Entscheidungsdatum
05.03.2021Norm
BBG §42Spruch
L518 2237404-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. XXXX als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. XXXX und den fachkundigen Laienrichter Mag. XXXX als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, Zl. OB: XXXX , vom 14.7.2020, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid vom 14.7.2020, Zl. OB: XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden „BF“ bzw. „bP“ genannt) beantragte mit E-Mail vom 19.12.2019, an diesem Tag bei der belangten Behörde (folglich „bB“ bezeichnet) einlangend, aufgrund gravierender Verschlechterung des Bewegungsapparates, gesamte Wirbelsäule sowie beide Füße, die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Am 3.6.2020 wurde der BF durch Dr. XXXX , FA für Orthopädie und Arzt für Allgemeinmedizin, klinisch untersucht und erbrachte ein am 15.6.2020 vidiertes Gutachten, wegen chonischem Schmerzsyndrom HWS und LWS, Bandscheibenprothese C5/C6, beträchtliche Bewegungseinschränkung HWS, radikuläre Ausfälle nicht feststellbar; Schulter Endoprothese re. Prothesenaustausch 2019, deutliche Bewegungseinschränkung; Gut funktionierende Versteifung li. Handgelenk nach Kahnbeinfraktur; Posttraumatische Arthrose re. unteres Sprunggelenk mehrmalige Versteifungsop., OP eines Tasaltunnelsyndroms, zunehmender Überlastungsschmerzen am Vorfuß, Versorgung mit Maßschuhen hat nicht funktioniert; sensibles Carpaltunnelsyndrom re, OP in drei Wochen und Hypertonie, gute Einstellung mit Tabletten, keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde dem BF mit Schreiben vom 16.6.2020 gem. § 45 Abs. 3 AVG mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.
In Ermangelung einer Stellungnahme wurde der Antrag des BF mit im Spruch bezeichnetem Bescheid abgewiesen.
Dagegen erhob der BF binnen offener Frist mit E-Mail vom 27.7.2020 das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, das oben angeführte Parteiengehör nicht erhalten zu haben, weshalb diesem eine Stellungnahme nicht möglich war. Darüber hinaus führte der BF ins Treffen, dass – wie auch dem Sachverständigen mitgeteilt – jeder Schritt schmerzhaft sei, die MRI Befunde mehrere mm große Knochenmarködeme beschreiben und eine OP sehr fraglich sei. Auch trage er Spezialschuhe (Besohlung ca. 5cm hoch und luftgepolstert). Zudem habe er eine Gehstrecke von 500m nie erwähnt, sondern teilte dem Sachverständigen mit, dass er bei jedem Schritt Schmerzen habe.
Am 9.11.2020 wurde der BF durch Dr.in XXXX , FÄ für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin, neuerlich klinisch untersucht und gelangte diese Sachverständige zu einem gleichlautenden Ergebnis.
Das letztgenannte Gutachten wurde dem BF mit der Möglichkeit zur Stellungnahme nachweislich zur Kenntnis gebracht.
Daraufhin brachte der BF Einwände vor und neue Bescheinigungsmittel (aktuelle Befunde) in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend feststand.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl. auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl. auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036) Begründung.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der, gegen die Gutachten gerichteten, sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Ebenso kann die Partei ein Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
Bei Beurteilung der Frage, ob eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist, wäre vor allem auch zu prüfen gewesen, wie sich die bei der bP gegebene dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0242).
Im gegenständlichen Verfahren hat es die bB unterlassen, den Sachverhalt dem Gesundheitszustand der bP entsprechend vollständig zu erheben – dies aus den nachfolgenden Erwägungen:
Zwar führte die Sachverständige bei ihrer Beurteilung aus, dass der BF sicher in seiner Mobilität eingeschränkt sei, kurze Wegstrecken von 300 – 400 m könne er aber aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Auch könnten höhere Niveauunterschiede überwunden und Haltegriffe und –stangen benützt werden und sei der BF nicht sturzgefährdet eine Gutachtenserstellung im engeren Sinn, nämlich die Schlussfolgerungen der Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung die Sachverständige ihre besondere Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, wurden nicht dargelegt. Die bloße Wiedergabe von Richtlinien und Judikatur vermag das medizinische Gutachten im engeren Sinne nicht zu ersetzen.
