Entscheidungsdatum
12.03.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W180 2240169-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2021, Zl. XXXX , sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 24.02.2021 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
IV. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer (BF), eine nigerianische Staatsangehörige, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.07.2016 einen ersten Antrag auf internationalem Schutz. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 20.12.2016 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und gegen die BF eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Italien erlassen.
Der Bescheid wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt, da die BF an der von ihr angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig war. Da die BF nicht auffindbar war, unterblieb die Überstellung nach Italien.
Ein am 01.02.2017 gegen Sie erlassener Festnahmeauftrag wurde mit 12.06.2018 widerrufen, da die Überstellungfrist nach Italien bereits abgelaufen war.
2. Die BF stellte am 12.06.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.10.2018 wurde der zweite Antrag auf internationalen abgewiesen, ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und unter einem festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Zudem wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.01.2019, GZ I403 2209639-1, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem damaligen Rechtsvertreter der BF am 23.01.2019 zugestellt und erwuchs damit am 23.01.2019 in Rechtskraft.
3. Die Frist zur freiwilligen Ausreise der BF endete am 06.02.2019.
4. Die BF heiratete am 02.08.2019 Herrn XXXX , einen österreichischen Staatsbürger, und führt seitdem den Familiennamen XXXX , davor führte sie den Familiennamen XXXX .
5. Am 14.08.2019 wurde vom Bundesamt ein HRZ-Verfahren bei der nigerianischen Botschaft in Wien eingeleitet.
6. Mit Mitwirkungsbescheid vom 18.09.2019 wurde der BF gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG aufgetragen, sich zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes zu einem Vorführtermin durch eine nigerianische Delegation am 04.10.2019 beim Bundesamt einzufinden. Die BF ist zu diesem Termin unentschuldigt nicht erschienen.
7. Die BF stellte am 04.10.2019 beim Amt der XXXX Landesregierung einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige.
8. Die BF wurde vom Bundesamt zunächst für den 11.10.2019 zu einer Einvernahme geladen. Über Ersuchen des damaligen Rechtsvertreters der BF wurde der Einvernahmetermin jedoch verschoben. Die BF wurde daraufhin für den 15.11.2019 geladen und kam der Ladung nach.
9. Mit neuerlichem Mitwirkungsbescheid vom 15.11.2019 wurde der BF erneut aufgetragen, sich am 22.11.2019 zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes an einem näher angegebenen Ort einzufinden. Die BF kam diesem Auftrag nach und wurde der nigerianischen Delegation vorgeführt, wobei die nigerianische Staatsangehörigkeit der BF bestätigt wurde. Der nigerianische Konsul teilte in Hinblick darauf, dass die BF einen Aufenthaltstitel beantragt hatte, jedoch mit, die diesbezügliche Entscheidung abwarten zu wollen.
10. Der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde mit Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom 17.02.2020 abgewiesen; der Bescheid erwuchs am 31.03.2020 in Rechtskraft.
11. Der BF wurde in der Folge abermals ein Mitwirkungsbescheid gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes und Teilnahme an einem Vorführtermin am 08.10.2020 übermittelt. Diesen Termin konnte die BF jedoch auf Grund einer Erkrankung nicht wahrnehmen. Es war sodann vorgesehen, die BF am 03.12.2020 der nigerianischen Delegation vorzuführen; dieser Termin wurde jedoch auf Grund der Covid-19 Pandemie abgesagt.
12. Die BF wurde am 23.12.2020 von ihrem Ehemann von der Adresse XXXX in XXXX abgemeldet. Die BF verfügt seit 23.12.2020 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet.
13. Gegen die BF wurde am 27.01.2021 ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG wegen Vorliegens der Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen erlassen.
14. Mit Schreiben vom 02.02.2021 beantragte die BF, vertreten durch einen Rechtsanwalt, neuerlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels Familienangehöriger beim Amt der XXXX Landesregierung.
15. Die BF wurde am 24.02.2021 an der Adresse XXXX in XXXX festgenommen, nachdem der Ehemann der BF das Bundesamt und die Polizei zuvor am selben Tag kontaktiert und angegeben hatte, dass sich die BF nach wir vor, allerdings unangemeldet, ab und zu an dieser Adresse aufhalte.
