TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/10 W181 2213632-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W181 2213633-1/36E
W181 2213631-1/30E
W181 2213629-1/20E
W181 2213632-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald PERL als Einzelrichter über die Beschwerden 1. der XXXX , geb. XXXX , 2. des XXXX , geb. XXXX , 3. des mj. XXXX , geb. XXXX und 4. des mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Bangladesch, die Minderjährigen vertreten durch die Mutter XXXX , alle vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019, Zl. 1. 1084113200-151172511, 2. 1084105710-151172503, 3. 1083980507-151172538 und 4. 1129977605-161269822, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.11.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden werden hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerden wird festgestellt, dass die Erlassung von Rückkehrentscheidungen in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 52 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 AsylG 2005 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX , XXXX , XXXX und XXXX jeweils der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. Die Spruchpunkte IV. bis VI. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin zu 1. (im Folgenden: BF1), der Beschwerdeführer zu 2. (im Folgenden: BF2) und der Beschwerdeführer zu 3. (im Folgenden: BF3), Staatsangehörige von Bangladesch, stellten am 24.08.2015 im Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen von am 25.08.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragungen gaben die BF1 und der BF2 getrennt voneinander befragt an, miteinander verheiratet zu sein und im Juli 2015 mit ihrem gemeinsamen Sohn, dem BF3, ihr Herkunftsland verlassen zu haben. Sie hätten sich nach ihrer Ausreise zunächst für ungefähr fünf Wochen gemeinsam in Indien aufgehalten und anschließend fünf Tage in der Türkei verbracht, von wo aus sie mit einem Kleinbus nach Österreich gereist seien.

Die BF1 gab an, in ihrer Heimat in einer Frauenorganisation, die sich für die Selbständigkeit von Frauen einsetze, gearbeitet zu haben, damit Frauen ein besseres Leben hätten. Sie sei von Männern bedroht und es sei ihr vorgeworfen worden, dass sie gegen den Islam arbeite. Am Anfang habe sie diesen Männern keine Beachtung geschenkt, doch dann sei sie von diesen mit Messern und Handgranaten bedroht worden. Man habe auch Leichentücher vor ihr Haus gelegt. Danach sei sich die BF1 sicher gewesen, dass diese Männer es ernst meinen, weshalb sie mit ihrer Familie das Land verlassen habe. Dies sei ihr einziger Fluchtgrund.

Der BF2 gab an, dass die BF1 in einer Einrichtung, die für die Rechte der Frauen kämpfe, gearbeitet habe. Die BF1 habe für die Gleichstellung und Emanzipation der Frauen in Bangladesch gekämpft. Ein paar Islamisten sei dies nicht recht gewesen, weshalb diese die Familie mehrmals mit dem Ermorden und einer Entführung bedroht hätten. Am 25.06.2015 sei die BF1 sogar auf der Straße von Männern mit Handgranaten bedroht worden. Weil die BF1 laut geschrien habe, seien die Männer weggelaufen. Der BF2 habe Angst um das Leben seiner Familie gehabt, daher habe er das Land verlassen. Das sei sein einziger Fluchtgrund.

I.3. Am 11.08.2016 wurde der Beschwerdeführer zu 4. (im Folgenden: BF4), als gemeinsamer Sohn der BF1 und des BF2, im Bundesgebiet geboren.

I.4. Am 12.09.2016 wurden die BF1 und der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) getrennt voneinander niederschriftlich einvernommen.

Die BF1 gab darin an, dass es ihr derzeit gut gehe. Sie habe in Bangladesch bis zur Hochschulreife eine Schule und anschließend eine Universität besucht, habe ihr Studium aber nach einem Jahr abgebrochen. In Bangladesch habe sie von 22.04.2014 bis 25.06.2015 für die NGO „ XXXX gearbeitet. Sie sei dort nicht permanent angestellt gewesen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sei sie zu Frauen, die etwas machen hätten wollen, zB Bäuerinnen und Arbeiterinnen, gegangen und habe diese unterstützt. Diese hätten Geld bekommen, um es zu investieren und selbständig zu werden. Nach ihrer Heirat habe sie mit ihrem Mann einige Jahre beim Bruder ihres Mannes gelebt. Nachdem die Beziehung zu ihrem Schwager nicht so gut gewesen sei und ihre Eltern krank geworden seien, sei die BF1 mit dem BF2 in eine Wohnung ihres Vaters nach XXXX zurückgekehrt. In dieser Ortschaft habe ihr Vater mit ihrem Onkel ein vierstöckiges Wohnhaus errichtet. Von zwei dieser vier Wohnungen erhalte die BF1 die Miete auf ihr Konto überwiesen. Daneben habe sie eine Wohnung in XXXX . Zusammen mit dem Einkommen ihres Ehemannes sei die Familie in einer sehr guten finanziellen Situation gewesen.

Zu ihren familiären Verhältnissen befragt gab die BF an, verheiratet zu sein und zwei Kinder zu haben. Ihre Eltern und ihr Bruder würden in XXXX leben. Ansonsten würden noch ein Onkel väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits der BF1 in Bangladesch leben. Die BF1 telefoniere zwei bis drei Mal wöchentlich mit ihren Angehörigen. In Österreich lebe die BF1 von der Grundversorgung. Die BF1 spreche nur ein paar Wörter Deutsch und habe wegen ihrer Schwangerschaft noch keinen Kurs besucht. Sie habe keine österreichischen Freunde, aber österreichische Mädchen würden öfters zum Spielen vorbeikommen.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die BF1 zusammengefasst an, in einer NGO beschäftigt gewesen zu sein. Ihre Aufgabe sei es gewesen, armen und unselbständigen Frauen kleine Darlehen zu geben, damit diese sich selbständig machen können. Eines Tages sei der Dorfälteste, welcher großen Einfluss habe, gekommen und habe zur BF1 gesagt, dass sie nichts Gutes mache und ihre Arbeit gegen den Islam sei. Die BF1 sei ihrer Beschäftigung weiter nachgegangen und fünf oder sechs Tage später sei wieder jemand gekommen und habe nachgefragt, weshalb die BF1 ihrer Tätigkeit noch nachgehe, obwohl es ihr verboten worden sei. Die BF1 habe gesagt, dass ihre Arbeit gut sei und sie Menschen helfe. Ihr sei daraufhin gesagt worden, dass sie auf jeden Fall aufhören müsse und sie nicht widersprechen solle. Die BF1 habe Angst bekommen und sei danach zur Polizeistation gegangen, wo sie den Vorfall geschildert habe. Auf der Polizeistation sei ihr gesagt worden, dass sie weitermachen solle, weil es viele Leute gebe, die so etwas sagen würden. Am 25.06.2015 auf dem Weg in die Arbeit habe die BF1 gesehen, dass vier Männer in einem Auto auf sie gewartet hätten. Diese hätten Waffen und Handgranaten bei sich gehabt und die BF1 bedroht, ihr zwei Ohrfeigen gegeben und sie auf den Rücken geschlagen. Sie hätten die BF1 gezogen und gezerrt und ihr gesagt, dass sie sie überall finden und töten würden. Leute in der Nähe hätten die Hilferufe der BF1 gehört, seien zu Hilfe gekommen und hätten die BF1 daraufhin zu einer Apotheke gebracht. Nachdem die BF1 ihre Wunden versorgt habe, habe sie sich mit dem BF2 auf der Polizeistation getroffen. Zwei Tage später sei die BF1 telefonisch bedroht worden, dass sie und ihre Familie getötet werden würden. Vor ihre Türe sei ein Paket gelegt worden, worin sich ein weißes Kleidungsstück befunden habe, welches man Toten zur Beerdigung anziehe. Nach diesem Vorfall sei der BF2 erneut zur Polizei gegangen. Der Vater der BF1 habe ihnen geraten, das Land zu verlassen. Daraufhin hätten sie das Land verlassen. Nach ihrer Ausreise seien diese Leute zum Vater der BF1 gegangen und hätten ihn verbal angegriffen. Auch dieser sei danach zur Polizei gegangen, um eine Anzeige zu erstatten. Er habe der Polizei vorgeworfen, dass bisher kein Eintrag ins General Diary (im Folgenden auch: GD) erfolgt sei, woraufhin ein Eintrag ins General Diary gemacht worden sei.