Insoweit stellt sich das Gutachten sowohl als unzureichend begründet als auch unschlüssig dar.
Das Gutachten lässt eine Auseinandersetzung mit den genannten Beschwerden vermissen, jedoch wird eine solche erforderlich sein, um den sämtlichen Leiden der bP gerecht zu werden und ein abschließendes Gesamtbild der Beeinträchtigungen zu erhalten.
Wie der VwGH auch, wie bereits oben angeführt, aussprach, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar.
Zusammenfassend erfüllt das von der bB für seine Entscheidung herangezogene Sachverständigengutachten nicht die von der einschlägigen Judikatur geforderten Mindestanforderungen und leidet dadurch an einem wesentlichen Mangel (VwGH vom 17.02.2004, 2002/06/0151). Dies hat zur Folge, dass seitens der bB die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, indem der Sachverhalt iSd § 37 AVG nicht ausreichend ermittelt wurde, keine Berücksichtigung fanden. Bei Einhaltung der gebotenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen hätte die bB ihre Entscheidung aufgrund einer anderen, nämlich umfassenderen Befund- und Beweislage, getroffen.
Dabei ist auch zu Berücksichtigen, dass das erstgenannte medizinische Gutachten dem BF zwar mit Schreiben der bB vom 16.6.2020 übermittelt, jedoch nicht nachweislich mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht wurde, weshalb insoweit das Recht auf Parteiengehör verletzt wurde.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1 im Generellen und die in den Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Dies auch unter dem Aspekt, dass, um eine Entscheidung in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren treffen zu können, vorher vom Bundesverwaltungsgericht noch notwendige ergänzende Ermittlungen durch Einholung von weiteren Sachverständigengutachten vorzunehmen wären. Dementsprechend würde es das Verfahren iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nicht beschleunigen und auch keine Kostenersparnis mit sich bringen. Die Behörde ist in diesem Fall an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gegenständliche Entscheidungsform stellt nach Ansicht des ho. Gerichtes ein verfahrensökonomisches Instrument, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche verfahrensbeschleunigende Wirkung, dar, welches generell vorab durch die Behörde zu prüfen und einzelfallbezogen in Betracht zu ziehen wäre.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
3.4. Steht der maßgebliche Sachverhalt fest oder ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Hierzu führt der VwGH aus, dass angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG, der gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG auch von der österreichischen Vertretungsbehörde auf ein von ihr geführtes behördliches Verfahren anzuwenden ist (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609), ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis einer Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es mit den ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren tragenden Grundsätzen des Parteiengehörs und der freien Beweiswürdigung unvereinbar, einen Bescheid auf Beweismittel zu stützen, welche der Partei nicht zugänglich gemacht worden sind (vgl. VwGH 25.9.2014, 2011/07/0006, mwN; das gilt auch für Erkenntnisse des BVwG). Dem Parteiengehör unterliegt nicht nur eine von der Behörde getroffene Auswahl jener Ergebnisse des Beweisverfahrens, welche die Behörde zur Untermauerung der von ihr getroffenen Tatsachenfeststellungen für erforderlich hält, sondern der gesamte Inhalt der Ergebnisse der Beweisaufnahme. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Falle des Nichtzurkenntnisbringens einer Sachverständigenäußerung (nur) dann keine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehöres vor, wenn der Inhalt des Gutachtens in allen wesentlichen Teilen bereits im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegeben wurde und die Partei dadurch die Möglichkeit hatte, im Zuge des Berufungsverfahrens diesem Gutachten wirksam entgegenzutreten, wobei der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG sowohl der Befund als auch die darauf (als Gutachten) beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlussfolgerungen unterliegen (vgl. VwGH 24.5.1994, 93/04/0196; 27.2.2015, 2012/06/0022; diese Rechtsprechung ist auf die Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz übertragbar), (VwGH vom 25.09.2019, Ra 2019/19/0380).