16. Mit angefochtenem Mandatsbescheid vom 24.02.2021 wurde über die BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.
Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde der BF die im Spruch genannte Bundesagentur als Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
17. Die BF wird seit 24.02.2021 in Schubhaft angehalten.
18. Gegen den Mandatsbescheid vom 24.02.2021 erhob die BF die gegenständliche Schubhaftbeschwerde vom 05.03.2021 und brachte im Wesentlichen vor, dass sich im Zuge der von der Rechtsberatung mit der BF in der Schubhaft geführten Beratungsgespräche Hinweise ergeben hätten, wonach die BF ein Opfer von Menschenhandel sein könnte, weshalb Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels LEFÖ-IBF beigezogen worden sei. Die BF sei von einer Mitarbeiterin der Interventionsstelle aufgesucht worden. Die Interventionsstelle habe in einer Stellungnahme bestätigt, dass es konkrete Anhaltspunkte gäbe, dass es sich bei der BF um ein Opfer von Menschenhandel handle, und habe angeboten, die BF in einer sicheren Schutzwohnung, organisiert von LEFÖ-IBF, unterzubringen. Darüber hinaus bestehe, so das weitere Vorbringen in der Beschwerde, für die BF auch die Möglichkeit bei einem guten Freund Unterkunft zu nehmen. Die BF sei von ihrem Ehemann zwar abgemeldet worden, dabei habe es sich aber um ein Missverständnis gehandelt, der Ehemann habe eine formelle Abmeldung nicht intendiert. Der Schubhaftbescheid sei rechtswidrig, da die BF von der Behörde nicht einvernommen worden sei. Eine Einvernahme sei im vorliegenden Fall trotz Mandatsverfahrens zur Beurteilung der Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft jedoch von entscheidender Bedeutung gewesen. Bei Durchführung einer mündlichen Einvernahme hätte sich ergeben, dass die BF ein Opfer von Menschenhandel sei. Es müsse der Behörde bekannt sein, dass insbesondere bei Frauen aus Nigeria ein besonderes Augenmerk auf die Gefahr des Menschenhandels zu legen sei, da es bekannt sei, dass hier relativ häufig entsprechende Straftaten zutage treten würden. Gemäß Art 13 des Europarats-Übereinkommens zur Bekämpfung des Menschenhandels habe eine Person, bei des es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich um ein Opfer von Menschenhandel handelt, eine Erholungs- und Bedenkzeit von mindestens 30 Tagen, um sich zu erholen und dem Einfluss der Menschenhändler zu entziehen und eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob sie mit den zuständigen Behörden zusammenarbeite. Daraus sei ableitbar, dass Personen, welche Opfer von Menschenhandel seien, auch dann nicht sofort abgeschoben werden dürften, wenn sie sich illegal aufhalten. Die Behörde habe die BF nicht über ihre Rechte als potentielles Opfer von Menschenhandel aufgeklärt und keine Bedenkzeit eingeräumt, weshalb die Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig sei. Im Falle der BF liege auch keine Fluchtgefahr vor, da die BF von ihrer Abmeldung von der Wohnadresse nichts gewusst habe. Gegen die Fluchtgefahr spreche auch, dass noch ein Verfahren über die Erteilung eines Aufenthaltstitels anhängig sei. Selbst bei Vorliegen von Fluchtgefahr sei Schubhaft nicht gerechtfertigt, da gelindere Mittel zur Erfüllung eines angenommenen Sicherungszweckes ausreichend seien. Die BF könnte in einer Schutzwohnung des LEFÖ-IBF unterkommen und würde dort betreut und versorgt werden. Daneben bestehe die Möglichkeit der Unterkunftnahme bei einem näher genannten Freund. Auch das gelindere Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung sei im vorliegenden Fall naheliegend. Die BF sei bereit mit Behörden zu kooperieren und würde einer periodischen Meldeverpflichtung oder einer angeordneten Unterkunftnahme nachkommen. Beantragt wurde a) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, b) den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte, c) auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung der BF nicht vorliegen, sowie c) der Behörde den Ersatz der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die die BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.
