesund und arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin wurde in Deutschland geboren, wo sie die ersten sechs Lebensjahre verbrachte. Im Anschluss zog sie in den Kosovo, wo sie von 2004 bis 2016 lebte und eine Schulbildung absolvierte.

Im Kosovo, wo sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Niederlassung in Österreich wiederholt besuchsweise aufgehalten hat, halten sich noch ein Onkel, eine Tante, Cousins und Cousinen sowie zwei Freundinnen der Beschwerdeführerin auf.

Sie brachte keine konkreten Befürchtungen einer ihr im Kosovo drohenden Grundrechtsverletzung oder sonstigen Notlage vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des Gerichtsaktes.

Die Feststellungen zu Identität, Familienstand und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin beruhen auf den in Vorlage gebrachten identitätsbezeugenden Dokumenten, insbesondere ihrem kosovarischen Reisepass, in Zusammenschau mit ihren dahingehenden Angaben. Der Aufenthaltsstatus ihrer Eltern und ihres Bruders ergibt sich aus den in Vorlage gebrachten Kopien der Aufenthaltstitel in Übereinstimmung mit den personenbezogenen Eintragungen im Zentralen Fremdenregister. Die Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerin, ihrer Eltern und ihres Bruders ergibt sich aus den im Zentralen Melderegister ersichtlichen Hauptwohnsitzmeldungen. Das im Jahr 2013 initiierte Verfahren auf Familienzusammenführung sowie die der Beschwerdeführerin ab dem Jahr 2016 erteilten Aufenthaltsbewilligungen als Studierende ergeben sich aus den darüber vorgelegten Schreiben sowie einer personenbezogenen Abfrage aus dem Zentralen Fremdenregister.

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin in Österreich, ihrem erzielten Einkommen sowie der in Aussicht gestellten Vollzeitbeschäftigung resultieren aus den vorgelegten Schreiben ihres Arbeitgebers vom 24.09.2020, den Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie dem Versicherungsdatenauszug vom 18.09.2020.

Der gemeinsame Wohnsitz mit ihren Eltern und Geschwistern ergibt sich aus dem vorgelegten Kaufvertrag sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Dass die Beschwerdeführerin gesund und grundsätzlich zur eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhalts in der Lage ist, ergibt sich aus ihren Angaben in Zusammenschau mit ihrer im Bundesgebiet ausgeübten Erwerbstätigkeit. Die (zusätzliche) finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern und ihren Bruder ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin.

Das an einer österreichischen Hochschule betriebene Studium ergibt sich aus den darüber vorgelegten Bestätigungen. Unterlagen zum Nachweis eines Studienerfolgs oder -abschlusses wurden nicht vorgelegt. Die Absolvierung einer Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 und daraus resultierend die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin sind durch das darüber vorgelegte Zertifikat belegt. Zudem war der Beschwerdeführerin die Durchführung der Einvernahme vor dem Bundesamt ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers möglich.

Das Bestehen eines Freundes- und Bekanntenkreises im Bundesgebiet ergibt sich aus den dahingehenden Angaben der Beschwerdeführerin.

Ihre Geburt und ihr Aufenthalt in Deutschland bis zum Jahr 2004 ergeben sich aus ihren Angaben in Zusammenschau mit den Eintragungen in den vorgelegten personenbezogenen Dokumenten. Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Kosovo von 2004 bis 2016 und der dortige Schulbesuch ergeben sich aus ihren Angaben in Zusammenschau mit dem vorgelegten Schulabschlusszeugnis. Dass diese sich während der letzten Jahre wiederholt besuchsweise im Kosovo aufgehalten hat und dort die festgestellten verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Bindungen aufweist, resultiert aus den Angaben der Beschwerdeführerin in Zusammenschau mit den vorgelegten Kopien ihres Reisepasses.

Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem Strafregister.

Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit der 23-jährigen Beschwerdeführerin sind nicht zutage getreten.

Die Beschwerdeführerin hat in den eingebrachten Stellungnahmen lediglich in allgemeiner Weise auf eine mögliche Diskriminierung als alleinstehende Frau im Kosovo verwiesen, jedoch keine konkreten Befürchtungen oder in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang allenfalls erlebte Schwierigkeiten genannt. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren keine konkreten Befürchtungen im Hinblick auf eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat geäußert und ist in der Beschwerde den Feststellungen zum Nichtvorliegen eines bei Abschiebung drohenden Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit oder existenzbedrohenden Notlage nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

3.2. Zu A) Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005):

3.2.1. Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:

„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen.

[…]

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) – (6) […]

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.       bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.       gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2.       der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2.       die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14)[…]“

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:

„Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) – (2) […]

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4)-(8) […]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) […]“

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) [...]“

3.2.2. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

3.2.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

3.2.2.2. Die Beschwerdeführerin lebt im Bundesgebiet gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder im Eigentumshaus ihrer Eltern, sohin in einer ortsüblichen Unterkunft. Die Eltern und der Bruder der Beschwerdeführerin sind jeweils aufgrund des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ rechtmäßig in Österreich aufhältig. Die 23-jährige gesunde Beschwerdeführerin ist zwar grundsätzlich zur eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhalts in der Lage und steht zu ihren Angehörigen in keinem Abhängigkeitsverhältnis, jedoch hat diese – jedenfalls mit ihrer Mutter und ihrem Bruder – stets im gemeinsamen Haushalt gelebt, sodass trotz der Volljährigkeit der Beschwerdeführerin von einer grundsätzlich schützenswerten familiären Nahebeziehung zwischen der ledigen und kinderlosen Beschwerdeführerin, ihrer Mutter und ihrem Bruder auszugehen ist.

