TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/9 W141 2226937-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.03.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W141 2226937-1/13E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX ,
geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 04.12.2019 betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid vom 04.12.2019 behoben.

Frau XXXX erfüllt die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Am 05.09.2019 beantragte XXXX , geboren am XXXX , (in der Folge BF) die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ samt Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung sowie der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Orthese“. Dazu legte die BF medizinische Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. DDr. Ingeborg Greutter, Fachärztin für Orthopädie, stellte nach einer persönlichen Untersuchung der BF im Gutachten vom 02.11.2019 einen Gesamtgrad der Behinderung von 60% fest und führte aus, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

2. Mit Bescheid vom 04.12.2019 wurde der Antrag der BF vom 05.09.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten. Nach dem eingeholten Gutachten lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vor. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.

3. Mit Schreiben vom 21.12.2019 erhob die BF Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid vom 04.12.2019. Die BF gab an, sie sei nicht fähig, eine Wegstrecke von 300-400 m durchgehend zu Fuß zu bewältigen bzw. die Stiegen zur U-Bahn oder das Einsteigen in Waggons zu schaffen oder länger zu stehen. Dies wegen allgemeiner Schwäche, Unsicherheit des Auftretens trotz Krücke (Gleichgewicht, starkes Hinken und Einknicken) sowie - bei längerem Gehen oder Stehen – großer Schmerzen in der linken Hüfte. Daher akzeptiere sie die Beurteilung des Grades ihrer Mobilität durch das Sachverständigengutachten nicht, das überdies nicht mit dem Befund ihres Orthopäden übereinstimme.

4. Am 27.12.2019 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Auf Grund des Beschwerdevorbringens und der vorgelegten Befunde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes medizinisches Gutachten eingeholt.

5. Mit 12.01.2021 wurde das Gutachten vom 22.12.2020 dem Parteiengehör unterzogen. Es wurde die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung schriftlich Stellung zu nehmen. Es wurden keine Einwendungen gegen das eingeholte Gutachten vorgebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

1.1. Die BF hat ihren Wohnsitz im Inland. Die BF verfügt über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H.

1.2. Zum Gesundheitszustand wird festgestellt:

Allgemeinzustand: reduziert, Ernährungszustand; unauffällig, Größe; 160, Gewicht; 63 kg (Trockengewicht)

Caput/Hals: unauffällig, BF trägt eine Brille, keine Lippenzyanose, Sprache unauffällig, keine Halsvenenstauung, Schilddrüse schluckverschieblich,

blande Narbe linke Mamma

Herz: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion,

Lunge: V.A. beidseits, sonorer KS, Basen atemversch., keine Kurzatmigkeit beim Sprechen, keine maßgebliche Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer, Abdomen: unauffällig, im Thoraxniveau, weich, keine Druckpunkte, Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nieren bds. palpabel, Nierenlager beidseits frei

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links frei, Inkl. und Rekl. endlagig eingeschränkt,

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung endlagig eingeschränkt

Extremitäten: obere Extremitäten: Schultergelenk rechts: frei beweglich, Nackengriff frei, Schürzengriff frei, Schultergelenk links: frei beweglich, Nackengriff frei, Schürzengriff frei, Ellenbogengelenk rechts frei beweglich, Ellenbogengelenk links: frei beweglich, linker Unterarm: Shunt linker Unterarm in situ, Schwirren auskultierbar, der linke Unterarm ist mittels Schlauchverband geschützt, Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke beidseits frei, Daumengelenke bds. frei, Faustschluß bds. durchführbar, Zangen griff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig gegeben,

UE: Hüftgelenk rechts: blande Narbe nach DHS, Flexion 95°, Abduktion und Adduktion altersentsprechend frei, Hüftgelenk links: blande Narbe nach DHS, Flexion 100°, Abduktion und Adduktion altersentsprechend frei, Kniegelenke frei beweglich, bandstabil, Sprunggelenk rechts altersentsprechend frei beweglich, Sprunggelenk links: Supination eingeschränkt, sonst in allen Ebenen altersentsprechend frei beweglich, Zehenbeweglichkeit unauffällig, beide unteren Extremitäten können gut von der Unterlage abgehoben werden. Beinpulse: Pulse an beiden unteren Extremitäten tastbar, Venen: unauffällig, Ödeme: keine. Stuhl: obstipiert, Harn: 300 bis 500 ml/Tag.

Neuro: grobneurologisch unauffällig, OE: Eudiadochokinese, FNV bds. zielsicher, AVV beidseits unauffällig und ohne Absinktendenz, Kraft der oberen Extremitäten seitengleich unauffällig, Kraft der unteren Extremitäten seitengleich unauffällig und normal, Romberg unauffällig, Unterberger unauffällig und ohne Drehtendenz.

