Entscheidungsdatum
12.03.2021Norm
BBG §40Spruch
W133 2238949-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien, vom 06.10.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v.H. beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 28.05.2020 unter Vorlage medizinischer Befunde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet).
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 16.09.2020 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat
Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da geringe Funktionsbehinderung objektivierbar ist
02.02.01
20
2
Diabetes mellitus
Wahl dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da mit oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erreicht werden und keine relevanten Spätschäden objektivierbar sind
09.02.01
20
3
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD
Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da Dauermedikation erforderlich ist
06.06.01.
20
4
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mit nächtlicher Beatmungstherapie ausreichend behandelt
06.11.02
20
5
Carpaltunnelsyndrom beidseits
Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da ohne motorisches Defizit
04.05.06
10
6
Polyneuropathien
Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da ohne motorisches Defizit
04.06.01
10
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch die übrigen Leiden wegen fehlender maßgeblicher wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht.
Mit Schreiben vom 16.09.2020 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu diesem Gutachten ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein.
In der Folge übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme in Form von Einwendungen, die er direkt in eine Kopie des Gutachtens geschrieben hatte, und neuerlich ein Befundkonvolut, darunter u.a. auch alte medizinische Befunde aus den Jahren 2001, 2008, 2011, 2012, 2013 und 2014 an die belangte Behörde.
Aufgrund der Einwendungen holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin, welcher das Gutachten vom 16.09.2020 erstellt hatte, vom 05.10.2020 ein. Darin führt der Gutachter zusammenfassend aus, die Einstufung der Leiden zum Untersuchungszeitpunkt sei entsprechend dem klinischen Befund korrekt erfolgt. Die vorhandene Beurteilung werde daher aufrechterhalten. Nach der beim Beschwerdeführer im Oktober 2020 geplanten orthopädischen Operation (ACDF-Bandscheibenentfernung und Fusion im Bereich der HWS) könne eine Nachuntersuchung empfohlen werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.10.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 20 v.H. betrage. Die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 16.09.2020 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz der rechtlichen Vertretung vom 11.11.2020 fristgerecht eine Beschwerde. Darin führt er zusammengefasst aus, die Einschätzung betreffend die Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat sei zu gering, da der Beschwerdeführer im Bereich der Halswirbelsäule operiert werden habe müssen. Weiters lägen vier Leiden mit einem GdB von 20 v.H. vor, die einander gegenseitig beeinflussen würden, sodass von einem Grad der Behinderung von 50 v.H. auszugehen sei. Der Beschwerde wurden ein Patientenbrief betreffend die ACDF-Operation am 01.10.2020, woraus sich ein komplikationsloser Verlauf nach der Operation und eine intakte Sensomotorik der oberen Extremitäten bei Entlassung ergibt, und ein ambulanter Arztbrief vom 01.08.2020 aus Anlass einer ambulanten Behandlung des Beschwerdeführers wegen einer damaligen Alkoholvergiftung, beigelegt.
Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 25.01.2021 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 28.05.2020 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Er wurde in Tunesien geboren, ist seit 2005 österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, COPD II, Dauermedikation erforderlich;
2. Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, geringe Funktionsbehinderung objektivierbar;
3. Diabetes mellitus, mit oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte und keine relevanten Spätschäden objektivierbar;
4. Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, mit nächtlicher Beatmungstherapie ausreichend behandelt;
5. Carpaltunnelsyndrom beidseits, ohne motorisches Defizit;
6. Polyneuropathien, ohne motorisches Defizit.
Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden wegen fehlender maßgeblicher wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.
Im Vergleich zu dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 16.09.2020 wurde das dortige Leiden 3 (COPD) aufgrund des befundmäßig belegten Ausmaßes der Ventilationseinschränkung und Diagnose einer COPD II vom BVwG um eine Stufe angehoben und wird nunmehr mit 30 v.H. bewertet, sodass es nun das führende Leiden des Beschwerdeführers darstellt.
