Entscheidungsdatum
19.03.2021Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W281 2235689-7/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK über die Beschwerde von XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX , StA. Algerien alias Tunesien (ungeklärt), im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 08.04.2016 unter Angabe einer nachweislich falschen Identität und einer falschen Staatsangehörigkeit (Syrien) einen Antrag auf internationalen Schutz. Während des Asylverfahrens wurde festgestellt, dass der BF im Jahr 2014 bei der Schweizer Botschaft in Tunis mit einem tunesischen Reisepass einen Antrag auf Touristenvisum stellte, jedoch dieser abgelehnt wurde. Auch wurde der BF bereits am 30.04.2015 von Frankreich nach Tunesien abgeschoben.
Am 11.06.2017 wurde der BF wegen des Verdachts einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 201 StGB in Untersuchungshaft eingeliefert.
2. Der BF wurde am 21.03.2018 von einem Landesgericht wegen § 201 Abs. 1 StGB (Vergewaltigung) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.
Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde am 17.08.2018 gem. §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem 10-jährigen Einreiseverbot, erlassen.
3. Am 11.09.2019 wurden – noch während der Anhaltung in Strafhaft - für die Länder Tunesien, Algerien und Marokko Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) eingeleitet. Während der Strafhaft wurde am 03.01.2020, 31.01.2020 und 16.04.2020 eine Urgenz für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die tunesische Botschaft übermittelt. Am 10.01.2020, 15.04.2020 und 19.05.2020 wurde während der Strafhaft auch bei der marokkanischen Botschaft um ein Heimreisezertifikat urgiert. Weiters wurde am 12.11.2019, 09.12.2019, 30.01.2020, 26.03.2020 und 08.05.2020 bei der algerischen Botschaft um ein Heimreisezertifikat urgiert.
4. Am 10.06.2020, um 08:00 Uhr wurde der BF aus der JA-Wien Josefstadt entlassen und gleichzeitig der Festnahmeauftrag vollzogen. Anschließend wurde der BF ins PAZ Hernalser Gürtel eingeliefert. Am 10.06.2020, um 15:15 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen. Am 10.06.2020, um 20:15 Uhr wurde dem BF der Schubhaftbescheid persönlich zugestellt. Das Bundesamt stützte die Schubhaft damals insbesondere auf die falschen Identitätsangaben des Beschwerdeführers sowie die fast gänzlich fehlende soziale Verankerung im Bundesgebiet. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wurde die Begehung eines Sexualverbrechens berücksichtigt.
5. Am 17.07.2020 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Mit einem Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG wurde vom Bundesamt festgestellt, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft aufrecht bleibt, da die Voraussetzungen hierfür weiterhin vorliegen. Dieser wurde dem BF am 17.07.2020, um 12:30 Uhr persönlich zugestellt. Eine Beschwerde gegen die auf diesen Aktenvermerk gestützte Anhaltung erfolgte nicht.
Am 05.08.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft und bestätigt.
Am 02.09.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft und bestätigt.
6. Während der Anhaltung in Schubhaft wurde am 12.06.2020, 28.08.2020 sowie am 30.09.2020 an die tunesische Botschaft eine Urgenz für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) übermittelt.
Es wurde auch bei der marokkanischen Botschaft am 15.06.2020, 29.06.2020, 17.07.2020, 20.08.2020 und 15.09.2020 um ein HRZ urgiert. Am 15.01.2021 wurde von der marokkanischen Botschaft festgestellt, dass der BF nicht marokkanischer Staatsbürger ist.
Weiters wurde am 16.06.2020, 03.08.2020 und am 24.08.2020 bei der algerischen Botschaft wegen eines HRZ urgiert. Am 18.09.2020 wurde der BF der algerischen Delegation vorgeführt. Diese erklärte, dass der BF vermutlich ein tunesischer Staatsangehöriger ist, jedoch werde trotzdem die Identität bei den Behörden in Algerien geprüft. Danach wurde auch am 03.12.2020 sowie am 18.02.2021 bei der algerischen Botschaft urgiert.
Am 30.12.2020 und 29.01.2021 sowie am 25.02.2021 wurde neuerlich bei der tunesischen Botschaft um ein HRZ urgiert.
7. Am 13.08.2020 wurde der Folgeantrag gem. § 68 AVG zurückgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer ist damit nicht mehr Asylwerber und unterliegt auch nicht mehr dem Regime des § 76 Abs. 6 FPG.
8. Am 15.12.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgrund seines Wunsches erneut vor dem Bundesamt einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er bei einem Freund Unterkunft nehmen könne und nannte eine Adresse. Eine ZMR-Abfrage ergab, dass der genannte Freund an einer anderen Adresse gemeldet ist. Der Beschwerdeführer betonte, seine Identität preisgegeben zu haben. Ihm wurde erneut die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr zur Kenntnis gebracht.
9. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnissen vom 08.10.2020, W278 2235689-1/16E, vom 04.11.2020, vom 02.12.2020 (W137 2235689-3), vom 29.12.2020 (W137 2235689-4), 25.01.2021 (W281 2235689-5) sowie vom 19.02.2021 (W171 2235689-6) jeweils fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.
10. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 12.03.2021 die Akten gemäß §22a BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor und erstattete wie gesetzlich vorgesehen, auch eine Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach wie vor Sicherungsbedarf bestehe, zumal beim BF Sicherungsbedarf noch immer gegeben sei, da dieser nach seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2015 unbekannten Aufenthaltes war. Er habe erst einige Monate nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt. Weiters habe er während seines laufenden Asylverfahrens eine Frau vergewaltigt und wurde deswegen zu einer unbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt. Er habe auch bereits während seines Asylverfahrens falsche Angaben über seine Identität getätigt und wurde erst nach Überprüfungen im Asylverfahren festgestellt wie seine tatsächliche Identität lautet. Es wurde jedoch bis dato die Identität von keiner Vertretungsbehörde bestätigt. Der BF sei der algerischen Delegation vorgeführt worden und wurde dort eine tunesische Staatsangehörigkeit des BF für wahrscheinlich gehalten. Dennoch werden weitere Nachforschungen in Algerien betrieben. Der BF habe sich nie rückkehrwillig gezeigt und auch keine freiwillige Rückkehr ernsthaft in Erwägung gezogen. Ein gesicherter Wohnsitz sei nicht glaubhaft und habe der BF in Österreich weder familiäre, noch private Bindungen. Überprüfungen seien derzeit in Tunesien und in Algerien im Laufen und sei eine zeitnahe Abschiebung des BF nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates auch trotz der derzeit in diesen Ländern herrschenden COVID-19 Situation möglich.
11. Aufgrund der langen Dauer des Verfahrens zur Identifizierung des Beschwerdeführers mit der algerischen und tunesischen Botschaft forderte das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt mit Schreiben vom 12.03.2021 zu näher begründeten Stellungnahme auf, wie lange Identifizierungsverfahren mit der algerischen bzw. tunesischen Botschaft üblicherweise in Anspruch nehmen.
12. Mit Schreiben vom 15.03.2021 teilte die ARGE Rechtsberatung mit, dass mit Schreiben vom 11.12.2020 die ARGE Rechtsberatung die Vollmacht vom 24.11.2020 zurückgelegt habe (im Rahmen der „Generalzurücklegung“). Am 01.02.2021 sei eine Vollmacht des Diakonie Flüchtlingsdienstes vorgelegt worden, welche mit Schreiben vom 08.03.2021 zurückgelegt worden sei. Eine weitere Vollmacht wurde nicht vorgelegt.
13. Mit E-Mail vom 16.03.2021 (OZ 9) gab das Bundesamt zusammengefasst bekannt, dass am 25.02.2021 eine weitere Urgenz an die tunesische Botschaft erfolgt sei. Weitere Möglichkeiten die HRZ-Erlangung zu forcieren seien für die Behörde nicht gegeben, da man letztlich auf die Entscheidung eines anderen, souveränen Staates angewiesen sei, dessen Mitwirkung rechtlich weder verlangt noch erzwungen werden könne, sodass eben keine weitergehende Mitwirkung der Behörde möglich sei, ohne dass dies jedoch in der Verantwortung der Behörde liege. Eine Einvernahme aufgrund eines „Wunschzettels“ werde am 16.03.2021 erfolgen.
14. Am 16.03.2021 (OZ 10) übermittelte das Bundesamt die Einvernahme des Beschwerdeführers vom 16.03.2021. In dieser gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er einen Meldezettel habe, seine Identität offengelegt habe und er aus der Schubhaft entlassen werden möchte. Er komme aus Tunesien, eine Delegation aus Algerien und Tunesien sei schon „hier gewesen“. Er hätte eine Arbeitsgenehmigung, der „Chef“ hätte gesagt, dass er diese bekomme. Er werde zurückkehren, er werde aber nicht freiwillig zurückkehren. Er sei aus Frankreich freiwillig mit einem Laissez-Passer ausgereist. Befragt wo sich seine Dokumente befinden würden gab er an, dass diese nicht mehr gültig seien und „in der Schweiz sollten sie sie haben“. Auf die Nachfrage „ist der Reisepass in der Schweiz?“ gab er an „Die sind nicht mehr gültig. …Die sind zuhause in Tunesien“.
15. Mit E-Mail vom 16.03.2021 (OZ 11) teilte das Bundesamt überdies zusammengefasst mit, dass bei dringlichen Verfahren (Schub- und Strafhaftfälle) bis dato eine derartige Verfahrensdauer zur Identifizierung von vermeintlichen tunesischen bzw. algerischen Staatsangehörigen noch nicht akentkundig sei. Bis dato wären auch noch nicht 12 Urgenzen bei der tunesischen Botschaft gestellt worden. Jedoch könne aus Erfahrung der nicht dringenden Fälle mitgeteilt werden, dass hier bis zu 10 - 15 Urgenzen üblich seien um eine positive oder negative Antwort aus Tunis zu erhalten. Üblicherweise seien bei ca. fünf Personen 10 bis 15 Urgenzen notwendig (OZ 14). Aufgrund der COVID - Situation habe der Beschwerdeführer erst am 18.09.2020 zur algerischen Delegation vorgeführt werden können. Die Verzögerungen der Interviewtermine, welche grundsätzlich, alle 2 Monate stattfänden sei leider COVID bedingt und auch habe es im Jahr 2020 und auch im Jahr 2021 Coronafälle in der Botschaft gegeben, was auch dazu geführt habe, das die Botschaft die Urgenzen verzögert an Algier weitergeleitet habe (OZ 11).
