TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/19 W145 2235612-1

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Veröffentlicht am 19.03.2021
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Entscheidungsdatum

19.03.2021

Norm

ASVG §18a
ASVG §669 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W145 2235612-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 06.08.2020, AZ XXXX , wegen Abweisung des Antrages auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes (DI Dr. XXXX , SVNR XXXX 87) gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 06.08.2020, AZ XXXX , hat die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin), SVNR XXXX , auf Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes (Sohn DI Dr. XXXX , SVNR XXXX 87) gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG abgelehnt.

Begründend wurde ausgeführt, dass Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht werde, würden sich, solange sie während dieses Zeitraums ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbst versichern können.

Im Fall der Beschwerdeführerin lägen folgende Ablehnungs- bzw. Ausschließungsgründe vor: Es habe einen Geldbezug aus der Kranken- bzw. Arbeitslosenversicherung bestanden und wären somit Versicherungsmonate erworben worden. Es haben kein Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe vorgelegen.

Der Sohn der Beschwerdeführerin leide an einer Laktoseintoleranz und einer Fructose- und Histaminunverträglichkeit. Aufgrund des festgestellten Leidenszustandes sei eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt.

2. Mit Schreiben vom 20.08.2020 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde und brachte vor, dass sie rückwirkend für die Zeit von Oktober 2005 bis August 2008 Versicherungszeiten erwerben möchte. Erhöhte Familienbeihilfe für ihren Sohn XXXX sei von Juni 2001 bis Mai 2005 gewährt worden.

3. Am 01.10.2020 legte die belangte Behörde die verfahrensgegenständliche Rechtssache dem Bundesverwaltungsgericht vor und erstattete eine Äußerung zum Vorbringen der Beschwerdeführerin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 19.12.2018 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Sohnes DI Dr. XXXX , geboren am XXXX 1987 gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG für den Zeitraum ab Juni 2001 bzw. von Oktober 2005 bis August 2008.

In der Beschwerde konkretisierte die Beschwerdeführerin den Zeitraum auf Oktober 2005 bis August 2008.

Für den Zeitraum Oktober 2005 bis August 2008 bezog die Beschwerdeführerin für ihren Sohn XXXX keine erhöhte Familienbeihilfe.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum Oktober 2005 bis August 2008 keine erhöhte Familienbeihilfe für ihren Sohn XXXX bezog, ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Mitteilung des Finanzamtes XXXX vom 24.04.2020 und ist unstrittig. Die Beschwerdeführerin bringt nämlich in der Beschwerde selbst vor, dass erhöhte Familienbeihilfe für XXXX nur von Juni 2001 bis Mai 2005 gewährt wurde.

2.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Der festgestellte Sachverhalt ist nicht strittig.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (vgl. EMGR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien als angemessen entschieden werden kann vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von der Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VwGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist).

Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die Pensionsversicherungsanstalt.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013, idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 un2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Gegenständliche steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.4. Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG (BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2015) können sich Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zu Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbst versichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

§ 699 Abs. 3 ASVG lautet: „Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 31. Dezember 2012 die Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar zurückgerechnet vom Tag der Antragstellung für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.“

Die Übergangsvorschrift des § 669 Abs. 3 ASVG regelt den rückwirkenden Erwerb von Pensionsversicherungszeiten. Diese Bestimmung ermöglicht eine rückwirkende Antragstellung im Ausmaß von höchstens 120 Monaten und kann dieses rückwirkende Selbstversicherung für ganze Monate in Anspruch genommen werden, die im Rahmenzeitraum zwischen 1.1.1988 und 31.12.2012 liegen – dies bei Erfüllung der Voraussetzungen für diese Versicherung.

Da im verfahrensgegenständlichen Zeitraum, wie oben festgestellt, jedoch keine erhöhte Familienbeihilfe für den Sohn XXXX bezogen wurde, sind die formalen Voraussetzungen des § 18a ASVG nicht erfüllt.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vorliegend fehlt eine eindeutig im Gesetz normierte formale Voraussetzung.

Schlagworte

Anspruchsvoraussetzungen erhöhte Familienbeihilfe Pensionsversicherung Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W145.2235612.1.00

Im RIS seit

18.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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