Der BF2 gab in seiner Einvernahme zusammengefasst an, gesund zu sein und in Bangladesch zuletzt gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinem Kind, seinen Schwiegereltern und dem Bruder seiner Ehefrau in XXXX in der Wohnung seines Schwiegervaters gelebt zu haben. Sein zweiter Sohn sei in Österreich geboren. Der BF2 habe nach seinem Schulbesuch ein College besucht und danach auf einem anderen College den Masterabschluss in islamischer Geschichte gemacht. Beruflich habe er seinem Bruder, welcher Autos von Japan nach Bangladesch importiert habe, bei der Geschäftsführung geholfen. Gemeinsam mit seinem Bruder habe er in Dhaka Grundstücke gekauft, zudem verfüge er über Ersparnisse auf seinem Sparkonto. Finanziell sei es ihm in Bangladesch gut gegangen. In Dhaka würden drei Brüder und zwei Schwestern des BF2 leben, mit welchen der BF2 regelmäßig telefoniere.

Zum Fluchtweg befragt gab der BF2 an, dass die Familie Bangladesch im Juli verlassen habe. Ein Freund habe ihm einen Schlepper vermittelt. Die Familie sei über Indien mit dem Flugzeug nach Istanbul gereist, wo sie fünf Tage aufhältig gewesen seien. Von dort seien sie mit einem Lastwagen weiter nach Österreich gefahren. Sie seien mit einem gefälschten Reisepass geflogen, welcher ihnen in Istanbul abgenommen worden sei.

Zum Fluchtgrund befragt führte der BF2 an, dass seine Frau ab April 2014 bei einer NGO namens „ XXXX “ gearbeitet habe. Mullahs hätten sie im Mai 2015 bedroht und einmal sogar mit einem Auto entführen wollen. Am 04.06.2015 sei sie noch einmal bedroht worden, weil sie mit ihrer Arbeit nicht aufgehört habe. Am 25.06.2015 habe es einen Angriff auf die BF1 gegeben, infolgedessen die BF1 am linken Ellbogen und am Rücken verletzt worden sei. Die BF1 habe ihn angerufen und sie hätten sich danach bei der Polizeistation getroffen. Dort hätten sie den Vorfall geschildert und ihnen sei gesagt worden, dass ermittelt werden würde. Später sei ein Eintrag ins General Diary erfolgt. Zwei Tage danach habe die BF1 einen Anruf erhalten, in dem sie mit dem Tod bedroht worden und ihr mitgeteilt worden sei, dass ein Paket vor der Haustüre liegen würde. Dies habe er sich angesehen und darin ein Kleid für Tote vor dem Begräbnis gefunden. Nachdem er das Paket bei der Polizei abgegeben habe, sei er nach Hause gegangen, wo er einen Anruf erhalten habe, dass sie wissen würden, dass sie bei der Polizei gewesen seien, und sie sich schon einmal von allen verabschieden sollten. An diesem Tag habe er begonnen, die Flucht zu organisieren. Der BF2 sei selbst nicht bedroht worden.

Befragt zum Leben in Österreich gab der BF2 an, dass er von der Grundversorgung lebe und nur ein paar Wörter Deutsch sprechen könne. Er besuche lediglich einen privaten Deutschkurs zu Hause.

Im Rahmen ihrer Einvernahmen legten die BF1 und der BF2 eine Heiratsurkunde sowie die Geburtsurkunden der BF1, des B2 und des BF3 vor.

I.5. Am 16.09.2016 stellte die BF1 als gesetzliche Vertreterin des BF4 gemäß § 34 AsylG 2005 für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz. Beigelegt wurde die Geburtsurkunde des BF4, eine Meldebestätigung sowie ein Patientenblatt des Universitätsklinikums XXXX über die Entbindung der BF1.

I.6. Am 31.10.2016 stellte das BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation zur Überprüfung der von der BF1 und vom BF2 im Zusammenhang mit ihrem Fluchtvorbringen getätigten Angaben.

I.7. Mit Datum vom 16.01.2017 übermittelte die Staatendokumentation dem BFA bezugnehmend auf die seitens der Behörde in Auftrag gegebene Anfrage zwei Anfragebeantwortungen. In der ersten betreffend die Person der BF1 wird zusammengefasst ausgeführt, dass laut Vertrauensanwalt der Manager der Außenstelle erst seit kurzem für die Organisation arbeite und nicht wisse, ob die BF1 für die Organisation gearbeitet habe oder nicht, aber dass eine telefonische Nachfrage bei zwei Mitarbeitern, welche schon jahrelang für XXXX arbeiten würden, ergeben habe, dass diese die BF1 nicht kennen würden, weshalb davon ausgegangen werde, dass die BF1 nicht für XXXX gearbeitet habe. In der zweiten Anfragebeantwortung betreffend die NGO „ XXXX “ wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es eine solche und eine Außenstelle in XXXX gebe. Der Vertrauensanwalt gab zur Frage, ob fundamentalistische Moslems die Arbeit dieser Organisation als „im Islam verboten“ ansehen, an, dass bei einer Nachfrage bei den Einheimischen vor Ort keine dahingehenden Informationen gefunden werden hätten können.

