Entscheidungsdatum
19.03.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W 154 2240401-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, vertreten durch RA Dr. Klammer, gegen die Festnahme und den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2021, Zahl: 1250327002/210316024, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 08.03.2021 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden werden gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG und § 40 Abs. 1 Z 3 BVA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung nach Italien angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF am 08.03.2021 durch persönliche Übergabe zugestellt. Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr dabei auf § 76 Abs. 3 Z 2 und 9 FPG.
2. Gegen die Festnahme, den Bescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seine anwaltliche Vertretung am 12.03.2021 Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass er sich aufgrund der Tatsache, dass er einen Aufenthaltstitel aus Italien habe, er darüber hinaus in Österreich „ordentlich“ gemeldet sei und er mit seiner österreichischen Lebensgefährtin zusammenwohne, derzeit auch rechtmäßig in Österreich aufhalte. In der Beschwerde wurde beantragt, die Festnahme am 07.03.2021 und die nachfolgende Schubhaft für rechtswidrig zu erklären sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzutragen.
3. Am 15.03.2021 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete in Folge eine Stellungnahme. Darin wird wie folgt ausgeführt:
„Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde am 23.10.2019 von der deutschen Bundespolizei aufgrund einer Einreiseverweigerung, übernommen. Er führte ein Permesso di Soggiorno, gültig bis 16.07.2019 und einen italienischen Konventionsreisepass mit sich. Da jedoch beide Dokumente bereits abgelaufen waren, wurde der Bf. nach den Bestimmungen des § 39 FPG festgenommen und zur weiteren fremdenrechtlichen Bearbeitung in das PAZ Salzburg überstellt.
Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass er in Italien einen Asylantrag gestellt hatte.
Am 24.10.2019 wurde durch die RD Salzburg gegen den Bf. ein Verfahren zur Erlassung einer „Anordnung zur Außerlandesbringung“ nach Italien gemäß dem Rückübernahmeabkommen mit Italien eingeleitet.
Die Regionaldirektion Salzburg hat gegen den Bf. am 25.10.2019 mittels Mandatsbescheid das Gelindere Mittel verhängt, mit der Auflage, eine finanzielle Sicherheit zu hinterlegen.
Der Bescheid „Anordnung zur Außerlandesbringung“ wurde dem Bf. am 12.11.2019, gegen Unterschriftsleistung an seine Meldeanschrift in Traiskirchen ausgefolgt.
Die Entscheidung ist am 27.11.2019 in Rechtskraft erwachsen.
Im Bescheid wurde angeführt, dass eine „Anordnung zur Außerlandesbringung“ gem. § 61 Abs. 2 FPG zur Folge hat, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig ist und die Anordnung binnen 18 Monaten ab Ausreise aufrecht bleibt.
Der Bf. wurde am 20.12.2019 nach Italien überstellt.
Damit war bzw. ist es dem Bf. bis 20.06.2021 nicht erlaubt, nach Österreich wieder einzureisen.
Seit 22.10.2020 ist der Bf. in 2514 Traiskirchen, Wiener Straße 20/3/8, behördlich gemeldet.
Am 07.03.2021 wurden Beamte der Landespolizeidirektion Wien wegen einer Sachbeschädigung zur Adresse 1150 Wien, Hütteldorfer Straße 81b, beordert. Während der Zufahrt, kurz vor dem Eintreffen, wurde den Beamten per Funk durchgegeben, dass der vermeintliche Täter die Johnstraße entlang flüchtete.
Passanten zeigten auf den Fluchtweg und es konnte der Bf. im Bereich Wien 15., Meiselstraße 8 angehalten werden.
Der Bf. hatte einen Italienischen Aufenthaltstitel bei sich.
Der Journaldienst des BFA ordnete aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet die Vorführung zur Behörde an.
Der Bf. wurde festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel überstellt.
Zu seinem Aufenthalt befragt gab der Bf. im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 8.3.2021 an, dass er drei Wochen vor seinem Aufgriff in das Bundesgebiet eingereist war und trotz Abwesenheit aus dem Österreichischen Bundesgebiet an der Meldeadresse seiner Lebensgefährtin in Traiskirchen behördlich gemeldet war. Er befindet sich nach eigenen Angaben berufsbedingt als Musiker auch in den Mitgliedsstaaten unterwegs und verfügt aktuell über keinerlei Barmittel.
Aufgrund der Wiedereinreise des Bfs. innerhalb der Gültigkeitsdauer einer Anordnung zur Außerlandesbringung sowie der derzeitigen Bargeldlosigkeit ist der Aufenthalt des Bf. als unrechtmäßig zu bewerten.
Der Bf. wurde am 8.3.2021 zur Sicherung des Verfahrens zur seiner Außerlandesbringung in Schubhaft genommen. Der Bescheid wurde ihm am 8.3.2021 zugestellt.
Der Sicherungsbedarf begründete sich auf mehrere Punkte gem. § 76 Abs. 3:
- Der Bf. ist während der Gültigkeitsdauer einer Anordnung wieder eingereist.
- der Bf. ist vorbeugend in Traiskirchen behördlich gemeldet, ohne dort tatsächlich Unterkunft zu nehmen und wohnhaft zu sein.
- über seinen tatsächlichen Aufenthalt hat der Bf. keine Angaben gemacht.
- der Bf. war vor seinem Aufgriff vor den Organen der LPD Wien auf der Flucht.
- Punkt 9 trifft in vollem Umfang zu (keine soziale Verankerung, kein gesicherter Wohnsitz, keine legale Erwerbstätigkeit, keine ausreichenden Existenzmittel).
Die Schubhaft wurde nicht als Standard-Maßnahme angewendet, sondern es konnten aufgrund des bisherigen Verhaltens zurzeit keine Gründe gefunden werden, welche eine Abstandnahme von dieser Sicherungsmaßnahme rechtfertigen würden.
Eine Entlassung des Bfs. aus der Schubhaft in ein Gelinderes Mittel mit Anordnung einer Unterkunftnahme mit periodischer Meldeverpflichtung erschien aus diesen Aspekten und aufgrund des unsteten Aufenthaltes des Bfs. und mangels eines ordentlichen Wohnsitzes als nicht verfahrenssichernd.
Für die Anordnung der Schubhaft muss neben der Fluchtgefahr auch Verhältnismäßigkeit vorliegen. Diese liegt aufgrund des unrechtmäßigen und unsteten Aufenthaltes vor.
Die persönlichen Verhältnisse des Bfs. wurden bei der Prüfung der Schubhaftgründe gewürdigt und erfuhren gegenüber den öffentlichen Interessen eine erhebliche Minderung.
Der Bf. verfügt über ein gültiges Reisedokument, sodass die Außerlandesbringung des Bfs. effektuiert werden kann.
Am 8.3.2021 wurde die Einleitung eines Konsultationsverfahrens gemäß des Rückübernahme-abkommens mit Italien durch die BMI-Abteilung V/7 beantragt, unter Einhaltung einer Vorlauf-zeit von fünf Tagen ein Flug gebucht und der geplante Überstellungstermin den italienischen Behörden bekanntgegeben. Es ist beabsichtigt, den Bf. am 19.3.2021 nach Durchführung einer PCR-Testung nach Rom zu überstellen.
An dieser Stelle wird angemerkt, dass sich der Bf. in den letzten Monaten trotz Lockdowns unbekümmert in mehreren Mitgliedsstaaten und auch außerhalb Europas bewegt.
Am 15.3.2021 langte hieramts gegenständliche Beschwerde ein.
Das hauptsächliche Vorbringen der Beschwerde richtet sich nach Auffassung des rechtsfreundlichen Vertreters darauf, dass sich der Bf. nicht unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Demgegenüber wird festgestellt, dass sich der Bf. unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und der Bf. entgegen den Angaben zu seiner Beziehung tatsächlich kein gemeinsames Leben seit April 2019 führen scheint.
Es kam bei der Prüfung der Schubhaftgründe die Anwendung eines Gelinderen Mittels mangels eines ordentlichen Wohnsitzes und Erreichbarkeit für die Behörde nicht in Betracht, sodass mit einer angeordneten Unterkunftnahme der Sicherungszweck nicht erreicht werden kann. Von diesem Aspekt betrachtet erscheint die Anhaltung des Bfs. jedenfalls als verhältnismäßig und die Überwachung des Bfs. zur Ausreise notwendig.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu. Den privaten Interessen des Bf. und seinem Recht auf persönliche Freiheit stehen die öffentlichen Interessen an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Bfs. im Sinne eines geordneten Fremdenwesens gegenüber und fallen stärker ins Gewicht.
Bis dato hat der Bf. lediglich im Rahmen der Schubhaftbeschwerde seinen Willen, freiwillig nach Italien zurückzukehren bekanntgegeben, jedoch keinen Antrag über die Schubhaftbetreuung gestellt.
Zuletzt wird darauf aufmerksam gemacht, dass die lange Zeit der Anhaltedauer im Führen des Verfahrens im Rahmen des Rückübernahmeabkommens begründet liegt.“
Am Ende der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde, die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.
4. Im Zuge des Parteiengehörs wurde die Stellungnahme der belangten Behörde vom 15.03.2021 dem anwaltlichen Vertreter des BF übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Gambia.
Der BF ist gegenwärtig im Besitz eines gültigen italienischen Konventionsreisepasses.
Gegen den BF besteht eine seit 27.11.2019 rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung. Auf deren Grundlage erfolgte am 20.12.2019 die Überstellung des BF nach Italien.
Es ist dem BF zwischen 20.12.2019 und 20.06.2021 nicht erlaubt, nach Österreich einzureisen.
Der BF ist seit 22.10.2020 mit Hauptwohnsitz in Österreich behördlich gemeldet. Unter derselben Adresse war der BF bereits von 16.07.2019 bis 20.12.2019 mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Die Vertrauenswürdigkeit des BF ist insgesamt beeinträchtigt.
Der BF verfügt in Österreich über keine verfestigten privaten, familiären oder sonstigen sozialen Bindungen. Er ist in Österreich nicht legal erwerbstätig.
Das Verfahren zur Außerlandesbringung des BF wurde seitens der Behörde bislang zügig geführt. Der BF wird am 19.03.2021 nach Italien überstellt.
Auf Grundlage des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides befindet sich der BF in Schubhaft. Diese wird derzeit im PAZ Wien, Hernalser Gürtel, vollzogen.
Der BF ist hafttauglich.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des Gerichtsaktes zur oben genannten Zahl.
Die Feststellung, dass der BF nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus einer Anfrage zum Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).
Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie dem Gerichtsakt.
Die Feststellung, dass der BF gegenwärtig im Besitz eines gültigen italienischen Konventionsreisepasses ist, ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.
Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie dem Gerichtsakt ergibt, wurde dem BF mit Bescheid des BFA vom 05.11.2019 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG wurde gegen den BF die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Italien für zulässig erachtet. Dieser Bescheid wurde vom BF am 12.11.2019 persönlich übernommen. Die Übernahme des Bescheides vom 5.11.2019 zusammen mit der Verfahrensanordnung vom 5.11.2019 wurde vom BF durch dessen eigenhändige Unterschrift bestätigt. Der Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft. Der BF wurde in Folge am 20.12.2019 nach Italien überstellt. Auf Grundlage des Bescheides ist es dem BF sohin bis 20.06.2021 nicht erlaubt, nach Österreich einzureisen.
Die Feststellungen betreffend die behördliche Meldung des BF in Österreich ergibt sich aus einer Anfrage zum Zentralen Melderegister.
Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich zum einen aus der Verwendung einer Meldeadresse - der BF scheint laut Zentralmelderegister als behördlich sogar mit Hauptwohnsitz gemeldet auf -, an der er sich laut seinen eigenen Aussagen in der Einvernahme vom 08.03.2021 nur aufhält, damit er „keine Probleme“ bekomme. Seinen expliziten Aussagen zufolge, wolle er „hier“ auch nicht leben, er komme nur zum „Business“ her. Des Weiteren sind die Aussagen des BF hinsichtlich des Bestreitens seines Lebensunterhalts diffus gehalten, einmal bezeichnet er sich als vielreisender, „immer wieder“ Grenzen überquerender Musiker (so in der verfahrensgegenständlichen Beschwerdeschrift), dann wieder würde er in Italien als Dolmetscher fungieren (so in der Beschuldigtenvernehmung am 10.03.2021 durch die Landespolizeidirektion Wien aus Anlass des Zwischenfalles, der zur Festnahme des BF im gegenständlichen Verfahren führte), und in der Einvernahme vom 08.03.2021 sagte der BF aus, seinen Lebensunterhalt dadurch zu bestreiten, dass er „hier“ Autos kaufe und verkaufe. Am 23.10.2019 versuchte der BF (erfolglos) mit einem abgelaufenen italienischen Konventionsreisepass und einem abgelaufenen italienischen Aufenthaltstitel („Permesso di Soggiorno“) von Österreich nach Deutschland zu gelangen, ein Verhalten, das ebenso wenig für die Vertrauenswürdigkeit des BF spricht. Trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung kehrte der BF mehrmals – jeweils die österreichische Rechtsordnung missachtend - nach Österreich zurück, einmal sogar um einen Hauptwohnsitz zu begründen (siehe Meldezettel vom 22.10.2020 als Beilage zur Beschwerdeschrift), ein anderes Mal am 23.10.2020, um - trotz weltweit herrschender Covid-19-Pandemie - mit AIR PORTUGAL von Wien über Lissabon nach Dakar (Senegal) zu fliegen (siehe dazu das entsprechende Flugticket als Beilage zur Beschwerdeschrift), darüber hinaus belegen weitere Flugtickets die Reisetätigkeit des BF zwischen Mailand und Wien, so am 25.10.20 und 15.11.2020 (diese ebenso als Beilage zur Beschwerdeschrift).
Aufgrund all dessen ist auch nicht ernsthaft von der angedeuteten Ausreisewilligkeit des BF auszugehen.
Die Feststellung hinsichtlich der nicht verfestigten privaten, familiären oder sonstigen sozialen Bindungen des BF in Österreich ergibt sich bereits aus den expliziten Aussagen des BF in dessen Einvernahme am 08.03.2021 vor dem BFA. Der BF schildert darin sein unstetes Privatleben, so gibt er an, mit einer namentlich genannten Frau, die sich in Graz aufhalte, ein Kind zu haben. Sie hätten nicht viel Kontakt miteinander, er möchte keine Informationen über sie hergeben, auch über das Kind wolle er keine Informationen preisgeben, er zahle auch keine Alimente und sei in der Geburtsurkunde nicht als Vater eingetragen. Seine Tochter habe er zuletzt vor zwei Jahren in Venedig gesehen. In Österreich habe er auch noch einen Bruder, er wohne seit 15 Jahren hier, seinen Namen möchte er aber nicht nennen. Des Weiteren habe er in Schweden noch Verwandte. Wie bereits oben dargelegt, hat der BF seinen eigenen Aussagen zufolge seinen Hauptwohnsitz nur deshalb in Österreich begründet, damit er „keine Probleme“ bekomme. Auch seine Aussage – wie ebenfalls oben dargelegt – er wolle „hier“ auch nicht leben, sondern sei nur zum „Business“ hergekommen, sprechen ebenso nicht für eine enge private bzw. soziale Vernetzung des BF in Österreich. Der BF ist in Österreich nicht legal beruflich tätig, aus seinen expliziten Angaben in der Einvernahme am 08.03.2021 geht hervor, dass er illegal seinen Lebensunterhalt mit dem Handel von Autos verdient.
Die Feststellung, dass die Behörde das Verfahren zur Überstellung des BF nach Italien zügig geführt hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, aus dem hervorgeht, dass die Behörde bereits am 09.03.2021 eine Buchungsanfrage gestellt hat und bereits am 11.03.2021 die Buchung für den Überstellungsflug am 19.3.2021 erfolgt ist.
Die Feststellung zur Anhaltung in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.
Es haben sich keine Anzeichen ergeben, wonach beim BF Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dies hat der BF im gesamten Verfahren auch nicht behauptet. Darüber hinaus ist es notorisch, dass im Falle gesundheitlicher Probleme eine engmaschige gesundheitliche Kontrolle im Rahmen der Schubhaft durchgeführt wird. Falls Haftuntauglichkeit eintritt, wäre der BF jedenfalls sofort zu enthaften.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Zu Spruchteil A)
Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):
3.2. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; 19.04.2012, 2009/21/0047).
3.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 08.03.2021:
Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich in § 76 Abs. 3 FPG (wie oben unter 3.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.
Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr zum einen mit § 76 Abs. 3 Z 2 FPG (neuerliche Einreise in das Bundesgebiet während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung).
Das BFA erließ gegen den BF – wie oben dargelegt – eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung in Anwendung des § 61 Abs. 1 Z 2 FPG. Im Hinblick auf diese aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gemäß § 61 Abs. 2 zweiter Satz FPG „binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht“ bleibt, fallbezogen bis 20.6.2021, wurde – wie sich aus dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt entnehmen lässt – eine entsprechende Ausschreibung „in der nationalen Datenbank“ nämlich im österreichischen „Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister“ vorgenommen. Angesichts dessen waren die Einreise des BF und sein Aufenthalt in Österreich am 07.03.2021 (dem Tag der Festnahme des BF im gegenständlichen Verfahren) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ nicht rechtmäßig (s. dazu VwGH 7.3.2019 Ro2018/21/0009). Die belangte Behörde ging daher zu Recht vom Vorliegen des § 76 Abs. 3 Z 2 FPG aus.
Zum anderen sah das BFA § 76 Abs. 3 Z 9 FPG verwirklicht. Dabei ist die belangte Behörde vom Fehlen einer Verankerung des BF in Österreich ausgegangen. Demgemäß ist der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Wie das gerichtliche Beweisverfahren ergeben hat, kommt das Bundesamt dabei zutreffend zum Ergebnis, dass es für substanzielle familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung keinen ausreichenden Hinweis gab. Wie oben dargelegt ergibt sich bereits aus den expliziten Aussagen des BF in dessen Einvernahme am 08.03.2021 vor dem BFA ein unstetes Privatleben des BF, so gibt er an, mit einer namentlich genannten Frau, die sich in Graz aufhalte, ein Kind zu haben. Sie hätten nicht viel Kontakt miteinander, er möchte keine Informationen über sie hergeben, auch über das Kind wolle er keine Informationen preisgeben, er zahle auch keine Alimente und sei in der Geburtsurkunde nicht als Vater eingetragen. Seine Tochter habe er zuletzt vor zwei Jahren in Venedig gesehen. In Österreich habe er auch noch einen Bruder, er wohne seit 15 Jahren hier, seinen Namen möchte er aber nicht nennen. Des Weiteren habe er in Schweden noch Verwandte. Wie ebenfalls oben dargelegt, hat der BF seinen eigenen Aussagen zufolge seinen Hauptwohnsitz nur deshalb in Österreich begründet, damit er „keine Probleme“ bekomme. Auch seine Aussage, er wolle „hier“ auch nicht leben, sondern sei nur zum „Business“ hergekommen, sprechen ebenso nicht für eine enge private bzw. soziale Vernetzung des BF in Österreich. Der BF ist in Österreich nicht legal beruflich tätig, aus seinen expliziten Angaben in der Einvernahme am 08.03.2021 geht hervor, dass er illegal seinen Lebensunterhalt mit dem Handel von Autos verdient.
