Entscheidungsdatum
09.03.2021Norm
AsylG 2005 §54Spruch
W192 1426874-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2020, Zahl: 810898703-200447318, zu Recht:
A) In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 i.d.g.F. iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG i.d.g.F. auf Dauer unzulässig ist. Gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 AsylG 2005 i.d.g.F. wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1.1. Der Beschwerdeführer, ein damals minderjähriger afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 17.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am gleichen Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Person gab er an, dass er in Laramora, Afghanistan, geboren worden sei. Er gehöre der Volksgruppe der Pashtunen an und sei sunnitischen Glaubensbekenntnisses. Sein Vater sei vor ca. neun Jahren verstorben. Seine Mutter und seine Geschwister würden in Pakistan leben. Zum Fluchtgrund gab er an: „Meine Familie hatte Grundstücksstreitigkeiten mit den Cousins meines Vaters. Aus diesem Grund drohte Gefahr für mich. Deswegen musste ich fliehen.“
Am 03.01.2012 fand vor dem Bundesasylamt eine Befragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, nach seiner Geburt in der Provinz Laghman nach Pakistan gezogen zu sein und danach immer in Pakistan gelebt zu haben. Er könne kein Englisch und kein Urdu, da er sein Leben zu Hause verbracht habe. Er habe auch keine Schule besucht. Sein ganzes Leben habe er in einer pakistanischen Stadt verbracht. Er habe flüchten müssen, weil er wegen eines grundstücksstreit verfolgt werde.
1.2. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 17.04.2012, Zahl: 11 08.987-BAG, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt, wobei gleichzeitig die Ausweisung in sein Heimatland gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. ausgesprochen wurde (Spruchpunkt III.).
1.3. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.
1.4. Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 22.09.2014, rechtskräftig seit dem 26.09.2014, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel §§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 SMG und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 SMG sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG als Bestimmungstäter nach § 12 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten, davon acht Monate unbedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
1.5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.06.2015 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und dessen Vertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
Im Zuge dieser Verhandlung zog der Beschwerdeführer die Beschwerde betreffend Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zurück.
1.6. Mit Entscheidung vom 11.06.2015 hat das Bundesverwaltungsgericht in Spruchteil A.1.) zu Recht erkannt, dass die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 abgewiesen werde und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festgestellt werde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Afghanistan unzulässig sei. In Spruchteil A.2.) wurde beschlossen, dass das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG idgF eingestellt werde. In Spruchteil B) wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Das Erkenntnis wurde dem damals bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 17.06.2015 zugestellt.
2.1. Mit Eingabe vom 29.05.2020 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch seinen nunmehrigen bevollmächtigten Vertreter die Erteilung „eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005.“ Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2011 durchgehend im Bundesgebiet aufhielte und in seinem Heimatland über keine Möglichkeit zum Aufbau einer Existenzgrundlage verfügen würde. Ein Bruder hielte sich mit einem Aufenthaltstitel in Italien auf, der Aufenthalt zwei weiterer Brüder und seiner Schwester sei unbekannt. Der Beschwerdeführer sei im Besitz einer bis 27.05.2020 gültigen Duldungskarte und könnte bei Erteilung eines Aufenthaltstitels umgehend einer geregelten Beschäftigung nachgehen. Dieser sei sozial integriert und beherrsche die deutsche Sprache ausreichend. Wenngleich er im Jahr 2014 einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten wäre, habe die damals verhängte Strafe zweifelsohne erzieherisch auf ihn gewirkt und er habe sich seit diesem Zeitpunkt nichts mehr zu Schulden kommen lassen.
Vorgelegt wurden Kopien der Geburtsurkunde, der Duldungskarte, eines arbeitsrechtlichen Vorvertrages, eines vom Beschwerdeführer abgeschlossenen unbefristeten Mietvertrages, einer Praktikumsvereinbarung vom 23.04.2013, eines Zeugnisses vom 26.04.2019 über die bestandene ÖIF-Integrationsprüfung auf dem Niveau B1, eines Krankenversicherungsbeleges für grundversorgte Personen, einer Stellungnahme des Vereins Neustart vom 02.06.2015 sowie von Unterstützungserklärungen aus dem privaten Umfeld des Beschwerdeführers.
Am 24.06.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters in deutscher Sprache zu seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einvernommen. Darüber belehrt, dass er die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 nicht erfülle und befragt, ob er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 stellen wolle, bestätigte der Beschwerdeführer dies. Auf weitere Befragung gab er an, im Jahr 2014 einmal erfolglos versucht zu haben, einen Reisepass bei der afghanischen Botschaft zu beantragen. Seit seiner erstmaligen Einreise halte er sich durchgehend in Österreich auf. Über Afghanistan wisse er nicht viel, er hätte dort dieselben Probleme, die er bereits in seinem Asylverfahren geschildert hätte. Er sei bereits als Kleinkind mit seiner Familie nach Pakistan gezogen und habe keine Verwandten und keinen Besitz in Afghanistan. In Österreich erhalte er finanzielle Unterstützung; er versuche, Arbeit zu finden, dürfe jedoch keine Arbeit aufnehmen. Er wolle dauerhaft in Österreich leben, da er nun schon fast neun Jahre hier sei, hier seine Freunde hätte und sozial integriert sei. Unter Verweis auf einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag könnte er sofort eine Arbeit bei einer näher bezeichneten Firma aufnehmen. Der Beschwerdeführer hätte keine Verwandten in Österreich, sei in keinem Verein Mitglied und übe keine ehrenamtliche Tätigkeit aus. Der Beschwerdeführer sei unverheiratet und habe keine Kinder. Er habe seit etwa drei Jahren eine österreichische Freundin, mit welcher er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.
Mit Verbesserungsauftrag vom 07.09.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass zur Bearbeitung seines Antrages ein gültiger Reisepass respektive eine Bestätigung der afghanischen Botschaft hinsichtlich der Nichterteilung eines solchen erforderlich seien und forderte ihn zur Übermittlung der entsprechenden Unterlagen binnen vierwöchiger Frist auf.
Mit Eingabe vom 06.10.2020 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers eine Bestätigung durch die afghanische Botschaft Wien vom 03.04.2017, demnach für den Beschwerdeführer mangels Erfüllung aller Voraussetzungen bislang kein Reisepass durch die Botschaft ausgestellt worden wäre, sowie ein Schreiben des früheren Rechtsanwalts des Beschwerdeführers vom 28.09.2020, mit welchem diese Bestätigung nach diesbezüglicher Anforderung durch den Beschwerdeführer an diesen übermittelt wurde.
2.2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen diesen gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.), traf gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Feststellung, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gewährte diesem gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsbürger mit einer nicht feststehenden Identität, welcher im Kindesalter mit seiner Familie nach Pakistan übersiedelt sei. Dieser leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und befinde sich im erwerbsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer beziehe kein Einkommen, ginge keiner Erwerbstätigkeit nach, lebe von staatlichen Zuwendungen und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 22.09.2014 sei er wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz zu seiner teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos und verfüge weder im Herkunftsstaat noch in Österreich über familiäre Bindungen. Dieser habe eine Freundin, mit welcher er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Eine besondere Beziehungsintensität sei nicht dargetan worden und der Beschwerdeführer sei sich bei Eingehen der Beziehung der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst gewesen. Der Beschwerdeführer habe keine nennenswerten sozialen Kontakte in Österreich, sei in keinen Vereinen Mitglied und übe keine ehrenamtliche Tätigkeit aus. Besondere Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers seien nicht festzustellen gewesen. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2011 illegal ins Bundesgebiet eingereist und habe sich bis zur rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz am 17.06.2015 rechtmäßig als Asylwerber hier aufgehalten. Seitdem werde sein Aufenthalt geduldet. Dieser befinde sich zwar seit rund neun Jahren im Bundesgebiet, habe sich jedoch weder beruflich, noch sozial integriert und sich beharrlich unrechtmäßig hier aufgehalten. Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung würden die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet demnach überwiegen, sodass die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht in Betracht gekommen und die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen sei.
Der Beschwerdeführer sei gesund, anpassungsfähig und könne im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan einer regelmäßigen Arbeit nachgehen. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr und Niederlassung in Mazar-e Sharif oder Herat in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde. Beide Städte würden laut den zugrunde gelegten Länderberichten als relativ sicher gelten und seien auf dem Luftweg sicher erreichbar. Hinsichtlich der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sei seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens insofern eine maßgebliche Änderung eingetreten, als er nunmehr volljährig wäre und er in seinem Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage hätte. Auch wenn dieser in Pakistan aufgewachsen wäre, so sei dieser doch in einem afghanischen Familienverband mit der afghanischen Kultur sozialisiert worden und spreche eine Landessprache Afghanistans. Dieser befinde sich im erwerbsfähigen Alter, sei gesund, alleinstehend, arbeitsfähig und habe keine Sorgepflichten, sodass er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten in den genannten Städten auch unter Berücksichtigung der derzeitigen Covid-19-Pandemie niederlassen und eine Existenz ohne unbillige Härten aufbauen werde können. Demnach sei die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan festzustellen gewesen.
2.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht erhobene Beschwerde vom 23.11.2020. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Zuge der gegenständlichen Antragstellung zahlreiche Unterlagen vorgelegt, welche seine soziale Integration dokumentieren würden und habe anlässlich seiner Einvernahme glaubhaft zu Protokoll gegeben, in seinem Heimatland keine Möglichkeit zum Aufbau einer Existenzgrundlage zu haben. Dieser halte sich seit August 2011 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf, sei der deutschen Sprache ausreichend mächtig und habe die Einvernahme vor dem Bundesamt ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchführen können. Bei Erteilung eines Aufenthaltstitels könne er angesichts des vorgelegten Arbeitsvorvertrags umgehend einer geregelten Beschäftigung nachgehen. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland sei nicht möglich, zumal es ihm bislang verwehrt worden sei, ein nationales Reisedokument zu erhalten. Obgleich er eine Vorstrafe aufweise, sei darauf hinzuweisen, dass die Verurteilung mehr als sechs Jahre zurückliege und der Beschwerdeführer geläutert sei, sodass kein Grund für die Annahme einer künftigen neuerlichen Straffälligkeit bestehe. Eine ordnungsgemäß vorgenommene Interessensabwägung sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Bei richtiger Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Pashtunen an und bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Kurz nach seiner Geburt in der afghanischen Provinz Laghman übersiedelte der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach Pakistan, wo er aufwuchs und wo sich die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers nach wie vor aufhalten. Der Beschwerdeführer spricht muttersprachlich Pashtu und hat keine Schul- oder Berufsausbildung absolviert. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste von Pakistan illegal nach Österreich und stellte hier am 17.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Jahr 2013 erreichte er die Volljährigkeit.
Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 22.09.2014, rechtskräftig seit 26.09.2014, wurde der Beschwerdeführer wegen (I.1.) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, (I.2.) des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel §§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 SMG und (II.) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 SMG sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG als Bestimmungstäter nach § 12 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten, davon acht Monate unbedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer und zwei weitere Personen an verschiedenen Orten des Bundesgebietes
I. vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter im arbeitsteiligen Zusammenwirken anderen überlassen haben, indem sie
1. im Zeitraum von Februar 2014 bis 16.04.2014 zumindest 9000 g Cannabiskraut an abgesondert verfolgte Personen gewinnbringend verkauften;
2. am 16.04.2014 mit dem Vorsatz besessen und befördert haben, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem einer der Mittäter 1964,92 g Cannabiskraut von Wien nach Graz transportierte und es in die Wohnung des Beschwerdeführers brachte, wo es in der Folge mit weiteren 16,40 g Cannabiskraut von allen drei Beschuldigten in Verkaufsgrößen à 25 g portioniert wurde.
II. eine abgesondert verfolgte und zwischenzeitig rechtskräftig verurteilte Person dazu bestimmt haben, in verschiedenen Orten des Bundesgebietes vorschriftswidrig Suchtgift
1. in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen zu überlassen, indem diese Person zu nicht näher bekannten Zeiten im Februar 2014 aus Anlass von drei Fahrten von Wien nach Graz zumindest 6000 g Cannabiskraut transportiert und es dort an den Beschwerdeführer und einen weiteren Täter übergeben hat;
2. in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz zu besitzen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem die Person am 07.03.2014 2097,50 g Cannabiskraut von einem der Täter in Wien übernommen hat, es in weiterer Folge mit dem Zug nach Graz transportiert und an den Beschwerdeführer und einen weiteren Täter für den Weiterverkauf übergeben hat, wobei es infolge der Festnahme nicht mehr zur Übergabe gekommen ist,
indem einer der Mittäter das Cannabiskraut in Wien an die abgesondert verurteile Person übergeben hätte, dieser den Zielort Graz und die Absenderadresse bekannt gegeben hat, vom Beschwerdeführer und einem weiteren Täter an den Übergabeort gelotst wurde und für seine Kurierfahrten von den Beschuldigten jeweils € 300 erhalten hat.