I.8. In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 29.08.2018 gab die BF1 ergänzend an, alle zwei bis drei Tage Kontakt zu ihren Eltern zu haben. Ihrer Mutter gehe es schlecht, da diese einen Tumor im Bauch habe, der restlichen Familie gehe es gut. Aufgefordert, erneut die Gründe für ihre Flucht zu schildern, gab die BF1 an, bei einer NGO namens „ XXXX “ als Programmorganisatorin gearbeitet zu haben. Sie habe Frauen und Kinder dazu motiviert, dass Frauen ein Recht auf Schuldbildung und Arbeit hätten. Sie habe auch Geld zur Verfügung gestellt, damit diese Frauen sich etwas aufbauen können. Am 25.06.2015 sei sie von religiösen Leuten in langer weißer Kleidung und mit langen Bärten angegriffen worden und es sei ihr gesagt worden, dass Frauen zu Hause bleiben müssten, die BF1 den Islam beschmutzen und als Strafe dafür getötet werden würde. Die BF1 sei daraufhin zur Polizei gegangen, wo ihr bestätigt worden sei, dass diesem Fall nachgegangen werde. Die Polizei habe aber nichts unternommen. In der Zwischenzeit habe die BF1 auch Drohanrufe erhalten und eines Tages sei eine Truhe vor ihr Haus gestellt worden, wo sie Kleidung, in der man in Bangladesch bestattet werde, vorgefunden habe. Daraufhin habe sie sich entschieden, das Land zu verlassen. Vor dem Angriff sei sie persönlich am 04.06.2016 auf dem Weg zur Arbeit bedroht worden, nach dem Angriff sei sie noch zwei oder drei Mal telefonisch bedroht worden. Nach dem 25.06.2015 sei die BF1 nicht mehr in die Arbeit gegangen.

Auf Nachfrage, weshalb die BF1 weiter bedroht worden sei, obwohl die Forderung, nicht mehr zur Arbeit zu gehen, erfüllt worden sei, gab die BF1 an, dass diese der Meinung gewesen seien, dass die den Islam beschmutzt und Frauen dazu bewegt habe, arbeiten zu gehen.

Auf Nachfrage, wie sich die BF1 das Ergebnis der Anfragebeantwortung, dass die BF1 keinem Mitarbeiter des „ XXXX “ bekannt sei, erklären könne, gab sie an, dass sie erfahren habe, dass es einen neuen Manager gebe und es klar sei, dass dieser sie nicht kenne. Dass die anderen Mitarbeiter sie nicht kennen würden, könne nicht sein.

Auf den Hinweis, dass durch eine Befragung vor Ort festgestellt worden sei, dass keine Anzeichen ersichtlich seien, dass diese NGO Probleme mit fundamentalistischen Islamisten habe bzw. die Arbeit der NGO als verboten angesehen werde, erwiderte die BF1 dass es natürlich Probleme gegeben habe. Wenn es nicht so wäre, wäre sie heute nicht hier.

Zu ihrem Leben in Österreich befragt gab die BF1 an, dass sie von der Grundversorgung lebe und gerade dabei sei, Deutsch zu lernen. Auch ihr älterer Sohn sei in einem Mentoring-Programm, um Deutsch zu lernen. Ab Jänner würde ihr jüngstes Kind in den Kindergarten gehen und ab diesem Zeitpunkt könne sie einen Deutschkurs besuchen. Derzeit komme einmal wöchentlich eine Dame von der Diakonie, um mit der Familie Deutsch zu lernen.

Im Rahmen dieser Einvernahme wurden zwei Bestätigung des “ XXXX “ ( XXXX ), ein Polizeibericht, eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung, ein österreichischer Zeitungsartikel sowie eine Tandemurkunde des BF3 vorgelegt.

Der BF2 gab in der Einvernahme am 29.08.2018 ergänzend an, dass er telefonischen Kontakt zu seinen Geschwistern in Bangladesch habe und es diesen gut gehe. Er beziehe sich nach wie vor auf die Fluchtgründe seiner Ehefrau und habe selbst keine Fluchtgründe. Am 25.06.2015 hätten er und die BF1 beschlossen, Bangladesch zu verlassen. Ein bis zwei Tage nachdem die weiße Kleidung vor ihre Haustüre gelegt worden sei, hätten sie den endgültigen Entschluss gefasst. Auf das Ergebnis der Heimatrecherche hingewiesen gab der BF2 an, dass dies nicht möglich sein könne und sie natürlich seine Ehefrau kennen würden, da sie mit ihnen gearbeitet habe. Im Fall einer Rückkehr nach Bangladesch befürchte er, ermordet zu werden. Die Personen, die seine Ehefrau bedroht hätten, seien islamische Extremisten.

I.9. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 09.01.2019, Zl. 1. 1084113200-151172511, 2. 1084105710-151172503, 3. 1083980507-151172538 und 4. 1129977605-161269822, wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkte II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern jeweils nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betrage (Spruchpunkte VI.).

Hinsichtlich der Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das Fluchtvorbringen der BF1 nicht glaubhaft sei. Es habe zwar aufgrund der durchgeführten Heimatrecherche festgestellt werden können, dass die von ihr angegebene NGO in dem von ihr aufgezeichneten Tätigkeitsfeld tätig und aktiv sei, es habe aber weder der, wenn auch erst nach der Flucht eingesetzte Manager, noch die befragten langjährigen beschäftigten Mitarbeiter nicht bestätigen können, dass die BF1 jemals für diese Organisation tätig gewesen sei. Auch die vorgelegte Arbeitsbestätigung sei nicht mit den Aussagen der BF1 in Einklang zu bringen, da die BF1 mehrmals angegeben hab, dass sie sich die Bestätigung am 26.06.2015, somit einen Tag nach dem von ihr vorgebrachten Überfall, ausstellen habe lassen, obwohl die Bestätigung eindeutig mit 07.07.2015 datiert sei. Hinsichtlich des von der BF1 geschilderten Überfalls habe die BF1 auf bestimmte zeitliche Eckpunkte gestützte gleichbleibende Aussagen getätigt. Abseits dieser zeitlichen Grundsäulen hätten sich jedoch auf genauere Nachfrage, vor allem im Abgleich mit den niederschriftlichen Angaben des BF2, unscharfe und widersprüchliche Angaben ergeben, die nicht vermögen, ein glaubhaftes Bild der behaupteten Verfolgung zu vermitteln. Unter anderem sei nicht ersichtlich, weshalb die Angreifer, denen der Arbeits- und Wohnort der BF1 bekannt gewesen sei, diese nicht an einem dieser Orte auflauern hätten sollen und nicht – wie von der BF1 geschildert – am Ort eines Erstgesprächs. Der BF2, der BF3 und der BF4 verfügen über keine eigenen Fluchtgründe.

Darüber hinaus sei im Hinblick auf das Alter, die Ausbildung, die Erwerbsfähigkeit und das Vermögen der BF1 und des BF2 die Existenz der Beschwerdeführer in Bangladesch gesichert und lägen damit auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vor. Ebenso wenig lägen in den Fällen der Beschwerdeführer Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen – jeweils – eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Eine Abschiebung der Beschwerdeführer sei als zulässig zu bewerten.

