TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/18 96/16/0094

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Veröffentlicht am 18.04.1997
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Index

32/06 Verkehrsteuern;

Norm

GrEStG 1955 §2 Abs3;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z7 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Marktgemeinde M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. März 1996, Zl. GA 9-422/95, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom 23. Juni 1986/25. September 1986 von A insgesamt sechs in der Natur zusammenhängende Grundstücke mit einer Gesamtfläche von

12.574 m2. In dem der Abgabenerklärung beigelegten Kaufvertrag wurde u.a. festgehalten, daß die Beschwerdeführerin die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 GrEStG 1955 geltend machen werde, weil sie beabsichtigte, auf den Grundstücken ein Amtsgebäude zu errichten und Anlagen für die öffentliche Erholung zu schaffen.

Am 16. September 1994 richtete das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgenden kurz: Finanzamt) an die Beschwerdeführerin unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den seinerzeit angegebenen begünstigten Zweck "Amtsgebäude, Erholungsanlage" die Anfrage, ob die Liegenschaft bereits dem begünstigten Zweck zugeführt wurde.

Die Antwort der Beschwerdeführerin vom 4. November 1994 lautete: "Ja, teilweise. Mehrzwecksaal in Fertigstellung, Amtsgebäude noch nicht im Bau"

Daraufhin forderte das Finanzamt mit Bescheid vom 16. Dezember 1994 Grunderwerbsteuer an, wogegen die Beschwerdeführerin mit der Begründung berief, es sei geplant, auf den Grundstücken ein Gemeindekommunikationszentrum zu errichten, die geplanten Maßnahmen würden in drei Bauabschnitten durchgeführt; die beiden ersten Bauabschnitte (Feuerwehr und Bauhof bzw. Mehrzweckhalle) seien verwirklicht (der erste Abschnitt schon kollaudiert, der zweite Abschnitt bewilligt); der dritte Abschnitt, das Gemeindeamt (mit Räumlichkeiten für Gendarmerie und Post) derzeit aus finanziellen Gründen noch nicht zu verwirklichen. Die sechs Grundstücke seien inzwischen bereits grundbücherlich zu einem einzigen Grundstück vereinigt worden. Die Beschwerdeführerin wiederholte auch in ihrer Berufung ausdrücklich die Behauptung, auf der Liegenschaft Amtsgebäude zu errichten und Anlagen für die öffentliche Erholung zu schaffen und damit die Liegenschaft solchen öffentlichen Zwecken zuzuführen, wie sie im § 4 Abs. 1 Z. 7 GrEStG 1955 bezeichnet sind.

Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie davon ausging, sie habe sich "an Hand der vorgelegten Unterlagen" überzeugen können, daß nur die Mehrzweckhalle (mit einer Fläche von 750 m2) einer Befreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. a GrEStG 1955 zugänglich sei. Abgesehen davon sei ein vor dem geplanten Gemeindeamt gelegener Parkplatz (ca. 1000 m2) nach § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. b leg. cit. zu behandeln. Da sohin vom Gesamtausmaß von 12.574 m2 nur ein geringfügiger Teil (nämlich ca. 1750 m2) dem begünstigten Zweck zugeführt worden sei, sei für den gesamten Erwerbsvorgang die Steuerpflicht entstanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden § 4 Abs. 1 Z. 7 GrEStG 1955 waren von der Besteuerung beim Grundstückserwerb durch eine Gebietskörperschaft unter anderem ausgenommen

"a) der Erwerb eines Grundstückes zur Errichtung oder Erweiterung von Amtsgebäuden, öffentlichen Zivilschutzräumen, Anlagen und Einrichtungen des Bundesheeres, soweit diese der Hoheitsverwaltung des Bundes dienen, öffentlichen Kindergärten, öffentlichen Schulen, öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten, öffentlichen Altersheimen sowie von Krematorien,

b) der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung oder Erweiterung von öffentlichen Straßen, sonstigen öffentlichen Verkehrsanlagen, öffentlichen Plätzen und öffentlichen Erholungs-, Wald- und sonstigen Grünanlagen ..."

Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle bestimmte:

"(2) Die im Abs. 1 Z. 1 lit. a, Z. 2 lit. a, Z. 3 lit. a, Z. 4 lit. b und Z. 7 lit. a und b bezeichneten Erwerbsvorgänge unterliegen mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist ..."

Kern der Beschwerdeausführungen ist die Behauptung, es seien bereits innerhalb der Acht-Jahres-Frist des § 4 Abs. 2 GrEStG unter anderem eine Mehrzweckhalle, Parkplätze, eine Zufahrtsstraße und begrünte Flächen als öffentliche Plätze angelegt worden. Die begrünten Erholungsflächen und die Zufahrtsstraße umfaßten geschätzt ca. 9000 m2. In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerde ausdrücklich die Unterlassung der Durchführung eines Lokalaugenscheines durch die belangte Behörde.

Damit ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht, weil sich die Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Frage geschaffener begrünter Erholungsflächen und Zufahrtsstraßen überhaupt nicht auseinandersetzt. Ungeachtet des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Fragebeantwortung vom 4. November 1994, sowie in der Berufung und im Vorlageantrag das Schwergewicht ihres Augenmerkes auf die errichtete Mehrzweckhalle legte (und dabei - wie unten noch gezeigt werden wird - der unrichtigen Ansicht war, es reiche der Baubeginn aus) hätte die belangte Behörde sich nicht mit der abgegebenen Erklärung der Beschwerdeführerin als Entscheidungsgrundlage allein begnügen dürfen, sondern ungeachtet der in Begünstigungsfällen erhöhten Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin (vgl. dazu Ritz, BAO-Kommentar Rz 12 zu § 115 BAO und die dort angeführte hg. Judikatur), angesichts des sowohl im Kaufvertrag als auch in der Berufung ausdrücklich erwähnten Zweckes der Schaffung von "Anlagen für die öffentliche Erholung" nach der sie gemäß § 115 Abs. 1 BAO treffenden Ermittlungspflicht auch Nachforschungen (z.B. im Wege eines Lokalaugenscheines) in die Richtung anstellen müssen, ob und inwieweit innerhalb der Acht-Jahres-Frist tatsächlich Anlagen für die öffentliche Erholung geschaffen wurden (vgl. Ritz, a.a.O. Rz 13 Abs. 2 zu § 115 BAO und die dort angeführte hg. Rechtsprechung). Der Umstand, daß die belangte Behörde dies unterlassen hat, belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG) bzw. weil Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Der Versuch einer zu diesem Punkt nachgetragenen Begründung in der Gegenschrift vermag an der bestehenden Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nichts mehr zu ändern.

Zu den übrigen Beschwerdeargumenten ist darauf hinzuweisen, daß mehrere Grundstücke (Parzellen), die eine wirtschaftliche Einheit bilden (in welchem Zusammenhang es auf die Einheitsbewertung ankommt), gemäß § 2 Abs. 3 erster Satz GrEStG 1955 auch grunderwerbsteuerrechtlich als ein Grundstück anzusehen sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/16/0102, uva). Wird der grunderwerbsteuerlich begünstigte Zweck nur auf einzelnen Flächenteilen eines Grundstückes verwirklicht, so ist in einheitlicher Beurteilung des gesamten Erwerbsvorganges zu untersuchen, ob der begünstigte Zweck aufgegeben wurde oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1992, Zl. 90/16/0170, und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein Erwerbsvorgang ist der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, wenn das erworbene Grundstück nicht innerhalb der Frist des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 überwiegend dem begünstigten Zweck zugeführt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. August 1995, Zl. 94/16/0299, und vom 27. Oktober 1983, Zl. 82/16/0062). Schließlich ist betreffend begonnene Bauvorhaben zu beachten, daß unter Errichtung iS des § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. a GrEStG 1955 nur die Vollendung des betreffenden Gebäudes innerhalb der maßgeblichen Frist zu verstehen ist, nicht aber der bloße Baubeginn bzw. die Aufführung eines Rohbaus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. April 1991, Zl. 90/16/0040, vom 16. März 1972, Zl. 915/71, Slg. N.F. Nr. 4362/F, und vom 24. Juni 1971, Zl. 2180/70, Slg. N.F. Nr. 4255/F, uva.).

Von der Durchführung der mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996160094.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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