TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/8 W183 2212575-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2021
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Entscheidungsdatum

08.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W183 2212575-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2018, Zl. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 20.12.2018, Zl. XXXX , auf Grund des Vorlageantrags des Beschwerdeführers vom 07.01.2019 und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.12.2020 und 13.01.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2017 Iran, stellte am 03.01.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 30.04.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er wegen Grundstücksstreitigkeiten seines Vaters attackiert bzw. entführt worden sei sowie sich auf der Universität politisch für eine kurdische Gruppierung engagiert habe. Vor der belangten Behörde legte er seinen iranischen Personalausweis, Führerschein, sowie ein Konvolut von gerichtlichen und polizeilichen Unterlagen vor.

Mit Schreiben vom 23.04.2018 bestätigte das österreichische Komitee der KDPI, dass der Beschwerdeführer ein Sympathisant dieser Partei sei.

Am 11.05.2018 wurde seitens der Vertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zur Einvernahme und zu den Länderberichten eingebracht.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 18.11. 2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3.       Mit Schriftsatz vom 11.12.2018 erhob der Beschwerdeführer binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang.

4.       Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.12.2018 (zugestellt am 27.12.2018) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Einerseits wurde in der rechtlichen Beurteilung u.a. angeführt, dass gem. § 15 Abs. 2 Z 1 VwGVG ein rechtzeitiger und zulässiger Vorlageantrag aufschiebende Wirkung hat, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat. Andererseits wurde ausgeführt, dass mit gegenständlicher Beschwerdevorentscheidung gem. § 14 Abs. 1 VwGVG nicht die Ausübung einer Berechtigung eingeräumt werde, weshalb die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht einem Beschwerdeführer/einer Beschwerdeführerin von vornherein nicht jene Rechtsposition einzuräumen vermöge, die er/sie mit Hilfe der Beschwerde erst erreichen wolle („vgl. etwa VwGH 20.10.1992, 90/04/0266“). Damit komme einem allfälligen Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 2 Z 1 VwGVG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu.

5.       Mit Schriftsatz vom 07.01.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag sowie einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

6.       Mit Schriftsatz vom 10.01.2019 (eingelangt am 08.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7.       Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

8.       Am 16.05.2019 nahm, dazu vom Beschwerdeführer bevollmächtigt, XXXX Akteneinsicht.

9.       Mit beim Bundesverwaltungsgericht am 10.07.2020 eingelangten Schreiben legte die Vertreterin des Beschwerdeführers „sämtliche Integrationsnachweise“ vor (Bestätigung der XXXX über ein Bewerbungsgespräch und Möglichkeit einer neuerlichen Vorsprache nach positivem Asylbescheid und entsprechender Arbeitserlaubnis; undatiertes Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung, Kursbesuchsbestätigung „Hurry up! Nachholen des Pflichtschul-/Hauptschulabschlusses“ von 30.09.2019 bis 16.06.2020; Zeugnis zur Integrationsprüfung auf B1-Niveau vom 19.10.2019; Bestätigung der Freiwilligen Feuerwehr XXXX , dass der Beschwerdeführer dort seit 20.02.2019 als Mitglied gemeldet ist und am 24.01.2020 angelobt wurde sowie regelmäßig zu Übungen bzw. Einsätzen kommt; Vereinbarung über eine freiwillige Tätigkeit mit der Caritas vom 22.01.2019; Bestätigung der Mitarbeit im Lerncafé „Aufschwung“ von 22.01. bis 18.07.2019; Anzeige des Austritts aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft vom 01.02.2019; diverse Fotos).

10.      Mit Schreiben vom 27.07.2020 nahm die belangte Behörde zu den zum Parteiengehör gebrachten Unterlagen Stellung.

11.      Mit Schreiben vom 12.11.2020 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.12.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.

12.      Mit Fax vom 26.11.2020 legte die Vertreterin des Beschwerdeführers zwei Empfehlungsschreiben von befreundeten Familien vor, die in der Folge der belangten Behörde zum Parteiengehör gebracht wurden.