I.10. Mit einem gemeinsamen Schriftsatz vom 23.01.2019 wurden die Bescheide des BFA seitens der – nunmehr rechtsfreundlich vertretenen – Beschwerdeführer zur Gänze angefochten. Zu den vom BFA vorgehaltenen Widersprüchen wurde ausgeführt, dass das Bestätigungsschreiben der vorgelegten NGO mit 26.05.2015 datiert sei, weshalb es sich um einen nicht nachvollziehbaren Widerspruch seitens der belangten Behörde handle. Das Ergebnis der in der Beweiswürdigung angeführten Recherche des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft sei nicht abgedruckt und daher auch nicht nachvollziehbar bzw. überprüfbar. Auch bei den langjährigen Mitarbeitern seien keine Angaben angeführt, seit wann genau diese für die Organisation arbeiten würden, weshalb nicht nachvollzogen werden könne, ob diese die BF1 tatsächlich kennen können. Laut BF1 hätten ihre Arbeitskollegen XXXX (ehemaliger Manager) und XXXX (Tätigkeit: Cashier) geheißen. Eventuell könne mit diesen Mitarbeitern erneut Kontakt aufgenommen werden, damit diese die Mitarbeit der BF1 bestätigen. Zum Überfall auf die BF1 habe diese auch bereits in ihrer Einvernahme angegeben, dass sie nicht sagen könne, ob sie bereits im Auto verfolgt worden sei, ihr die Angreifer aber erst in der Ortschaft unmittelbar vor dem Überfall aufgefallen seien. Auch wenn die BF1 mittlerweile ihre Tätigkeit bei der NGO beendet habe und somit der Forderung der Islamisten nachgekommen sei, sei sie dennoch weiterhin einer Verfolgungsgefahr durch diese ausgesetzt, weil ihr aufgrund ihres Verhaltens und ihrer früheren Tätigkeit eine islamfeindliche Haltung unterstellt werde. Zur Anzeigebestätigung bei der Polizei sei anzuführen, dass es korrekt sei, dass erst nach der Flucht der Beschwerdeführer durch den Vater der BF1 von der Polizei die Anzeige offiziell aufgenommen worden sei bzw. endlich ein Eintrag ins General Diary gemacht worden sei, obwohl die BF1 bereits zweimal davor bei der Polizei gewesen sei. Vermutlich liege das daran, dass die örtliche Polizei vor dem Vater der BF1 mehr Respekt gehabt habe bzw. dieser sich konsequenter durchsetzen habe können.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, die angefochtenen Bescheide zu beheben und den Beschwerdeführern jeweils den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen; in eventu die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Spruchpunkte II. zu beheben und den Beschwerdeführern jeweils den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; in eventu die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Spruchpunkte III. zu beheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidungen für auf Dauer unzulässig erklärt werden und den Beschwerdeführern jeweils ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird; in eventu die angefochtenen Bescheide zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

I.11. Mit Datum vom 23.01.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.12. Die BF1 und der BF2 wurden mit Schreiben vom 08.11.2019 für die am 30.01.2020 anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen.

I.13. Im Schreiben der Beschwerdeführer vom 21.01.2020 wurde aufgrund einer bis 31.01.2020 vorliegenden Arbeitsunfähigkeit der BF1 um Verlegung der anberaumten Verhandlung ersucht. Es wurde ausgeführt, dass bei der BF1 eine Ohrinfektion vorliege und ihr ein Tumor im Bauch entfernt worden sei sowie dass beim BF3 ein urologisches Problem (Inkontinenz) vorliege. Dem Schreiben beigelegt wurde eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung betreffend die BF1 sowie medizinische Befunde betreffend die BF1 und den BF3.

I.14. Am 23.01.2020 wurde die Verhandlung abberaumt und eine neue Verhandlung am 28.04.2020 anberaumt.

I.15. Am 02.04.2020 wurde die für den 28.04.2020 anberaumte Verhandlung durch das Bundesveraltungsgericht abberaumt.

I.16. Am 11.05.2020 wurde eine mündliche Verhandlung für den 09.07.2020 anberaumt, diese in der Folge abberaumt und für den 10.07.2020 neu anberaumt.

I.17. Am 06.07.2020 übermittelten die Beschwerdeführer in Vorbereitung auf die Verhandlung am 10.07.2020 die Stellungnahme einer Sozialarbeiterin, ein Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung über die Teilnahme der Beschwerdeführer an einem integrativen Familienausflug, eine Bestätigung über die Teilnahme des BF2 an einem A1-Kurs, eine Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit des BF2 bei einem Integrations-Fußball-Turnier, eine Bestätigung über die Teilnahme des BF2 mit seiner Familie an einem Gartenprojekt, eine Bestätigung über die Teilnahme des BF3 an einem Lerncoaching, eine Urkunde des BF3 betreffend ein Mentoring-Programm, eine Kindergartenbesuchsbestätigung des BF4 sowie medizinische Unterlagen betreffend die BF1 (u.a. einen ambulanten Arztbrief von Juni 2020, einen Röntgen-Befund von Juni 2020, einen Sonographie-Befund von Oktober 2015, einen Kurzbericht des Universitätsklinikums XXXX über den Aufenthalt der BF1 in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe von Dezember 2019 und eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung von August 2018).

I.18. Am 10.07.2020 fand in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der BF2 und der ausgewiesene Rechtsvertreter des BF2 teilnahmen. Die BF1, BF3 und BF4 erschienen nicht. Die Rechtsvertreterin des BF2 teilte dazu mit, dass sie kurz vor der Verhandlung davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die BF1 erkrankt sei und nicht erscheinen könne und legte in diesem Zusammenhang dem Gericht eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung der BF1 vom 10.07.2020 vor. Der BF2 führte dazu an, dass seine Ehegattin bereits seit einigen Tagen stärkere Schmerzen habe, die an diesem Tag in der Früh akut geworden seien.

Der Richter hielt in diesem Zusammenhang fest, dass eine Befragung des BF2 allein, ohne die gleichzeitige Möglichkeit der Befragung der BF1, auf deren Fluchtgründen das gegenständliche Verfahren basiert, nicht sinnvoll sei und schloss die Verhandlung.

I.19. Im Parteiengehör vom 04.08.2020 an die BF1 und das BFA wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, Herrn Dr. Lothar Fiedler aus dem Fachgebiet Innere Medizin zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Sachverständigen zu bestellen und den Parteien eine Frist zur Bekanntgabe von Einwänden gegen die Bestellung eingeräumt.

I.20. Mit Schreiben der BF1 vom 07.08.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass keine Einwände gegen die Bestellung des Sachverständigen bestehen.

