TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/3 W171 2239977-1

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Veröffentlicht am 03.03.2021
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Entscheidungsdatum

03.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs2

Spruch


W171 2239977-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2021, Zl XXXX sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 19.02.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.02.2021 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF stattgegeben, der angefochtene Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2021, Zl XXXX aufgehoben und die Anhaltung in Schubhaft von 19.02.2021 bis 03.03.2021 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs 2 Zi. 2 FPG idgF wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG wird der Antrag der Behörde auf Kostenersatz abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein georgischer Staatsangehöriger, reiste am 08.11.2020 in den Schengen-Raum ein und hielt sich seitdem im Gebiet der Schengener Vertragsstaaten auf.

2. Er wurde am 19.02.2021 durch Beamte einer LPD im Zuge einer Kontrolle zur Verhinderung von Schwarzarbeit festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

3. Am selben Tag wurde der BF einvernommen und über ihn die Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verhängt. Der Aufenthalt des BF im Inland sei illegal und nur zur unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit erfolgt. Er verfüge nicht über die notwendigen finanziellen Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts und gehe keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach. Eine Möglichkeit auf legale Weise an Geld zu gelangen liege nicht vor. Eine amtliche Meldung im Bundesgebiet habe der BF ebenfalls nicht vorgenommen und auch im österreichischen Sozialversicherungssystem scheine dieser nicht auf. Insgesamt sei keine Integration des BF in Österreich gegeben. Grund zur Annahme, der BF werde sich auf freiem Fuß dem Verfahren stellen, würden nicht vorliegen. Der BF sei als nicht vertrauenswürdig anzusehen und daher die Schubhaftverhängung als ultima-ratio Maßnahme geboten.

Der BF habe danach durch sein Vorverhalten die Tatbestandmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1 und

9 FPG erfüllt und es sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

4. Mit Bescheid des BFA vom 23.02.2021 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.); gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die BF erlassen (Spruchpunkt II.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt III.); gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen die BF ein auf die Dauer von fünf (3) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.); gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.), sowie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Schriftsatz vom 26.02.2021 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 19.02.2021 sowie die darauf gegründete Anhaltung. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass seitens der Behörde keine Einzelfallprüfung durchgeführt worden sei und tatsächlich keine Fluchtgefahr bestehen würde. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung sei der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Zi. 1 FPG nicht gegeben gewesen. Der BF habe zwar keine Wohnsitzmeldung vorweisen können, doch habe er in der Einvernahme an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt und Auskunft über seine Wohnverhältnisse erteilt. Der BF würde sich für eine Abschiebung zur Verfügung halten und verfüge über eine temporäre Wohnmöglichkeit an einer angegebenen Adresse. Darüber hinaus verfüge er über einen Geldbetrag von € 200,--, der sich bei einem namentlich genannten Kollegen befinde. Die Verrichtung von Schwarzarbeit stelle kein wesentliches Kriterium für die Verhängung von Schubhaft dar. Selbst bei Fluchtgefahr sei die Verhängung eines gelinderen Mittels ausreichend. Beantragt wurde die Einvernahme des BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung. Kostenersatz wurde nicht beantragt.

6. Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 01.03.2021 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde im Wesentlichen (gekürzt) wie nachstehend ausgeführt:

„Der Schubhaftbeschwerde muss entgegengehalten werden, dass im Schubbescheid die Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung und die Nichtanwendung des gelinderen Mittels entsprechend begründet wurden.

Der BF wurde niederschriftlich einvernommen und ergab diese Niederschrift, dass der BF zur Arbeitsaufnahme nach Österreich eingereist ist, keinen fixen Schlafplatz hat, kein Geld für die Rückreise besitzt und weder soziale noch familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestehen.

Der BF gab die Unterkunft in der XXXX als Nächtigungsort an, wobei der BF gleichzeitig mitteilte, dass auch bei anderen Bekannten genächtigt werden würde. Überdies hatte der BF für Unterkunft in der XXXX keinen Schlüssel. Obwohl der BF vier Monate im Bundesgebiet aufhältig war, unterließ es der BF sich anzumelden und zeigt dieses Verhalten, dass der BF nicht daran interessiert war, dass eine Erreichbarkeit für eine Behörde vorliegt. Es muss auch massiv angezweifelt werden, dass der BF tatsächlich an der neuen Unterkunft in der XXXX sich einfinden wird, da dadurch gewährleistet ist, dass der BF für die Behörde greifbar wäre und das bisherige Verhalten des BF dazu diente, im Verborgenen den Aufenthalt fortsetzen zu können.

