Entscheidungsdatum
04.03.2021Norm
AsylG 2005 §58 Abs10Spruch
W220 2135843-5/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ghana, vertreten durch Dr. Gregor KLAMMER, Rechtsanwalt in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2020, ZI.: 1028778501/200441581, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.08.2014 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er mit einer Verfolgung aufgrund seiner Tätigkeit als Priester begründete. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 05.09.2016 ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ghana; die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2017, Zl.: W159 2135843-1/11E, als unbegründet abgewiesen.
Am 25.10.2017 stellte der Beschwerdeführer einen ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 22.05.2018 ab und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ghana; die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2018, Zl.: W184 2135843-2/2E, als unbegründet abgewiesen.
Am 27.06.2018 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er mit einer Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität begründete. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 29.11.2018 wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ghana; die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2019, Zl.: I407 2135843-3, als unbegründet abgewiesen.
Am 22.07.2019 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 28.08.2019 wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ gegen den Beschwerdeführer eine mit einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ghana. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, ZI.: I403 2135843-4/9E, als unbegründet abgewiesen, wobei hinsichtlich der gegen den Beschwerdeführer erlassenen, mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung begründend im Wesentlichen dargelegt wurde, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfüge. Er habe durchaus einige Schritte zur Integration gesetzt, verfüge über einen Freundes- und Bekanntenkreis, gehöre einer christlichen Kirche und einem Verein zur Unterstützung von Homosexuellen an und verkaufe eine Straßenzeitung. Er halte sich seit etwas über fünfeinhalb Jahren im österreichischen Bundesgebiet auf und habe in diesem Zeitraum drei unbegründete Anträge auf internationalen Schutz und einen ebenfalls abgewiesenen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Es würden keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vorliegen; der Beschwerdeführer habe zwar die B1-Prüfung absolviert und sei ehrenamtlich tätig, doch könne von einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung nicht gesprochen werden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe zu Recht ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren erlassen, da der Beschwerdeführer mittellos sei, seine Ausreiseverpflichtungen missachtet habe, beharrlich illegal im österreichischen Bundesgebiet verlieben sei und zeitweise seinen Meldeverpflichtungen nicht nachgekommen sei bzw. seine Mitwirkungspflicht im Verfahren über seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz verletzt habe.
Am 04.06.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen zweiten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 und führte begründend aus, dass er sich seit August 2014 durchgehend in Österreich befinde, die deutsche Sprache auf dem Niveau B1 beherrsche, in Österreich einen großen Freundeskreis habe und ehrenamtlich tätig sei; in Ghana könne er auf kein bestehendes Versorgungsnetzwerk zurückgreifen, weshalb ihm eine unmenschliche Behandlung bevorstehen würde. Er stelle den Antrag auf Heilung des Mangels der Vorlage eines Reisepasses gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV 2005, da er keinen Reisepass besitze. Aufgrund angeführter Integrationsverfestigung beantrage er, dass ihm ein humanitärer Aufenthaltstitel zuerkannt würde.
Dem Beschwerdeführer wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 30.09.2020 Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme im Verfahren über seinen gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gegeben. Diese nahm der Beschwerdeführer im Weg seines ausgewiesenen Rechtsvertreters mit Schreiben vom 19.10.2020 wahr und legte im Wesentlichen dar, dass sich seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.03.2020 der maßgebliche Sachverhalt nicht wesentlich geändert habe. Es würde eine Bestätigung über den Verkauf einer Straßenzeitung vorgelegt; aktuell befinde sich der Beschwerdeführer in der Grundversorgung, verfüge über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und ein soziales Netzwerk. Eine Rückkehr nach Ghana sei ihm aufgrund seiner Homosexualität und mangels familiären Netzes sowie Reisepasses nicht zumutbar. Die Behörde möge daher zu dem Schluss gelangen, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen sei.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 02.11.2020, ZI.: 1028778501/200441581, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 04.06.2020 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass seit dem Vorverfahren, welches am 11.03.2020 abgeschlossen worden sei, keine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten sei. Zwischen dem Zeitpunkt der nunmehrigen Bescheiderlassung und der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung liege nur ein sehr kurzer Zeitraum, sodass sich auch der Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers nicht wesentlich verlängert habe. Sowohl die Sprachkenntnisse als auch die Umstände der Lebensführung des Beschwerdeführers seien unverändert; eine Einstellungszusage habe noch nicht ein solches Gewicht, dass sie im Hinblick auf Art. 8 EMRK eine potentiell andere Beurteilung des Antrages ermöglichen würde. Gemäß § 59 Abs. 5 FPG sei die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung nicht notwendig.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 03.12.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte zusammengefasst vor, dass die Zurückweisung des Antrages zu Unrecht erfolgt sei, da der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit Deutschkurse absolviert und eine Einstellungszusage vorgelegt habe; aufgrund der weiteren Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers hätte die Behörde daher inhaltlich entscheiden müssen. Zudem sei bedingt durch Corona die Einreise nach Ghana nicht oder nur sehr schwer möglich und habe die Behörde missachtet, dass der Beschwerdeführer über keinen Reisepass verfüge und die ghanaische Botschaft ihm trotz intensiver Bemühungen keinen Reisepass ausgestellt habe. Da der Beschwerdeführer „somit in Österreich geduldet“ sei gehe er davon aus, dass ihm „u.U. von Amts wegen ein Titel nach § 57 AsylG“ zu gewähren sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Gegen den Beschwerdeführer wurde eine mit einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot verbundene, rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen (Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2019, dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, ZI.: I403 2135843-4/9E, zugestellt am 11.03.2020).
Am 04.06.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, welchen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 02.11.2020, ZI.: 1028778501/200441581 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückwies. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK geht im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers kein geänderter Sachverhalt gegenüber der gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung hervor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur gegen den Beschwerdeführer erlassenen, mit einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot verbundenen, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergibt sich aus dem Akteninhalt und einer Einsichtnahme in das Verfahren am Bundesverwaltungsgericht zu 2135843-4, insbesondere das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, ZI.: I403 2135843-4/9E, und dem diesbezüglichen Zustellprotokoll.
Die Feststellungen zur Stellung des gegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, dessen Zurückweisung mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und die fristgerechte Beschwerdeerhebung ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt (insbesondere AS 1ff, 69ff und 87ff).
Die Feststellung, dass aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers kein geänderter Sachverhalt gegenüber der gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung hervorgeht, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, ZI.: I403 2135843-4/9E, in Verbindung mit der vorgelegten Antragsbegründung samt Integrationsunterlagen (AS 9ff), wurde bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt und in der Beschwerde nicht bestritten:
Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, ZI.: I403 2135843-4/9E, wurde hinsichtlich der gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassenen, mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung begründend dargelegt, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfüge. Er habe durchaus einige Schritte zur Integration gesetzt, verfüge über einen Freundes- und Bekanntenkreis, gehöre einer christlichen Kirche und einem Verein zur Unterstützung von Homosexuellen an und verkaufe eine Straßenzeitung. Er halte sich seit etwas über fünfeinhalb Jahren im österreichischen Bundesgebiet auf und habe in diesem Zeitraum drei unbegründete Anträge auf internationalen Schutz und einen ebenfalls abgewiesenen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Es würden keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vorliegen; der Beschwerdeführer habe zwar die B1-Prüfung absolviert und sei ehrenamtlich tätig, doch könne von einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung nicht gesprochen werden.
Der Antragsbegründung zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ist in Übereinstimmung mit diesen (im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung und der rechtlichen Beurteilung des genannten Erkenntnisses getroffenen) Erwägungen stehend zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Deutsch spreche (B1 Zertifikat), einen Freundeskreis habe, Mitglied diverser Vereine und Organisationen sei und ehrenamtlich in Österreich arbeite. Sämtliche, vom Beschwerdeführer dazu vorgelegten Integrationsunterlagen (insbesondere Integrationsprüfungsbestätigung Niveau B1, ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, Integrationsbestätigung eines Vereines, Deutschkursbestätigung, Integrationsbestätigung einer Christlichen Apostolischen Internationalen Kirche) datieren aus dem Jahr 2019 und Februar 2020 und zeigen zudem keine über den im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, ZI.: I403 2135843-4/9E, gewürdigten Sachverhalt hinausgehenden, integrationsbegründenden Aspekte auf.
In der Beschwerde finden sich keine Hinweise darauf, inwiefern sich der Sachverhalt – abgesehen von der Zeitdauer von etwa acht Monaten zwischen Erlassung der gegen den Beschwerdeführer bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides – im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers geändert hätte. Mit dem unsubstantiierten Vorbringen, dass „Corona bedingt die Einreise nach Ghana derzeit auf Grund der Einschränkungen des gesamten Flugverkehrs, nicht oder nur sehr schwer möglich“ sei und der pauschalen Behauptung, dass der Beschwerdeführer über keinen Reisepass verfüge, dies trotz intensiver Bemühungen, einen solchen zu erlangen, wurde eine derartige Änderung nicht einmal ansatzweise dargetan.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig.
3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Gemäß § 55 Abs. 1 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 sind Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und äußerster Rahmen seiner Prüfbefugnis ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des bei ihm angefochtenen Bescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH 29.01.2020, Ra 2018/08/0234, Rn 23, mwN). Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, ist Sache eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 04.07.2019, Ra 2017/06/0210, Rn 17, mwN).
„Sache“ im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist daher im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages vom 04.06.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
3.2.2. Der Beschwerdeführer stellte am 04.06.2020 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.
Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 sind gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt in diesem Sinn liegt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine – der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete – Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Wie beweiswürdigend dargelegt, geht aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers kein geänderter Sachverhalt gegenüber der gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung hervor. Der Beschwerdeführer machte sowohl im verfahrenseinleitenden Antrag als auch in der Beschwerde in Bezug auf sein Privat- und Familienleben ausschließlich Umstände geltend, die schon zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes über die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung bestanden haben und lässt sich aus seinem Antrag insofern nichts erkennen, was auf einen zu seinen Gunsten „geänderten“ Sachverhalt hindeuten würde.
Allein die zwischen zwischen Erlassung der gegen den Beschwerdeführer bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides verstrichene Zeit von etwa acht Monaten begründet jedenfalls keine Sachverhaltsänderung, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätte, es wäre eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; zu Fällen der Aufenthaltstitelbeantragung nach einer Zeit von weniger als zwei Jahren nach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und mehr als zehnjährigem Aufenthalt, bei Erwerb von Sprachkenntnissen sowie Vorlage von Einstellungszusagen vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0074; 22.07.2011, 2011/22/0138-0140).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK demnach zu Recht gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 59 Abs. 5 FPG auch zu Recht keine Rückkehrentscheidung erlassen hat, da die gegen den Beschwerdeführer bestehende, aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot verbunden ist und keine neuen Tatsachen hervorgekommen sind, die eine Neubemessung der Dauer des Einreiseverbotes erforderlich gemacht hätten (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht beantragt.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.
Schlagworte
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Sachverhalt ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W220.2135843.5.00Im RIS seit
18.05.2021Zuletzt aktualisiert am
18.05.2021