I.21. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.08.2020 wurde Dr. Lothar Fiedler in der gegenständlichen Beschwerdesache gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Innere Medizin bestellt und dem Sachverständigen die Beantwortung folgender Fragen in einem schriftlichen Gutachten aufgetragen:

„1. Leidet die Beschwerdeführerin aus fachärztlicher (internistischer) Sicht an gesundheitlichen Beeinträchtigungen? Wenn ja, a.) welche Erkrankung, b.) welche medizinische Behandlung bzw. Medikamente benötigt die Beschwerdeführerin und c.) welche Auswirkungen/Folgen ergeben sich (sind aus medizinischer zu erwarten), wenn eine allenfalls erforderliche Behandlung unterbleibt? d.) ist die Erkrankung – gegebenenfalls – als dauerhaft einzustufen oder ist, bei entsprechender Medikation bzw. Behandlung, mit einer Heilung (sowie gegebenenfalls in welcher zeitlichen Perspektive) zu rechnen?

2. Inwiefern ist die Beschwerdeführerin auf Grund allenfalls vorliegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen im alltäglichen Leben eingeschränkt?

3. Ist die Beschwerdeführerin – im Hinblick auf allenfalls vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigungen – aus fachärztlicher Sicht verhandlungs- bzw. einvernahmefähig?“

I.22. Im Sachverständigengutachten vom 16.09.2020 wurden Pseudostenocardien sowie eine wahrscheinlich muskulär bedingte Neigung zu Gastritis diagnostiziert und dazu ausgeführt, dass bei der BF1 aus internistischer Sicht keine wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen. Beschwerden im Brustkorb- bzw. im Oberbauchbereich seien teils durch muskuläre Verspannungen und sehr wahrscheinlich auch durch etwas Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre zu erklären. Hier gebe es sehr gute medikamentöse Behandlung, zu einer exakten Diagnose könnte man mit einer Magenspiegelung (Gastroskopie) finden. Ansonsten sei bei der klinischen Durchuntersuchung lediglich ein kleiner Gallenblasenpolyp aufgefallen, der von Zeit zu Zeit beobachtet werden solle.

Weiter wurde dargelegt, dass die angegebenen Beschwerden gut behandelbar seien, eine Behandlung mit an sich grenzender Wahrscheinlichkeit auch nur vorübergehend sei und eine Behandlungsnotwendigkeit immer wieder notwendig werden könne. Im täglichen Leben würden keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen und aus internistischer Sicht würde sowohl Verhandlungs- wie auch Einvernahmefähigkeit vorliegen.

I.23. Am 20.10.2020 übermittelten die Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht – in Vorbereitung auf die für den 19.11.2020 anberaumte Verhandlung – ein Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A1 des BF2, eine Teilnahmebestätigung des BF2 an einem Integrationskurs A2, eine Teilnahmebestätigung der BF1 an einem Integrationskurs A1 sowie betreffend den BF3 ein Jahreszeugnis der Volksschule, ein Zeugnis über die Absolvierung eines musiktheoretischen Ergänzungsfaches, eine Teilnahmebestätigung über den Besuch einer Sommerschule 2020 und den Ferienkurs 2020 sowie betreffend den BF4 eine Bestätigung über den Besuch eines Kindergartens.

I.24. Am 19.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters der Beschwerdeführer
eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer die BF1 und der BF2 zu ihren Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen, ihren Familienverhältnissen und ihren Lebensverhältnissen in Österreich getrennt voneinander befragt wurden.

Die BF1 bestätigte zunächst, dass sie Bangladesch im Juli 2015 verlassen habe, sich im August 2015 kurzzeitig in Indien aufgehalten und danach über die Türkei auf einem ihr unbekannten Weg nach Wien gelangt sei. Auf diesbezügliche konkrete Frage, was ursprünglich das Ziel ihrer Flucht gewesen war, führte die BF1 aus, dass sie zunächst verzweifelt gewesen sei und nicht gewusst habe, wohin sie gehen könnten; ein Freund hätte ihnen vorgeschlagen, dass Österreich ein gutes und sicheres Land sei, wo Menschenrechte und Gesetze eingehalten werden; deshalb hätten sie sich entschieden, Österreich als Ziel zu wählen.

In Bangladesch würden die Eltern und ein Bruder der BF1 sowie ein Onkel und eine Tante leben; von ihrem Mann (BF2) würden in Bangladesch drei Brüder und zwei Schwestern leben. Die Frage des RI, ob es richtig ist, dass sie in Bangladesch die Miete von zwei Wohnungen, die Ihr Vater und ihr Onkel errichtet haben erhalten haben und davon gelebt haben sowie dort auch eine eigene Wohnung innegehabt haben, wurde von der BF1 bejaht.

Der Richter befragte zunächst die BF1 über ihre Tätigkeit am XXXX ; die BF1 führte dazu aus, dass es sich dabei um ein öffentliches Institut handle, das bedürftigen Menschen Darlehen gewährt, um ihnen damit die Möglichkeit zu eröffnen, etwas aufbauen zu können. Ihre Aufgabe sei es gewesen, vor allem Frauen und Mädchen über die Möglichkeit der Schulbildung aufzuklären und damit ihre Erfolgsaussichten zu verbessern.

Auf diesbezügliche Befragung führte die BF1 aus, dass es aus ihrer Sicht zwischen der Regierung (den Regierungsbehörden) und dem Institut eine gute Zusammenarbeit und kein Spannungsverhältnis gegeben habe; sie führte dazu aus, dass sie allerdings vorwiegend auf dem Feld, d.h. draußen, die Frauen und Mädchen aufgeklärt habe. Auf weitere Befragung führte die BF1 aus, dass in dem gegenständlichen Institut insgesamt sechs Personen gearbeitet hätten; ein (wie sie es ausdrückt) Führer, ein Security, ein Kassier sowie zwei Mitarbeiter, die sie gesehen habe, wenn sie Bürotätigkeit absolviert habe; vorwiegend sei die BF1 aber (wie sie es ausdrückt) auf dem Feld tätig gewesen und sie sei die einzige Frau in diesem Team gewesen; ergänzend führte die BF1 weiter aus, dass sie noch weitere sechs Monate hätte tätig sein sollen, dies aber aufgrund eines Vorfalles nicht möglich gewesen sei; die BF1 fügte hinzu, dass sie eine Menschenrechtsaktivistin gewesen sei.

Der Richter befragte die BF1, um welchen Vorfall es sich gehandelt habe (Anmerkung: Die BF1 hatte zuvor ausgeführt, dass sie weitere Gründe aus Scham nicht vor dem BFA angegeben habe); die BF1 führte in dem Zusammenhang aus, dass sie für eine NGO gearbeitet habe und bedürftigen Menschen geholfen habe; sie habe insb. Frauen und Mädchen zur Schulbildung animiert; radikale Muslime seien aufgrund dessen auf sie zugekommen und hätten sie am 04.06.2015 mit dem Tod bedroht, weil sie Frauen in die falsche Richtung leitet; sie habe das bei der Polizei zur Anzeige bringen wollen, diese hätte aber nichts ermittelt.

