Entscheidungsdatum
18.03.2021Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
W209 2230766-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 27.02.2020, GZ: 13-2019-BE-VER10-00005, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 in Verbindung mit § 83 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für auf dem Betragskonto der XXXX Ges.m.b.H. in XXXX , XXXX , unberichtigt aushaftende Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in Höhe von € 316,88 zuzüglich der ab 27.02.2020 auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p.a. aus € 301,55 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 30.01.2020 teilte die belangte Behörde (im Folgenden: ÖGK) der Beschwerdeführerin mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX Ges.m.b.H. (im Folgenden: Primärschuldnerin) aus den (zu entrichten gewesenen) Beiträgen samt Nebengebühren ein Rückstand in der Höhe von € 316,12 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen aushafte. Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen würden im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit haften, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Da die Beiträge trotz Fälligkeit bisher noch nicht bezahlt worden seien, werde ersucht, den eingangs erwähnten Rückstand bis spätestens 20.02.2020 zu begleichen bzw. innerhalb dieser Frist alle Tatsachen vorzubringen, die der Ansicht der Beschwerdeführerin nach gegen ihre Haftung sprächen.
Auf dieses Schreiben erfolgte seitens der Beschwerdeführerin keine Reaktion.
2. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 27.02.2020 wurde die Beschwerdeführerin sodann als ehemalige Geschäftsführerin der Primärschuldnerin gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG verpflichtet, der ÖGK binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides die auf dem Beitragskonto der Primärschuldnerin unberichtigt aushaftenden Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2014 und November 2015 in der Höhe von € 316,88 zuzüglich der ab 27.02.2020 auflaufenden Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe, das seien derzeit 3,38 % aus € 301,55, bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen. Eine Begründung ist dem Bescheid nicht zu entnehmen.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die sie damit begründete, dass ihrerseits keine Meldepflichten verletzt worden seien, keine Konkursverschleppung vorliege und nicht gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verstoßen worden sei.
4. Am 07.05.2020 einlangend legte die ÖGK die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme teilte sie zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde (zusammengefasst) mit, dass sich die Haftung der Beschwerdeführerin auf Meldepflichtverletzungen für den Zeitraum Dezember 2014 und November 2015 beziehe. Im Rahmen einer durchgeführten Insolvenzprüfung sei festgestellt worden, dass alle – auf Lohndifferenzen beruhenden – Beitragsrückstände aus Meldepflichtverletzungen resultieren würden. Die Beschwerdeführerin sei laut Firmenbuch seit 20.03.2015 Geschäftsführerin der Primärschuldnerin gewesen, weswegen sie für die Beitragsrückstände hafte.
5. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts um Bekanntgabe, welche konkreten Meldepflichtverletzungen der Beschwerdeführerin zur Last gelegt werden, übermittelte die ÖGK mit Schreiben vom 11.03.2021 bisher nicht vorgelegte Aktenteile, aus denen hervorgeht, dass sämtliche Beitragsrückstände der Primärschuldnerin aus der Nichtberücksichtigung von Mehrstundenzuschlägen für die Dienstnehmerin XXXX bzw. auf Sonderzahlungsdifferenzen in den Jahren 2013 und 2014 resultieren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
Sämtliche Beitragsrückstände der Primärschuldnerin resultieren aus der Nichtberücksichtigung von Mehrstundenzuschlägen für die Dienstnehmerin XXXX bzw. auf Sonderzahlungsdifferenzen in den Jahren 2013 und 2014.
Die Beschwerdeführerin war (erst) seit 20.03.2015 selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin der Primärschuldnerin (FN XXXX z).
2. Beweiswürdigung:
Dass der gesamte Haftungsbetrag auf Meldepflichtverletzungen in den Jahren 2013 und 2014 beruht, ergeht aus der Stellungnahme der ÖGK vom 11.03.2021 (s. Aktenvermerk über ein Telefonat mit der Beitragsprüferin vom 15.01.2019).
Die Organstellung der Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin ab dem oben angeführten Zeitpunkt ergibt sich aus dem Firmenbuch.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.
Da über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 4 (Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 ASVG) entschieden wird und auch nicht eine Angelegenheit gemäß § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG als Vorfrage zu beurteilen ist, liegt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Vorliegend gelangen folgende maßgebende Rechtsvorschriften zur Anwendung:
§ 67 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des BGBl. I Nr. 86/2013:
„Haftung für Beitragsschuldigkeiten
§ 67. (1) bis (9) […]
(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.“
§ 83 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 588/1991:
„Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze
§ 83. Die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen gelten entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.“
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
§ 67 Abs. 10 ASVG zufolge haften u.a. die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Den Feststellungen zufolge beruht der gesamte Haftungsbetrag auf Meldepflichtverletzungen in den Jahren 2013 und 2014, als die Beschwerdeführerin noch gar nicht Geschäftsführerin der Primärschuldnerin war.
Insofern liegt daher auch keine Pflichtverletzung vor, die eine Haftung der Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 10 ASVG begründen könnte.
Damit fehlt auch die rechtliche Grundlage für die Vorschreibung von Nebengebühren und Verzugszinsen.
Demensprechend war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beitragsrückstand Geschäftsführer gesetzliche Grundlage Haftung Pflichtverletzung ZeitpunktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W209.2230766.1.00Im RIS seit
18.05.2021Zuletzt aktualisiert am
18.05.2021