Infolge der Verabsäumung der belangten Behörde, Parteiengehör einzuräumen, stellt in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof insoweit nachgetragenes Vorbringen keine unbeachtliche Neuerung dar (Hinweis E vom 22. Juni 2005, 2001/12/0077, und E vom 28. Juni 2011, 2011/01/0142), (VwGH vom 16.09.2013, 2013/12/0060).
Zum Parteiengehör gehört auch die Möglichkeit, der Ergänzung eines Sachverständigengutachtens auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, sofern das Verwaltungsgericht entscheidungswesentliche Feststellungen maßgeblich auf dieses Beweismittel stützt (vgl. VwGH 27.6.2012, 2011/12/0109 - 0111; 10.10.2016, Ra 2016/04/0092, Rn. 11), (VwGH vom 17.12.2019, Ro 2018/04/0012).
Im Verwaltungsverfahren ist das "Überraschungsverbot" zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (für viele: Erk. vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0032 mwN).
Die ständige Rechtsprechung des VwGH, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, wird auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwG übertragen - eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das VwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat.
Das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot gilt nur im Falle des gewährten Parteiengehörs (VwGH vom 14.12.2015, Ra 2014/11/0013).
3.5. Wie bereits festgestellt und in der Beweiswürdigung erörtert, hat die bB den gegenständlich bekämpften Bescheid auf ein Beweismittel gestützt, welches der bP nicht zugänglich gemacht worden ist. Der gesamte Inhalt der Beweisaufnahme unterliegt aber dem Grundsatz des Parteiengehörs und wäre die bB verpflichtet gewesen, der bP das Sachverständigengutachten – also sowohl den Befund als auch die darauf beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlussfolgerungen – zur Kenntnis zu bringen. Da die bB dies aber unterlassen hat, ist dies mit den ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren tragenden Grundsätzen des Parteiengehörs und der freien Beweiswürdigung unvereinbar.
Die Relevanz dieses Verfahrensmangels kann auch nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, weil – wie das weitere Beschwerdeverfahren aufzeigt – es der bP weder möglich war, mangels Kenntnis des gesamten Gutachtens etwaige Unstimmigkeiten oder Unrichtigkeiten festzustellen und zu bekämpfen noch zu prüfen, ob Einwendungen gegen den Sachverständigen bestehen könnten. Vielmehr eröffnete sich dem erkennenden Senat, nach erfolgter Gewährung des Parteiengehörs betreffend des zweitgenannten Sachverständigenbeweises, dass der BF der Entscheidung substantiiert entgegentrat und sohin ein neuerliches Gutachten, in welchen insbesondere auch die aktuellen Befunde zu erörtern sein werden und auch begründend darzutun sein wird, weshalb der bzw. die Sachverständige im Gutachten aus medizinischer Sicht dennoch zu dem Ergebnis gelangt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Dabei wäre es auch erforderlich, aus medizinischer Sicher plausibel und schlüssig darzulegen, wie sich die Bewegungseinschränkung hinsichtlich der Schulter Endoprothese re. bzw. der Z.n. Versteifung li. Handgelenk nach Kahnbeinfraktur bei der Benützung von Haltegriffen bzw. –stangen äußert bzw. inwieweit diesbezüglich bei der Benützung eine Einschränkung besteht. Ebenso wird aus medizinischer Sicht darzulegen sein, inwieweit sich die degenerative Hals- und Lendenwirbelveränderung und Bandscheibenprothese die Posttraumatische Arthrose re unteres Sprunggelenk nach mehrmaligen VersteifungsOP und Überlastungsschmerzen am Vorfuß sowie auch der Knick-Platfuß mit massivem Überlastungssyndrom im TarsometatarsalgelenkII mit Ödembildung die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (Überwinden von Höhenunterschiede, ausreichend sicheres Stehen und gehen in einem sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmittel, während der Sitzplatzsuche udgl) ausreichend sicher und standfest ist. Auch werden ggf. dem Gutachten widerstreitende Bescheinigungsmittel zu behandeln sei, weshalb das Gutachten von den bzw. dem Bescheinigungsmittel abweicht.
