TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/19 W115 2240382-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2021
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Entscheidungsdatum

19.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2

Spruch


W115 2240382-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von XXXX bis XXXX zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , aufgehoben. Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von XXXX bis XXXX für rechtswidrig erklärt.

II.      Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III.    Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger der Türkei, hat sich seit dem Jahr 2014 im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten. Seit XXXX verfügte der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsberechtigung „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, zuletzt gültig bis XXXX . Ein rechtzeitig eingebrachter Verlängerungsantrag vom XXXX wurde rechtskräftig vom XXXX zurückgewiesen.

1.1.    Am XXXX hat der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) freiwillig seinen türkischen Reisepass ausgehändigt.

1.2.    Ein Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Sonstiges“ nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) wurde mit Bescheid des XXXX vom XXXX mangels eines genau bezeichneten Antragszweckes zurückgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am XXXX in Rechtskraft.

1.3.    Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer polizeilichen Zufallskontrolle angehalten. Dabei hat er sich mit seiner abgelaufenen Aufenthaltstitelkarte „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ ausgewiesen und angegeben, in Österreich über keinen Wohnsitz zu verfügen und obdachlos zu sein. Diesbezüglich wurde von ihm eine Bestätigung der XXXX über eine Notschlafstelle in XXXX lautend auf die Adresse, XXXX , vorgezeigt.

1.4.    In weiterer Folge wurde vom Bundesamt ein Festnahmeauftrag erlassen. Nach seiner Festnahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Einlieferung in ein Polizeianhaltezentrum wurde der Beschwerdeführer am XXXX im Beisein einer Dolmetscherin für die türkische Sprache zur Anordnung der Schubhaft und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Er sei im Jahr 2014 nach Österreich gekommen und habe immer gearbeitet. Er wolle auch in Zukunft in Österreich bleiben und hier arbeiten. Befragt zu seinen Familienverhältnissen gab der Beschwerdeführer an, dass er geschieden sei. Seine 15-jährige Tochter und seine Ex-Frau würden in der Türkei leben. In Österreich würden seine Eltern, seine vier Brüder und seine Schwester leben. Zu seiner Wohnsituation befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er aktuell bei der XXXX in einem Obdachlosenheim lebe. Dieses befinde sich im XXXX in der Nähe eines Krankenhauses. Die genaue Adresse wisse er nicht. Dort würden sich auch seine Sachen befinden. Auf Befragung durch das Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass er auch von der XXXX versorgt werde. Über Barmittel bzw. eine Bankomat- oder Kreditkarte verfüge er nicht.

1.5.    Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom XXXX ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Übergabe zugestellt.

1.6.    Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt. Diese Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls durch persönliche Übergabe zugestellt.

1.7.    Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist. Weiters wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Dieser Bescheid wurde bis dato nicht in Beschwerde gezogen.

1.8.    Am XXXX langte die Buchungsbestätigung für die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei auf dem Luftweg am XXXX beim Bundesamt ein.

1.9.    Am XXXX erließ das Bundesamt einen Abschiebeauftrag für die Abschiebung des Beschwerdeführers am XXXX auf dem Luftweg nach XXXX .

2.       Gegen den im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes vom XXXX sowie die Anhaltung in Schubhaft wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am XXXX Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage der erteilten Vollmacht wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass gegenständlich keine Fluchtgefahr vorliegen würde. Zum Zeitpunkt der Festnahme des Beschwerdeführers am XXXX sei ihm gegenüber weder eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorgelegen noch sei der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt in Kenntnis darüber gewesen, dass bereits ein solches Verfahren eingeleitet worden sei. Demzufolge könne dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen werden, dass er sich einem solchen Verfahren bereits entzogen oder dieses behindert hätte. Der Beschwerdeführer habe sich zwar ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet befunden, habe jedoch in der Einvernahme wahrheitsgemäß Auskunft über seine Lebensverhältnisse und seine Situation in Österreich gegeben. Er habe auch angegeben, dass er sich regelmäßig in einer Notschlafstelle aufhalte und habe einen Zettel mit der Adresse vorgewiesen. Er habe somit an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitgewirkt. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde darauf hingewiesen, dass der vom Beschwerdeführer geäußerte Wunsch, in Österreich bleiben zu können, für sich genommen noch keinen Anhaltspunkt für Fluchtgefahr darstelle. Alleine die vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid angeführte Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthaltsort jederzeit wechseln könne, könne für sich genommen eine Schubhaft nicht rechtfertigen. Vielmehr müsse sich ein solches Verhalten auf Basis des Vorverhaltens als wahrscheinlich darstellen. Diese Annahme liege - insbesondere unter Berücksichtigung der in der Einvernahme vom XXXX gezeigten Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers - nicht nahe. Überdies spreche auch die Sicherstellung des Reisepasses gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr. Selbst bei Annahme einer Fluchtgefahr wären im Fall des Beschwerdeführers gelindere Mittel zur Erreichung des Sicherungszwecks ausreichend.