16. Die Stellungnahme des Bundesamtes vom 12.02.2021 (OZ 3), sowie die Stellungnahmen vom 16.03.2021 (OZ 9, 10, 11) sowie Informationen der BFA-Direktion vom 15.03.2021 zu Flügen und Ausstellung von HRZ wurden dem Beschwerdeführer zur Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Bis zum Entscheidungszeitpunkt langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Sache dieses Verfahrens ist die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
1. Feststellungen:
1. Zum bisherigen Verfahren
Die Anordnung der Schubhaft erfolgte mit Bescheid vom 10.06.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung (siehe W281 2235689-5: Schubhaft-Fremdenakt AS 43ff).
Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft bestand eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung (Bescheid des Bundesamts vom 18.07.2018, AS 243ff Asylakt I.). Der BF erhob gegen diesen Bescheid keine Beschwerde.
Am 17.07.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag (siehe W281 2235689-5: AS 3 ff und As 19ff Asylakt II) - ohne Angabe von neuen Fluchtgründen - zum Zweck der Verzögerung der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Das Bundesamt hielt die Schubhaft mittels begründetem Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG aufrecht (siehe W281 2235689-5: Schubhaft-Fremdenakt AS 68f). Gegenständlicher Aktenvermerk wurde dem BF am 17.07.2020 nachweislich zugestellt (siehe W281 2235689-5: AS 74 Schubhaft-Fremdenakt). Das Bundesamt führte am 23.07.2020 die Einvernahme im nunmehr 2. Asylverfahren durch (siehe W281 2235689-5: AS 107ff Asylakt II), erließ mit 29.07.2020 einen zurückweisenden Bescheid (siehe W281 2235689-5: AS 125ff Asylakt II) und stellte diesen dem BF nachweislich am 29.07.2020 (siehe W281 2235689-5: AS 175 Asylakt II.) zu. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Betreffend den Beschwerdeführer liegt aktuell eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Der BF ist nicht Asylwerber.
2. Zur Person des BF
2.1. Der BF ist volljährig; seine Staatsangehörigkeit steht nicht fest. Es gibt Hinweise auf eine tunesische Staatsangehörigkeit, der Beschwerdeführer verfügt aber über keine Personal- und Reisedokumente bzw. hat diese im Verfahren nicht vorgelegt. In seinem (ersten) Asylverfahren hat er sich bewusst tatsachenwidrig als Staatsangehöriger von Syrien bezeichnet. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt der BF nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer hat bisher keine Anstalten bezüglich einer freiwilligen Rückkehr gemacht, ein Heimreisezertifikat liegt nicht vor.
2.2. Der BF wird seit 10.06.2020 in Schubhaft angehalten. Zuvor befand er sich seit 11.06.2017 in Untersuchungs- und Strafhaft.
2.3. Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF gehört nicht der Covid-19 Risikogruppe an. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.
3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:
3.1. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.2. Der Beschwerdeführer hat nach seiner Einreise in das Bundesgebiet bewusst tatsachenwidrige Angaben zu seiner Identität gemacht und seither keinen substanziellen aktiven Beitrag zu deren Feststellung und zur Erlangung eines (Ersatz-)Reisedokuments geleistet.
3.3. Am 17.07.2020 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Das Bundesamt hat mit Aktenvermerk vom selben Tag die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten. Der Asylfolgeantrag wurde am 13.08.2020 (rechtskräftig) gemäß § 68 AVG zurückgewiesen.
3.4. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig. Der BF stellte im Jahr 2014 bei der Schweizer Botschaft in Tunis mit einem tunesischen Reisepass einen Antrag auf Touristenvisum (siehe W281 2235689-5: AS 73 Asylakt I). Der BF wurde am 30.04.2015 von Frankreich nach Tunesien abgeschoben (siehe W281 2235689-5: AS 99 Asylakt I). Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht kaum Deutsch und verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und ist mittellos. Er wurde zuletzt am 12.09.2020 von Bekannten in der Schubhaft besucht. Er ist ledig und hat keine Kinder. Er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz.
Der Beschwerdeführer gab an, bei einem Freund Unterkunft nehmen zu können. Abgesehen davon, dass es sich bei der durch den Beschwerdeführer genannten Adresse nicht um die korrekte Adresse des Freundes handelt, gibt es auch keine Bestätigung für eine tatsächlich eingeräumte Unterkunftsmöglichkeit.
3.5. Der BF wurde in Österreich am 21.03.2018 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren wegen Vergewaltigung (§ 201 StGB) verurteilt (siehe W281 2235689-5: AS 173ff Aslyakt I). Zuvor befand er sich mehrere Monate in Untersuchungshaft.
Der BF hat eine weibliche Person mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie in ihre Wohnung drängte, sie ins Badezimmer schob, gewaltsam auf der Waschmaschine zum Sitzen brachte, ihr gegen ihren Willen die Jeans auszog, ihren Body öffnete und sie an der Vagina streichelte, wobei sie aufgrund ihrer Gegenwehr in die daneben befindliche Duschkabine fiel, wo er sie dann mit dem Finger penetrierte, ehe er im Raum masturbierte.