Psych.: Anamneseerhebung und Kommunikation unauffällig und gut möglich, BF ist klar, wach, in allen Qualitäten orientiert. Stimmung ausgeglichen. Denkziel wird erreicht.

Gang: BF kommt mit 1 Unterarmstützkrücke links geführt bei verlangsamtem und kleinschrittigem, insgesamt sicherem Gangbild. Die BF trägt orthopädische Schuhe. Aufstehen und Lagewechsel selbstständig möglich, Treppen zum Empfangsschalter; werden verlangsamt und sicher begangen.

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten vor. Die Greif- und Haltefunktion ist beidseits unauffällig gegeben.

Es liegt eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor.

1.3. Der BF ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

2.Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem vorliegenden Gerichtsakt.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen der BF im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ wurde in dem oben wiedergegebenen, schlüssigen Sachverständigengutachten vom 22.12.2020 von Dr. Bernd Kornherr, Arzt für Allgemeinmedizin, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt wurde, ausführlich und nachvollziehbar Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF mit erhobenem klinischen Befund und den schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Äußerungen, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Der medizinische Sachverständige Dr. Bernd Kornherr hat in seinem Gutachten vom 22.12.2020 nachvollziehbar dargelegt, dass sich im Vergleich zum Sachverständigengutachten von Frau DDr. Greutter vom 02.11.2019 sowie zur Stellungnahme der Sachverständigen nunmehr eine abweichende Beurteilung ergibt. Bei terminaler Niereninsuffizienz und seit 2013 etablierter Hämodialyse lässt sich demnach im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung ein reduzierter Allgemeinzustand mit dadurch bedingter Gangbildstörung objektivieren. Auch der aktuell vorgelegte Patientenbrief sowie Pflegebericht nach stationärem Aufenthalt im Wilhelminenspital vom 14.05.2020 beschreiben einen reduzierten Allgemeinzustand sowie ein erhöhtes Sturzrisiko bei Gangunsicherheit. Der vorgelegte Befund in Zusammenschau mit dem reduzierten Allgemeinzustand und der objektivierbaren Gangbildstörung führen damit zu einer abweichenden Beurteilung im Vergleich zum erstinstanzlichen Sachverständigengutachten. Aus aktueller gutachterlicher Sicht ist das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400m, das Be- und Entsteigen sowie die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert und liegen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" daher vor.

Gegen die schlüssigen und ausführlichen Erörterungen des Gutachters Dr. Bernd Kornherr, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 22.12.2020 wurden auch im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendungen mehr erhoben.

3.Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1.         ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2.         sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3.         sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4.         für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5.         sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1.         nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2.         zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3.         ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, wurde mit BGBl II Nr. 263/2016 novelliert. Gemäß § 5 Abs. 3 der Novelle ist § 1 dieser Verordnung mit Ablauf des 21.09.2016 in Kraft getreten.

Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen), BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, hat der Behindertenpass auf der Vorderseite zu enthalten:

1. die Bezeichnung „Behindertenpass“ in deutscher, englischer und französischer Sprache;

2. den Familien- oder Nachnamen, Vorname(n), akademischen Grad oder Standesbezeichnung des Menschen mit Behinderung;

3. das Geburtsdatum;

4. den Verfahrensordnungsbegriff;

5. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;

6. das Antragsdatum;

7. das Ausstellungsdatum;

8. die ausstellende Behörde;

9. eine allfällige Befristung;

10. eine Braillezeile mit dem Ausdruck „Behindertenpass“;

11. ein Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug „Sozialministeriumservice“ im Hintergrund;

12. das Logo des Sozialministeriumservice;

13. einen QR-Code, mit dem auf der Homepage des Sozialministeriumservice nähere Informationen zum Behindertenpass und den einzelnen Zusatzeintragungen abgerufen werden können sowie

14. ein der Bestimmung des § 4 der Passgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, entsprechendes Lichtbild.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

?        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

?        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

?        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

?        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

?        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur oben genannten Verordnung wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise): Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zu § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals § 1 Abs. 2 Z 3) (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

?        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

?        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

?        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

?        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

?        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

?        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

?        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009, 2007/11/0080).

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, „Leben am Land“) oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wird auf die obigen Erörterungen verwiesen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung des Zusatzes „Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Hinsichtlich der bekämpften Abweisung der Zusatzeintragung ist im gegenständlichen Fall für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ rechtfertigt. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ergänzendes ärztliches Sachverständigengutachten vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt. Gegen dieses Gutachten vom 22.12.2020 wurden im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendungen erhoben. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.3.Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. 

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Unzumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2226937.1.00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten