TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/18 95/19/1564

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Veröffentlicht am 18.04.1997
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §47;
ZPO §292;
ZustG §22;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1565 95/19/1566

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1.) des mj. AP, 2.) der mj. MP, und 3.) der RP, alle in W, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch die Drittbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres zu 1.) vom 9. Oktober 1995, Zl. 112.364/2-III/11/94, und zu 2.) und 3.) je vom 20. September 1995, Zl. 112.225/3-III/11/94, und Zl. 112.225/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung von Berufungen in Angelegenheit Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 9. Oktober bzw. 20. September 1995 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer als verspätet zurückgewiesen.

Die belangte Behörde begründete wie folgt:

"Berufungen sind gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 31.10.1994 erfolgte und Ihre Berufung erst am 18.11.1994 und daher verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden."

Die dagegen erhobenen Beschwerden bezeichnen die Feststellungen der belangten Behörde, daß die Zustellung (jeweils) am 31. Oktober 1994 erfolgt sei, als "aktenwidrig" und führen (inhaltsgleich) aus:

"Gem. § 45 Abs 3 AVG ist den Parteien vom Ermittlungsverfahren Kenntnis zu geben und den Parteien die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen. § 45 Abs 3 AVG stellt einen fundamentalen Rechtsgrundsatz dar. Es handelt sich dabei um eine Norm, die das Rechtsstattlichkeitprinzipes einer Demokratie zum Ausdruck bringt."

Die gesetzliche Vertreterin des (Erst-)Beschwerdeführers (bzw. der Zweitbeschwerdeführerin bzw. die Drittbeschwerdeführerin) hat, "nachdem sie den zu bekämpfenden Bescheid der ersten Instanz am 4.11.1994 übernommen hatte, innerhalb der 2 wöchigen Frist die Berufung selbst ausgeführt und durch Übergabe an die Behörde erster Instanz zugestellt. Dem Beschwerdeführer (bzw. der Beschwerdeführerin) war zum Zeitpunkt der Übergabe des Bescheides nicht bekannt, daß eine verspätete Einbringung der Berufung unzulässig ist und zurückgewiesen wird. Sie wußte auch nicht, daß Sie die Berufung überhaupt zu spät eingebracht hatte und war sowohl objektiv als auch subjektiv der Meinung es handelt sich um eine rechtzeitig eingebrachte Berufung und sei daher die gegenständliche von ihr eingebrachten Berufung einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen. Wenn nunmehr die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, daß die Berufung verspätet eingebracht worden sei, so wäre sie dazu verpflichtet gewesen, der Beschwerdeführer diesen Umstand im Wege des Parteigehöres vorzuhalten und die Möglichkeit der Erstattung einer Stellungnahme einzuräumen. Darüberhinaus ist die Behörde erster Instanz der gesetzlichen Manuduktionspflicht gem. § 13 a AVG offensichtlich nicht nachgekommen, da bei persönlicher Übergabe der Berufung bei der Behörde erster Instanz der allfällige Mangel der verspäteten Einbringung sofort zu rügen gewesen wäre und der Partei die Möglichkeit gegeben werden mußte, einen Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 71/1 AVG zu stellen. Da dieser Umstand ebenfalls nicht geschehen ist, leidet das gegenständliche Verfahren ebenfalls unter dieser Mangelhaftigkeit."

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Es obliegt der beschwerdeführenden Partei, in der Beschwerde (gegebenenfalls unter Anführung von Beweisen) darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften (im besonderen des hier in erster Linie geltend gemachten Rechtes auf Parteiengehör) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Gemäß den in den Akten erliegenden Rückscheinen wurden die Bescheide der Erstbehörde dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin zu Handen ihrer gesetzlichen Vertreterin, der Drittbeschwerdeführerin, als unmittelbar genannter Empfängerin nach dem Zustellversuch am 28. Oktober 1994 unter Einlegung einer Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach beim Postamt 1212 Wien mit Beginn der Abholfrist 31. Oktober 1994 hinterlegt. Die Zustellnachweise weisen keine äußeren Mängel auf. Derartige Zustellnachweise sind öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, daß die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO offen. Behauptet jemand, es lägen Zustellungsmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0109).

Die Behauptung der "Aktenwidrigkeit der Zustellung" am 31. Oktober 1994 ist angesichts der mängelfreien und vollständigen Rückscheine unverständlich und für sich allein nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Zustellvorgänge zu erwecken.

Offenbar verwechseln die Beschwerdeführer den Vorgang der rechtsgültigen Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit dem tatsächlichen Zukommen durch Übernahme der hinterlegten Sendung an den Empfänger. Die Übernahme durch die Drittbeschwerdeführerin am 4. November 1994 ist jedoch rechtlich unbedeutend, da es ausschließlich auf den Tag ankommt, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Die behauptete Rechtsunkenntnis, daß eine verspätete Einbringung der Berufung unzulässig sei, ist angesichts der richtigen und vollständigen Rechtsmittelbelehrungen der Bescheide der ersten Instanz jeweils vom 20. September 1994 bzw. 9. Oktober 1994 unverständlich.

Da die Angaben der Beschwerdeführer sohin nicht dartun können, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu anderen Bescheiden hätte kommen können, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191564.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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