Betreffend die Bewertung der Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat wird festgestellt, dass die Einstufung dieses Leidens zum Untersuchungszeitpunkt entsprechend dem klinischen Befund korrekt erfolgt ist. In Bezug auf die eingewandte Operation im Bereich der HWS ergibt sich aus dem vorgelegten Patientenbrief betreffend die ACDF-Operation am 01.10.2020 ein komplikationsloser Verlauf auch nach der Operation und eine intakte Sensomotorik der oberen Extremitäten bei Entlassung. Die vorhandene gutachterliche Beurteilung mit 20 v.H. wird daher aktuell auch vom BVwG aufrechterhalten.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden daher die diesbezüglichen Beurteilungen in dem Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.09.2020 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 05.10.2020 mit der Maßgabe der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt, dass das dortige Leiden 3 (COPD) aufgrund des befundmäßig belegten Ausmaßes der Ventilationseinschränkung und Diagnose einer COPD II vom BVwG um eine Stufe angehoben, nunmehr mit 30 v.H. bewertet und als führendes Leiden ausgewiesen wird.
Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse in dem gegenständlich eingeholten Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden aktuellen ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.09.2020 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 05.10.2020 mit der Maßgabe, dass das dortige Leiden 3 (COPD) durch das BVwG aufgrund des vom Beschwerdeführer befundmäßig belegten (lungenfachärztlicher Befundbericht vom 18.02.2020) Ausmaßes der Ventilationseinschränkung und Diagnose einer COPD II dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 06.06.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, somit um eine Stufe angehoben und nunmehr mit 30 v.H. bewertet und als führendes Leiden ausgewiesen wird. In diesem Gutachten wird - mit Ausnahme des COPD-Leidens - auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden basieren, entsprechen mit Ausnahme des COPD-Leidens auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden - mit Ausnahme des COPD-Leidens - nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Betreffend die in der Beschwerde eingewandte Bewertung der Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat wird festgestellt, dass die Einstufung dieses Leidens zum Untersuchungszeitpunkt entsprechend dem klinischen Befund korrekt erfolgt ist. Der Beschwerdeführer wirkte zudem nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen im Gutachten nicht ordentlich an der gutachterlichen Untersuchung mit. Der Gutachter hielt ausdrücklich eine insgesamt mangelnde Compliance im Zuge der klinischen Untersuchung fest.
In Bezug auf die eingewandte Operation im Bereich der HWS ergibt sich aus dem vorgelegten Patientenbrief betreffend die ACDF-Operation am 01.10.2020 ein komplikationsloser Verlauf auch nach der Operation und eine intakte Sensomotorik der oberen Extremitäten bei Entlassung. Die vorhandene gutachterliche Zuordnung zum oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung und Bewertung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 v.H. erweist sich daher auch aktuell als nachvollziehbar und richtig. Eine allenfalls mittlerweile eingetretene Verschlechterung seit Beschwerdeerhebung ist nicht belegt und wäre aufgrund der geltenden Neuerungsbeschränkung vom BVwG im aktuellen Verfahren auch nicht zu berücksichtigen.
Entgegen den Beschwerdeausführungen erweist sich die gutachterliche Beurteilung, dass Leiden 1 durch die übrigen Leiden wegen fehlender maßgeblicher wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht wird, vor dem Hintergrund der Art und des Ausmaßes der jeweiligen Leiden ebenfalls als nachvollziehbar und richtig, von einer besonders nachteiligen Auswirkung im Sinne des § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung kann aufgrund des vorliegenden Ausmaßes der festgestellten Gesundheitsschädigungen nicht ausgegangen werden.
Die Einzeleinschätzungen der übrigen Leiden 2 bis 6 im Gutachten wurden in der Beschwerde nicht beanstandet und erweisen sich auch für das BVwG als nachvollziehbar und richtig.
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt somit aktuell 30 v.H.
Das Vorbringen im Rahmen der Beschwerde bzw. in der Stellungnahme zu dem Parteiengehör war somit – mit Ausnahme der Höherbewertung des COPD-Leidens um eine Stufe - im Ergebnis nicht geeignet, das vorliegende Sachverständigengutachten zu entkräften und eine weitere Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich – mit Ausnahme der Beurteilung des COPD-Leidens, wie bereits oben ausgeführt - keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.09.2020 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 05.10.2020. Diese werden daher mit der Maßgabe der um eine Stufe höheren Einstufung des COPD-Leidens der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:
"Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.09.2020 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 05.10.2020 mit der Maßgabe der um eine Stufe höheren Einstufung des COPD-Leidens durch das BVwG zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers somit aktuell 30 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden mit Ausnahme des COPD-Leidens in dem eingeholten Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde bzw. der Stellungnahmen erhobenen Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende Gutachten - mit Ausnahme des COPD-Leidens - zu entkräften.
Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W133.2238949.1.00Im RIS seit
20.05.2021Zuletzt aktualisiert am
20.05.2021