13.      Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.12.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung (Vollmacht für die Verhandlung, keine Zustellvollmacht) teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Seitens der Rechtsvertretung wurden vier weitere Empfehlungsschreiben vorgelegt. Weiters legte der Beschwerdeführer zwei Mitgliedsausweise der „Kurdistan Democratic Party-Iran“ (KDPI) sowie Luftbildaufnahmen von Grundstücksflächen vor. Auch zeigte er auf seinem Handy ein Video vor. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab. Schließlich wurde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt.

Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung (samt Anlagen) wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.

14.      Mit Schreiben vom 14.12.2020 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.01.2021 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, generiert am 20.11.2020, Version 1“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.

15.      Das Bundesverwaltungsgericht ließ die in Kopie auf Farsi vorgelegten Unterlagen übersetzen und brachte das Ergebnis der Beweisaufnahme den Parteien am 22.12.2020 zum Parteiengehör.

16.      Mit Schreiben vom 07.01.2021 legte der Beschwerdeführer nochmals Fotos des Mitgliedsausweises vor sowie weitere Fotos, die ihn mit Mitgliedern des Komitees der Demokratischen Partei Kurdistans in Österreich sowie auf dem Volksstimme-Fest 2018 zeigen würden, sowie eine Bestätigung des Komitees über seine Aktivitäten.

17.      Mit Schreiben vom 11.01.2021 nahm der Beschwerdeführer zur angefertigten Übersetzung Stellung und legte ein weiteres, als Haftbefehl bezeichnetes Dokument, samt Übersetzung vor.

18.      Ebenfalls am 11.01.2021 langte ein Unterstützungsschreiben des Bürgermeisters der Stadt XXXX ein.

19.      Das Bundesverwaltungsgericht setzte am 13.01.2021 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi die öffentliche mündliche Verhandlung, an welcher der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertretung (Vertretungsvollmacht bestand nur für die Verhandlung) und ein Vertreter des BFA teilnahmen, fort. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Es wurden keine weiteren Unterlagen oder Stellungnahmen vorgelegt.

20.      Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 19.02.2021 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus Mahabad (Provinz West-Aserbaidschan) und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Kurden an, spricht Farsi, Kurdisch (Kurmanji und Sorani), Englisch, Türkisch und Aseri, verfügt über einen Schulabschluss, hat in Iran studiert und arbeitete in Iran in einem Fitnessstudio sowie mit seinem Vater, der Landwirt und Immobilienhändler ist.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben seine Eltern, Schwester und weitere Verwandte. Zu seiner Kernfamilie hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt. Das Verhältnis ist gut.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung von Passkontrollen aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 03.01.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.

In Österreich leben der Onkel des Beschwerdeführers, der die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, sowie dessen Kinder. Es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer verfügt darüber hinaus über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist in Österreich aktives Mitglied bei der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr. Der Beschwerdeführer hat in Österreich die Pflichtabschluss-Prüfung bestanden. Zum Freundeskreis des Beschwerdeführers zählen unter anderem österreichische Staatsbürger, welche er vorwiegend aus dem Ort kennt. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und hat in Österreich zu keinem Zeitpunkt gearbeitet. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig; er war ehrenamtlich für die Caritas in einem Lerncafé tätig.

Der Beschwerdeführer hat die Integrationsprüfung auf B1-Niveau bestanden. Eine einfache Unterhaltung auf Deutsch ist möglich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

Dem Beschwerdeführer droht keine Verfolgung aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten seines Vaters.

Der Beschwerdeführer war nicht als Sympathisant der KDPI in Iran politisch tätig.

Der Beschwerdeführer ist mittlerweile Mitglied der KDPI. Er hat in Österreich keine hochrangigen exiloppositionellen Tätigkeiten und nimmt in der KDPI keine führende Rolle ein.

Der Beschwerdeführer ist aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ausgetreten; ein Abfall vom Islamischen Glauben stellt für ihn jedoch keinen Fluchtgrund dar.