Laut eigenen Angaben verfügte der BF nur mehr über Kleingeld und wurden die Euro 200,- nicht angegeben. Jedoch das ausstehende Entgelt für die ausgeübte Beschäftigung sollte dem BF noch ausgefolgt werden, wobei keine Höhe des Geldbetrages genannt wurden. Offensichtlich soll diese Vorgangsweise dazu dienen, dass der BF aus der Schubhaft entlassen wird. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass der BF sich dem Verfahren zur Abschiebung entzieht, da der BF mangels vorhandene finanzieller Mittel einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen muss und dieses Verhalten auch zukünftig fortsetzen könnte.
Der BF hielt sich unbekannten Aufenthaltes in Österreich auf und wurde nur per Zufall (Beschwerde über eine Baustelle) von der Polizei betreten. Im Hinblick auf die widersprüchlichen Aussagen in der Niederschrift und in der Schubhaftbeschwerde muss der BF als nicht vertrauenswürdig angesehen werden.

Im Gegensatz zu den Ausführungen in der Schubhaftbeschwerde war der BF nicht kooperativ, da der BF es unterlassen hat, der Behörde den tatsächlichen Unterkunftsort mitzuteilen. Dem BF wurde mitgeteilt, dass der BF zwangsweise abgeschoben werden wird und würde ein aktiver oder passiver Widerstand eine begleitete Abschiebung und eine längere Anhaltung in Schubhaft zur Folge haben, so dass eine Akzeptanz der Entscheidung die weitere Anhaltung massiv verkürzt. Der Abschiebetermin wurde dem BF niederschriftlich mitgeteilt.

Im Hinblick auf den bestehenden Abschiebetermin und das bisherige Verhalten konnte ein gelinderes Mittel nicht angewandt werden. Der BF wollte den tatsächlichen Unterkunftsort verschleiern und ist nicht auszuschließen, dass der BF eine Entlassung dazu benützt, um das Bundesgebiet zu verlassen und eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat fortzusetzen.

Der Beschwerde muss ebenfalls entgegengehalten werden, dass im Schubbescheid begründet wurde, warum bezweifelt werden musste, dass der BF im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht entsprechend mitwirken würde. Die Anzeige und die aufgenommene Niederschrift ergaben, dass zur Sicherung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt werden musste. Aufgrund des illegalen Aufenthaltes und der fehlenden Meldung wurde die Festnahme zur Vorführung zur Behörde ausgesprochen und musste die zu erwartende fehlende Mitwirkung im drohenden Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot und der Abschiebung als weitere Begründung für die Erlassung eines Schubbescheides herangezogen werden.

Abschließend muss festgehalten werden, dass ohne die Einleitung von Zwangsmaßnahmen die Gefahr bestand, dass der BF wiederum im Verborgenen den illegalen Aufenthalt fortsetzt und sich dem Verfahren vor dem BFA entzieht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass, das Risiko, dass der BFA untergetaucht wäre, um sich der Abschiebung nach Georgien zu entziehen, als schlüssig anzusehen war.

Der Sicherungsbedarf war somit gegeben.“

7. Die Abschiebung des BF ist für den 07.03.2021 gebucht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1. Zur Person des Beschwerdeführers:


1.1. Der BF reiste zuletzt am 08.11.2020 in den Schengener Raum und hielt sich seitdem nach eigenen Angaben im österreichischen Bundesgebiet auf.

1.2. Die Identität des BF steht fest. Er ist georgischer Staatsangehöriger, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist daher Fremde iSd Diktion des FPG. Dem BF wurde im Zuge seiner Festnahme am 19.02.2021 sein georgischer Reisepass abgenommen und sichergestellt.

1.3. Der BF ist gesund. Es handelt sich bei seiner Person um einen Schwarzarbeiter.

1.4. Er ist im österreichischen Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.

1.5. Der BF befand sich vom 19.02.2021 bis 03.03.2021 in Schubhaft.

2. Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die gegenständliche Schubhaft wurde am 19.02.2021 gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verhängt. Mit Bescheid vom 23.02.2021 wurde über den BF sodann eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt und die Entscheidung mit einem auf die Dauer von drei Jahren befristeten Einreiseverbot verbunden. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt.

2.2. Der BF war hafttauglich.

2.3. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides vom 19.02.2021 war von der Möglichkeit einer Abschiebung des BF innerhalb einer zumutbaren und gesetzmäßigen Zeitspanne auszugehen. Die Abschiebung des BF ist für 07.03.2021 geplant.

3. Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen die BF wurde im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet und in weiterer Folge eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen.

3.2. Der BF hat in Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitgewirkt und sich keinem behördlichen Verfahren entzogen.