Für die Strafbemessung wurde als mildernd die bisherige Unbescholtenheit gewertet. Aufgrund des Umstandes, dass der BF keinerlei Verantwortung für sein Tun zu übernehmen bereit war, bedurfte es einer spürbaren und unbedingten Freiheitsstrafe, um eine entsprechende spezialpräventive Wirkung zu entfalten.
Der Beschwerdeführer hat die gesamte Freiheitsstrafe verbüßt, er wurde nicht bedingt (vorzeitig) entlassen.
3.6. Für die Abschiebung des Beschwerdeführers ist zunächst seine Identifizierung durch den Herkunftsstaat erforderlich. Seitens des Bundesamtes wird diesbezüglich das Identifizierungsverfahren mit den relevanten Botschaften intensiv betrieben und auch laufend urgiert. Die Verfahren zur Identifizierung mit der tunesischen und algerischen sowie marokkanischen Botschaft wurden am 11.09.2019 eingeleitet.
Am 15.01.2021 wurde von der marokkanischen Botschaft festgestellt, dass der BF nicht marokkanischer Staatsbürger ist (siehe W281 2235689-5: Stellungnahme des Bundesamtes, OZ 7).
Bei der tunesischen Botschaft wurde am 03.01.2020, 31.01.2020, 16.04.2020, 12.06.2020, 28.08.2020, 30.09.2020, 29.10.2020, 26.11.2020, 30.12.2020, 29.01.2021 und am 25.02.2021 urgiert.
Bei der algerischen Botschaft wurde am 12.11.2019, 09.12.2019, 30.01.2020, 26.03.2020, 08.05.2020, 16.06.2020, 03.08.2020, 24.08.2020 urgiert. Am 18.09.2020 wurde der BF der algerischen Delegation vorgeführt, diese stellte auch fest, dass der BF vermutlich ein tunesischer Staatsangehöriger ist, jedoch wird trotzdem die Identität bei den Behörden in Algerien geprüft. Weitere Urgenzen bei der algerischen Botschaft folgten am 03.12.2020 und am 18.02.2021.
Grundsätzlich dauert ein HRZ – Verfahren bei Tunesien seit Oktober/November 2020 wieder vom Antrag bis zur Antwort (pos./neg.) aus Tunis bis zu 4 Monate. Im Jahr 2020 waren aufgrund der weltweiten Pandemie die HRZ – Verfahren mit Tunesien verzögert. Das Bundesamt erhält monatlich Identifizierungslisten. Grundsätzlich dauert das HRZ – Verfahren Algerien von der Antragsstellung bis zur Antwort (positiv/negativ) aus Algier, 4 bis 5 Monate. Bedingt durch die COV-Pandemie, kann es zu Verzögerungen im Identifizierungsprozess kommen.
Die Identifizierung ist bisher noch nicht erfolgt, womit eine Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers bisher noch von keiner Botschaft der diesbezüglich relevanten Staaten – Tunesien oder Algerien - bestätigt worden ist. Dokumente zum Beleg seiner Staatsangehörigkeit oder seiner konkreten Identität hat auch der Beschwerdeführer bisher nicht beigebracht.
Bei dringlichen Verfahren (Schub- und Strafhaftfälle) hat es beim Bundesamt eine Verfahrensdauer von 12 oder 18 Monaten zur Identifizierung von vermeintlichen tunesischen bzw. algerischen Staatsangehörigen noch nicht gegeben. Bis dato waren auch noch nicht 12 Urgenzen bei der tunesischen Botschaft notwendig um eine Entscheidung im Identifizierungsverfahren zu erhalten. In nicht dringenden Fälle sind bei der tunesischen Botschaft bis zu 10 - 15 Urgenzen üblich um eine positive oder negative Antwort aus Tunis zu erhalten und in dies in etwa bei fünf Fällen. Interviews finden bei der tunesischen Botschaft generell nicht statt.
Aufgrund der COVID - Situation konnte der Beschwerdeführer erst am 18.09.2020 zur algerischen Delegation vorgeführt werden. Die Verzögerungen der Interviewtermine, welche grundsätzlich, alle 2 Monate stattfinden ist COVID bedingt und auch hat es im Jahr 2020 und auch im Jahr 2021 Coronafälle in der Botschaft gegeben, was auch dazu geführt hat, dass die Botschaft die Urgenzen verzögert an Algier weitergeleitet hat.
Hinsichtlich Algerien sind zum Entscheidungszeitpunkt bereits wieder Flüge im März und April 2021 mit Zwischenstopps buchbar. Flüge nach Tunesien sind aktuell bereits buchbar.
Es ist vor diesem Hintergrund derzeit noch realistisch, dass eine Identifizierung des Beschwerdeführers – jedenfalls bei Einlösung der behaupteten Mitwirkungswilligkeit – binnen einiger Wochen erfolgen kann. Damit kann auch eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach erfolgter Identifizierung zeitnahe, und damit deutlich innerhalb der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer erfolgen.
Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin.
3.7. Dem Beschwerdeführer steht unabhängig davon die Möglichkeit einer (allenfalls auch unterstützten) freiwilligen Ausreise in den (vermeintlichen) Herkunftsstaat – Tunesien - zur Verfügung. So besteht derzeit eine Flugmöglichkeit von Wien nach Tunis. Dem Beschwerdeführer ist es damit möglich, die Dauer der Anhaltung in Schubhaft durch eigenes Handeln substanziell zu verkürzen. Voraussetzung ist, dass er nicht nur einen „offensichtlich“ feststehenden Herkunftsstaat behauptet, sondern diesen auch belegt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend (W278 2235689-1, W150 2235689-2, W137 2235689-3, W137 2235689-4, W281 2235689-5, W171 2235689-6) in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Die Feststellungen ergeben sich jeweils auch aus den in den Klammern bei den Feststellungen zitierten Aktenbestandteilen.
1. Zum Verfahrensgang und bisherigen Verfahren:
1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesamtes und des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren sowie das Schubhaftverfahren des BF betreffend.
1.2. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und den in Klammer zitierten Aktenbestandteilen. Es liegen Kopien sämtlicher in den Feststellungen bezeichneten Bescheide des Bundesamts sowie die entsprechenden Zustellnachweise im Verfahrensakt ein. Dass diese Bescheide unbekämpft in Rechtskraft erwuchsen ergibt sich aus dem Umstand, dass beim Bundesverwaltungsgericht keine diesbezüglichen Beschwerdeverfahren anhängig sind sowie aus einem amtswegig eingeholten IZR Auszug. Verfahrensgegenständlicher Schubhaftbescheid sowie ein entsprechender Zustellnachweis liegen ebenfalls dem Gerichtsakt ein. Ebenso liegt der vom Bundesamt verfasste und dem BF nachweislich zugestellte, grundsätzlich begründete Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Anhaltung in Schubhaft nach Asylfolgeantragstellung gemäß § 76 Abs. 6 FPG vom 17.07.2020 im Gerichtsakt ein.
2. Zur Person des BF
2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer über keine Personal- und Reisedokumente verfügt bzw. diese im Verfahren nicht vorgelegt hat. Ebenso gibt es keinen Zweifel an den bewusst tatsachenwidrigen Angaben im (ersten) Asylverfahren – zumal selbst sein Vertreter eine andere (die tunesische) Staatsangehörigkeit für „offensichtlich“ hielt und der Beschwerdeführer im vorangegangenen Verfahren bei der Einvernahme am 15.12.20202 angegeben hat, dass er (nun) seine Identität „offengelegt“ habe (W137 2235689-4, OZ 2, AS 219, Einvernahme vom 15.12.2020). Dies hat er auch bei der Einvernahme am 16.03.2021 angegeben, belege konnte er aber weiterhin nicht vorlegen (OZ 10). Hinweise für eine tunesische Staatsangehörigkeit finden sich in den Akten wie zB dem Umstand, dass er im Jahr 2014 bei der Schweizer Botschaft in Tunis mit einem tunesischen Reisepass einen Antrag auf Touristenvisum gestellt hat (siehe W281 2235689-5: AS 73 Asylakt I) oder am 30.04.2015 von Frankreich nach Tunesien abgeschoben wurde (siehe W281 2235689-5: AS 99 Asylakt I). Einen hinreichenden Beleg für eine Feststellung derselben gibt es hingegen weiterhin nicht.
Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Unstrittig ist, dass er weder asylberechtigt noch subsidiär schutzberechtigt ist. Es finden sich auch keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer zu einer freiwilligen Rückkehr bereit wäre. Festzuhalten ist, dass ihm die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr am 15.12.2020 erneut zur Kenntnis gebracht wurde (W137 2235689-4, OZ 2, AS 219, Einvernahme vom 15.12.2020).
2.2. Dass der BF seit 10.06.2020 in Schubhaft angehalten wird (und zuvor drei Jahre in Untersuchungs- und Strafhaft war), ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei und dem Zentralen Melderegister.
2.3. Es haben sich weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Anhaltedatei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass beim BF eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder gar Haftunfähigkeit vorliegen würde, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen ist. Zudem wurde zuletzt am 20.01.2021 eine Haftfähigkeitsbestätigung durch den Amtsarzt ausgestellt. Auch in seiner Einvernahme vom 16.03.2021 hat er keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht, sondern angegeben, dass er gesund sei. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist belegt.
3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:
3.1. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus der Aktenlage; auch dies wird im Verfahren vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
3.2. Es besteht insbesondere unter Einbeziehung der Stellungnahme vom 30.11.2020 (W137 2235689-3, OZ 4) nicht der geringste Zweifel, dass der Beschwerdeführer unter bewusst falschen Identitätsangaben und einer behaupteten syrischen Staatsangehörigkeit 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Dokumente zum Beleg seiner tatsächlichen Identität hat er hingegen bis dato immer noch nicht beigebracht.
3.3. Dass der BF am 17.07.2020 einen Asylfolgeantrag stellte, ergibt sich aus der Aktenlage und wurde ebenso wenig in Zweifel gezogen wie das weitere Vorgehen des Bundesamtes und der rechtskräftige Abschluss dieses Asylfolgeverfahrens.