Im Zuge der Strafbemessung wertete das Landesgericht das reumütige Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit sowie das Alter unter 21 Jahren des Beschwerdeführers als mildernd; als erschwerend wurden das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und einem Vergehen erachtet.
Am 17.11.2014 wurde der Beschwerdeführer nach Verbüßung des unbedingten Strafteils aus der Haft entlassen. Am 17.04.2018 erfolgte die endgültige Nachsicht des bedingt ausgesprochenen Teils der Freiheitsstrafe.
Mit Entscheidung vom 11.06.2015 hat das Bundesverwaltungsgericht in Spruchteil A.1.) zu Recht erkannt, dass die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 17.04.2012, mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers abgewiesen worden war, gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 abgewiesen werde und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festgestellt werde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Afghanistan unzulässig sei. In Spruchteil A.2.) wurde beschlossen, dass das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG idgF eingestellt werde.
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht insbesondere aus, dass sich im Fall des Beschwerdeführers aus den Feststellungen zur seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen zu Afghanistan konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan ergeben hätten. Der Beschwerdeführer, der bereits nach seiner Geburt mit seiner Familie nach Pakistan übersiedelt wäre und in seinem Heimatland nie gelebt bzw. gearbeitet hätte, verfüge nicht über ein ausreichend vorhandenes familiäres sowie soziales Netzwerk, das ihm eine Reintegration in Afghanistan ermöglichen würde. Es sei daher vor dem Hintergrund der in das gegenständliche Verfahren eingeführten aktuellen Länderberichte wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in ein seine Existenz bedrohende Situation gelangen würde, und sei in der Folge nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass auch seine Unversehrtheit bzw. sogar sein Leben ernsthaft bedroht sein werde. Eine Niederlassung in einem anderen Teil Afghanistans sei dem Beschwerdeführer ebensowenig zumutbar, weil er dort über keine familiären bzw. sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte verfüge, welche ihm den Aufbau einer Existenz ermöglichen würden. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in einer anderen Gegend Afghanistans Fuß fassen könnte, hätten sich nicht ergeben. Im gegenständlichen Fall könne daher unter Berücksichtigung der den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes sowie aufgrund der obigen rechtlichen Erwägungen ergebe sich sohin, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gegeben seien.
Der Beschwerdeführer sei von einem inländischen Gericht wegen Verbrechen nach dem SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten, davon acht Monate unbedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden. § 28a Abs. 4 SMG normiere eine Strafdrohung von bis zu fünfzehn Jahren und stelle die Tat des Beschwerdeführers somit ein Verbrechen im Sinne des § 17 StGB dar. Damit sei auch der Tatbestand des § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 erfüllt. Daher sei die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 abzuweisen und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festzustellen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Afghanistan unzulässig sei.
Das Erkenntnis wurde dem damals bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 17.06.2015 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war in der Folge geduldet. Ihm wurde zuletzt am 28.05.2019 eine Karte für Geduldete mit einjähriger Gültigkeitsdauer ausgestellt.
Im Mai 2019 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 rechtskräftig zurückgewiesen.
Am 29.05.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
1.2. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise im August 2011 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.
Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine familiären Bindungen. Dieser hat seit etwa drei Jahren eine österreichische Freundin, mit welcher er nicht im gemeinsamen Haushalt wohnt. Der Beschwerdeführer war bislang nicht selbsterhaltungsfähig und bestreitet seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer legte einen Arbeitsvorvertrag vor, demnach er nach Erteilung eines Aufenthaltstitels als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter in einem Obstbau-Unternehmen im Ausmaß von 38 Wochenstunden und einer Entlohnung laut Kollektivertrag beschäftigt werden kann. Der Beschwerdeführer hat einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich. Der Beschwerdeführer hat die deutsche Sprache erlernt und im April 2019 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 absolviert. Der Beschwerdeführer lebt alleine in einer Mietwohnung mit einer Fläche von 18 m2. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die Zeit seines bisherigen Aufenthalts überhaupt nicht zur Integration genutzt hätte oder dass ein weiterer Aufenthalt eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
1.3. Zu seinem Herkunftsstaat Afghanistan hat der in Pakistan aufgewachsene Beschwerdeführer keine ausgeprägten Bindungen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat nicht aufgezeigt, dass sich die individuelle Lage des Beschwerdeführers oder die Situation in seinem Herkunftsstaat verglichen mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2015 maßgeblich geändert hätte.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des Gerichtsaktes.