3.3. Seit dem 23.02.2021 besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3.4. Der BF ist im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat ausreisewillig.

4. Zur familiären/sozialen Komponente (5.1.-5.4.):

4.1. Der BF ist in Österreich weder sozial, noch familiär verankert. Er ging keiner legalen Beschäftigung nach.

4.2. Er spricht nicht Deutsch.

4.3. Der BF konnte keine gesicherte Unterkunft nachweisen und war bisher in Österreich nicht melderechtlich erfasst.

4.4. Er verfügt derzeit über einen Geldbetrag von € 200,--, der sich bei einem Kollegen befindet.

B. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

1. Zur Person der Beschwerdeführerin (1.1.-1.5.):

Die Einreise der BF in den Schengenraum sowie nach Österreich ergibt sich aus dem übereinstimmenden Parteienvorbringen. Der BF legte zum Beweis seiner Identität einen auf seinen Namen lautenden georgischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Aus dem Behördenakt ergibt sich (AS 1), dass der BF seinen Reisepass freiwillig ausgehändigt hat (1.1. und 1.2.). Beeinträchtigungen seines gesundheitlichen Zustandes sind nicht hervorgekommen. So gab der BF selbst an, er sei gesund. Auch in der Anhaltedatei, in welcher gesundheitliche Problematiken in der Regel vermerkt werden, scheinen keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen auf. Aus dem Festnahmeprotokoll ist zu entnehmen, dass der BF bei der Verrichtung illegaler Arbeit betreten wurde (1.3.). Dass der BF im österreichischen Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten ist (1.4.), ergab sich aus Einsichtnahme in das Strafregister. Die Dauer seiner Anhaltung wiederum ergibt sich aus dem vorliegenden Auszug der Anhaltedatei (1.5.).

2. Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Die Einleitung des Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung (Rückkkehrentscheidung) ergibt sich aus dem unbestrittenen Verfahrensgang. Der Bescheid des BFA vom 23.02.2021, mit welchem ua. eine Rückkehrentscheidung gegen die BF erlassen und die aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen wurde, liegt dem Gericht vor. So konnte festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides die Verhängung einer Schubhaft formal zulässig war (3.1.).

Hinsichtlich der Hafttauglichkeit des BF (2.2.) wird auf die Ausführungen zu 1.3. verwiesen.


Die Feststellung zu 2.3. beruht auf dem behördlichen Akteninhalt, dem zu entnehmen war, dass der BF bereits für eine Abschiebung am 07.03.2021 gemeldet ist. Aus dem Akt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des BF daher wesentlich verzögert werden könnte.

3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.4.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich wiederum aus dem im Rückkehrentscheidungsverfahren ergangenen Erkenntnis des BVwG vom 23.02.2021. Siehe zu dieser Feststellung (3.1.) auch die Ausführungen zu 2.1.

Aus der Niederschrift der Einvernahme vom 19.02.2021 ist erkennbar, dass der BF zugibt, Schwarzarbeit geleistet zu haben (AS 11) und Angaben über seine bisherige Unterkunft erteilt hat. Auch gibt er darin an, eine Geldforderung gegen den Arbeitgeber zu haben, die sich im Rahmen des Beschwerdeverfahrens (Übermittlung einer Verwahrungserklärung) bewahrheitet hat. Er willigte in eine Abschiebung in seine Heimat ein (AS 11). Der gesamten dokumentierten Einvernahme ist kein Hinweis zu entnehmen, dass der BF in den laufenden Verfahren nicht mitwirken würde. Der BF wurde auch sogleich festgenommen und kann sich daher auch keinem Verfahren entzogen haben (3.2.). Sodann wurde mit Bescheid vom 23.02.2021 eine Rückkehrentscheidung erlassen, die durchsetzbar wurde (3.3.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF nicht ausreisebereit bzw. ausreisewillig wäre (3.4.).

4. Zur familiären/sozialen Komponente (4.1.-4.4.):

Die fehlende Verankerung des BF in Österreich (4.1.) und die fehlenden Deutschkenntnisse (4.2.) sind unstrittig und wurden auch vom BF selbst in der Einvernahme vor dem BFA am 19.02.2020 bestätigt. Das erkennende Gericht sieht keinen Grund an den diesbezüglichen Angaben zu zweifeln.