Die BF1 führte weiter aus, dass sie sich am 25.06.2015 auf dem Weg zur Arbeit befunden habe; ihr Chef habe sie zu mehreren Orten geschickt, zumal dort die Anwesenheit vieler Menschen zu erwarten war, diese Orte waren: XXXX . Auf dem Weg dorthin habe sie an mehreren geparkten Autos vorbei müssen, aus einem dieser Auto seien vier bewaffnete Männer gesprungen und hätten sie an einen Baum gezerrt; die BF1 führte – unter Tränen – aus, dass sie dort auf das Schrecklichste behandelt worden sei; zwei Männer seien vor ihr gestanden, zwei hinter ihr, zwei hätten sie an ihren Händen festgehalten und ihr den Mund zugehalten; die hinter ihr stehenden Männer seien so nahe an ihrem Körper gewesen, dass sie sich nicht bewegen habe können; sie hätten die BF1 als Hure beschimpft, die den Islam beschmutzt hat; sie hätten ihr gesagt, dass sie die BF1 oft gewarnt hätten, sie aber nicht auf sie gehört habe; nunmehr würden sie die BF1 beschmutzen; sie hätten die BF1 geschlagen, gezogen, beschimpft und sowohl an der Brust als auch im Intimbereich angegriffen; die BF1 habe schreien wollen, dies aber nicht können und erst als es ihr gelungen sei zu schreien, hätten das Feldarbeiter gehört und seien ihr zu Hilfe gekommen (Anm.: die BF1 hat die gesamte Schilderung unter Tränen gemacht).

Als die vier Männer die Feldarbeiter bemerkten, hätten sie die BF1 weggestoßen, sie sei gefallen und habe sich dabei eine Schürfwunde zugezogen; die vier Männer hätten ihr beim Weglaufen gesagt, dass sie sie (die BF1) wiederfinden und töten würden, weil sie ein Foto von ihr hätten. Die Feldarbeiter hätten ihr geholfen aufzustehen, die BF1 habe sie gebeten, mir ihr zur Polizei zu gehen, sie hätten das aber nicht gewollt, weil sie als arme Menschen Schwierigkeiten mit der Regierung befürchtet haben; die BF1 habe danach ihren Ehemann angerufen und ihn gebeten zu ihr zu kommen und sich in einer Apotheke ein Tuch für ihre Schürfwunde besorgt.

Die BF1 führte weiter Folgendes aus: Sie sei mit ihrem Ehemann zu einer Polizeistation gegangen und habe dort Hilfe von der Polizei gewollt; diese habe aber kein GD aufgenommen, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass sie ermitteln werden; danach habe die BF1 die Hilfe und Unterstützung ihres Chefs gewollt, dem sie den Vorfall mitgeteilt habe und ihm auch gesagt habe, dass sie so nicht mehr arbeiten würde; ihr Chef habe ihr allerdings nicht geholfen; zwei Tage danach habe sie einen Anruf erhalten, in dem sie neuerlich beschimpft und mit dem Tod bedroht worden sei; ihr sei mitgeteilt worden, dass ein nussbraunes Paket vor der Tür abgelegt sei; ihr Mann habe nachgesehen und dieses Paket vorgefunden; er habe es öffnen wollen, die BF1 hatte allerdings Angst, dass es sich um eine Bombe handle; der Inhalt des Paketes sei ein weißes Tuch, ein Totentuch, gewesen; sie habe sich mit ihrem Mann neuerlich zur Polizeistation begeben; dort sei sie wieder weggeschickt worden; zumal sie auch keine Zeugen für die ihr angetane Gewalt hatte, konnte sie keine Anzeige einbringen; daher hätten sie beschlossen, das Land zu verlassen.

Auf die konkrete Frage des Richters, ob ihr die Männer, die sie angegriffen hatten, bekannt waren, führte die BF1 aus, dass es sich dabei um für sie unbekannte Männer gehandelt habe.

Die Frage des Richters, warum Muslime Mitarbeiter einer Organisation attackieren, die im Einvernehmen mit der Regierung arbeiten, führte die BF1 aus, dass es sich dabei um keine normalen Muslime, sondern radikale Muslime handelt; sie hätten ihr gesagt, dass Darlehen verboten und Zinsen nicht erlaubt seien und sie daher die Frauen in eine falsche Richtung leite.

Die Frage des Richters, ob der Akteninhalt korrekt sei, dass in weiterer Folge ihr Vater eine Eintragung in das polizeiliche GD im Zusammenhang mit dem Totentuch erwirkt habe, wurde von der BF1 bejaht.

Auf die Frage des Rechtsvertreters, wie sich dieser Vorfall auf Sie psychisch ausgewirkt und Ihr Leben beeinflusst hat, antwortete die BF1, dass es ihr psychisch durch den Vorfall sehr schlecht gehe, besonders dann, wenn sie an diesen Vorfall erinnert werde. Sie lebe seitdem mit einer inneren und enormen Angst. Sie habe immer Albträume und fühle mich sehr schlecht, weil bis heute in Bangladesch unendlich viele Frauen vergewaltigt würden.

Die Frage des Rechtsvertreters, ob sie nach diesem Vorfall ihre Arbeit habe fortsetzen können, verneinte die BF1 und gab an, dass sie am selben Tag damit aufgehört habe.

Auf die ergänzende Frage des Richters bestätigte die BF1, dass sie ihre Tätigkeit beim Institut am 25.06.2015 beendet habe, allerdings um eine Arbeitsbestätigung ersucht habe, die sie sich am 07.07.2015 abgeholt habe.

Zu den Länderfeststellungen gab es keine Anmerkungen, der Rechtsvertreter legte in diesem Zusammenhang Gesetzestexte des The Penal Code 1860, Chapter XVII, Ziffer 406 und 420, einen Bericht von Human Rights Watch: „I Sleep in My Own Dethbed“, einen Homeoffice-Bericht vom April 2020, einen Artikel aus The Daily Star vom 17.11.2020 sowie einen Auszug auf der WKO Homepage betreffend die Coronavirus: Situation in Bangladesch vor.

Auf die Frage des Richters, dass das BFA im Rahmen des Administrativverfahrens auf Grundlage der diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse die Auffassung vertreten hat, dass die BF1 nicht beim gegenständlichen Institut gearbeitet habe, da sie weder der Manager noch langjährige Mitarbeiter kennen, führte die BF1 aus, dass der Manager neu sei und sie nunmehr seit Jahren nicht mehr beim Institut tätig sei, weshalb es nicht verwundert, dass der Manager sie nicht kenne; welche Mitarbeiter befragt wurden, sei ihr vom BFA nicht bekannt gegeben worden.