Die Feststellungen zu Identität, Alter, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und zum Religionsbekenntnis des Beschwerdeführers beruhen dessen Angaben und wurden bereits dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2015 zugrunde gelegt.
Die Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer in Pakistan aufgewachsen ist, sich lediglich kurzfristig in Afghanistan aufgehalten hat und keine familiären oder sonstigen Bindungen zu seinem Herkunftsstaat aufweist, beruhen auf den dahingehenden Feststellungen im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2015, bezüglich derer keine Änderungen bekannt wurden.
Die Feststellungen über die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie die eingeholte Ausfertigung des Strafurteils vom 22.09.2014. Der Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft ergibt sich aus dem Strafregister sowie dem Zentralen Melderegister. Der Zeitpunkt der endgültigen Nachsicht des bedingt ausgesprochenen Strafteils ist im Strafregister vermerkt.
Die Feststellungen über die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowie die Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan und die hierfür ausschlagenden Gründe resultieren aus der Einsicht in das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2015. Das Datum der Zustellung jener Entscheidung und die eingetretene Rechtskraft ergeben sich aus der Einsichtnahme in die elektronische Verfahrensadministration des BVwG sowie das Zentrale Fremdenregister.
Die Feststellung zur seitherigen Duldung seines Aufenthalts ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt dokumentierten Besitz einer (zuletzt) am 28.05.2019 ausgestellten Duldungskarte mit einjähriger Gültigkeitsdauer. Die im Jahr 2019 erfolgte Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 lässt sich einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister entnehmen.
Der durchgehende Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit seiner erstmaligen Einreise im August 2011 beruht auf seinen nachvollziehbaren Angaben in Zusammenschau mit den durchgehend vorgelegenen behördlichen Hauptwohnsitzmeldungen.
Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen des Beschwerdeführers resultieren aus dem im Vorlage gebrachten Mietvertrag sowie einer Abfrage im Zentralen Melderegister. Die Feststellungen über die Beziehung zu seiner Freundin sowie seinen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den vorgelegten Unterstützungserklärungen aus seinem sozialen Umfeld. Die Feststellungen über den abgeschlossenen Arbeitsvorvertrag ergeben sich aus der Vorlage einer Kopie jenes Dokuments. Der bisherige Bezug von Grundversorgung ergibt sich aus der Einsichtnahme in das GVS.
Die Feststellungen über die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Vorlage eines ÖIF-Zertifikats über eine im April 2019 bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 in Zusammenschau mit dem im Verwaltungsakt dokumentierten Umstand, dass dieser die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im gegenständlichen Verfahren am 24.06.2020 ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchführte.
Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des 26-jährigen Beschwerdeführers sind nicht zutage getreten.
Die Feststellung, dass eine mit einem Aufenthalt des Beschwerdeführers einhergehende maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit derzeit nicht mehr zu prognostizieren ist, ergibt sich aus der Einsicht in das Strafurteil vom 22.09.2014, das Strafregister, den vorgelegten Bericht des Vereins Neustart aus Juni 2015 sowie den seither gesetzten Bemühungen um eine sprachliche und berufliche Eingliederung.
Die Feststellung, dass der angefochtene Bescheid keine maßgeblichen Änderungen der individuellen Situation des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt des Ausspruchs der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan im Juni 2015 aufgezeigt hat, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom 11.06.2015 mit jenen des angefochtenen Bescheides.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
3.2. Zu A) Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005):
3.2.1. Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen.
[…]
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) – (6) […]
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14)[…]“
Die maßgeblichen Bestimmungen des 6.,7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:
„Duldung
§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;
2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;
3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;
[…]
Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) – (2) […]
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4)-(8) […]
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) – (11) […]“
§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) – (6) [...]“
3.2.2. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
3.2.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).