Im Rahmen der Beschwerde wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben sowie die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen. Weiters wurde Kostenersatz und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Außerdem wurde ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr gestellt.

2.1.    Das Bundesamt legte am XXXX den Verwaltungsakt vor und erstattete im Zuge der Aktenvorlage eine Stellungnahme, in der im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt wurde, dass sich der Beschwerdeführer seit der Zurückweisung seines Verlängerungsantrages betreffend seinen Aufenthaltstitel unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Er sei zwar behördlich gemeldet, jedoch nicht an seiner Meldeadresse wohnhaft und dem Obdachlosenmilieu zuzuordnen. Der Beschwerdeführer habe sich über einen nicht feststellbaren Zeitraum im Verborgenen aufgehalten und wäre somit für die Behörde für ein Verfahren nicht greifbar gewesen. Zudem weise er keine soziale Verankerung, keinen gesicherten Wohnsitz, keine legale Erwerbstätigkeit und keine ausreichenden Existenzmittel in Österreich auf. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers müsse darauf geschlossen werden, dass angesichts der beabsichtigten Abschiebung ein Risiko des Untertauchens vorliege und es könne nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer sich dem weiteren Verfahren zur Verfügung stellen werde. Aufgrund des unsteten Aufenthaltes des Beschwerdeführers und mangels eines ordentlichen Wohnsitzes sei auch die Anordnung gelinderer Mittel nicht zielführend gewesen. Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände erweise sich die verhängte Schubhaft auch als verhältnismäßig. Aufgrund des vorliegenden gültigen Reisepasses und der durchsetzbaren Rückkehrentscheidung könne die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers effektuiert werden. Es sei beabsichtigt, den Beschwerdeführer am XXXX auf dem Luftweg in seinen Herkunftsstaat abzuschieben.

Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand zu verpflichten.

2.2.    Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben.

2.3.    Am XXXX langte beim Bundesverwaltungsgericht der Abschiebebericht über die erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers auf dem Luftweg in die Türkei ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2.    Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger der Türkei. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Seine Identität steht fest. Er verfügt über einen gültigen türkischen Reisepass.

Der Beschwerdeführer hat sich seit dem Jahr 2014 im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten. Seit XXXX verfügte der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsberechtigung „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, zuletzt gültig bis XXXX . Ein rechtzeitig eingebrachter Verlängerungsantrag vom XXXX wurde rechtskräftig vom XXXX zurückgewiesen.

Ein Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Sonstiges“ nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) wurde mit Bescheid des XXXX vom XXXX mangels eines genau bezeichneten Antragszweckes zurückgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am XXXX in Rechtskraft.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist. Weiters wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Dieser Bescheid wurde bis dato nicht in Beschwerde gezogen.

Es lag gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei vor.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde von XXXX bis XXXX in Schubhaft angehalten.

Der Beschwerdeführer war während seiner Anhaltung in Schubhaft gesund und haftfähig. Es lagen keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der Beschwerdeführer hatte in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Eine signifikant erhöhte Gefahr einer Infektion mit COVID-19 bestand im Polizeianhaltezentrum, wo der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten wurde, nicht.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei erfolgte am XXXX auf dem Luftweg.

1.3.    Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

Der Beschwerdeführer hat sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. seiner Abschiebung nicht entzogen. Er verhielt sich im Verfahren kooperativ und war als vertrauenswürdig anzusehen.

Der Beschwerdeführer war im Besitz eines gültigen türkischen Reisepasses. Diesen hat er am XXXX freiwillig dem Bundesamt ausgehändigt.