19. Das Bundesamt legte am 08.03.2021 den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde und beantragte, die Schubhaftbeschwerde abzuweisen und der Behörde näher genannte Kosten laut VwG-Aufwandersatzverordnung zuzusprechen. Zur Behauptung in der Beschwerde, die BF sei Opfer von Menschenhandel geworden, brachte die Behörde vor, dass das Kriminalamt die Behörde diesbezüglich telefonisch kontaktiert und mitgeteilt habe, dass laut NGO die BF nun angebe, Opfer von Menschenhandel zu sei. Ein Verfahren sei seitens des Kriminalamtes noch nicht eingeleitet worden. Das Bundesamt beurteile das diesbezügliche Vorbringen der BF als reine Schutzbehauptung. Sie habe weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren derartige Umstände vorgebracht, obwohl sie jederzeit die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Sie sei seit 2016 im Bundesgebiet und habe keiner Behörde und auch den früheren rechtsfreundlichen Vertretern nicht bekannt gegeben, Opfer von Menschenhandel zu sein. Wenn die BF erst in Schubhaft derartiges vorbringe, so stelle sich dies für die Behörde als Schutzbehauptung dar, in der Hoffnung aus der Schubhaft entlassen zu werden und einer Außerlandesbringung zu entgehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.6.)
Der unter Punkt I.1. – I.19. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person der BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Die BF ist eine volljährige Staatsangehörige Nigerias. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sie nicht. Ihre Identität steht fest. Sie ist weder Asylberechtigte noch subsidiär Schutzberechtigte.
2.2. Die BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen bei der BF vor. Die BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.
2.3. Die BF wird seit 24.02.2021 in Schubhaft angehalten.
2.4. Gegen die BF liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
2.5. Die BF beantragte am 04.10.2019 beim Amt der XXXX Landesregierung einen Aufenthaltstitel als Familienangehörige. Der Antrag wurde mit rechtskräftigen Bescheid vom 17.02.2020 abgewiesen. Am 02.02.2021 stellte die BF abermals einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige; aus der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ergibt sich kein Aufenthaltsrecht der BF in Österreich.
2.6. Die BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2.7. Eine Abschiebung der BF nach Nigeria innerhalb der Schubhafthöchstdauer von sechs Monaten ist möglich und realistisch.
3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:
3.1. Die BF stellte am 06.07.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Sie wirkte am Verfahren nicht im erforderlichen Maß mit, indem sie drei Ladungen des Bundesamtes zu Einvernahmen durch das Bundesamt nicht Folge leistete. Der Bescheid vom 20.12.2016, mit dem ihr Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen wurde, wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt, da die BF sich nicht mehr an der dem Bundesamt bekanntgegebenen Adresse aufhielt und auch nicht unter einer anderen Adresse im Bundesgebiet gemeldet war. Die Überstellung nach Italien wurde dadurch von ihr umgangen.
3.2. Die BF leistete dem Mitwirkungsbescheid vom 18.09.2019 keine Folge und erschien nicht zum Interviewtermin vor einer nigerianischen Delegation am 04.10.2019. Den folgenden Mitwirkungsbescheid vom 15.11.2019 für einen Termin am 22.11.2019 kam die BF hingegen nach.
3.3. Der BF wurde von am 31.12.2018 ein nigerianischer Reisepass mit Gültigkeit bis 30.12.2023 ausgestellt. Die BF unterließ es, dem Bundesamt das Vorliegen eines gültigen Reisepasses bekannt zu geben.
3.4. Die BF ist seit 23.12.2020 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet.
4. Zur familiären/sozialen/beruflichen Komponente und Sonstiges:
4.1. Die BF ist mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet (seit 02.08.2019). Die Eheleute haben sich aber getrennt. Familienangehörige der BF leben in Nigeria: sie hat fünf Kinder, die dort leben; ihr früherer Mann und Vater der Kinder ist verstorben.
4.2. Die BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.
4.3. Die BF verfügt nicht über ausreichende Existenzmittel.
4.4. Die BF hatte im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung keinen gesicherten Wohnsitz. Der Ehemann hat sie von der Wohnsitzadresse am 23.12.2020 abgemeldet.
