TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/8 W122 2229037-1

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Veröffentlicht am 08.03.2021
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Entscheidungsdatum

08.03.2021

Norm

AVG §73
B-VG Art130 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
GehG §113 Abs13
GehG §13b Abs1
GehG §169f
GehG §169g
VwGVG §28 Abs7
VwGVG §8

Spruch


W122 2229037-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die GKP GABL KOGLER LEITNER STÖGLEHNER BODINGBAUER Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Museumstraße 31a, wegen Säumnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der Landespolizeidirektion Oberösterreich aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes binnen acht Wochen ab Zustellung zu erlassen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer beantragte am 19.04.2010 und neuerlich am 09.05.2013 die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages durch Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten.

Mit nunmehr gegenständlicher Säumnisbeschwerde vom 05.12.2019 beantragte der Beschwerdeführer, das Bundesverwaltungsgericht möge über seine oben genannten Anträge in der Sache selbst entscheiden.

Die belangte Behörde legte die Säumnisbeschwerde mit Schreiben vom 13.02.2020 dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss des Verfahrensaktes vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist dem Planstellenbereich der Landespolizeidirektion Oberösterreich zur Dienstleistung zugewiesen.

Die belangte Behörde hat nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten über den Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages bzw. Feststellung des Besoldungsdienstalters entschieden.

2. Beweiswürdigung:

Die oben genannten Feststellungen sind aus dem behördlichen Verwaltungsakt, dem Antrag des Beschwerdeführers und dessen Säumnisbeschwerde unstrittig zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (GehG 1956, BDG 1979) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der "civil rights" im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.09.2017, Ro 2016/12/0024 mwN).

Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).

Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und es sich auch um keine übermäßig komplexe Rechtsfrage handelt, kann von einer mündlichen Verhandlung, abgesehen werden.

Zu A)

Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde:

Gemäß § 8 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, einen Bescheid zu erlassen.

Der Beschwerdeführer hat zuletzt am 09.05.2013 den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages gestellt. Die sechsmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs. 1 AVG i.V.m. § 1 Abs. 1 DVG ist daher bereits im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde ausgelaufen.

Wie sich aus den Verwaltungsakten und aus dem oben dargestellten Verfahrensgang ergibt, hat die belangte Behörde in dieser Zeit keine Ermittlungs- bzw. Verfahrensschritte gesetzt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. VwGH 21.09.2007, 2006/05/0145).

In diesem Zusammenhang ist daher festzuhalten, dass sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass die Verletzung der Entscheidungspflicht durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einer durch die Behörde zu verantwortenden Untätigkeit aus, welche die Kriterien des "überwiegenden Verschuldens" erfüllt. Auch die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Tatsache, dass etwa 3800 Fälle bearbeitet werden müssten, stellt in diesem Sinn kein unüberwindliches Hindernis dar.

Die Säumnisbeschwerde ist daher zulässig.

Da die belangte Behörde nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Bescheid innerhalb der Nachfrist von drei Monaten iSd § 16 VwGVG nachzuholen, sondern die Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, ist die Zuständigkeit an das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Auch wenn das Gesetz keine expliziten Voraussetzungen für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023 mwN). Aus verfahrensökonomischer Sicht wird die Erlassung eines "Teilerkenntnisses" vor allem dann in Betracht kommen, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch noch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist.

Vor diesem Hintergrund macht das Bundesverwaltungsgericht von der Ermächtigung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG Gebrauch und trägt der Landespolizeidirektion Oberösterreich auf, den versäumten Bescheid innerhalb von acht Wochen unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung nachzuholen:

In Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG ist die 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, ergangen.

§ 169f Abs. 1 GehG 1956 ordnet an, dass bei Beamten, die sich am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, im Dienststand befinden (Z 1) und die nach § 169c Abs. 1 übergeleitet wurden (Z 2) und deren erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags für das laufende Dienstverhältnis unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten erfolgt ist (Z 3) und bei denen nach der erstmaligen Festsetzung nach Z 3 nicht die vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl. I 82/2010 vorangestellt und durch Außerachtlassung der mit diesem Bundesgesetz bewirkten Verlängerung des für die erste Vorrückung erforderlichen Zeitraums zur Gänze für die Einstufung wirksam geworden sind (Z 4), die besoldungsrechtliche Stellung von Amts wegen bescheidmäßig neu festzusetzen ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. erfolgt bei den am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, anhängigen Verfahren, welche die Frage der Anrechnung zusätzlicher Vordienstzeiten, der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags, insbesondere nach § 113 Abs. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I 82/2010, der Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters oder der Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung für eine Beamtin oder einen Beamten nach Abs. 1 Z 3 als Hauptfrage zum Gegenstand haben, eine Neufestsetzung im Rahmen dieser Verfahren.

Gemäß Abs. 5 leg. cit. erfolgt die Neufestsetzung in bereits anhängigen Verfahren nach Abs. 3 bei Beamten, die nicht nach § 169c Abs. 1 (allenfalls in Verbindung mit § 169d Abs. 3, 4 oder 6) übergeleitet wurden, abweichend von Abs. 4 durch Feststellung 1. der Einstufung zum Tag der Antragseinbringung oder, wenn die Beamtin oder der Beamte vor diesem Tag aus dem Dienststand oder dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, zum Ablauf des letzten Tages des Dienststands oder Dienstverhältnisses und 2. des Vorrückungstermins, mit dem die Einstufung nach Z 1 erreicht wurde. Die Einstufung und der Vorrückungstermin nach Z 1 und 2 sind zunächst auf Grundlage des letzten Vorrückungsstichtags, der unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde, zu bemessen. Anschließend sind sie um die Anzahl an ganzen Monaten, die zwischen dem Vergleichsstichtag und dem Vorrückungsstichtag liegen, zu verbessern, wenn der Vergleichsstichtag vor dem Vorrückungsstichtag liegt, andernfalls um diese zu vermindern.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die belangte Behörde zunächst gemäß § 169f Abs. 5 GehG 1956 die Einstufung des Beschwerdeführers zum Ablauf des letzten Tages seines Dienstverhältnisses und den Vorrückungstermin, mit dem diese Einstufung erreicht wurde, festzustellen hat. Diese sind dabei zunächst auf Grundlage des letzten Vorrückungsstichtags, der unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde, zu bemessen.

In einem weiteren Schritt hat die belangte Behörde den Vergleichsstichtag gemäß § 169g GehG 1956 zu ermitteln.

Zuletzt hat die belangte Behörde die im ersten Schritt festgestellte Einstufung und den festgestellten Vorrückungstermin um die Anzahl an ganzen Monaten, die zwischen dem Vergleichsstichtag und dem Vorrückungsstichtag liegen, zu verbessern oder - wenn der Vergleichsstichtag vor dem Vorrückungsstichtag liegt - zu vermindern.

Sollte sich aufgrund dieser Berechnung ergeben, dass sich die Einstufung des Beschwerdeführers verbessert, würde dem Beschwerdeführer eine Nachzahlung der sich aus der Verbesserung seiner Einstufung ergebenden Bezüge gebühren.

§ 113 Abs. 13 Gehaltsgesetz 1956, idF BGBI. I 82/2010 (kundgemacht am 30.08.2010), normierte:

"Für besoldungs- und pensionsrechtliche Ansprüche, die sich aus einer Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages ergeben, ist der Zeitraum vom 18. Juni 2009 bis zum Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 nicht auf die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 13b dieses Bundesgesetzes oder gemäß § 40 des Pensionsgesetzes 1965 anzurechnen."

Die Wortfolge "diese Bestimmungen sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden" in § 175 Abs. 79 Z 2 GehG 1956 idF BGBl. I 32/2015 (kundgemacht am 11.02.2015) steht im Widerspruch zum Unionsrecht und hat aufgrund des Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips sowie des Schutzes des berechtigten Vertrauens unangewendet zu bleiben (vgl. auch VwGH 27.05.2019, Ra 2017/12/0001).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die "anspruchsbegründende Leistung" nach § 13b Abs. 1 GehG 1956 im Bestand eines Dienstverhältnisses am Monatsersten (Fälligkeitsdatum). Nachdem mit dem Monatsersten der Anspruch auf den gesamten Monatsbezug entsteht, beginnt auch die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit Ablauf des Monatsersten zu laufen (VwGH 19.09.2003, 2003/12/002).

Unter Berücksichtigung der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 13b Abs. 1 GehG 1956 sowie unter Berücksichtigung des § 113 Abs. 13 GehG 1956 (kundgemacht mit BGBl. I Nr. 82/2010 am 30.08.2010 in Kraft getreten per 01.01.2004, entfallen mit BGBl. I Nr. 32/2015), der die gegenständliche Verjährungsfrist vom 18.06.2009 bis zum 30.08.2010, bzw. bis zum Erstantrag vom 15.04.2010 (zugegangen am 19.04.2010) - auf den sich der Beschwerdeführer in seinem nunmehrigen Antrag bezog - hemmte, würde dem Beschwerdeführer daher - so sich aus der oben dargestellten Berechnung eine Verbesserung seiner Einstufung ergibt - eine Nachzahlung seiner sich aus der Verbesserung seiner Einstufung ergebenden Bezüge ab 01.07.2006 gebühren.

Der belangten Behörde wird daher gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG aufgetragen, binnen acht Wochen den beantragten Bescheid zu erlassen. Im Hinblick auf die noch durchzuführenden Ermittlungen wurde die in § 28 Abs. 7 VwGVG vorgesehene Frist in vollem Umfang gewährt.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Insbesondere fehlt es an einer Rechtsprechung zu der mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, erfolgten gesetzlichen Neugestaltung in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG.

Schlagworte

Besoldungsdienstalter Entscheidungspflicht öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Revision zulässig Säumnisbeschwerde Vorrückungsstichtag - Neufestsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W122.2229037.1.00

Im RIS seit

20.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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