Der Beschwerdeführer brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

Die belangte Behörde hat weder im Bescheid noch in der Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftagen begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. (AA 26.2.2020)

Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

?        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

Zur Situation der Kurden:

Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so gibt es eine kurdischstämmige Vize-Innenministerin). Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan. In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird (AA 26.2.2020). Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 14.1.2020). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018). Zahlreiche Kurden wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten (AI 18.2.2020).

Die kurdische Region des Iran ist militarisiert und die iranische Regierung überwacht die kurdische Bevölkerung durch regelmäßige Checkpoints ebenso wie durch die Nutzung von Telekommunikation und sozialen Medien. Die iranische Regierung sieht jede Art von politischem oder zivilem Aktivismus als potenzielle Bedrohung an, insofern können sowohl politische als auch zivilgesellschaftliche Aktivisten von Verfolgung bedroht sein (DIS 7.2.2020). Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020) und einige Mitglieder der lokalen Bevölkerung arbeiten als Informanten für die iranischen Behörden (DIS 7.2.2020). Die militärische und geheimdienstliche Präsenz ist nicht immer sichtbar. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).

Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“, Schwesterorganisation der PKK in Iran), der kommunistischen Komala-Partei, oder der KDP-Iran – und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Derzeit sollen etwa 100 Kurden auf ihre Hinrichtung warten. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Im ersten Halbjahr 2019 wurden 651 Personen wegen Drogenschmuggel und –konsum verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 22.4.2020

?        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 22.4.2020

?        DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html, Zugriff 22.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 22.4.2020

Zu verbotenen Organisationen:

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. (DIS 7.2.2020)

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Zur KDPI:

Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 26.2.2020). Die KDPI wurde 1945 in der iranischen Stadt Mahabad gegründet (DIS 7.2.2020) und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt (TRAC o.D.). Das Ziel der KDPI besteht darin, die kurdischen nationalen Rechte innerhalb eines Bundes und eines demokratischen Iran zu erlangen (DIS 7.2.2020; vgl. TRAC o.D., MERIP o.D.). Die KDPI wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die von ihrem irakischen Hauptquartier aus das Regime bekämpft (BMI 2015; vgl. MERIP o.D., ACCORD 7.2015). Die KDPI wird traditionell als die größte iranisch-kurdische Partei angesehen. Die Partei KDP-Iran hat sich 2006 von der KDPI getrennt und ist eine separate Partei (DIS 7.2.2020). Die kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015).

Das Ausmaß der zivilpolitischen Aktivitäten der iranisch-kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere der KDPI und Komala in Iran, ist aufgrund der Kontrolle, mit der sie konfrontiert sind, im Allgemeinen begrenzt. Wenn die Parteien zivilpolitische Aktivitäten durchführen, geschieht dies unter Geheimhaltung, um zu verhindern, dass die Behörden gegen sie vorgehen. Die Parteien unterstützen jedoch die Aktivitäten anderer, beispielsweise von Organisationen, die sich sowohl auf Umweltfragen als auch auf soziale Fragen konzentrieren. Die kurdischen politischen Parteien führen Propaganda-Aktivitäten durch, um ein Bewusstsein für die Politik der iranischen Regierung zu schaffen und die Menschen zu ermutigen – durch verschiedene friedliche und entschlossene Maßnahmen wie Demonstrationen, Generalstreiks und symbolische Mittel wie das Tragen kurdischer Kleidung zu besonderen Anlässen – gegen die Regierung zu protestieren. Die meisten Aktivitäten der kurdischen Parteien finden im öffentlichen Raum, einschließlich Schulen, statt. Die Parteien ermutigen ihre Mitglieder, Unterstützer und die Öffentlichkeit, Maßnahmen über soziale Medien, Fernseh- und Radiokanäle zu ergreifen. In Bezug auf die Rekrutierung von Mitgliedern ist zu sagen, dass die Regeln für die Mitgliedschaft in den iranisch-kurdischen politischen Parteien (KDPI und Komala) nicht immer geradlinig sind und die Mitgliedschaft durch verschiedene Verfahren erlangt werden kann. Menschen in der kurdischen Region des Iran können über die geheimen Netzwerke dieser Parteien Mitglieder werden oder sie können selbst Mitglieder der Partei in der Autonomen Kurdischen Region Irak kontaktieren und dadurch Mitglieder werden. Zukünftige Mitglieder durchlaufen eine Überprüfung um z.B. Spione der iranischen Regierung ausschließen zu können. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass das Geheimdienstministerium und die Revolutionsgarden Personen bedrohen oder bestechen, um sie als Kundschafter einzusetzen (DIS 7.2.2020).

Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der kommunistischen Komala-Partei und der KDP-Iran und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2019). Ende April 2017 stationierte eine der Komala-Parteien ihre Streitkräfte im Grenzgebiet zwischen der Autonomen Kurdischen Region Irak und Iran (DIS 7.2.2020). Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS 7.2.2020), zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS 7.2.2020, BTI 2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 5.5.2020

?        ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 5.5.2020

?        BMI – Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics,, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf, Zugriff 5.5.2020

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

?        DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 5.5.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 4.5.2020

?        MERIP – Middle East Research and Information Project (o.D.): Major Kurdish Organizations in Iran, https://www.merip.org/mer/mer141/major-kurdish-organizations-iran, Zugriff 5.5.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 5.5.2020

?        TRAC – Terrorism Research and Analysis Consortium (o.D.): Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPKI), https://www.trackingterrorism.org/group/democratic-party-iranian-kurdistan-dpki, Zugriff 5.5.2020

Zu den Sicherheitsbehörden:

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informa-tionsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sit-tenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luft-fahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versi¬cherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben - nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/DeutschlandAusw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

•        BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

•        DIS - Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian +Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

•        DW - Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802, Zugriff 7.4.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

•        DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-conv erts.pdf, Zugriff 7.4.2020

•        Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolution sgarden/, Zugriff 7.4.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.4.2020

•        Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-rev olutionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html, Zugriff 7.4.2020

•        US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/DeutschlandAusw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 28.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 28.4.2020

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschriften der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH1 und VH2), der Beschwerdeschriftsatz bzw. der Vorlageantrag, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran generiert am 20.11.2020, Version 1, mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (Kopien iranischer gerichtlicher und polizeilicher Unterlagen, Schreiben des österreichischen Komitees der KDPI, Zeugnis der Pflichtschulabschluss-Prüfung, Kursbesuchsbestätigung, Zeugnis der Integrationsprüfung auf B1-Niveau, Bestätigung der Freiwilligen Feuerwehr, Bestätigung Lerncafé, Austrittsanzeige, Fotos, Empfehlungsschreiben, Mitgliedsausweise der KDPI), die Stellungnahmen des Beschwerdeführers vom 11.05.2018, 26.11.2020, 11.01.2021, die Stellungnahme des BFA vom 27.07.2020 und die Strafregisterabfrage vom 19.02.2021.

2.2.    Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1.  Zur Person des Beschwerdeführers

Aufgrund der beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokumente (iranische Nationalkarte) steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war der Beschwerdeführer diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.

Die Feststellung zur Einreise und Ausreise ergibt sich aus den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten (Zeugnis der Pflichtschulabschluss-Prüfung, Kursbesuchsbestätigung, Zeugnis der Integrationsprüfung auf B1-Niveau, Bestätigung der Freiwilligen Feuerwehr, Bestätigung Lerncafé, Empfehlungsschreiben) und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Betreffend die Deutschkenntnisse konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den in Grundzügen vorhandenen Deutschkenntnissen machen.

2.2.2.  Zum Fluchtvorbringen

2.2.2.1. Zur vom Beschwerdeführer vorgebrachten Tätigkeit für die KDPI

Zu seinen Tätigkeiten für die KDPI in Iran gab der Beschwerdeführer in der EB an, er sei auf der Universität politisch in der KDPI tätig und engagiert gewesen (AS 9). In der EV gab er an, er habe auf der Universität Mitglieder dieser Partei kennengelernt und sei dadurch im Sommer 2014 Sympathisant geworden. Davon habe nur sein Vater gewusst. Eines Tages habe dieser ihm gesagt, da er Sympathisant dieser Partei sei, wäre es besser, das Land zu verlassen. (AS 81) Sein Vater habe ca. 20 Tage vor seiner Ausreise davon erfahren. Konkret habe er am 22.01.2016 Flugzettel verteilt, genauer in Parks und Straßen verstreut, und am 07.12.2015 nachts vier Parolen auf Mauern geschmiert. Bei sonstigen politischen Aktivitäten der KDPI sei er nicht anwesend gewesen. (AS 83)