3.2.2.2. Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt etwa VwGH 15.01.2020, Ra 2017/22/0047) regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. VwGH 26.02.2015, Ra 2015/22/0025; 19.11.2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. VwGH 16.12.2014, 2012/22/0169; 09.09.2014, 2013/22/0247; 30.07.2014, 2013/22/0226).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
3.2.3. Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen familienähnlichen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK von vornherein auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher lediglich allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
3.2.4. Im vorliegenden Fall hielt sich der Beschwerdeführer seit seiner Antragstellung im August 2011 aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber im Bundesgebiet auf, ab dem 17.06.2015 war sein Aufenthalt unrechtmäßig, jedoch gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 iVm § 46a Abs. 1 Z 2 FPG geduldet. Der Beschwerdeführer musste sich der grundsätzlich vorübergehenden Natur seines Aufenthaltes zwar stets bewusst sein und konnte auf keinen dauernden Verbleib im Bundesgebiet vertrauen, wodurch sich die in diesem Zeitraum begründeten privaten Bindungen in ihrem Gewicht als gemindert erweisen. Demgegenüber ist aber zu berücksichtigten, dass im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2015 ausgesprochen worden war, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan aufgrund ihm dort drohender Grundrechtseingriffe nicht zulässig sei, sodass im vorliegenden Fall die Dauer des unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht alleine der Sphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen ist. Es liegt auch kein Fall vor, in welchem der langjährige Aufenthalt trotz der grundsätzlich möglichen Rückkehr in den Herkunftsstaat etwa durch wiederholte unbegründete Asylantragstellungen missbräuchlich zu verlängern versucht wurde.
Der Vollständigkeit halber ist auch auszuführen, dass die Behörde im angefochtenen Bescheid nicht aufgezeigt hat, dass jene individuellen Sachverhalte, welche laut Erkenntnis des BVwG vom 11.06.2015 zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat geführt hätten, zwischenzeitlich eine maßgebliche Änderung erfahren haben. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der damaligen Entscheidung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Laghman oder eine Niederlassung in einem anderen Teil Afghanistans für den in Pakistan aufgewachsenen Beschwerdeführer, welcher keine sozialen Bindungen in seinem Herkunftsstaat Afghanistan aufweist und über keine Schul- und Berufsbildung verfügt, vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer existenzgefährdenden Notlage führen würde. Soweit die Behörde im angefochtenen Bescheid zentral darauf abstellt, dass die damals maßgebenden Umstände aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Volljährigkeit des Beschwerdeführers nicht mehr vorliegen würden, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan durch das Bundesverwaltungsgericht die Volljährigkeit erreicht hatte. Eine Änderung der allgemeinen Lage in Afghanistan hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ebensowenig wie sonstige maßgebliche Änderungen der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers aufgezeigt. Auch der Verweis auf eine zwischenzeitlich vorhandene Existenzgrundlage in Afghanistan wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht näher begründet. Zudem geht auch die aktuelle höchstgerichtliche Judikatur unter Berücksichtigung der Einschätzung von EASO (vgl. Country Guidance: Afghanistan Common analysis and guidance note, 12/2020, 176) davon aus, dass es bei Rückkehrern nach Afghanistan, die, wie der Beschwerdeführer, entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, qualifizierter Umstände, insbesondere im Hinblick auf Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis sowie Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans, bedarf, um von einer im Hinblick auf Art. 2 und Art. 3 EMRK zumutbaren Rückkehrsituation ausgehen zu können (vgl. etwa VfGH 24.11.2020, E2575/2019). Ohne eine abschließende Beurteilung im Hinblick auf die aktuelle Rückkehrsituation des Beschwerdeführers vorzunehmen, ist demnach durch im angefochtenen Bescheid getroffenen Erwägungen jedenfalls nicht ersichtlich gemacht worden, dass die Voraussetzungen für eine Duldung nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 zum Entscheidungszeitpunkt weggefallen wären.
Der Beschwerdeführer hält sich zum Entscheidungszeitpunkt seit rund neuneinhalb Jahren durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf, sodass es nach der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr darauf ankommt, dass der Beschwerdeführer eine „außergewöhnliche“ Integration erreicht hat, um eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig zu machen, sondern es ist für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung vielmehr maßgeblich, ob dieser seine bisherige Aufenthaltsdauer überhaupt nicht genutzt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren und/oder dessen weiterer Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit begründen würde. Beides ist im Fall des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt nicht zu erkennen:
Der Beschwerdeführer, welcher keine familiären Bindungen im Bundesgebiet aufweist, bislang nicht selbsterhaltungsfähig war und keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Arbeit nachging, hat während seines langjährigen Aufenthalts zweifelsfrei keinen hohen Grad an Integration erlangt. Jedoch hat dieser die deutsche Sprache in einem Ausmaß erlernt, welches ihm die eigenständige Bewältigung seines Alltags im Bundesgebiet ermöglicht. So hat dieser im April 2019 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden und war in der Lage, die Einvernahme im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers in deutscher Sprache durchzuführen. Der Beschwerdeführer hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aufgebaut und führt seit drei Jahren eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Zudem hat er für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung unmittelbar in Aussicht; aufgrund des vorgelegten Arbeitsvorvertrages über eine Vollzeit-Beschäftigung als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter mit einer Entlohnung laut Kollektivvertrag ist eine grundsätzlich positive Prognose im Hinblick auf eine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu stellen.