Der fehlende gesicherte Wohnsitz ergibt sich zu einen daraus, dass der BF im Rahmen der behördlichen Einvernahmen neben einer konkreten Adresse auch angab, bisher jeweils bei mehreren verschiedenen Freunden übernachtet zu haben und daher die Behörde zu Recht nicht von einem gesicherten Wohnsitz ausgehen durfte. Zum anderen wurde in der Beschwerdeschrift eine Wohnmöglichkeit konkret angeführt. Darin bestätigte ein namentlich genannter Unterkunftgeber, dass der BF an einer angegebenen Adresse bis zur Abschiebung wohnen könnte. In der Beschwerdeschrift (Seite 3 unten) wird behauptet, dass der Unterkunftgeber hiezu durch den (nicht näher genannten) Eigentümer der Wohnung bevollmächtigt worden sei. Aus der beigelegten Bestätigung vom 24.02.2021 geht zwar hervor, dass der Unterkunftgeber dem BF (und zwei weiteren Personen) Kost & Logie gewähre, eine Bevollmächtigung hiezu durch den Eigentümer der Wohnung ergibt sich aus dieser Urkunde jedoch nicht. Eine diesbezügliche Vollmacht durch den Eigentümer wurde auch im Laufe des Verfahrens nicht nachgereicht, sodass hier nicht von einer gültigen Bewilligung der Untervermietung durch den Eigentümer auszugehen war. Zudem ergab eine Abfrage im ZMR, dass an der angegebenen Adresse keine Personen einen Wohnsitz angemeldet haben, zumal der Unterkunftgeber selbst nicht an dieser Adresse gemeldet ist. Das Gericht konnte daher nicht von einem gesicherten Wohnsitz ausgehen (4.3.). Die vorgelegte „Bestätigung“ ging in ihrem Inhalt daher nicht über eine unsubstanziierte Behauptung hinaus.

Die Feststellung eines Guthabens von € 200,-- in bar begründet sich auf eine mit der Beschwerde vorgelegten schriftlichen Erklärung eines Arbeitskollegen der angab, für drei Personen, darunter der BF, insgesamt € 600,-- zu verwahren. Dieser Erklärung kommt Rechtsgültigkeit zu und gilt im vorliegenden Fall als ein zu gleichen Teilen bestehender Herausgabeanspruch. Der BF hat daher bezüglich seines Anteiles von € 200,- einen verbrieften Anspruch auf Auszahlung gegen den Verwahrer (4.4.).

6. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Bei der Mittellosigkeit und der fehlenden sozialen Integration handelt es sich in Bezug auf (noch nicht lange in Österreich aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, um kein tragfähiges Argument für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs. Die Heranziehung des Gesichtspunktes, der Fremde sei in Österreich nicht ausreichend integriert, ist vielmehr bei Asylwerbern, die sich noch nicht lange in Österreich aufhalten, verfehlt; der Frage der Integration kommt primär im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FrPolG 2005 Bedeutung zu (Hinweis E 30. August 2007, 2007/21/0043; weiters E 28.02.2008, 2007/21/0512).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0014; 19.03.2013, 2011/21/025; 28.08.2012, 2010/21/0388).

3.1.3. Rechtlich folgt daraus:

Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts kein ausreichender Sicherungsbedarf gegeben. Geht man vom bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers in Österreich aus so zeigt sich, dass lediglich der Tatbestand des § 76 Abs 3 Z 3 FPG erfüllt ist. Hier darf angemerkt werden, dass die diesbezügliche Rückkehrentscheidung erst nach einigen Tagen nach der Verhängung der Schubhaft erfolgte und dieser Tatbestand sohin bei Schubhaftbescheiderlassung noch nicht gegeben war. In den meisten Schubhaftkonstellationen ist zu diesem Zeitpunkt bereits der Titel vorhanden. Dennoch ist die Ziffer 3 (erster Fall) leg. cit. mittlerweile erfüllt.

Die im Bescheid unterstellte Verwirklichung des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG (BS 5) konnte jedoch gerichtlich nicht festgestellt werden. Wie bereits in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF in irgendeiner Weise vor der Schubhaftbescheiderlassung, aber auch nicht danach an einem Verfahren nicht mitgewirkt, oder seine Abschiebung behindert hätte. Der BF hat einer Abschiebung seiner Person zugestimmt und keine Anzeichen einer Verweigerung gesetzt. Dass er als nicht vertrauenswürdig anzusehen gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden. Er kooperierte mit den Behörden und war mit seiner Abschiebung einverstanden. Eine generelle Missachtung von Regeln oder gar Unwille sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen bzw. behördlichen Anforderungen Folge zu leisten, war nach Betretung durch die Behörde nicht erkennbar. Eine Verwirklichung von Z. 1 leg. cit. lag und liegt sohin nicht vor.