Darüber hinaus führte die BF1 aus, dass ihr seit Anfang November des heurigen Jahres bekannt sei, dass gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet worden sei; ihre Verwandten hätten ihr berichtet, dass sie von Polizisten gesucht werde; soweit ihr bekannt sei, soll ein Verfahren wegen der Unterschlagung von Geldmittel eingeleitet worden seien; ihr werde vorgeworfen, dass sie von der NGO 300.000 Taka für Darlehen erhalten habe, diese aber für den persönlichen Bedarf ausgegeben habe; dies sei aber nicht möglich, da sie nichts mit Geld zu tun gehabt hatte, sondern lediglich Frauen und Mädchen zur Bildung animiert habe; die BF1 habe über die Anzeige noch keine Unterlagen, bot dem Gericht aber die Verfahrenszahl an – diese lautet: 806/20; die BF1 würde aus ihrer Sicht nach dem von ihr vorgelegten gesetzlichen Bestimmungen verurteilt werden; die BF1 führte aus, dass sie diese Zahl von ihrem Vater erhalten habe; er versuche eine Kopie dieses Verfahrens zu erhalten.

Auf Vorhalt des Richters an den Rechtsvertreter, weshalb dieses Vorbringen nicht bereits vor der Verhandlung eingebracht worden ist, führte dieser aus, dass er selbst es unmittelbar vor der Verhandlung erfahren habe.

Der Richter fragte den BF2, wie er die Situation und die weitere Vorgangsweise erlebt habe, nachdem er seine Frau – nach der Attacke der vier Männer – kontaktiert habe und ihn gebeten habe, zu ihr zu kommen. Der BF2 gab dazu folgendes an:

„Am 25. Juni 2015 bekam ich von meiner Ehefrau zu Mittag einen Anruf. Sie rief mich an und sagte mir, bitte beeil dich, komm schnell in die Polizeistation, ein paar Männer haben mir etwas Schreckliches angetan. Ich ging sofort in die Polizeistation und mir wurden detaillierte Angaben über diesen Vorfall von meiner Frau gemacht. Meine Frau sagte mir, dass einige Männer ihr etwas Schreckliches angetan hätten und sie sagte mir, dass sie von diesen Männern mit dem Tod bedroht wurde. Wir haben also entschieden vor der Polizeistation eine Anzeige zu erstatten. Wir gingen daraufhin in die Polizeistation hinein, als wir drinnen waren, hat meine Ehefrau dem zuständigen Polizeiinspektor den Vorfall geschildert. Der Polizist sagte uns, wir sollen etwas warten und bekommen später Informationen. Nach ca. 2 Stunden Wartezeit kam der Polizist auf uns zu und sagte uns, dass wir nun nach Hause gehen sollen, sie müssten noch überlegen, ob eine Anzeige aufgenommen werden kann oder nicht. Wir warteten zwei Stunden. Am Ende wurde uns nur gesagt, dass sie der Sache nachgehen werden und Ermittlungen starten werden. Daraufhin schickten sie uns nach Hause. Wir gingen also nach Hause – gemeinsam. Wir waren aufgrund des Vorfalles beide sehr schockiert und sehr bedrückt. Meine Frau informierte die NGO zwischenzeitlich, dass sie ihre berufliche Tätigkeit in dieser NGO ab sofort aufgeben wird. Sie sagte ebenso, dass sie von einigen Männern mit dem Tod bedroht wurde und weiterhin bedroht ist und deshalb nicht mehr arbeiten kann. Sie bat die NGO darum, eine Arbeitsbestätigung zu erteilen, damit sie in Zukunft diese Arbeitsbestätigung vorlegen kann. Sie sagten ihr, sie würden die Bestätigung vorbereiten und sie könne sie im Nachhinein abholen. In weiterer Folge holte sich meine Gattin diese Bestätigung am 07. Juli ab.

Allerdings gab es noch einen Vorfall nach dem 25.06. Zwei Tage danach bekamen wir einen Anruf, also meine Ehefrau. Den Anruf bekam sie in der Früh. Man teilte ihr mit, dass vor der Haustüre ein Paket auf sie wartet und dass sie uns alle töten würden. Aus Angst gab meine Ehefrau mir sofort das Handy. Ich wurde ebenso wie meine Ehefrau mit dem Tod bedroht, sie sagten mir, sie würden meine ganze Familie zerstören und vernichten. Nachdem ich den Anruf beendete, öffnete ich meine Haustür und sah, dass tatsächlich ein Paket vor der Haustür lag. Als ich die Box öffnete, sah ich, dass dort Kleidung für Leichen drinnen war. Nachdem ich diese weiße Kleidung sah, ging ich um ca. 10:00 Uhr zur Polizeistation. Als ich zur Polizeistation ging, nahm ich das Paket mit, schilderte den Vorfall und zeigte ihnen das Paket. Die Polizei sagte mir, dass sie sich um diese Sache kümmern würden und ermitteln würden. Ich soll jetzt nach Hause gehen. Also ging ich nach Hause. Am Abend bekam ich einen Anruf. Mir wurde gesagt, dass sie bereits wissen, dass ich mit dem Paket bei der Polizei war. Sie sagten mir, egal wo du und deine Familie euch befindet, wir werden euch finden und euch alle vernichten. Wir hatten große Angst und wussten nicht, was wir tun sollen. In der Zwischenzeit wurden wir mehrmals mit unbekannten Nummern angerufen, wir hoben allerdings nicht ab. Wir sahen keine Sicherheit mehr, mein Schwiegervater riet uns ebenso, das Land zu verlassen aufgrund der mangelnden Sicherheit. Wir beschlossen also unsere Heimat zu verlassen. Ich sprach in der Zwischenzeit mit einem Freund, er riet mir, nach Europa zu flüchten. Er sagte mir, er hätte Kontakt zu einem Schlepper, der mich nach Europa, in ein sicheres Land, bringen könnte. Sie nannten uns einige europäische Länder, davon erwähnten sie Österreich besonders. Wir beschlossen daher nach Österreich zu flüchten.“

Auf Befragen des Richters gab der BF2 an, dass er mit seiner Frau seit 2008 verheiratet sei. Auf weiteres Befragen verneinte der BF2, dass er selbst – persönlich (ausgenommen die Bedrohungen, die gegen seine gesamte Familie gerichtet waren) – Ziel von Aggressionen gewesen sei.

Zur Frage des Lebens in Österreich leitete der Richter zunächst damit ein, dass ihm hinsichtlich des BF2 Bestätigungen über die Integrationsprüfung A1 sowie eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Kurs A2 vorliegt; im nächsten Monat habe der BF2 seine diesbezügliche Prüfung; während des Kurses spreche der BF2 mit seiner Lehrerin Deutsch; der Richter merkte in dem Zusammenhang an, dass er sich mit dem BF2 auf sehr einfachem Niveau auf Deutsch unterhalten kann und darüber hinaus den Eindruck hat, dass der BF2 den Fragen des Richters, sofern sie in einer einfachen Sprache gehalten sind, folgen kann.

