Entscheidungsdatum
09.03.2021Norm
AlVG §7Spruch
W262 2237281-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 30.07.2020, nach Beschwerdevorentscheidung vom 12.11.2020, GZ XXXX betreffend den Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld beschlossen:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4, § 17, § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG und §§ 32, 33 AVG als verspätet zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden als „belangte Behörde“ oder AMS bezeichnet) vom 30.07.2020 wurde dem Antrag vom 22.07.2020 auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin stehe seit 27.08.2020 bei der Firma XXXX in einem aufrechten karenzierten Dienstverhältnis.
2. Gegen diesen am 30.07.2020 per eAMS übermittelten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 09.09.2020 per eAMS Beschwerde. Sie führte im Wesentlichen aus, dass sie sich am 24.07.2020 beim AMS angemeldet und alle Dokumente mitgeschickt habe, aber bis jetzt kein Geld erhalten habe. Ihre Karenz sei mit 24.07.2020 zu Ende, eine neue Arbeit könne sie nicht anfangen, da sie keine Betreuung für ihre Tochter habe. Sie habe mit ihrem Dienstgeber eine einvernehmliche Kündigung vereinbart, weil sie von 24.07.2020 bis 31.08.2020 nicht arbeiten könne, da sie erst ab September einen Kindergartenplatz für ihre Tochter habe. Sie habe am 31.07.2020 eine telefonische Beratung gehabt, die Beraterin habe gesagt, dass sie die Beschwerdeführerin bis 31.08.2020 beim AMS anmelde. Das Arbeitslosengeld sei jedoch nicht angekommen.
3. In dem dazu vom AMS gewährten Parteiengehör gab die Beschwerdeführerin an, dass sie mit ihrer Beraterin im August alles besprochen und geglaubt habe, bis Ende August eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zu erhalten. Erst als sie realisiert habe, dass sie kein Geld vom AMS bekomme, habe sie auf Empfehlung ihrer Beraterin eine Beschwerde eingebracht.
4. Mit Bescheid des AMS vom 12.11.2020 wurde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit der die Beschwerde vom 09.09.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 30.07.2020 gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG, §§ 7 Abs. 4 Satz 1 und 14 VwGVG iVm § 56 AlVG als verspätet zurückgewiesen wurde. Begründend wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes ausgeführt, dass der Bescheid am 30.07.2020 per eAMS übermittelt, am 31.07.2020 empfangen und am 07.08.2020 gelesen worden sei. Der Bescheid vom 30.07.2020 sei somit am 07.08.2020 zugestellt worden. Davon ausgehend habe die vierwöchige Beschwerdefrist mit Ablauf des 04.09.2020 geendet. Die am 09.09.2020 per eAMS eingebrachte Beschwerde sei demnach verspätet eingebracht worden und daher als verspätet zurückzuweisen.
5. Die Beschwerdeführerin brachte am 25.11.2020 fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in welchem sie ihr bisheriges Vorbringen – ohne auf die verspätete Beschwerdeeinbringung einzugehen – im Wesentlichen wiederholte. Sie benötige finanzielle Unterstützung bis zum neuerlichen Arbeitsbeginn am 01.09.2020. Ihre Tochter werde in ihrer Arbeitsstelle (Kindergarten) bereut. Im August sei der Kindergarten geschlossen gewesen.
6. Die Beschwerde und der Vorlageantrag wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Verwaltungsakten am 26.11.2020 vorgelegt.
7. Mit Schreiben vom 11.12.2020 hielt das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin mit näherer Begründung vor, dass die am 09.09.2020 eingebrachte Beschwerde verspätet eingebracht worden sei. Der Beschwerdeführerin wurde in diesem Schreiben Gelegenheit gegeben, zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Darüber hinaus teilte das Bundesverwaltungsgericht mit, dass für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt werde, das Bundesverwaltungsgericht derzeit in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordert.
Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid des AMS vom 30.07.2020 wurde dem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 22.07.2020 mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben.