4.5. Im Zuge der Rechtsberatung der BF in der Schubhaft ergaben sich Hinweise, dass die BF Opfer von Frauenhandel sein könnte, weshalb von der Rechtsberatung die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels LEFÖ-IBF beigezogen wurde und die BF in der Schubhaft von einer Vertreterin der Interventionsstelle aufgesucht wurde. Die BF hat in den beiden Asylverfahren und in den Einvernahmen des Bundesamtes bisher kein diesbezügliches Vorbringen erstattet. Nach der Stellungnahme der Interventionsstelle LEFÖ-IBF liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die BF Opfer von Menschenhandel ist. Im Falle der Entlassung aus der Schubhaft wurde die Unterbringung der BF in einer sicheren und betreuten Schutzwohnung des LEFÖ-IBF seitens der Interventionsstelle angeboten und als dringend geboten bezeichnet.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und den Gerichtsakt zu GZ I403 2209639-1, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
1. Zum Verfahrensgang:
1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Schubhaftbescheid und dem erwähnten Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend das (zweite) Asylverfahren der BF.
2. Zur Person der BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Die nigerianische Staatsangehörigkeit der BF wurde von der nigerianischen Botschaft im Zuge des Interviewtermins am 22.11.2019 bestätigt. Seitens der Botschaft in Wien wurde der BF im Jahr 2018 auch ein Reisepass ausgestellt, die BF gab aber an, diesen Reisepass verloren zu haben. Eine Kopie des Reisepasses befindet sich im Verwaltungsakt (vom Bundesamt vom Standesamt angefordert, vor dem die BF und ihr Ehemann die Ehe geschlossen haben) und kann ihre Identität daher mit ausreichender Sicherheit als geklärt bezeichnet werden. Hinweise auf eine österreichische Staatbürgerschaft haben sich nicht ergeben. Dass die BF weder Asylberechtigte noch subsidiär Schutzberechtigte ist, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt das zweite Asylverfahren der BF betreffend.
2.2. Es haben sich weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei der BF eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder gar Haftunfähigkeit vorliegen würde, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen war. Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Dass sie Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.
2.3. Die Anhaltung der BF seit 24.02.2021 in Schubhaft ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.
2.4. Dass die gegen die BF erlassene Rückkehrentscheidung rechtskräftig und durchsetzbar ist, ergibt sich aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts zum zweiten Asylverfahren der BF.
2.5. Die Feststellungen zur Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 04.10.2019 ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid der Niederlassungsbehörde vom 17.02.2020. Dass die BF im Jahr 2021 neuerlich einen Aufenthaltstitel beantragte, ergibt sich aus dem diesbezüglichen der Schubhaftbeschwerde beigegebenen Antrag der BF vom 02.02.2021.
2.6. Die Feststellung zur Unbescholtenheit der BF war auf Grund eines aktuellen Strafregisterauszuges zu treffen.
2.7. Da für die BF im Jahr 2018 ein nigerianischer Reisepass ausgestellt worden war und der nigerianischen Botschaft eine Kopie des Reisepasses vom Bundesamt übermittelt worden ist, ist von einer Identifizierung der BF seitens der nigerianischen Botschaft und in der Folge von Ausstellung eines HRZ auszugehen. Abschiebungen mittels Charter fanden auch während der Covid-19-Pandemie statt. Allerdings wurde jüngst einem für März 2021 geplanten Charter seitens Nigerias auf Grund von Covid-19 keine Landegenehmigung erteilt. Dennoch ist eine Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer von sechs Monaten aus aktueller Sicht als realistisch anzusehen, da Informationen, wonach Nigeria Landgenehmigungen für Charterflüge für einen längeren Zeitraum zu verweigern beabsichtigt, nicht vorliegen.
3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:
3.1. Die Feststellung, dass die BF im ersten Verfahren nicht im erforderlichen Maß mitgewirkt hat, indem sie mehrfach Ladungen nicht Folge leistete, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid vom 20.12.2016. Dass dieser Bescheid durch Hinterlegung im Akt zugestellt wurde, da sie sich nicht mehr an der bekanntgegebenen Adresse aufhielt, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Durch ihr Untertauchen umging sie die Überstellung nach Italien.