3.4. Die geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus der Begehung des Verbrechens der Vergewaltigung in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der BF sich nicht tateinsichtig zeigt und unter verschiedenen Identitäten auftritt. Der Schriftverkehr mit den Schweizer und französischen Behörden betreffend die Visaantragstellung unter StA. Tunesien und die Abschiebung nach Tunesien liegen dem Akt ein. Die Feststellungen, wonach der BF über keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Kontakte in Österreich verfügt und in keiner Weise selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich aus der Aktenlage. Auch hier wird Gegenteiliges nicht behauptet, wobei der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft volle drei Jahre in Untersuchungs- und Strafhaft angehalten wurde. Die Besuche in der Schubhaft sind in der Anhaltedatei ersichtlich.
Die zuletzt vorgebrachte Nächtigungsmöglichkeit bei einem Freund belegt jedenfalls keine gesicherte Unterkunft. Zwar nannte der Beschwerdeführer eine Adresse, doch ist der genannte Freund nicht an der vom Beschwerdeführer genannten Adresse gemeldet. Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer eine ähnliche Adresse nannte und die Möglichkeit besteht, dass es sich bei der falschen Adressnennung um einen Irrtum handelt. Festzuhalten ist jedoch, dass sich das Gericht in den beiden Entscheidungen (W137 2235698-3 und W137 2235698-4; Fortsetzungsausspruch) mit der Möglichkeit der Unterkunftnahme des Beschwerdeführers bei eben diesem Freund bereits auseinandergesetzt hat. In der Einvernahme vom 16.03.2021 (OZ 10) behauptete der Beschwerdeführer, dass er einen Meldezettel habe; die Einsicht ins Melderegister (OZ 2) widerlegt diese Tatsache. Neue Umstände hat der Beschwerdeführer in diesem Verfahren nicht vorgebracht.
Dass der BF auch weiterhin nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aus dem festgestellten und aktenkundigen bisherigen Verhalten des BF, insbesondere der bewussten Täuschung über seine Identität 2016, der Begehung eines Sexualverbrechens während eines laufenden Asylverfahrens sowie der Stellung eines Asylfolgeantrages während der Anhaltung in Schubhaft. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 19.02.2021 (Zeitpunkt der letzten amtswegigen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung) ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. An diesem hat im Übrigen – trotz gerichtlicher Aufforderung - der Beschwerdeführer nicht mitgewirkt.
3.5. Aus dem Strafregister und dem im Akt einlegenden Urteil ergibt sich die Verurteilung des BF wegen der Begehung eines Sexualverbrechens. Die weiteren Anhaltezeiten sind dem Melderegister entnommen.
3.6 Auch wenn der Beschwerdeführer angibt, dass er seine wahre Identität preisgegeben habe, so ist sie dadurch nicht erwiesen – insbesondere nicht vom Herkunftsstaat bestätigt. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang keinerlei aktive Bemühungen gesetzt, diesen Prozess durch Vorlage von Beweismittel (etwa Dokumenten) aus seinem Herkunftsstaat zu erleichtern oder zu beschleunigen.
Die Feststellungen zur Einleitung der Verfahren mit der tunesischen, algerischen und marokkanischen Botschaft und der Urgenzen und die verspätete Vorführung vor der algerischen Botschaft ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den Stellungnahme des Bundesamtes (OZ 7).
Die Feststellungen zu den bisherigen Erfahrungswerten mit Verfahren zur Identifizierung von vermeintlichen tunesischen oder algerischen Staatsbürgern ergibt sich aus der Anfragebeantwortung des Bundesamtes (OZ 11). Dem ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Dass in nicht dringenden Fällen bei der tunesischen Botschaft bis zu 10 - 15 Urgenzen üblich um eine positive oder negative Antwort aus Tunis zu erhalten und in dies in etwa bei fünf Fällen der Fall war ergibt sich aus einer ergänzenden Beantwortung des Bundesamtes (OZ 14). Das dem Bundesamt außer der Möglichkeit von Urgenzen keine wesentlichen Mittel zur Verfügung stehen, auf eine Verfahrensbeschleunigung hinzuwirken, ergibt sich aus einer diesbezüglichen Stellungnahme (OZ 9) und der Information der BFA-Direktion vom 15.03.2021 zu den Verfahren zur Ausstellung von Heimreisezertifikaten, da aus dieser hervorgeht, dass keine Interviews möglich sind.
Die Feststellungen zu den Flugverbindungen bezüglich Algerien und Tunesien ergeben sich aus einer Internet-Recherche sowie den Informationen der BFA-Direktion vom 15.03.2021 zu den Flugverbindungen.
Ausgehend von der behaupteten Mitwirkungswilligkeit des Beschwerdeführers ist eine Identifizierung und HRZ-Ausstellung binnen einiger Monate sowie eine zeitnah im Anschluss erfolgende Abschiebung noch realistisch.
