Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der T in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. November 1995, Zl. 302.374/5-III/11/95, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. November 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 17. Mai 1995 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.
Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 17. Mai 1995 hatte folgenden Wortlaut:
"In umseitiger Rechtssache brachte die Antragstellerin den negativen Bescheid der MA 62 samt Kuvert, aus dem das Zustelldatum mit 02.05.1995, fristgerecht am 11.05.1995 dem Vertreter, RA Dr. W in W, und beauftragte diesen, dagegen Berufung zu erheben.
Die Frist zur Erhebung der Berufung endete, da der Bescheid am 02.05.1995 übernommen wurde, am 16.05.1995. Dieser Tag wurde auch als letzter Tag im Kalender des Vertreters eingetragen.
Der Vertreter der Bw erkrankte am 13.05.1995 und war bis einschließlich 16.05.1995 krank. Er befand sich in ärztlicher Behandlung und konnte nicht in seine Anwaltskanzlei, weil er bettlägrig war, sodaß die Berufung nicht fristgerecht verfasst und abgeschickt werden konnte.
Dies stellt für die Partei des Verfahrens ein unvorhergesehenes Ereignis dar, das auch unabwendbar war. Sie erleidet durch die Versäumung der Erhebung des fristgerechten Rechtsmittels einen Rechtsnachteil. Die Partei trifft kein Verschulden, den Vertreter der Bw keines oder nur ein minderer Grad des Versehens, weil er das Rechtsmittel nicht fristgerecht einbringen konnte:
Beweis: beigelegtes ärztliches Attest
Der vorliegende Antrag ist fristgerecht, weil mit 17.05.1995 das Hindernis, nämlich die Bettlägrigkeit des Rechtsvertreters weggefallen ist."
Die Behörde erster Instanz wies den Antrag mit der Begründung ab, zum einen sei aus dem beigebrachten Gutachten nicht abzuleiten, daß der Vertreter der Antragstellerin an einer derart schweren Dispositionsunfähigkeit gelitten habe, daß er die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen nicht mehr hätte treffen können, zum anderen habe der Vertreter der Antragstellerin den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft darzustellen vermocht.
In der dagegen erhobenen Berufung wendete die Beschwerdeführerin die Dispositionsunfähigkeit ihres Vertreters infolge seiner Erkrankung und der damit einhergehenden Bettlägerigkeit ein.
Hierauf erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie begründete im wesentlichen, daß aus der Arztbestätigung keine Dispositionsunfähigkeit des Beschwerdeführers abgeleitet werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers im Wiedereinsetzungsantrag vorgegeben wird (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, Zl. 90/13/0004).
Ein dem Anwalt der beschwerdeführenden Partei widerfahrenes Ereignis bildet einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann, wenn es für den Anwalt selbst unvorhersehbar oder unabwendbar war.
Zwar bildet eine die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließende Krankheit einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1989, Zl. 88/10/0132). Doch liegt eine solche Erkrankung nur dann vor, wenn zufolge der Krankheit der Vertreter der beschwerdeführenden Partei außerstande ist, als notwendig erkannte Handlungen fristgerecht zu setzen. Der Vertreter der beschwerdeführenden Partei ist nur dann außerstande, solche Handlungen fristgerecht zu setzen, wenn zufolge der Krankheit nicht einmal mehr für eine Stellvertretung vorgesorgt werden konnte (vgl. aus der diesbezüglich ständigen Rechtsprechung z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1978, Zl. 1167/78).
Weder aus dem Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch aus der angeschlossenen ärztlichen Bestätigung (Diagnose: Fieberhafter Infekt, AC. Enteritis - bettlägerig) ist eine solche Dispositionsunfähigkeit zu erkennen. Denn der Beschwerdeführer behauptet nur, daß er wegen Bettlägerigkeit nicht in seine Anwaltskanzlei habe können, sodaß die Berufung nicht fristgerecht habe verfaßt und abgeschickt werden können, nicht jedoch aber, daß er aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, für seine Vertretung - etwa auf telefonischem Wege - vorzusorgen. Eine solche Vorsorge hätte aber angesichts des Beginnes der Erkrankung (13. Mai 1995, wobei sich der Vertreter des Beschwerdeführers erst am 15. Mai in ärztliche Behandlung begab) und des gegenständlichen Ablaufes der Rechtsmittelfrist (16. Mai 1995) die Fristversäumnis vermeiden können.
Da die belangte Behörde von der Dispositionsfähigkeit des Vertreters der Beschwerdeführerin auszugehen hatte, hat sie zu Recht das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes verneint.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191625.X00Im RIS seit
20.11.2000