Obig angeführte Ermittlungsmängel liegen aus Sicht des erkennenden Gerichtes vor und ist der Bescheid nach § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und zur neuerlichen Erlassung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Dies auch unter dem Aspekt der Raschheit und Wirtschaftlichkeit iSd § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, da aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten des BVwG das anhängige Verfahren mit Sicherheit nicht rascher, sondern nur kostenintensiver im Vergleich zum Sozialministeriumservice durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten, durchgeführt werden kann.
Zwar geht der VwGH davon aus, dass seine ständige Rechtsprechung, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwG übertragen wird – eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das VwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (vgl. VwGH vom 10.9.2015, Ra 2015/09/0056).
Es stellt sich nun aber allgemein die Frage, ob das Verwaltungsgericht immer verhalten ist, das aufgrund des nicht gewährten Parteiengehörs mangelhafte Ermittlungsverfahren zu ergänzen oder sogar über weite Strecken erstmals zu führen bzw. hierdurch der Behörde die Möglichkeit eingeräumt werden soll, den Grundsatz des Parteiengehörs systematisch zu ignorieren, sich so der Verpflichtung zur Ermittlung eines wesentlichen Teiles des maßgeblichen Sachverhaltes bzw. dessen rechtlicher Würdigung zu entledigen und diese Ermittlungstätigkeit gezielt auf das Verwaltungsgericht abzuwälzen.
Der VwGH misst der Gewährung des Parteiengehörs hohe Bedeutung bei und zeigt die ständige Rechtsprechung, dass das Parteiengehör zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates bzw. eines fairen Verfahrens gehört (vgl. VwGH vom 01.09.2015, 2013/15/0295 sowie VwGH vom 29.05.2013, 2011/01/0241) und die völlige Vernachlässigung des Parteiengehörs einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, der als willkürliches Vorgehen der Behörde und Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu qualifizieren ist.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen wurde. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des Administrativverfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter "neuen Tatsachen" jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des Administrativverfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP "neue Tatsachen" vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind. Die Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht.
Die neu geschaffene Bestimmung des § 46 3. Satz leg. cit. hat zur Folge, dass der bP bei Verletzung des Parteiengehörs durch die bB jedwede Möglichkeit eines Vorbringens, insbesondere zu den eingeholten Sachverständigengutachten, genommen wird. In Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung wird dadurch die Stellung der bP im Rechtsmittelverfahren derart eingeschränkt, dass dadurch kein faires Verfahren nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaates gewährleistet ist. Beispielsweise wird dies der Fall sein, wenn eine medizinisch relevante Tatsache von der bP zwar vorgebracht wurde, aber keinerlei Berücksichtigung im Ermittlungsverfahren vor der bB gefunden hat. Bedingt durch das Beschwerdevorbringungsregulativ kann seitens des Gerichtes im Zuge des Beschwerdeverfahrens dieser Umstand, je nach konkretem Sachverhalt, nicht berücksichtigt werden.
Aufgrund der Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren vor der Behörde greift hier die oben angeführte Neuerungsbeschränkung nicht und wäre auch das spätere Vorbringen der bP bei der Entscheidungsfindung mitzuberücksichtigen und hätte die Gewährung der Parteienrechte einen umfassenderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben.