Dieser Bescheid wurde am 30.07.2020 per eAMS übermittelt, am 31.07.2020 empfangen und am 07.08.2020 gelesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde langte per eAMS am 09.09.2020 bei der belangten Behörde ein.
Die Frist für die Einbringung der Beschwerde endete am 04.09.2020.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Verfahrensakten des AMS und des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zur Übermittlung und zum Empfang bzw. zur Kenntnisnahme des Bescheides vom 30.07.2020 ergibt sich aus den Aufzeichnungen des AMS.
Die Beschwerdeführerin hat im gesamten Verfahren kein Vorbringen erstattet, das am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Bescheides am 07.08.2020 zweifeln ließe.
Zur versäumten Beschwerdefrist gab die Beschwerdeführerin lediglich an, dass sie nach ihrem Gespräch mit ihrer AMS-Beraterin im August 2020 geglaubt habe, sie bekomme bis Ende August eine Leistung nach dem AlVG. Erst als sie realisiert habe, dass sie kein Geld vom AMS erhalten habe, habe sie auf Empfehlung ihrer Beraterin eine Beschwerde eingebracht.
Die Datierung der Beschwerde und der Zeitpunkt ihres Einlangens ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Beschwerde bzw. dem eAMS Protokoll. Darüber hinaus wurde der Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Hinsichtlich der Bestimmung des Fristenlaufs für die Einbringung der Beschwerde wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
3.2. Der Behörde steht es gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).
Abweichend von der Bestimmung des § 14 Abs. 1 VwGVG beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle gemäß § 56 Abs. 2 zweiter Satz AlVG zehn Wochen.
Vorliegend hat die Beschwerdeführerin mit am 09.09.2020 eingelangter Eingabe per eAMS Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 30.07.2020 erhoben. Dem AMS stand es somit grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zehn Wochen mittels Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 12.11.2020 – zugestellt durch Hinterlegung am 23.11.2020 – innerhalb der zehnwöchigen Frist erlassen wurde.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Insoweit der Vorlageantrag ein zur ursprünglichen Beschwerde konkretisiertes Vorbringen enthält, stellt dies eine Erweiterung der ursprünglichen Beschwerde dar (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3, wonach aus der Regelung des § 15 VwGVG geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann).
Gegenstand des Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Beschwerde vom 09.09.2020 gegen den Ausgangsbescheid des AMS vom 30.07.2020. Dieser ist Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht (s. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird (vgl. auch dazu VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, mit Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068).
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
3.3. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
Im vorliegenden Fall wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 30.07.2020 zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid binnen vier Wochen nach Zustellung schriftlich Beschwerde bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG.
Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats (§ 32 Abs. 2 AVG).
Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (33 Abs. 2 AVG).
Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).
Der am 30.07.2020 per eAMS an die Beschwerdeführerin übermittelte Bescheid des AMS wurde am 31.07.2020 empfangen und am 07.08.2020 von der Beschwerdeführerin gelesen. Der Bescheid galt somit als am 07.08.2020 zugestellt, sodass auch die vierwöchige Beschwerdefrist ab diesem Tag zu laufen begonnen hat. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete somit mit Ablauf des 04.09.2020.
3.4. Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088 mwN).
Ausweislich des Verwaltungsaktes wurde der Beschwerdeführerin vor Zurückweisung der Beschwerde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung seitens des AMS Gelegenheit gegeben, sich zum Zustellvorgang zu äußern, welche sie – wenn auch ohne ein erfolgversprechendes Vorbringen zu erstatten – wahrgenommen hat.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde vor Erlassung dieses Beschlusses ein Verspätungsvorhalt gemacht, der unbeantwortet blieb.
3.5. Da der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin am 07.08.2020 rechtswirksam zugestellt wurde, endete die – nicht verlängerbare – Frist für die Erhebung der Beschwerde am 04.09.2020. Die nach Ablauf der Beschwerdefrist am 09.09.2020 eingebrachte Beschwerde erweist sich somit als verspätet.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).
3.6. Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen
Schlagworte
Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W262.2237281.1.00Im RIS seit
17.05.2021Zuletzt aktualisiert am
17.05.2021