3.2. Dass die BF dem Mitwirkungsbescheid vom 18.09.219 nicht Folge leistete, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere der Einvernahme der BF am 15.11.2019. Festzustellen war auch, dass die BF dem folgenden Mitwirkungsbescheid nachkam.
3.3. Die Feststellung, dass der BF im Jahr 2018 ein nigerianischer Reisepass ausgestellt worden war, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt enthaltenen Kopie des Reisepasses. Dass die BF das Vorliegen eines gültigen Reisepasses dem Bundesamt nicht bekannt gegeben hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
3.4. Dass die BF seit 23.12.2020 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet ist, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
4. Zur familiären/sozialen/beruflichen Komponente und Sonstiges:
4.1. Die Feststellungen zur in Österreich geschlossenen Ehe ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister und sind im Übrigen unstrittig. Die Feststellung, dass die Eheleute sich getrennt haben, stützt sich auf die im Verwaltungsakt festgehaltene diesbezügliche Äußerung des Ehemanns der BF gegenüber dem Bundesamt. Dass Familienangehörige in Nigeria leben, insbesondere ihre fünf Kinder, ergibt sich aus dem Vorbringen der BF in den beiden Asylverfahren.
4.2. Dass die BF in Österreich einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Sie bezog während der offenen Asylverfahren Leistungen aus der Grundversorgung, in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 15.11.2019 gab sie auf die Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt aktuell bestreite, an, dass ihr Ehegatte alles finanziere.
4.3. Ebenso sind im Verfahren keine ausreichenden Existenzmittel hervorgekommen. Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.
4.4. Der Ehemann und zugleich Unterkunftgeber hat die BF von der Wohnadresse abgemeldet. Das ist unstrittig. Es ist daher zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung nicht von einem gesicherten Wohnsitz der BF an dieser Adresse auszugehen.
4.5. Dass LEFÖ-IBF die BF in eine gesicherte Schutzwohnung aufnehmen und die BF dort betreuen würde, ergibt sich aus der Stellungnahme dieser Interventionsstelle vom 04.03.2021. Angesichts der Seriosität dieser Einrichtung kommt deren Beurteilung, wonach konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die BF Opfer von Menschenhandel sei, ein besonderes Gewicht zu.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:
3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG) lauten:
Schubhaft (FPG)
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Gelinderes Mittel (FPG)
§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
Zur Judikatur:
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).
3.2. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der bisherigen Anhaltung in Schubhaft
Die Behörde hat über die BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
Die BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Sie ist volljährig und weder Asylberechtigte noch subsidiär Schutzberechtigte, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Die „Fluchtgefahr“ ist in § 76 Abs. 3 FPG gesetzlich definiert.
Die Behörde begründete die Fluchtgefahr im Wesentlichen damit, dass die BF sich bereits im ersten Asylverfahren im Jahr 2017 diesem Verfahren entzogen habe. Derzeit verfüge die BF – wie auch für einige Zeit im Jahr 2017 und 2018 – wieder über keine aufrechte Meldeadresse. Die BF habe es unterlassen, der Behörde von der Ausstellung eines Reisepasses durch die nigerianische Botschaft in Wien zu informieren und den Reisepass der Behörde vorzulegen. Dass der Pass verlorengegangen sei, sei für die Behörde nicht glaubhaft, da die BF keine Verlustanzeige bei der Polizei erstattet habe und zum selben Zeitpunkt auch angegeben habe, dass der Reisepass vielleicht doch in der Wohnung sei und sie nachschauen müsse. Die BF verletzte damit die Mitwirkungspflicht im Verfahren zur Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes. Die BF habe die Verpflichtung aus einem Mitwirkungsbescheid nach § 46 Abs. 2 a und 2 b FPG nicht erfüllt. Die BF verfüge zudem nicht über ausreichende Mittel um sich den Lebensunterhalt und die Rückkehr selbständig zu finanzieren und habe keinen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich erkennbar auf die Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG und begründete dies – mit Ausnahme der Z 3 – auch im Einzelnen.