3.8. Die Feststellungen zur Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise ergeben sich aus der oben angeführten Internet-Recherche sowie den Informationen der BFA-Direktion vom 15.03.2021 zu den Flugverbindungen. Unstrittig ist darüber hinaus, dass gerade in der aktuellen Pandemie-Situation eine freiwillige Ausreise (zu der im Übrigen ohnehin eine gesetzliche Verpflichtung bestehen würde) die Anhaltedauer substanziell verkürzen kann. Dass dies (vor einer Identifizierung durch eine Botschaft) einen tatsächlichen Beleg der Staatsangehörigkeit durch den Beschwerdeführer voraussetzt, ergibt sich aus den Einreise- und Flugverkehrsbestimmungen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1.1. Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:
„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“
§22a Abs. 4 BFA-VG bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 10.06.2020 in Schubhaft angehalten wird.
3.1.2. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG) sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:
3.1.2.1. Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK
(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.
3.1.2.2. Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG
(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
3.1.2.3. Maßgebliche Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG)
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.
drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.
sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.
die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.
eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.
der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.
die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.
(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.
(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.
(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.
3.2. Zulässige Anhaltedauer
Im gegenständlichen Fall besteht nicht der geringste Zweifel, dass die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit (tatsächlich auch „insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokuments“) bisher nicht möglich war. Das Gesetz spricht hier auch unzweideutig von der „Feststellung“ und nicht der „Glaubhaftigkeit“ einer Identität/Staatsangehörigkeit. Was eine „offensichtliche Staatsangehörigkeit“ sein soll, wurde in der Stellungnahme vom 30.11.2020 auch nicht näher erläutert. Insbesondere wurde der angesprochene tunesische Reisepass bisher nicht vorgelegt – die Verantwortung dafür liegt ausschließlich beim Beschwerdeführer.
Unabhängig davon bedarf es zur Ausstellung eines Ersatzreisedokuments regelmäßig der Feststellung der Identität. Dass diese „offensichtlich“ geklärt wäre, wird nicht einmal in der Stellungnahme vom 30.11.2020 behauptet.
Nach Art. 15 Abs. 6 der Rückführungs-RL ermöglicht „mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen“ die Verlängerung des Anhaltezeitraum. Dass eine bewusste Täuschung über die Identität/Staatsangehörigkeit eine solche „mangelnde Kooperationsbereitschaft“ darstellt, steht außer Zweifel. Zudem spricht die Richtlinie ausdrücklich davon, dass eine Abschiebemaßnahme „wahrscheinlich länger dauern wird“ - womit offenkundig eine schlüssige Wahrscheinlichkeitsprognose zur Verlängerung des Anhaltezeitraumes bereits hinreichend ist.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher in der gegenständlichen Entscheidung von einem unzweifelhaften Bestehen der Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z 1 FPG und (weiterhin) von einer zulässigen maximalen Anhaltedauer von 18 Monaten aus.
Es ist evident, dass derartige Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates, insbesondere bei ungeklärter Identität, auch bedingt durch die Corona- Pandemie viele Monate in Anspruch nehmen. Auch das Verfahren mit dem Marokko wurde erst am 15.01.2021 abgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund darf aber nicht übersehen werden, dass das Bundesamt jedenfalls seine Urgenzen bei der tunesischen und algerischen Botschaft weiterhin in regelmäßigen Abständen betreiben muss und vor dem Hintergrund der bisherigen Verfahrensdauer des Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates jedenfalls diese Urgenzen auch allenfalls in kürzeren Abständen an die beiden Botschaften zu übermitteln hat.
3.3. Fortsetzungsausspruch
Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.
Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG) sowie das Bundesverwaltungsgericht diese fortsetzte (zusätzlich Ziffer 5 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und sind – hinsichtlich der Ziffern 1 (Behinderung der Rückkehr/Abschiebung und des Verfahrens durch falsche Angaben zur Identität), 3 sowie 5 auch zweifelsfrei belegt.
Für entscheidungsrelevante Änderungen im Zusammenhang mit § 76 Abs. 3 Z 9 FPG gibt es keine Anhaltspunkte. Im Vorfeld des gegenständlichen Prüfungsverfahren wurde lediglich das Bestehen einer Unterkunftmöglichkeit behauptet – nicht aber ein gesicherter Wohnsitz. Selbst wenn man die Möglichkeit der Unterkunft und einer allenfalls sogar möglichen amtlichen Meldung als glaubhaft erachten würde, erhöht sie den Grad der sozialen Verankerung im Bundesgebiet nur um geringfügige Nuancen, denn der Beschwerdeführer wird seit 11.06.2017, mithin seit mehr als dreieinhalb Jahren durchgehend in Untersuchungshaft, Strafhaft und Schubhaft angehalten. In dieser Zeit fanden lediglich sporadische Besuche eines Freundes statt – in 6 Monaten Schubhaft laut Anhaltedatei nicht mehr als zweimal, zuletzt im September 2020. Auch ein Besuch nach dem letzten Ausspruch über die Fortsetzung der Schubhaft, bei welchem die Möglichkeit einer Unterkunftnahme bei einem Freund bereits thematisiert wurde, fand nicht statt. Eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts in diesem Zusammenhang seit der letzten amtswegigen Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht ist daher nicht ersichtlich.
Damit weist das Kriterium der Ziffer 9 (für sich allein) bei einer Gesamtbetrachtung keine Änderung in Richtung einer Reduktion der Fluchtgefahr (seit der letzten Entscheidung) auf.
Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts vollständig fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu das bewusste Täuschen von Behörden über Identität und Staatsangehörigkeit (wobei der Beschwerdeführer seine Identität und Staatsangehörigkeit auch weiterhin nicht belegt), die Begehung eines Sexualverbrechens während eines laufenden Asylverfahrens (unter falscher Identität) sowie das anschließende missbräuchliche Stellen eines Asylfolgeantrags in der Schubhaft – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.
Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Gegenteiliges wurde von ihm im Rahmen der Möglichkeit zur Stellungnahme nicht behauptet. Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr hat sich das Bundesamt rasch um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates gekümmert.
Die in diesem Zusammenhang eingetretenen Verzögerungen durch das zwischenzeitliche missbräuchliche Asylfolgeverfahren sind jedenfalls allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Im Zusammenhang mit den Verzögerungen aufgrund der seit März 2020 bestehenden Pandemiesituation muss sich der Beschwerdeführer diese insoweit zurechnen lassen, als er nach wie vor nicht bereit ist, seine Identität und Staatsangehörigkeit durch entsprechende Dokumente zu belegen oder zumindest durch weitere aktiv beigebrachte Beweismittel glaubhaft zu machen.
Das erkennende Gericht geht aktuell noch davon aus, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft trotz der langen Dauer des Identifizierungsverfahrens verhältnismäßig ist.
Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen. Festzuhalten ist dabei auch, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig erst etwa neun Monate in Schubhaft angehalten wird, womit erst rund die Hälfte der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer ausgeschöpft worden ist. Eine (derzeit noch als realistisch anzusehende) Abschiebung innerhalb einiger Monate – etwa bis Juni 2021 - würde eine Anhaltedauer von insgesamt 12 Monaten bedingen. In diesem Fall wären lediglich zwei Drittel des zulässigen Anhaltezeitraumes ausgenutzt.
Dazu kommt, dass die Sicherung der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers aufgrund des von ihm begangenen Sexualverbrechens (Vergewaltigung) im besonderen Interesse der Republik liegt.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass das Identifizierungsverfahren mit der algerischen und tunesischen Botschaft schon eine geraume Zeit, nämlich etwa 18 Monate, in Anspruch nimmt und bis dato bei der tunesischen oder algerischen Botschaft in dringenden Fällen noch keine 12 Urgenzen notwendig waren. Die 12. Urgenz soll dabei nächste Woche erfolgen. Allerdings ist es in nicht dringenden Fällen vorgekommen, üblicherweise in fünf Fällen, dass 10 bis 15 Urgenzen notwendig waren um eine positive bzw. negative Antwort der tunesischen Botschaft zu erhalten. Auch wenn Identifizierungen aus Tunis seit Oktober bzw. November 2020 wieder rascher erfolgen, ist nicht auszuschließen, dass es bedingt durch die Corona Pandemie immer noch zu Verzögerungen kommt. Zudem wurde der Beschwerdeführer 2015 insofern als tunesischer Staatsbürger identifiziert, als er von Frankreich nach Tunis abgeschoben wurde. Im Jahr 2014 hatte der Beschwerdeführer auch noch seinen tunesischen Reisepass um einen Antrag auf ein Visum in der Schweiz zu stellen. Es ist daher im Entscheidungszeitpunkt realistisch, dass er in wenigen Wochen als tunesischer Staatsbürger identifiziert wird. Auch das Identifizierungsverfahren dauert bedingt durch die Corona Pandemie und auch durch Cornafälle in der algerischen Botschaft länger als üblich und kommt es dadurch wohl zu Verzögerung der Weiterleitungen der Urgenzen. Auch eine Identifizierung als algerischer Staatsbürger ist somit möglich und noch wahrscheinlich. Zudem wird der Beschwerdeführer aktuell erst etwa neun Monate in Schubhaft angehalten und könnte durch aktive Mitwirkung am Identifizierungsprozess durch Vorlage von Unterlagen wesentlich zu einer Verkürzung der Schubhaftdauer beitragen. Auch durch einen Antrag auf freiwillige Rückkehr, dessen Ablehnung der Beschwerdeführer erst wieder in der Einvernahme vom 16.03.2021 bekundet hat, könnte er seine Dauer der Schubhaft wesentlich verkürzen. Zudem ist der Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung vorbestraft und zeigte er sich auch in der Einvernahme vom 16.03.2021 diesbezüglich nicht einsichtig. Im Ergebnis ist die Verhältnismäßigkeit der seit etwa neun Monaten andauernden Schubhaft vor dem Hintergrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers in Form einer Vergewaltigung auch trotz des länger andauernden Identifizierungsverfahren noch verhältnismäßig.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist.
3.4. Mündliche Verhandlung
Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt sich als hinreichend geklärt erweist.
Für Änderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, die allfällig eine Verifizierung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfordern würden, gab es im gegenständlichen Ermittlungsverfahren keinen Hinweis. In diesem Zusammenhang ist nochmals festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auf ein schriftliches Parteiengehör in keiner Form reagierte, obwohl die Betreuung des Beschwerdeführers in der Schubhaft sichergestellt ist.