Zum anderen hat sich der BF – wie oben dargelegt - als vertrauensunwürdig erwiesen, dies nicht zuletzt aufgrund der Missachtung der österreichischen Rechtsordnung, wodurch bereits die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft gegeben ist.
Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.
3.4. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:
Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des BF weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, dies bereits aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit des BF wie oben ausgeführt.
Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des BF.
Aufgrund des Ermittlungsverfahrens lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass eine zügige Außerlandesbringung des BF als gegeben anzusehen ist, zumal das Überstellungsverfahren von Seiten der Behörde zügig geführt und die Überstellung des BF nach Italien für 19.03.2021 organisiert worden ist.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 08.03.2021 abzuweisen.
3.5. Die Festnahme des BF erfolgte am 07.03.2021 im Zuge eines Polizeieinsatzes. Durch den Journaldienst des BFA wurde die Vorführung des BF zur Behörde verfügt. Aufgrund dieser Verfügung erfolgte die Festnahme des BF durch die Polizei gemäß § 40 Abs. 1 Z. 3 BFA-VG. Auf Grundlage dieser Bestimmung sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt.
Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie dem Gerichtsakt ergibt, wurde dem BF mit Bescheid des BFA vom 05.11.2019 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG wurde gegen den BF die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Italien für zulässig erachtet. Dieser Bescheid wurde vom BF am 12.11.2019 persönlich übernommen. Die Übernahme des Bescheides vom 5.11.2019 zusammen mit der Verfahrensanordnung vom 5.11.2019 wurde vom BF durch dessen eigenhändige Unterschrift bestätigt. Der Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.
Im Hinblick auf diese aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gemäß § 61 Abs. 2 zweiter Satz FPG „binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht“ bleibt, fallbezogen bis 20.6.2021, wurde – wie sich aus dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt entnehmen lässt – eine entsprechende Ausschreibung „in der nationalen Datenbank“ nämlich im österreichischen „Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister“ vorgenommen. Angesichts dessen waren die Einreise des BF und sein Aufenthalt in Österreich am 07.03.2021 (dem Tag der Festnahme des BF im gegenständlichen Verfahren) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ nicht rechtmäßig (s. dazu VwGH 7.3.2019 Ro2018/21/0009).
Die Festnahme des BF am 07.03.2021 erweist sich sohin als rechtmäßig, der Antrag des BF auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme war daher abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Die Voraussetzungen nach § 76 Abs. 3 Z 2 und 9 FPG liegen weiterhin vor.
Für die Durchsetzung einer – realistisch möglichen – Überstellung ist die Anwesenheit des BF erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem – wie oben dargelegt - über keine feststellbaren (legalen) beruflichen und lediglich losen familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den BF im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.
In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall eine zur Anordnung einer Schubhaft hinreichende Fluchtgefahr seitens des BF gegeben ist.
Im Falle des BF kann daher auch weiterhin aufgrund seines bereits geschilderten Vorverhaltens mit der Verhängung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden.
Es liegt somit auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig. Von der Möglichkeit einer Überstellung im Rahmen der gesetzlichen Fristen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszugehen. Hinweise für eine Haftunfähigkeit des BF sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.
Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Was die in der Beschwerde beantragte Zeugeneinvernahme anbelangt, konnte mit den expliziten Aussagen des BF in der Einvernahme vom 08.03.2021 über die Tragfähigkeit der Beziehung zur beantragten Zeugin das Auslangen gefunden werden.
Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind.
Zu Spruchpunkt III. (Kostenbegehren):
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz (ein solcher wurde im Übrigen in der Beschwerde auch nicht beantragt), die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.
Zu Spruchteil B) (Unzulässigkeit der Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung Anhaltung Ausreisewilligkeit Festnahme Festnahmeauftrag Fluchtgefahr illegale Beschäftigung Konsultationsverfahren Kostenersatz Mittellosigkeit Obsiegen öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Schwarzarbeit Sicherungsbedarf Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit VertrauenswürdigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W154.2240401.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021