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 3.12.2020 (VH1) gab er an, sein Vater habe dadurch von seinen Sympathien für die KDPI erfahren, dass der Beschwerdeführer Fernsehprogramme zu Hause angesehen habe. Er könne jedoch nicht sagen, ob die staatlichen Behörden davon Kenntnis hätten. (VH1, S. 7)

In der Stellungnahme vom 07.01.2021 gab der Beschwerdeführer an, er liefe Gefahr im Falle einer Rückkehr bereits am Flughafen festgenommen zu werden, da er verraten worden sei, konkretisierte dies jedoch weder in der Stellungnahme noch in der darauffolgenden mündlichen Verhandlung am 13.01.2021 (VH2) näher.

Aus einer Zusammenschau der Angaben zu seiner politischen Tätigkeit für die KDPI in Iran ergibt sich, dass der Beschwerdeführer möglicherweise mit den Zielen der KDPI sympathisiert hat – auch wenn er diese in der VH nur äußerst vage anzugeben vermochte (VH, S. 9) – dies jedoch nicht offen zur Schau getragen hat. Nach seinen eigenen Angaben wusste nur sein Vater davon, und etwa zwei Jahre vor seiner Ausreise habe er jeweils an einem einzigen Tag Flugzettel verstreut und Parolen auf Wände geschmiert, sei jedoch dafür nie belangt worden oder in Verdacht geraten. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist es möglich, jedoch nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer aufgrund dieser Aktivitäten von iranischen Sicherheitsbehörden verfolgt wird, zumal diese davon auch keine Kenntnis erlangen können, wenn sie es nicht vom Beschwerdeführer selbst oder seinem Vater erfahren, da nach seinen eigenen Angaben sonst niemand davon wusste.

Zu seinen Tätigkeiten für die KDPI in Österreich gab der Beschwerdeführer erstmals in der EV an, er sei Sympathisant der KDPI in Österreich (AS 73). Etwa eine Woche zuvor hatte das österreichische Komitee der KDPI eine Bestätigung übermittelt, dass der Beschwerdeführer ein Sympathisant der Partei sei (AS 65ff.). In der VH1 gab er erstmals an, dass er mittlerweile Mitglied der KDPI sei. Die vorgelegten Mitgliedsausweise weisen eine Gültigkeitsdauer bis 31.12.2019 bzw. bis 30.06.2021 auf, das Beginndatum der Mitgliedschaft ist nicht angeführt. Mehrmals nachgefragt gab der Beschwerdeführer lediglich an, seit 2018 (ohne nähere Datumsangabe) Mitglied zu sein. (VH1, S. 5) Diesbezüglich gab er an, der Vorsitzende des Komitees in Österreich habe eine Nahebeziehung zu ihm und habe den Antrag für die Parteimitgliedschaft an den Sitz im Irak gestellt, danach sei er als anerkanntes Mitglied akzeptiert worden. Konkret stehe sein Onkel, der in Österreich lebe, mit dieser Person in Kontakt, dieser habe jedoch selbst keine Aktivitäten in der KDPI, sondern stehe nur dem Vorsitzenden nahe. Dieser Onkel sei auch als Dolmetscher am Bundesverwaltungsgericht tätig. Zu seinen eigenen Tätigkeiten für die KDPI in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei bei ein paar Sitzungen persönlich dabei gewesen, sei vor der Coronazeit regelmäßig dort ein- und ausgegangen, könne dem Gericht aus Sicherheitsgründen jedoch keine Fotos aushändigen. Wenn es notwendig wäre, könne er nachfragen. Nochmals konkret zu seinen Aktivitäten befragt gab er an, in den Sitzungen würden sie über die alltäglichen Probleme in Kurdistan und organisatorische Fragen sprechen. Er habe keine spezielle Aufgabe dort, er helfe etwa Zelte aufschlagen, wenn hier Feste stattfinden würden. Er habe noch an keiner Demonstration in Österreich teilgenommen, da die Reisekosten für ihn zu hoch seien oder er zu spät davon erfahren habe. Ob staatliche Behörden davon Kenntnis hätten, könne er nicht sagen, sie würden aber wissen, dass er im Ausland sei. (VH1, S. 6f.) Auf Vorhalt, dass er an Sitzungen teilnehmen könne, jedoch nicht an Demonstrationen, gab der Beschwerdeführer an, die paar Mal habe sein Cousin ihn mit dem Auto im Sommer abgeholt, deshalb habe er an den Sitzungen teilnehmen können (VH1, S. 9).

