TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/3 W137 2166730-1

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Veröffentlicht am 03.03.2021
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Entscheidungsdatum

03.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch


W137 2166730-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Ungarn, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2017, Zl. 483322002-170789701, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 25.06.2017 bis 27.06.2017 für rechtmäßig erklärt.

II. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1.       Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Ungarn. Sie wurde am 25.06.2017 festgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass sie erst wenige Tage zuvor aufgrund eines Aufenthaltsverbots abgeschoben worden war.

2.       Mit Bescheid vom 25.06.2017 wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG angeordnet. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass gegen sie ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe und sie bereits mehrfach in den Herkunftsstaat abgeschoben worden sei. Zudem verfüge sie über keinen festen Wohnsitz, sei für die Behörden nicht greifbar und in keiner Form im Bundesgebiet integriert. Aufgrund des bisherigen Verhaltens liege die für die Anordnung der Schubhaft erforderliche ultima-ratio-Situation vor und sei die Schubhaft auch verhältnismäßig. Zudem bestünden keine Zweifel an der Haftfähigkeit.

3.       Am 27.06.2017 wurde die Beschwerdeführerin erfolgreich auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben.

4.       Am 06.07.2017 wurde die Beschwerdeführerin erneut im Bundesgebiet festgenommen. Am folgenden Tag erfolgte die Anordnung der Schubhaft; am 11.07.2017 die erneute Abschiebung.

5.       Am 18.07.2017 erfolgte eine neuerliche Schubhaftanordnung; die Abschiebung wurde am 20.07.2017 vollzogen.

6.       Am 04.08.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG (samt Vollmachtsbekanntgabe) – ausschließlich bezogen auf die Schubhaft von 25.06.2017 bis 27.07.2017 - ein. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sie sich beim Verein Neustart in Betreuung befinde und an dessen Adresse obdachlos gemeldet sei. Sie habe im relevanten Zeitraum auch eine Zuweisung für ein Frauen-Notquartier gehabt. Dies habe sie der Polizei auch schon früher mitgeteilt. Die behauptete Fluchtgefahr habe tatsächlich nicht bestanden. Zudem habe das Bundesamt nicht dargelegt, warum allenfalls nicht mit der Anordnung des gelinderen Mittels das Auslangen hätte gefunden werden können. Angesichts einer Abschiebung binnen zwei Tagen wäre die Anordnung der Schubhaft „von Vornherein nicht notwendig gewesen“. Durch das Unterlassen einer mündlichen Einvernahme habe das Bundesamt den Bescheid auch mit einem wesentlichen Verfahrensfehler belastet.

Beantragt werde daher, a) den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, sowie b) der belangten Behörde den Kostenersatz aufzuerlegen.

Der Beschwerde beigelegt waren eine Bestätigung über die Nächtigungsmöglichkeit sowie ein mit 03.08.2017 datiertes Schreiben („Betreuungsbestätigung“) des Verein Neustart – gerichtet an die damals bevollmächtigte Vertreterin.

7.       Am 07.08.2017 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme des Bundesamtes wurde auf die Vorstrafen und das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin verwiesen. Beantragt wurden die Abweisung der Beschwerde sowie der Ersatz des Aufwandes.

8.       Im Jahr 2017 wurde die Beschwerdeführerin noch viermal (für jeweils wenige Tage) in Polizeianhaltezentren angehalten. Weitere achtmal 2018 und zuletzt im Juni/Juli 2019 (damals rund fünf Wochen). Zudem wurde sie 2018/2019 sieben Monate in Justizhaft angehalten. Beschwerden gegen die Anhaltungen/Abschiebungen in dieser Zeit wurden beim Bundesverwaltungsgericht nicht eingebracht.

9.       Das Vertretungsverhältnis erlosch mit 31.12.2020; eine neue/alternative Vertretung wurde dem Bundesverwaltungsgericht nicht bekannt gegeben.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Ungarn. Ihre Identität steht fest. Sie war nie Asylwerberin. Die Beschwerdeführerin ist trotz eines seit 2009 bestehenden, rechtskräftigen Aufenthaltsverbot (bis 2019) im Juni 2017 erneut in das Bundesgebiet eingereist. Dies im Übrigen keineswegs zum ersten Mal – vielmehr erfolgten gleichartige Einreisen bereits (mehrfach) 2009, 2010, 2011, 2013, 2014, 2015 und 2016. Allein im Jahr 2017 (vor der hier relevanten Einreise) war sie nach illegaler Einreise bereits neunmal abgeschoben worden. Während dieser Zeit wurde sie in Österreich zu vier mehrmonatigen Freiheitsstrafen (insgesamt 48 Monate) verurteilt. Die Beschwerdeführerin war in Österreich zum Zeitpunkt der hier verfahrensgegenständlichen Schubhaftanordnung bereits insgesamt sechsmal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden. Sie ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig.