Ziffer 9 des Abs. 3 leg cit. ist als teilweise verwirklicht anzusehen, was jedoch im Fall des BF nicht schwer ins Gewicht fällt. So wurde der BF bei der Schwarzarbeit aufgegriffen. Naturgemäß hatte er im Inland weder einen gesicherten Wohnsitz, noch war er sozial bzw. familiär verankert. Dies wiegt jedoch im Hinblick auf seine Kooperationsbereitschaft und seine Unbescholtenheit verhältnismäßig weniger schwer. Zudem war feststellbar, dass der BF in der Lage gewesen wäre finanzielle Mittel zu erlangen und so seinen Aufenthalt bis zu seiner unmittelbar bevorstehenden Abschiebung auch zu finanzieren. Es ist zwar richtig, dass der BF bisher im Inland nicht gemeldet war, er hat sich jedoch durch dieses Meldevergehen keinem behördlichen Verfahren entzogen, da noch kein derartiges behördliches Verfahren eingeleitet gewesen ist.

Ein weiterer wesentlicher Grund für das Gericht, nicht von hinreichender Fluchtgefahr auszugehen war, dass der Reisepass des BF durch die Behörde sichergestellt wurde und der BF daher zumindest rechtlich nur im Wege über die Behörde eine geregelte Rückkehr in seinen Heimatstaat bewerkstelligen wird können. Es ist daher aus Sicht des Gerichts wenig wahrscheinlich, dass der BF, der zu Erwerbszwecken nach Österreich gekommen ist, illegal und ohne seinen Reisepass unbemerkt wieder nach Georgien zurückreisen würde. Das ergebe im konkreten Fall auch keinen Sinn, da sich der BF durch eine behördliche Abschiebung um seine Rückreise nicht einmal selbst kümmern muss.

Sonstige Gründe um von Fluchtgefahr auszugehen hat weder das behördliche, noch das gerichtliche Verfahren ergeben. Da demgemäß schon das Vorliegen von ausreichend begründetem Sicherungsbedarf zu verneinen war, konnte die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Schubhaftverhängung unterbleiben. Nachdem sich bereits die Verhängung der Schubhaft als rechtswidrig erwies, war auch die darauf gegründete Anhaltung vom 19.02.2021 bis 03.03.2021 für rechtswidrig zu erklären.

3.2. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtliche Akten) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen nicht vor, zumal eine Einvernahme des genannten Unterkunftgebers auch nicht beantragt worden ist. Das Gericht weicht im Wesentlichen nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und es hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt in Zusammensicht mit den Ausführungen in der Beschwerdeschrift klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist.

3.3. Zum Spruchpunkt II. – Fortsetzungsentscheidung:

Während im Zuge der Bescheidprüfung lediglich eine Erfüllung des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Zi. 9 FPG festgestellt werden konnte und die Erfüllung der Zi. 1 zu verneinen war, war zur Beurteilung der Fortsetzung nunmehr auch die hinzugekommene Zi. 3 zu berücksichtigen. Aufgrund der ständigen Rpr. des VwGH, dass die (teilweise) Erfüllung der Zi. 9 alleine bei noch nicht lange im Inland aufhältigen Fremden für die Annahme von Sicherungsbedarf nicht hinreicht (VwGH, 28.02.2008, Zi. 2007/21/0512), und das Beschwerdeverfahren hervorgebracht hat, dass der BF zumindest über einen Barbetrag von € 200,-- verfügen kann und sohin nicht als mittellos zu bezeichnen ist, vermeint das Gericht, dass der BF daher in der Lage ist, sich mit seinen Bargeldreserven bis zur geplanten Abschiebung in vier Tagen erhalten zu können. Auch die Anmietung einer billigen Unterkunft wäre denkbar. In Zusammensicht mit der Tatsache, dass die Behörde nach wie vor im Besitz des Reisepasses des BF ist, was nach Ansicht des Gerichts ein wesentlicher Punkt ist, geht das Gericht auch zukünftig nicht vom Untertauchen des BF aus.

3.4. Zum Spruchpunkt III. – Kostenentscheidung:

§ 35 VwGVG BGBl. I Nr. 33/2013 idgF lautet:

„(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

Im gegenständlichen Verfahren war die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig und auch eine Fortsetzung der Haft nicht tunlich. Der BF war daher als obsiegende Partei anzusehen, hat jedoch keinen Kostenersatz beantragt. Die Behörde konnte im Verfahren nicht obsiegen und hat daher gemäß der zitierten gesetzlichen Bestimmung keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage war daher die Revision in Bezug auf sämtliche Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Kooperation Kostenersatz Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Schwarzarbeit Sicherungsbedarf Ultima Ratio

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W171.2239977.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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