Auch der erkennende Richter sieht die Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG im vorliegenden Fall als erfüllt an. Die BF war im ersten Asylverfahren für die Behörde längere Zeit nicht erreichbar, sie leistete drei Ladungen keine Folge und der Bescheid erging schließlich ohne Einvernahme der BF durch das Bundesamt. Der Bescheid konnte nur durch Hinterlegung im Akt zugestellt werden. Sie hat damit am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt, ist untergetaucht und umging damit die Überstellung nach Italien. Dieses Verhalten liegt zwar schon vier Jahre zurück, die BF hat aber auch im späteren Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes teilweise wieder nicht mitgewirkt. So hat sie dem Mitwirkungsbescheid vom 18.09.2019 nicht Folge geleistet. Auch in der Nichtbekanntgabe bzw. Verschweigen, dass ihr von der nigerianischen Botschaft ein Reisepass ausgestellt worden ist, ist eine mangelnde Kooperation und Mitwirkung der BF zu sehen. Die BF war zudem seit dem 23.12.2021 nicht mehr polizeilich gemeldet. Diese Tatsachen rechtfertigen die Annahme im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG, dass die BF sich der Abschiebung entziehen oder die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Die Behörde hat zu Recht den Fluchtgefahrtatbestand der Z 1 des § 76 Abs. 3 als erfüllt beurteilt.
Da gegen die BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt und sie sich zudem dem ersten Asylverfahren entzogen hat, ist auch die Z 3 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.
Dagegen sieht der erkennende Richter die Z 9 des § 76 Abs. 3 FPG im vorliegenden Fall nicht in dem Sinne als erfüllt an, dass daraus auch Fluchtgefahr abzuleiten wäre. Zwar übte die BF keine legale Erwerbstätigkeit aus und verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel, doch kann ihr in Hinblick auf ihre im Inland geschlossene Ehe und dem Umstand, dass die Ehe noch nicht geschieden ist, eine soziale Verankerung nicht gänzlich abgesprochen werden. Davon abgesehen ist ihre soziale Verankerung jedoch gering und vermag damit kein „Gegengewicht“ zur Erfüllung der Fluchtgefahrtatbestände der Z 1 und Z 3 des § 76 Abs. 3 FPG zu bilden.
Im Ergebnis ist die Behörde im Schubhaftbescheid durch Bejahung der Z 1 und 3 leg.cit. zutreffend vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgegangen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass für das Vorliegen von Fluchtgefahr die Erfüllung eines Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG genügt.
Die Behörde verneinte zudem, dass die Anordnung eines gelinderen Mittels zur Zweckerreichung gleichermaßen dienlich wäre. Dass das gelindere Mittel der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit im vorliegenden Fall nicht in Frage kommt, ist auf Grund der finanziellen Situation der BF evident. Die gelindere Mittel der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung verwarf das Bundesamt als nicht ausreichend und begründete dies damit, dass auf Grund der persönlichen Lebenssituation der BF und ihres Vorverhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe. Auch der erkennende Richter sieht für den Zeitpunkt der Bescheiderlassung auf Grund des Umstandes, dass sich die BF bereits einem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen hat und in den weiteren Verfahren teilweise nicht mitwirkte und auf Grund der geringen sozialen Verankerung der BF und der fehlenden finanziellen Mittel die Gefahr, dass die BF durch diese gelinderen Mittel nicht mit der erforderlichen Sicherheit dazu verhalten werden könnte, sich den Behörden zur Verfügung zu halten. Das Bundesamt ordnete damit zu Recht kein gelinderes Mittel an.
Auf Grund dieser Umstände und der nachvollziehbar begründeten Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt – die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen der an der Abstandnahme von der Anordnung der Schubhaft und war diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.
Das Bundesamt verhängte damit zu Recht die Schubhaft und die gegen den Schubhaftbescheid erhobene Beschwerde war daher abzuweisen.