Sie war nach illegaler Einreise am 25.06.2017 neuerlich im Bundesgebiet festgenommen worden; am selben Tag wurde die Schubhaft angeordnet. Die Schubhaft wurde durch Abschiebung am 27.06.2017 beendet. Nur wenige Tage vor der Festnahme war sie zum letzten mal abgeschoben worden.

Die Beschwerdeführerin verfügte zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung über keinen aufrechten Wohnsitz. 2016 verfügte sie rund 2 Monate lang über eine reguläre Hauptwohnsitzmeldung in Feldkirch; davon abgesehen war sie lediglich in Polizeianhaltezentren und Justizanstalten hauptgemeldet. Zudem verfügte sie von 21.12.2016 bis 31.12.2016 über eine „Obdachlos“-Meldung beim Verein Neustart. Für 2017 (bis zur Festnahme) erfolgten nur Hauptmeldungen in Polizeianhaltezentren.

Die Beschwerdeführerin war in Österreich nicht berufstätig und im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (faktisch) mittellos. Die Beschwerdeführerin verfügte in Österreich weder über einen gesicherten Wohnsitz noch über ein existenzsicherndes Vermögen oder Einkommen.

In Österreich befinden sich keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin. Sie ist weder beruflich noch sozial integriert. Die Beschwerdeführerin war bei ihrer Anhaltung in Schubhaft grundsätzlich gesund sowie jedenfalls haftfähig.

Sie wurde vor Einbringung der gegenständlichen Beschwerde nach Ungarn abgeschoben. Eine Beschwerde gegen die Abschiebung wurde nicht eingebracht. Auch gegen weitere Schubhaftanordnungen und Abschiebungen in den Jahren 2017, 2018 und 2019 wurden keine Beschwerde eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1.    Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes sowie und den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

1.2.    Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit ergeben sich aus der Aktenlage und sind ebenso unstrittig wie jene zum asyl- und fremdenrechtlichen Status. Die strafrechtlichen Verurteilungen sind im Strafregister registriert und wurden im Verfahren auch nicht bestritten. Dies gilt auch für die vollzogenen Abschiebungen seit Erlassung des Aufenthaltsverbots. Das Bestehen eines Aufenthaltsverbots wurde nicht bestritten. Die fehlende Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus den strafrechtlichen Verurteilungen sowie dem regelmäßigen absichtlichen Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen (Einreise trotz aufrechten Aufenthaltsverbots).

1.3.    Die Feststellungen zu den Meldungen im Bundesgebiet sind dem Zentralen Melderegister entnommen. Die Beschwerdeführerin verfügte auch nie über eine „Hauptwohnsitzmeldung“ bei Neustart, sondern lediglich über eine Obdachlosenmeldung. Eine Wohnmöglichkeit hat an dieser Adresse nie bestanden. Die diesbezügliche tatsachenwidrige Behauptung im Schreiben vom 03.08.2017 ist offenkundig einem Lapsus der verfassenden Sozialarbeiterin bei der Benutzung juristischen Vokabulars geschuldet.

1.4.    Das Fehlen substantieller sozialer sowie beruflicher und familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlange und wird in der Beschwerde auch nicht bestritten. Die Beschwerdeführerin gab etwa erst am 18.07.2017 an, ihre drei Kinder würden nicht in Österreich leben; die minderjährige Tochter sei in Ungarn in einem Krisenzentrum untergebracht. Die – ebenfalls nicht bestrittene – faktische Mittellosigkeit ist aktenkundig.

1.5.    Anzeichen für schwerwiegende gesundheitliche Beschwerden sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Aus dem Dargestellten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung und während der Anhaltung haftfähig war und wurde dies auch nicht angezweifelt.

1.6.    Die Feststellungen zu den weiteren fremdenrechtlichen Maßnahmen gegen die Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere einem rezenten ZMR-Auszug. Beim Bundesverwaltungsgericht wurden keine weiteren Beschwerden der Beschwerdeführerin registriert.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, in der damals gültigen Fassung, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, lautet in der damals geltenden Fassung:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem bis dato unbekannten Aufenthalt sowie dem Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 1, 2 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG.

3.2. Die Beschwerdeführerin ist trotz eines seit 2009 bestehenden, rechtskräftigen Aufenthaltsverbot (bis 2019) im Juni 2017 erneut in das Bundesgebiet eingereist. Dies im Übrigen keineswegs zum ersten Mal – vielmehr erfolgten gleichartige Einreisen samt Abschiebungen bereits (mehrfach) 2009, 2010, 2011, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017. Die Erfüllung der Ziffer 2 des § 76 Abs. 3FPG ist damit zweifelsfrei gegeben – dem wurde auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich Ziffer 1 ergibt sich aus dem ZMR, dass die Beschwerdeführerin bei Festnahme über keinen gemeldeten Wohnsitz in Österreich verfügte und auch die Obdachlosenmeldung an der Adresse des Vereins Neustart bereits am 31.12.2016 beendet worden ist. Die Nächtigungsmöglichkeit in einem Notquartier für Obdachlose geht nicht mit einer Meldung einher und ändert daher nichts am Aufenthalt im Verborgenen. Im Übrigen wurde der diesbezügliche Zuweisungsschein durch „Neustart“ bereits am 23.06.2017 ausgestellt – also zwei Tage vor der Festnahme/Schubhaftanordnung – und hat die Beschwerdeführerin danach keinen Kontakt mit den Behörden aufgenommen. Entscheidend für den Aufenthalt im Verborgenen – der im hier relevanten Fall dazu geeignet sein muss, eine Abschiebung zu umgehen oder zu behindern – ist die fehlende Zugriffsmöglichkeit für die Behörden. Der Beschwerdeführerin war auch zweifelsfrei bereits am 23.06.2017 bewusst, dass ein Aufgriff durch oder ein Kontakt mit der Polizei umgehend in eine weitere Anhaltung und Abschiebung münden würde. Ebenso war ihr bewusst, dass auch die von ihr kontaktierten Vereine/Institutionen ihren Aufenthalt nicht den Behörden mitteilen würden. Es besteht daher kein Zweifel, dass sie ganz bewusst ihren erneuten rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet verborgen hat um eine neuerliche Abschiebung zu umgehen. Dem kann auch nicht entgegenstehen, dass die Beschwerdeführerin bei ihren geradezu gewohnheitsmäßigen rechtswidrigen Aufenthalten im Bundesgebiet laufend dieselben Institutionen aufsuchte.

3.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid zudem auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin weder über substanzielle soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet noch über ausreichend Existenzmittel verfügt. Insbesondere verfügte die Beschwerdeführerin bei Anordnung der Schubhaft über keine gesicherte Unterkunft und über keinerlei familiäre und berufliche Anknüpfungspunkte. Berufliche, familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte zum Bundesgebiet wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Hinsichtlich der Obdachlosenmeldung beim Verein Neustart ist festzuhalten, dass eine solche weder einen (rechtlichen) Hauptwohnsitz noch einen (faktischen) „gesicherten Wohnsitz“ im Sinne der genannten Bestimmung darstellt. Selbst eine Nächtigungsmöglichkeit war der Beschwerdeführerin in diesen Büroräumlichkeiten nicht eingeräumt. Unabhängig davon ist diese Obdachlosenmeldung aber bereits am 31.12.2016 ausgelaufen und war daher zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung am 25.06.2017 nicht aufrecht. Sie wurde auch seither nicht mehr wiederhergestellt.

Ergänzend ist anzumerken, dass das im Rahmen der Beschwerde vorgelegte Schreiben von „Neustart“ (datiert mit 03.08.2017) offensichtlich auf Ersuchen der damaligen Vertreterin der Beschwerdeführerin verfasst worden ist. Klar erkennbar ist aus dem Wortlaut zudem, dass die verfassende Sozialarbeiterin nicht weiß, was einen „Hauptwohnsitz“ ausmacht. Dass die Beschwerdeführerin sich laut diesem Schreiben in „freiwilliger Betreuung“ befinde, die aber durch wiederkehrende Schubhaften beeinträchtigt werde, belegt überdies, dass „Neustart“ der fremdenrechtliche Hintergrund dieser Problematik – das rechtskräftige Aufenthaltsverbot - nicht bewusst ist. Zweifelsfrei nicht gegeben ist in diesem Fall ein Spannungsverhältnis zwischen behördlichen/gerichtlichen Entscheidungen – die gerichtliche Anordnung einer Betreuung durch „Neustart“ (trotz oder ungeachtet des Aufenthaltsverbots) wurde weder vom Verein selbst noch in der Beschwerde behauptet und es finden sich auch keine Hinweise für eine solche Anordnung im Akt.

3.4. Auch die (belegte) Nächtigungsmöglichkeit in einem Notquartier für Obdachlose – die nicht mit einer Wohnsitzmeldung einhergeht – stellt jedenfalls keinen gesicherten Wohnsitz dar. Dass sich die Beschwerdeführerin mit einer gewissen Regelmäßigkeit an dieser Örtlichkeit aufhält, kann daran nichts ändern. Ganz grundsätzlich ist zudem festzuhalten, dass das Vorliegen eines Einzelkriteriums der Ziffer 9 dem Vorliegen einer Fluchtgefahr schon grundsätzlich entgegensteht.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt nachvollziehbar dargelegt, dass die Nächtigungsmöglichkeit in einer Obdachlosenunterkunft und der Kontakt mit „Neustart“ in Zusammenschau mit den übrigen Kriterien nicht dazu geeignet ist, den Beschwerdeführer von einem Aufenthalt im Verborgenen abzuhalten und dementsprechend zu Recht Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß angenommen.

3.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich die Beschwerdeführerin als in besonderem Maß nicht vertrauenswürdig erwiesen hat – was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

Dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach ein gelinderes Mittel unter Verweis auf die Entscheidung VwGH 20.10.2016, Ra 2015/21/0091 ausreichend gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, dass der angeführten Entscheidung ein substanziell anderer Sachverhalt zugrunde liegt – insbesondere eine aufrechte und gepflegte Beziehung zu ihrem in Österreich lebenden (dreijährigen) Kind samt belegter Wohnmöglichkeit bei ihrem früheren Lebensgefährten. Dazu kommt der Entfall der fehlenden Vertrauenswürdigkeit aufgrund systematischer Missachtung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbots.

3.6. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung der Beschwerdeführerin nach Ungarn nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen sehr kurzer Frist möglich ist. Die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Abschiebungen nach Ungarn fanden statt; die Beschwerdeführerin war auch schon zuvor mehrfach binnen weniger Tage Anhaltung nach Ungarn abgeschoben worden. Die damals absehbare Anhaltedauer betrug auch nur wenige Tage – konkret wurde die Beschwerdeführerin am 27.06.2017 in ihren Herkunftsstaat abgeschoben. Im Übrigen wurde auch in der Beschwerde nie ein Zweifel an der Möglichkeit einer raschen Abschiebung geäußert.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit der Beschwerdeführerin und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

3.7. Der in der Beschwerde behauptete grundsätzliche Ausschluss der Schubhaft bei Anhaltungen von wahrscheinlich weniger als 72 Stunden ist gesetzlich nicht normiert und auch dem angeführten Erkenntnis VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, nicht zu entnehmen. Dieses behandelt – im Übrigen bei (sehr) gering ausgeprägter Fluchtgefahr – ausschließlich die Anordnung „weniger eingriffsintensiver Maßnahmen nach § 77 Abs. 5 FPG“ („gelinderes Mittel“). Deren Anwendung war allerdings im gegenständlichen Fall (siehe dazu oben Punkt II.3.5.) angesichts der bestehenden Fluchtgefahr nicht hinreichend um den erforderlichen Sicherungszweck zu erfüllen.

Soweit dem Bundesamt bei (voraussichtlich) sehr kurzfristig durchführbaren Abschiebungen (auch) die Möglichkeit einer Verwaltungsverwahrungshaft von bis zu 72 Stunden (ohne Bescheid) zur Verfügung steht, ist diese einer Schubhaft hinsichtlich der grundsätzlichen Eingriffsintensität (Freiheitsentziehung) jedenfalls gleichzusetzen. Für die Annahme, dass voraussichtliche (zeitliche) Auslangen einer solchen Anhaltung stünde der Anordnung einer Schubhaft grundsätzlich entgegen, gibt es weder im Gesetz noch in der zitierten Judikatur einen Hinweis.

Schließlich belastet auch die Unterlassung einer niederschriftlichen Einvernahme den hier relevanten Mandatsbescheid nicht mit Rechtswidrigkeit. In der Beschwerde konnte nicht dargelegt werden, dass entscheidungsrelevante Sachverhaltselemente nicht erfasst worden wären. Dies insbesondere auch, weil sich die in der Beschwerde angesprochenen einschlägigen Sachverhaltselemente (Hauptwohnsitz; aufrechte Meldung) teils als tatsachenwidrige Behauptungen erwiesen haben. Zur Erlassung eines Mandatsbescheides ist eine Einvernahme der Betroffenen auch nicht zwingend erforderlich.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Durch Einträge in öffentlichen Registern (ZMR, Strafregister, etc.) belegte oder widerlegte Tatsachen beziehungsweise Sachverhaltselemente bedürfen ebenfalls keiner mündlichen Erörterung.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind. Die Erläuterung von Rechtsfragen in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Der Beschwerdeführerin gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsverbot Fluchtgefahr Kostenersatz Mittellosigkeit Obsiegen öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W137.2166730.1.00

Im RIS seit

18.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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