In seiner Stellungnahme vom 07.01.2021 gab der Beschwerdeführer an, er sei in Österreich weiterhin für die KDPI exilpolitisch tätig und nehme regelmäßig an Veranstaltungen der Partei teil, habe auch an mehreren Sitzungen teilgenommen, die teilweise im Privathaushalt des Vorsitzenden stattgefunden hätten, daher gebe es keine Fotos, jedoch könne er von einer Sitzung im September 2019 Fotos vorlegen. Auch sei er auf dem Volksstimme-Fest 2018 für die Partei tätig gewesen, worüber er auch Fotos vorlege. Er sei nach seiner Einreise nach Österreich bereits gesucht worden, weil er sich auch hier weiter für die Belange der Partei engagiere. Es sei davon auszugehen, dass Veranstaltungen der Partei, vor allem Großveranstaltungen wie das Volksstimme-Fest, von iranischen Sicherheitsbehörden beobachtet würden. Da er verraten worden sei, würden die Sicherheitsbehörden seinen Namen kennen und drohe ihm daher Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Iran. Zwei Fotos zeigen eine Gruppe von 21 bzw. 22 Männern, Frauen und Kindern vor zwei Flaggen stehend (Kurdistans sowie der KDPI). Ein weiteres Foto zeigt drei Personen vor einer Flagge Kurdistans stehend, ein weiteres fünf Männer an einem Heurigentisch sitzend. Weiters legte er eine Bestätigung des österreichischen Komitees der KDPI vor, wonach er seit Anfang 2018 als ordentliches Mitglied der Partei registriert sei. Er nehme an den Sitzungen teil und beteilige sich mit großem Engagement an den Aktivitäten der Partei in Wien, soweit ihm dies möglich sei.

In der VH2 gab der Beschwerdeführer an, er nehme nach wie vor an Sitzungen teil, da werde auch nach seiner Meinung gefragt. Wegen der Corona Situation seien die Sitzungen sehr reduziert. Er sei zuletzt am 16.08.2020 bei einer Sitzung gewesen. Auch helfe er bei Veranstaltungen, etwa Fahnen aufhängen. Weiters schreibe er auf seinem Instagram Account manchmal Gedichte zu bestimmten Anlässen. Nachgefragt, warum iranische Behörden wissen sollten, dass er Mitglied der KDPI sei, gab der Beschwerdeführer an, auch in Österreich gebe es den iranischen Geheimdienst, dieser sei zB auch beim Volksstimme-Fest dabei gewesen. Nachgefragt, was ihm in Iran konkret vorgeworfen werde, gab der Beschwerdeführer nur allgemein und vage an, wenn jemand ein Sympathisant sei, dann habe man Probleme. (VH2, S. 5)

Nachgefragt, ob er bei öffentlichen Veranstaltungen der KDPI in Österreich aktiv als Redner oder nur als Besucher teilgenommen habe, gab der Beschwerdeführer an, als Sympathisant dürfe man sich nicht sehr viel einmischen, aber als Mitglied habe er schon gesprochen und an Sitzungen teilgenommen. Nochmals nachgefragt, ob er öffentlich wahrnehmbar als Mitglied der Partei eine Rede gehalten habe bzw. so als Mitglied aufgetreten sei,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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