Das ho. Gericht verkennt nicht, dass es im Einzelfall zweckmäßig und sinnvoll sein kann, ein durch ein mangelhaft gewährtes Parteiengehör unvollständiges Ermittlungsverfahren im Beschwerdeverfahren zu ergänzen und die Beschwerdesache durch eine meritorische Entscheidung zu finalisieren. Ein solcher Fall liegt hier jedoch aufgrund der nachfolgenden Ausführungen nicht vor:
Im gegenständlichen Fall bestehen aufgrund der identen Vorgansweise der bB in einer Vielzahl von Verfahren konkrete Anhaltspunkte, dass die bB sowohl in diesem Einzelfall, als auch in einer Vielzahl anderer Verfahren den – wie vom VwGH bezeichneten fundamentalen Grundsatz des Parteiengehörs gänzlich ignoriert und so nicht nur in diesem Einzelfall, sondern in einer Vielzahl von Verfahren Willkür übt und gezielt einen essentiellen Teil von Ermittlungen unterlässt. Die bP brachte nunmehr aufgrund der gezielten unterlassenen Ermittlungstätigkeit der bB zulässiger Weise einen neuen Sachverhalt vor. Dieser Sachverhalt ist bei der Entscheidungsfindung jedenfalls zu berücksichtigen. Ebenso wird darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Parteiengehörs regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme der Partei zur Folge hat, wenn sie jenen Sachverhalt, von dem die Behörde ausgeht, für unrichtig bzw. unvollständig hält. Diese Stellungnahme bzw. die im Rahmen dieser Stellungnahme angebotenen Beweismittel sind wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes.
Die bB setzt offensichtlich gezielt auf den Umstand, dass das Verwaltungsgericht den oa. Umstand in seinem Verfahren aufgreift, sich mit dem Vorbringen der bP, welche hier nicht einmal in der Beschwerde die Möglichkeit hatte, sich vom Ermittlungsergebnis Kenntnis zu verschaffen bzw. hierzu Stellung zu nehmen, auseinandersetzt und im Ermittlungsverfahren in angemessener Weise berücksichtigt. Die von der bB gewählte Vorgangsweise führt im gegenständlichen Fall im besonderen Maße zu einem wesentlich komplexeren Beschwerdeverfahren als es der Fall gewesen wäre, wenn die bB ordnungsgemäß das Parteiengehör gewahrt und die Stellungnahme der bP in ihrem Verfahren berücksichtigt und so ihren weiteren Ermittlungen zu Grunde gelegt hätte. Die Verwaltungsbehörde unterließ somit Ermittlungen, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden müssen (vgl. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Zusammenfassend erfüllt das, von der bB für seine Entscheidung herangezogene, sowie auch das zweitgenannte Sachverständigengutachten nicht die von der einschlägigen Judikatur geforderten Mindestanforderungen und leidet dadurch an einem wesentlichen Mangel (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151). Dies hat zur Folge, dass seitens der bB die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, indem der Sachverhalt iSd § 37 AVG nicht ausreichend ermittelt wurde, keine Berücksichtigung fanden.
Aufgrund des organisatorischen Aufbaues der bB und des ho. Gerichts, der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der einzelnen Verfahrensabschnitte, ergibt sich, dass die Führung des Verfahrens durch die bB eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens darstellt.
Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau im Lichte der oa. Ausführungen davon auszugehen, dass in diesem konkreten Fall vom Primat der inhaltlichen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht ausnahmsweise abzugehen und aufgrund der qualifizierten Unterlassung wesentlicher Ermittlungsschritte der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben war.
Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.
Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).
Im fortgesetzten Verfahren wird sich die bB nunmehr mit der Beschwerde und der Stellungnahme der bP zum festgestellten Sachverhalt auseinanderzusetzen und die von der bP nunmehr angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen haben. Vom Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens wird sie die bP neuerlich nachweislich in Kenntnis zu setzen und ihr die Möglichkeit einzuräumen haben, sich hierzu äußern. Auch eine solche Äußerung wird sie rechtskonform zu behandeln haben.
Nach Abschluss dieser Ermittlungen hat die bB einen einzelfallbezogenen Bescheid zu erlassen, welcher den Sachverhalt, von dem er ausgeht, klar und übersichtlich wiedergibt, eine nachvollziehbare, einzelfallbezogene Beweiswürdigung enthält, und die zu lösende Rechtsfrage schlüssig darstellt.
Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der bP noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die bB zurückzuverweisen.
3.6. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Im vorliegenden Fall stand bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung iSd § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen konnte.
3.7. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L518.2237404.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021