Hinsichtlich der BF1 liegt dem Gericht eine Teilnahmebestätigung über eine Integrationskurs A1 vor; auf die Frage, warum dieser Kurs erst jetzt besucht wird, führte BF1 aus, dass sie sich zuvor psychisch nicht in der Lage gesehen habe, einen solchen Kurs zu absolvieren.

Der Richter stellte weiter fest, dass ihm darüber hinaus Schulzeugnisse betreffend BF3 vorliegen sowie Bestätigungen über Besuche einer Sommerschule und einem Ferienkurs sowie einen musiktheoretischen Ergänzungskurs; auf Nachfrage erzählte der BF3, dass er auf Anraten seiner Lehrerin Zither spielen begonnen habe zu lernen und ihm das Spaß mache; mit den Söhnen der beiden BF1 und BF2 konnte sich der Richter – altersentsprechend - sehr gut auf Deutsch unterhalten.

Hinsichtlich des BF4 liegt eine Bestätigung über den Kindergartenbesuch vor.

Die BF beziehen Grundversorgung; hinsichtlich ihrer Ausbildung beantworteten sie die diesbezüglichen Fragen dahin, dass die BF1 in Bangladesch über einen Maturaabschluss, der BF2 über einen Master in Religionsgeschichte (Islam) verfügt.

Befragt nach einem typischen Tagesablauf antwortete die BF1, dass ihr jüngerer Sohn in den Kindergarten gehe, ihr älterer Sohn in die Schule, ihr Mann den Deutschkurs absolviere und sie den Haushalt führe; wenn ihr älterer Sohn nach Hause komme, unterstützt sie ihn bei den Mathematikübungen, weil – wie sie es ausführt – sie in Mathematik gut sei; der BF2 ergänzte, dass er sich in dem XXXX Verein „Sonnentag“ engagiere, wo klassische Gartenarbeit verrichtet werde; die BF leben in einer von der Diakonie zur Verfügung gestellten Wohnung mit 2 Zimmern und entsprechenden Nassräumen in XXXX .

Vom Rechtsvertreter befragt, was die BF1 und der BF2 in Österreich beruflich machen wollen, gab die BF1 an, dass sie in Zukunft als Krankenschwester arbeiten wolle, und der BF2 gab an, dass er als Koch arbeiten wolle.

I.25. Mit Schreiben des Vereins Menschenrechte Österreich vom 23.11.2020 wurden die als Rechtsvertreter erteilten Vollmachten mit 31.12.2020 zurückgelegt und in der Folge die BBU GmbH von den Beschwerdeführern mit der Rechtsvertretung ab 01.01.2021 beauftragt.

I.26. Am 04.02.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben der BF1 in bengalischer Sprache ein, welches in der Folge von einem Dolmetscher übersetzt wurde und weitere Ausführungen betreffend ein Strafverfahren wegen der Unterschlagung von Geldmitteln enthält.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Ihre Muttersprache ist Bengali.

Die BF1, der BF2 und der minderjährige BF3 sind in Bangladesch geboren. Die BF1 und der BF2 sind seit 2008 miteinander verheiratet. Der minderjährige BF4 ist 2016 als gemeinsamer Sohn der BF1 und des BF2 im österreichischen Bundesgebiet geboren.

Die BF1 hat in Bangladesch eine zwölfjährige Grundschulausbildung mit abschließender Matura absolviert und danach – ohne Abschluss – ein Jahr lang eine Universität besucht.

Der BF2 hat in Bangladesch eine zwölfjährige Grundschulausbildung absolviert, danach ein College besucht und anschließend ein Masterstudium in Religionsgeschichte (Islam) absolviert. Vor seiner Ausreise war der BF2 in Bangladesch für seinen Bruder, welcher Autos von Japan nach Bangladesch importierte, tätig.

Die BF1 erhielt in Bangladesch die Miete von zwei Wohnungen, die Ihr Vater und ihr Onkel errichteten, und lebte mit ihrer Familie in einer in ihrem Eigentum stehenden Wohnung.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF1 respektive der BF2 und der BF3 auf Grund der beruflichen Tätigkeit der BF1 für eine Organisation, die sich für die Rechte der Frauen einsetzt, in ihrem Herkunftsland einer konkret gegen ihre Personen gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen sind oder ihnen – respektive dem im Bundesgebiet geborenen BF4 – im Falle einer Rückkehr eine solche droht und der Herkunftsstaat nicht schutzfähig bzw. –willig ist.

Der BF2, der minderjährige BF3 sowie der im Bundesgebiet geborene minderjährige BF4 haben keine eigenen Fluchtgründe.

II.1.3. Zu den Lebensverhältnissen der Beschwerdeführer im Bundesgebiet und den Bindungen zum Herkunftsland:

Die BF1, der BF2 und der BF3 haben Bangladesch im Juli 2015 gemeinsam verlassen, sind im August 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist und leben im Bundesgebiet mit dem BF4 in einem gemeinsamen Haushalt.

Die BF1 und der BF2 haben in den ersten Jahren ihres Aufenthalts in einem über die Diakonie Flüchtlingshilfe organisierten Deutschkurs Deutsch gelernt. Die BF1 besuchte einen Integrationskurs A1, der BF2 absolvierte eine Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A1 und besuchte Deutsch- bzw. Integrationskurse auf dem Niveau A1 und A2. Der BF2 engagierte sich in der Gartensaison 2016 in einem Verein an einem Gartenprojekt und in den Jahren 2017 und 2018 ehrenamtlich bei einem Integrations-Fußball-Turnier. Der BF3 besucht zurzeit eine Volksschule, besuchte in den Schuljahren 2017 bis 2020 regelmäßig ein Lerncoaching, nahm an einem Mentoring-Programm teil, absolvierte ein musiktheoretisches Ergänzungsfach und nahm 2020 an einer Sommerschule und einem Ferienkurs teil. Der BF4 besucht in einen Kindergarten. Im Juni 2019 nahmen die Beschwerdeführer an einem integrativen Familienausflug in die Wachau teil.

Die Beschwerdeführer beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Außerhalb ihres eigenen Familienverbandes verfügen die Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

In Bangladesch halten sich die Eltern, ein Bruder, ein Onkel väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits der BF1 sowie drei Brüder und zwei Schwestern des BF2 auf. Es besteht aufrechter Kontakt zu den Familienangehörigen in Bangladesch.

Bei den Beschwerdeführern bestehen keine nachhaltigen bzw. nur schwierig zu behandelnden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

II.1.4. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten