Entscheidungsdatum
16.03.2021Norm
AVG §76 Abs1Spruch
W112 2225141-1/32Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin in der Beschwerdesache von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA MAROKKO, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2019, Zl XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft von 29.10.2019 bis 14.11.2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2019:
A) Gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG wird dem Beschwerdeführer der Ersatz der Barauslagen für den Dolmetscher XXXX für die Sprache ARABISCH in der Verhandlung am 14.11.2019 iHv € 202,50 (inkl. 20% USt) auferlegt.
Der Beschwerdeführer hat den Betrag von € 202,50 auf das Konto des Bundesverwaltungsgerichts, IBAN: AT840100000005010167, BIC: BUNDATWW, binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses bei sonstiger Exekution zu überweisen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit Schriftsatz vom 06.11.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Mandatsbescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 29.10.2019, mit dem gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über ihn verhängt wurde, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 29.10.2019; der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Bescheides und den Ausspruch, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien, den Ausspruch im Rahmen einer „Habeas Corpus Prüfung“, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen und den Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers gemäß der VwG-Aufwandersatzverordung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen habe.
Das Bundesamt legte den Verwaltungsakt vor und erstattete am 07.11.2019 eine Stellungnahme, in der es beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abweisen; es beantragte den Zuspruch von Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.11.2019 von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung des im Spruch genannten Dolmetschers für die Sprache ARABISCH durch, da der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war.
Mit dem am 14.11.2019 mündlich verkündeten Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen (Spruchpunkt II.). Unter einem wies es den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 35 VwGVG ab (Spruchpunkt III.) und trug dem Beschwerdeführer auf, dem Bund Aufwendungen iHv € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Spruchpunkt IV.). Der Abspruch über den Barauslagenersatz wurde einer separaten Entscheidung vorbehalten.
Der Beschwerdeführer stellte am 04.06.2018 [korrekt: 28.11.2019] einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 14.11.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses. Der Antrag wurde dem Bundesamt am 29.11.2019 zugestellt.
Der Beschwerdeführer beantragte Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Am 25.02.2020 erhob er nach Bewilligung der Verfahrenshilfe außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 28.05.2020 wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Erkenntnisses zurück und gab der Revision gegen die Spruchpunkte I. und IV. statt und behob das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Es verpflichtete den Bund, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Beschwerdeführer erhob am 04.08.2020 nach Bewilligung der Verfahrenshilfe Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Das Bundesverwaltungsgericht fertigte die Spruchpunkte II. und III. des Erkenntnisses vom 14.11.2019 am 17.08.2020 gekürzt aus und gab mit Erkenntnis vom 19.08.2020 der Beschwerde vom 06.11.2019 gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 1, 2 Z 2 FPG statt und erklärte den Schubhaftbescheid des Bundesamtes vom 29.10.2019 sowie die Anhaltung in Schubhaft von 29.10.2019 bis 14.11.2019 für rechtswidrig. Unter einem wies des den Antrag des Bundesamtes auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG ab.
Mit Erkenntnis vom 22.09.2020 stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass der Beschwerdeführer durch Spruchpunkt II des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit verletzt wurde, weil die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen, nicht binnen einer Woche erging. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses richtete, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Soweit sich die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und IV. des angefochtenen Erkenntnisses richtete, wurde das Beschwerdeverfahren eingestellt. Der Bund (Bundesminister für Inneres) war schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2020 zurückgestellt.
2. Der Dolmetscher legte mit Schriftsatz vom 14.11.2019, der fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, eine Kostennote iHv 202,50. Mit Schriftsatz vom 26.11.2020 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Parteiengehör zur Kostennote des Dolmetschers ein. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.
Mit Beschluss vom 02.03.2021 bestimmte das Bundesverwaltungsgericht die gebührenrechtlichen Ansprüche des Dolmetschers nachträglich gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 53a Abs. 2, 53b AVG mit € 202,50. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Dolmetschergebühr am 15.07.2020 an.
3. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Gerichtsakt.
II. Erwägungen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Barauslagenersatz
1. Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles (§§ 63-73) sinngemäß anzuwenden.
2. Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, gemäß § 76 Abs. 1 AVG die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen gemäß Abs. 2 von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind. Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen gemäß Abs. 3 auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen. Ist eine Amtshandlung nicht ohne größere Barauslagen durchführbar, so kann die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, gemäß Abs. 4 zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24.06.2003, 2001/01/0260, bejaht, dass diese Vorschrift auch im Maßnahmebeschwerdeverfahren anwendbar ist und der „Antragsteller“ die Barauslagen zu tragen hat.
Dem Bundesverwaltungsgericht sind durch die Durchführung der mündlichen Verhandlung über die Beschwerde Dolmetschergebühren erwachsen. Der Dolmetscher verzeichnete € 202,50 an Gebühren; die Gebührennote musste vom Bundesverwaltungsgericht nicht berichtigt werden. Somit sind dem Bundesverwaltungsgericht € 202,50 an Barauslagen entstanden, die vom Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG zu erstatten sind.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist zulässig, weil es an einer Rechtsprechung zur Auferlegung des Barauslagenersatzes im Schubhaftverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG fehlt; eine solche besteht nur im Hinblick auf § 53 Abs. 4 BFA-VG und § 113 Abs. 1 Z 4 FPG (s. VwGH 19.05.2015, Ro 2014/21/0071) bzw. auf das Bescheidbeschwerdeverfahren (VwGH 12.10.2015, Ro 2015/22/0022).
Schlagworte
Barauslagen Dolmetschgebühren mündliche Verhandlung Rechtsfrage Revision SchubhaftverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W112.2225141.1.01Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021