Abgesehen von dem Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX verfügte der Beschwerdeführer ab XXXX durchgehend über eine behördliche Meldeadresse in Österreich. Zuletzt hielt sich der Beschwerdeführer nicht mehr an seiner Meldeadresse auf, sondern war obdachlos. Der Beschwerdeführer nächtigte regelmäßig in einer Notschlafstelle der XXXX . Dieser Umstand und die konkrete Adresse der Notschlafstelle waren dem Bundesamt bekannt. Das Bundesamt hatte somit Kenntnis davon, in welcher Obdachloseneinrichtung der Beschwerdeführer anzutreffen gewesen wäre.

In Österreich halten sich die Eltern, die vier Brüder sowie die Schwester des Beschwerdeführers auf. Seine Ex-Frau sowie seine Tochter leben in der Türkei.

Der Beschwerdeführer war während seines Aufenthaltes in Österreich in den Jahren 2014 bis 2019 bei verschiedenen Arbeitgebern insgesamt über 44 Monate unselbstständig erwerbstätig. Von XXXX bis XXXX , XXXX bis XXXX , XXXX bis XXXX , XXXX bis XXXX , XXXX bis XXXX , XXXX bis XXXX und XXXX bis XXXX bezog der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld. Seit dem XXXX ging der Beschwerdeführer in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hatte in Österreich kein Einkommen und verfügte über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Er wurde auch nicht durch seine in Österreich aufhältigen Familienangehörigen unterstützt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie einer durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Sozialversicherungsdatenabfrage (AJ-WEB Auskunftsverfahren).

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten gültigen türkischen Reisepasses fest. Eine Kopie davon befindet sich im vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesamtes. Es steht daher fest, dass der Beschwerdeführer ein volljähriger Staatsangehöriger der Türkei ist. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Verwaltungsakt noch wurde dies vom Beschwerdeführer vorgebracht.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit dem Jahr 2014 aufgrund eines erteilten Aufenthaltstitels nach den Bestimmungen des NAG, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister und dem vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesamtes.

Dass gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei vorlag, ergibt sich unzweifelhaft aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid des Bundesamtes vom XXXX mit dem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und u.a. einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung behördlicherseits aberkannt wurde. Dass gegen diesen Bescheid im Übrigen bis dato noch keine Beschwerde erhoben worden ist, ergibt sich aus einer Nachschau in der Fachapplikation eVA+ des Bundesverwaltungsgerichtes.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

Dass der Beschwerdeführer von XXXX bis XXXX in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus einem Auszug der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Schubhaft haftfähig gewesen ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorgelegen sind, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, wo sich keine Einträge finden, die auf maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten. Auch im Rahmen der Beschwerde wurde nichts Gegenteiliges vorgebracht. Zudem hatte der Beschwerdeführer in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass keine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers vorgelegen hat. Hinweise, dass der Beschwerdeführer einer signifikant erhöhten Gefahr einer Infektion mit COVID-19 im Polizeianhaltezentrum, wo er sich in Schubhaft befunden hat, ausgesetzt gewesen ist, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am XXXX auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben wurde, ergibt sich unzweifelhaft aus dem vom Bundesamt übermittelten Abschiebebericht.

2.3.    Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. seiner Abschiebung nicht entzogen hat und sich in diesem Verfahren kooperativ verhalten hat, war zutreffen, da sich weder im Verwaltungsakt des Bundesamtes noch im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes Hinweise darauf finden, dass sich der Beschwerdeführer dem vom Bundesamt eingeleiteten Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung entzogen hat. Diesbezüglich wird im angefochtenen Schubhaftbescheid vom Bundesamt lediglich die Vermutung geäußert, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Obdachlosigkeit jederzeit seinen Aufenthaltsort wechseln könnte und somit im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht mehr greifbar wäre. Dass sich der Beschwerdeführer in der Vergangenheit diesem Verfahren bereits entzogen hätte, wird vom Bundesamt jedoch nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr wirkte der Beschwerdeführer an diesem Verfahren mit, indem er im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am XXXX die an ihn gerichteten Fragen beantwortete. Zudem hat er bereits am XXXX freiwillig dem Bundesamt seinen Reisepass ausgehändigt und dadurch seine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat wesentlich beschleunigt. Aufgrund dieses Verhaltens war auch die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers festzustellen.

Dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass freiwillig dem Bundesamt ausgehändigt hat, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden diesbezüglichen Bestätigung der Sicherstellung vom XXXX .

Die Feststellungen zur behördlichen Meldung des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Auszug des Zentralen Melderegisters. Dass er sich zuletzt nicht mehr an seiner Meldeadresse aufhielt, sondern obdachlos war, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Festnahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX und seinen diesbezüglich gleichlautenden Angaben im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt am XXXX . Aus der im Verwaltungsakt einliegenden Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX über die erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers sowie aus dem Einvernahmeprotokoll des Bundesamtes vom XXXX geht zudem zweifelsfrei hervor, dass der Beschwerdeführer die Adresse seiner Notschlafstelle den Behörden bekanntgegeben hat und wurde dieser Umstand auch dem angefochtenen Schubhaftbescheid zugrunde gelegt. Es war somit auch die Feststellung zu treffen, dass dem Bundesamt bekannt war, in welcher Obdachloseneinrichtung der Beschwerdeführer anzutreffen gewesen wäre. Auch aufgrund dieses Umstandes kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen hat bzw. hätte.

Die Feststellungen zu den Familienangehörigen in der Türkei und in Österreich stützen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme durch das Bundesamt zur Anordnung der Schubhaft und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung am XXXX und auf die vom Bundesamt im angefochtenen Schubhaftbescheid getroffenen Feststellungen. Es sind keine Umstände hervorgekommen, an diesen Angaben bzw. an den vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zu zweifeln und wurde auch im Rahmen der Beschwerde kein anderes Vorbringen erstattet.

Die getroffenen Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers und des Bezuges von Arbeitslosengeld während seines Aufenthaltes in Österreich ergeben sich aus einer durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Sozialversicherungsdatenabfrage (AJ-WEB Auskunftsverfahren) vom XXXX . Dass der Beschwerdeführer zuletzt keiner legalen Erwerbstätigkeit nachging, in Österreich kein Einkommen hatte und über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen verfügte, hat er im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt zur Anordnung der Schubhaft und Erlassung der Rückkehrentscheidung am XXXX selbst eingeräumt. Dies stimmt mit einem Auszug der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres überein, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer über keine Barmittel verfügt hat. Die Feststellung, dass er durch seine sich in Österreich aufhältigen Familienmitglieder nicht unterstützt worden ist, beruht ebenfalls auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme am XXXX . Auch im Rahmen der Beschwerde wurde nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG das Bundesverwaltungsgericht.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

3.2.    Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.2.1.  Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-VG lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.2.2.  Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

3.2.3.  Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den Beschwerdeführer grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.2.4.  Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Gemäß § 76 Abs. 5 FPG gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab dem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt, in dem eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar wird und die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig erscheint. Da dem Bescheid des Bundesamtes vom XXXX mit dem eine Rückkehrentscheidung erlassen worden war, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, ist die Rückkehrentscheidung seit ihrer Erlassung durchsetzbar. Eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist bis dato nicht erhoben worden. Die Schubhaft galt daher im Sinne des § 76 Abs. 5 FPG als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Da somit die rechtlichen Voraussetzungen vorlagen, kam die Verhängung der Schubhaft grundsätzlich in Betracht.

3.2.5.  Als weitere Kriterien für die Anordnung der Schubhaft ist das Vorliegen von Fluchtgefahr und eines Sicherungsbedarfes erforderlich.

Um von der Erfüllung des Kriteriums der „Fluchtgefahr“ ausgehen zu können, bedarf es jedenfalls des Vorliegens eines tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG. Eine derartige Tatbestandserfüllung, damit die geforderte Anknüpfung an abstrakt formulierte Umstände, stellt gleichsam den Ausgangspunkt für jegliche Annahme von „Fluchtgefahr“ dar, die allerdings im Ergebnis nur dann bejaht werden kann, wenn auch eine fallbezogene Betrachtung der Gesamtsituation zu der Schlussfolgerung führt, der Fremde könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen. Es bedarf also über die Erfüllung eines tauglichen Tatbestandes nach § 76 Abs. 3 FPG hinaus einer konkreten Bewertung aller im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte, die insofern in die „Abwägungsentscheidung“ (so die einleitenden Überlegungen in den wiedergegebenen ErläutRV zu § 76 Abs. 3) einzufließen haben. Unter diesem Aspekt bieten die Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG - uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf ihre Eignung, schon abstrakt „Fluchtgefahr“ zu umschreiben - maßgebliche Beurteilungskriterien (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Das Bundesamt geht im angefochtenen Bescheid aufgrund der Erfüllung der Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Wie den Feststellungen und den Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, hat der Beschwerdeführer im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (im konkreten Fall, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung) mitgewirkt und keine Handlungen gesetzt, die seine Rückkehr oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat behindern. Derartige taugliche Umstände werden vom Bundesamt auch im angefochtenen Bescheid nicht herangezogen. Vielmehr beschleunigte der Beschwerdeführer das Verfahren, indem er sich kooperativ zeigte und auch freiwillig dem Bundesamt seinen Reisepass aushändigte. Das Verhalten des Beschwerdeführers kann nicht unter diese Ziffer subsumiert werden und ist daher der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Aus den zu den familiären und sozialen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass dieser seit dem XXXX in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen ist, in Österreich seit dieser Zeit kein Einkommen hatte und über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen verfügte. Zudem wurde er auch nicht durch seine in Österreich aufhältigen Familienangehörigen (Eltern, seine vier Brüder sowie seine Schwester) unterstützt. Demgegenüber ist jedoch maßgeblich zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2014 durchgehend in Österreich aufgehalten und stets, abgesehen von dem Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX , über eine behördliche Meldeadresse verfügt hat. Dem Bundesamt ist zuzustimmen, dass er sich zuletzt aufgrund seiner Obdachlosigkeit nicht mehr an seiner Meldeadresse aufgehalten und in einer Notschlafstelle der XXXX genächtigt hat. Es ist jedoch maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer diesen Umstand sowohl im Rahmen seiner Festnahme (auch unter Vorlage der konkreten Adresse dieser Notschlafstelle) als auch dem Bundesamt im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am XXXX zur Anordnung der Schubhaft und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bekanntgegeben hat. Dem Bundesamt war somit bekannt, in welcher Obdachloseneinrichtung der Beschwerdeführer anzutreffen gewesen wäre. Zudem war der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Österreich bei verschiedenen Arbeitgebern insgesamt über 44 Monate unselbstständig erwerbstätig. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG lediglich als zum Teil erfüllt anzusehen und ist dies nicht ausreichend, um die Annahme rechtfertigen zu können, dass im Falle des Beschwerdeführers die Gefahr vorgelegen wäre, dass sich dieser dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung entzogen bzw. seine Abschiebung wesentlich erschwert hätte.

Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, vermochte das erkennende Gericht auch keine fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers festzustellen. Eine generelle Missachtung von Regeln oder gar Unwille sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen bzw. behördlichen Anforderungen Folge zu leisten, war nicht erkennbar. Vielmehr wirkte der Beschwerdeführer an dem Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung mit, indem er im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am XXXX die an ihn gerichteten Fragen beantwortete. Zudem hat er bereits am XXXX freiwillig dem Bundesamt seinen Reisepass ausgehändigt und dadurch seine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat wesentlich beschleunigt. Das Vorliegen von ausreichend begründetem Sicherungsbedarf war daher zu verneinen (in diesem Sinne auch VwGH 20.10.2016, Ra 2015/21/0091 und 28.05.2020, Ra 2019/21/0336).

Der Annahme des Bundesamtes, im Fall des Beschwerdeführers sei im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf vorgelegen, kann daher mangels Erfüllung eines Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG nicht gefolgt werden.

Selbst unter der Annahme des Bestehens einer Fluchtgefahr bzw. eines Sicherungsbedarfs hätte das Bundesamt aufgrund der festgestellten Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von der Schubhaft absehen und die Anwendung eines gelinderen Mittels (insbesondere der Unterkunftnahme in vom Bundesamt bestimmten Räumen bzw. der periodischen Meldeverpflichtung bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion) anordnen müssen, da die hier zu prüfende Schubhaft keine „ultima ratio“ dargestellt hat.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (vgl. VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114), weshalb auch die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von XXXX bis XXXX für rechtswidrig zu erklären war.

3.2.6.  Da sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nicht mehr in Schubhaft befindet, konnte der Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG entfallen.

3.3.    Zu Spruchteil A) - Spruchpunkte II. und III. - Kostenersatz:

3.3.1.  Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG siehe VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Gemäß Abs. 7 ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten.

3.3.2.  Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im gesetzlich vorgesehenen Umfang. Diesbezüglich bestimmt § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit € 737,60. Da dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr betreffend die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom XXXX sowie die darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ XXXX , stattgegeben worden ist, kommt der Ersatz der Eingabengebühr fallgegenständlich nicht in Betracht (vgl. in diesem Sinne auch VwGH 14.11.2017, Fr 2017/20/0057).

3.4.    Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.5.    Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - in der Begründung zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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