Soweit die Behörde darauf verweist, dass die Beschwerdeführerin sich aufgrund der ihr erteilten Aufenthaltsbewilligungen als Studierende der grundsätzlich vorübergehenden Natur ihres Aufenthaltsrechts bewusst sein musste, ist festzuhalten, dass das Familienleben zwischen der Beschwerdeführerin, ihrer Mutter und ihrem Bruder nicht zu einem Zeitpunkt entstand, als sich die Beschwerdeführerin der Unsicherheit ihres Aufenthalts bewusst sein musste, sondern bereits im Herkunftsstaat bestanden hatte. Die Beschwerdeführerin, ihre Mutter und ihr Bruder haben bereits im Jahr 2013 versucht, im hierfür vorgesehenen Verfahren eine Familienzusammenführung mit dem in Österreich niedergelassenen Vater der Beschwerdeführerin zu erwirken. Aufgrund der während der (mehr als zweijährigen) Verfahrensdauer eingetretenen Volljährigkeit konnte im Fall der Beschwerdeführerin, im Gegensatz zu ihrer Mutter und ihrem Bruder, die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Rahmen der Familienzusammenführung nicht erfolgen. In der Folge wurden ihr antragsgemäß Aufenthaltsbewilligungen als Studierende erteilt, auf deren Grundlage sie rund vier Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet im Familienverband lebte.

Fallgegenständlich ist nicht zu erkennen, dass eine Missbrauchsabsicht bzw. beabsichtigte Umgehung der Voraussetzungen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz evident ist, wie dies etwa in Fällen einer illegalen Einreise und rechtsmissbräuchlicher Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz zur Verwirklichung eines Wunsches nach Familienzusammenführung der Fall sein kann. Die Beschwerdeführerin hat grundsätzlich im verfahrenseinleitenden Antrag offen gelegt, zu welchem Zweck sie den Aufenthalt beabsichtigt und einen Antrag gewählt, welcher für solche Zwecke grundsätzlich vorgesehen ist.

Die Beschwerdeführerin ist unbescholten, bestreitet ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet unabhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen, sie hat die deutsche Sprache erlernt, eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden und ihre Bereitschaft zur Integration sowie ihre Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Im Hinblick auf ihre aktuelle Teilzeitbeschäftigung, die ihr in Aussicht stehende Vollzeitbeschäftigung sowie die Unterstützung durch ihre Herkunftsfamilie, ist von einer auch künftigen Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen, zudem bewohnt sie eine ortsübliche Unterkunft und verfügt über einen Krankenversicherungsschutz. Dem Umstand, dass diese sich der grundsätzlich vorübergehenden Natur der ihr erteilten Aufenthaltstitel als Studierende bewusst gewesen ist, kommt im Ergebnis kein entscheidungsmaßgebliches Gewicht mehr zu. Eine aus einem Aufenthalt ihrer Person im Bundesgebiet resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit war nicht zu erkennen. Die Beschwerdeführerin hat keine Verstöße gegen fremdenrechtliche Normen gesetzt und keine beabsichtigte Umgehung der Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erkennen lassen. Insofern sind keine maßgeblichen öffentlichen Interessen zu erkennen, welche einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin rechtfertigen würden.

Zwar ist den Ausführungen im angefochtenen Bescheid beizupflichten, wonach die Beschwerdeführerin ihre Schulzeit im Kosovo verbracht hat und – auch durch die dort lebenden Verwandten – nach wie vor Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat aufweist. Angesichts des gemeinsamen Haushalts mit ihren im Bundesgebiet niedergelassenen Eltern und ihrem Bruder, ihrer Erwerbstätigkeit, ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit und ihres Studiums in Österreich, ist jedoch – wenn auch ihre Aufenthaltsdauer von etwas mehr als vier Jahren per se nicht als äußerst lang zu qualifizieren ist – dennoch ein Überwiegen ihrer persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet zu erkennen.

3.2.3. Wie dargelegt, ist das Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufrechterhaltung des Familienlebens als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor. Es beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

3.2.4. Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2.       einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3.       über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4.       einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5.       als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 10 Abs. 2 IntG als erfüllt anzusehen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,

2.       (Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 18, BGBl. I Nr. 41/2019)

3.       minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4.       minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5.       einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,

6.       einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7.       über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8.       mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.

In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.

Da die Beschwerdeführerin durch Vorlage eines Zertifikats über die Absolvierung einer Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nach § 10 Abs. 2 Z 1 IntG erfüllt hat (was gemäß § 9 Abs. 4 IntG die Erfüllung des Moduls 1 umfasst), liegen die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ fallgegenständlich vor.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu, zumal der maßgebliche Sachverhalt bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die familiäre und private Bindung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet unzulässig ist, konnte die zusätzliche Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Erwerbstätigkeit familiäre Situation Integrationsvereinbarung Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Sprachkenntnisse Studium

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W192.2237929.1.00

Im RIS seit

18.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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