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer, welcher seit dem Kleinkindalter in Pakistan aufgewachsen war, keine maßgeblichen Bindungen zu seinem Heimatland Afghanistan aufweist. Er hat sich seit seiner im Kleinkindalter erfolgten Ausreise nie (längerfristig) in seinem Herkunftsstaat Afghanistan aufgehalten und hat dort keine Angehörigen oder sonstigen sozialen Bindungen, sodass in einer vergleichenden Betrachtung die in Österreich begründeten Bindungen jenen zu seinem Herkunftsstaat überwiegen.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht neben dessen grundsätzlichem Bewusstsein über die Unsicherheit seines Aufenthalts insbesondere die mit 22.09.2014, rechtskräftig seit 26.09.2014, erfolgte Verurteilung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel §§ 28 Abs. 1 und Abs.2 SMG und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 SMG sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG als Bestimmungstäter nach § 12 2. Fall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten gegenüber.
Dem Schuldspruch lag im Wesentlichen zugrunde, dass der Beschwerdeführer und zwei weitere Personen im Zeitraum von Februar 2014 bis 16.04.2014 an verschiedenen Orten des Bundesgebietes vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich zumindest 9000 g Cannabiskraut, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter im arbeitsteiligen Zusammenwirken an abgesondert verfolgte Personen gewinnbringend verkauften und am 16.04.2014 1964,92 g Cannabiskraut mit dem Vorsatz besessenen und befördert haben, dass es in Verkehr gesetzt wird. Zudem haben der Beschwerdeführer und die beiden Mittäter einen abgesondert verurteilten Täter dazu bestimmt, gegen Geldzahlung vorschriftswidrig Cannabiskraut im Bundesgebiet zu transportieren.
Im Zuge der Strafbemessung wertete das Landesgericht das reumütige Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit sowie das Alter unter 21 Jahren des Beschwerdeführers als mildernd; als erschwerend wurden das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und einem Vergehen erachtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa VwGH 01.04.2019, Ra 2018/19/0643), sodass das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten grundsätzlich geeignet ist, den öffentlichen Interessen an einer Beendigung seines Aufenthalts ein hohes Gewicht zu verleihen.
Wenn auch dieses Fehlverhalten des Beschwerdeführers demnach keinesfalls zu verharmlosen ist, so ist festzuhalten, dass das dargestellte strafbare Handeln des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt knapp sieben Jahre zurückliegt und dessen Entlassung aus der Freiheitsstrafe vor knapp sechseinhalb Jahre erfolgte. Seither hat sich der Beschwerdeführer keine weiteren strafbaren Handlungen zu Schulden kommen lassen. Am 17.04.2018 erfolgte die endgültige Nachsicht des bedingt ausgesprochenen Teils der Freiheitsstrafe.
Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (vgl. zuletzt VwGH 26.01.2021, Ra 2020/14/0491, mwN). Da sich der Beschwerdeführer infolge seiner ersten Verurteilung als junger Erwachsener bereits mehr als sechseinhalb Jahre in Freiheit wohlverhalten hat und eine Erwerbstätigkeit unmittelbar in Aussicht hat, ist im Hinblick auf das der Verurteilung konkret zugrunde gelegene Fehlverhalten zum Entscheidungszeitpunkt keine solche von einem weiteren Aufenthalt ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu prognostizieren, welche eine Aufenthaltsbeendigung trotz der neuneinhalbjährigen Aufenthaltsdauer gebieten würde.
Aufgrund der während einer neuneinhalbjährigen Aufenthaltsdauer erfolgten Integrationsschritte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie der fehlenden maßgeblichen Bindungen zum Herkunftsstaat ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsbeendigung eine Verletzung des durch Art. 8 EMRK geschützten Rechts auf Achtung des Privatlebens begründen würde. Es beruhen die drohenden Verletzungen des Privatlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
3.2.5. Es ist demnach das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privatlebens des Beschwerdeführers als schützenswert anzusehen und überwie