In der Beschwerde wird der Behörde vorgeworfen, es müsse ihr bekannt sein, dass insbesondere bei Frauen aus Nigeria besonderes Augenmerk auf die Gefahr des Menschenhandels zu legen sei und dass hier relativ häufig entsprechende Straftaten zutage treten würden. Bei einer mündlichen Einvernahme der BF hätte sich („zweifelsfrei“) ergeben, dass die BF ein Opfer von Menschenhandel sei. Dazu ist zu bemerken, dass die BF bislang in zwei Asylverfahren und in Einvernahmen im Verfahren zur Erlangung eines HRZ gegenüber der Behörde kein diesbezügliches Vorbringen erstattet hat. Anhaltspunkte, dass die BF Opfer von Menschenhandel sein könnte, lagen damit nicht vor; der bloße Umstand, dass die BF aus Nigeria stammt, ist entgegen dem Vorbringen der BF nicht ausreichend. Im Übrigen handelt es sich beim Vorbringen der BF, wonach eine mündliche Einvernahme ergeben hätte, dass sie Opfer von Menschenhandel sei, um eine bloße Annahme. Die BF hatte sich bislang gegenüber der Behörde, wie schon dargelegt, nicht dahingehend geäußert. Aus dem Umstand, dass im Zuge einer Rechtsberatung Anhaltspunkte für einen möglichen Opferstatus der BF hervorgekommen sind, kann nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass dies auch im Zuge einer Einvernahme vor der Behörde der Fall gewesen wäre; die Beschwerde legt nicht dar, aus welchen Gründen dies anzunehmen sei.
3.2. Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.
Wie sich oben aus Pkt. 3.2. ergibt, hat das Bundesamt zu Recht Fluchtgefahr festgestellt. Diese Fluchtgefahr ist nach wir vor gegeben.
Auch bei der Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft ist zu prüfen, ob (nunmehr) gelindere Mittel an Stelle der Schubhaft vorgeschrieben werden können.
Diesbezüglich ist aus Sicht des erkennenden Richters im vorliegenden Fall eine Neubewertung vorzunehmen. Die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels LEFÖ-IBF hat während der laufenden Schubhaft bei der BF Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass sie Opfer von Menschenhandel sei, und die Aufnahme der BF in eine sichere Schutzwohnung sowie die Betreuung derselben durch die Interventionsstelle angeboten.
Bei Vorschreibung eines gelinderen Mittels einer Unterkunftnahme in einer sicheren Schutzwohnung dieser Einrichtung ist insbesondere in Hinblick auf die Betreuung der BF durch die Interventionsstelle davon auszugehen, dass das Risiko, dass die BF untertauchen werde, sich reduziert. Bei Vorschreibung einer derartigen Unterkunft – eventuell noch in Kombination mit einer periodischen Meldepflicht – besteht Grund für die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.
Da nunmehr ein gelinderes Mittel in Betracht kommt, war festzustellen, dass die für die Fortsetzung maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht mehr vorliegen.
3.3. Zu Spruchpunkt III. und IV. – Kostenbegehren
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Die Beschwerde war hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches erfolgreich, unterlag aber hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft bis zum 12.03.2021. Umgekehrt war das Bundesamt hinsichtlich der Bescheides und der Anhaltung bis zum 12.03.2021 erfolgreich, unterlag aber hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches. Auf Grund des nur teilweise Obsiegens gebührt keiner der Parteien ein Kostenersatz.
3.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war. Die BF beantragte eine informierte Vertreterin der LEFÖ-IBF sowie einen näher genannten Freund der BF, bei dem sie nach dem Beschwerdevorbringen ebenfalls Unterkunft nehmen könnte, in der mündlichen Verhandlung als Zeugen zu vernehmen. In Hinblick auf die schriftliche Stellungnahme der Interventionsstelle LEFÖ-IBF, aus der sich das Angebot, die BF in eine Schutzwohnung dieser Einrichtung aufzunehmen, ergibt, konnte von der Einvernahme einer Vertreterin der Interventionsstelle abgesehen werden. Da von der Unterkunftnahme der BF bei dieser Einrichtung ausgegangen werden konnte, erübrigte sich, den Bekannten der BF zur Frage einer weiteren Möglichkeit einer Unterkunftnahme zu vernehmen.
Zu Spruchpunkt B. – Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Kostenersatz Meldepflicht Menschenhandel Mittellosigkeit Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W180.2240169.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021