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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0303Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde 1.) des BM und 2.) der VM, beide in B, beide vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 6. Juli 1995, Zlen. 1.) 301.709/2-III/11/95 und
2.) Zl. 301.709/3-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1995 wurden die jeweils am 26. Jänner 1995 bei der österreichischen Botschaft in Budapest gestellten Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend heißt es in den angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend, die Beschwerdeführer seien nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit Touristensichtvermerken (nach der Aktenlage jeweils mit Geltungsdauer vom 26. Dezember 1994 bis 26. Februar 1995) in das Bundesgebiet eingereist und wollten ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verlängern. Damit liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.
Darüber hinaus hielten sich die Beschwerdeführer seit Ablauf ihrer Touristensichtvermerke unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dadurch zeigten sie, daß sie nicht gewillt seien, die österreichische Rechtsordnung, insbesondere in einem Bereich, der für den geordneten Ablauf eines geregelten Fremdenwesens vorgesehen sei, zu respektieren. Dieser Umstand rechtfertige die Annahme, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführer gefährde die öffentliche Ordnung. Es liege daher auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor, welcher in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG ebenfalls zur Versagung der Bewilligung zu führen habe.
Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen über die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
Die belangte Behörde hat erstmals von den Versagungsgründen des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG Gebrauch gemacht. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so hat sie dies der Partei vorzuhalten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221, und vom 30. Mai 1996, Zl. 95/19/1464).
Dieses Gebot, den Beschwerdeführern Parteiengehör zu gewähren, hat die belangte Behörde in den vorliegenden Fällen mißachtet.
Die Beschwerdeführer erstatten als zulässige Neuerung folgendes Vorbringen:
Es sei ihnen am 23. Dezember 1994 jeweils ein Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer vom 26. Dezember 1994 bis 26. Februar 1995 ausgestellt worden. Während der Geltungsdauer dieses Touristensichtvermerkes seien die Beschwerdeführer zur Einbringung des gegenständlichen Antrages bei der österreichischen Botschaft in Budapest ausgereist. Im Anschluß an die Antragstellung seien sie wieder in das Bundesgebiet eingereist, hielten sich dort jedoch lediglich während der Dauer des Touristensichtvermerkes auf. Nach dessen Ablauf seien sie nach polizeilicher Abmeldung am 27. Februar 1995 wieder ausgereist.
Dieses Vorbringen zeigt die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels in tauglicher Weise auf. Die im Anschluß an die Antragstellung erfolgte Ausnützung eines Touristensichtvermerkes mit anschließender Ausreise vor Bescheiderlassung vermag den Fremden aus dem Gesichtspunkt des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht zu schaden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0785 bis 0787). Bei Zutreffen ihres Vorbringens wäre den Beschwerdeführern auch kein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet für eine ins Gewicht fallende Dauer anzulasten, sodaß auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht vorläge.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da lediglich ein allgemeiner Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz gestellt wurde, waren gemäß § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG nur die tatsächlich entrichteten Stempelgebühren für den Beschwerdeergänzungsschriftsatz im Ausmaß von S 120,-- pro Beschwerdeführer zuzusprechen, obwohl pro Ausfertigung derselben aus dem Grunde des § 12 Abs. 1 GebG S 240,--, insgesamt sohin S 480,-- an Eingabengebühr beizubringen gewesen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zlen. 95/19/0629 bis 0631).
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190240.X00Im RIS seit
02.05.2001