TE Bvwg Beschluss 2021/3/22 W274 2208630-1

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Veröffentlicht am 22.03.2021
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Entscheidungsdatum

22.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG §12
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W274 2208630-1/4E

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , Bezirksinspektor, p. A. XXXX , vertreten durch Dr. Ragossnig & Partner Rechtsanwalts GmbH, Friedrichgasse 6/IX/37, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (nunmehr Bundesministerin für Justiz), Museumstraße 7, 1010 Wien, vom 15.10.2018, GZ: BMVRDJ-3009122/0006-II 4/b/2018, wegen Feststellung des Besoldungsdienstalters, den

BESCHLUSS:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und die Rechtssache zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bundesministerin für Justiz zurückverwiesen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde mit Ernennungsbescheid vom 26.09.2018 mit Wirksamkeit vom 01.10.2018 auf eine Planstelle als Exekutivbeamter der Verwendungsgruppe E2b ernannt.

Der BF war zuvor - neben anderen Beschäftigungsverhältnissen im Zeitraum vom 08.07.1996 bis zum 31.08.2017 - als Angestellter einer Post-und Telegrafendirektion bzw. in weiterer Folge der Österreichischen Post AG beschäftigt.

Am 02.10.2017 erfolgte eine Belehrung über anrechenbare Vordienstzeiten durch die Generaldirektion für den Vollzug im Bereich des BMVRDJ (AS 133).

Mit dem bekämpften Bescheid wurde dem BF „gemäß § 12 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) im Nachhang zum Ernennungsbescheid vom 26.09.2018 unter Berücksichtigung der Zeit der Ableistung des Präsenzdienstes vom 01.10.1993 bis 31.05.1994 (Anrechnung 6 Monate) sowie der Zeit in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft vom 16.08.1995 bis 07.11.1995, vom 2ß.11.1995 bis 24.12.1995, vom 03.01.1996 bis 23.06.1996 (Ausgliederung Post/Telegraphendirektion am 01.05.1996) und vom 02.10.2017 bis 30.09.2018 (angerechnet zu Gänze), sein Besoldungsdienstalter mit 2 Jahren, 3 Monaten und 18 Tagen festgestellt.

Demnach gebühre dem BF ab 01.10.2018 das Gehalt der Gehaltsstufe 2 der Verwendungsgruppe E2b mit nächster Vorrückung am 01.07.2020. Ferner erhalte er für die Dauer seiner Verwendung im Exekutivdienst die Wachdienstzulage dieser Verwendungsgruppe (§ 81 Abs 1 und 2 GehG).

Begründend wurde ausgeführt, dass nach § 12 Abs 2 Z 4 GehG als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter die zurückgelegten Zeiten der Leistung eines Grundwehrdienstes nach § 20 Wehrgesetz (WG) oder eines entsprechenden Ausbildungsdienstes gleicher Dauer nach § 37 Abs 1 WG oder eines ordentlichen Zvildienstes nach § 1 Abs 5 Z 1 ZDG anzurechnen seien.

Der BF habe vom 01.10.1993 bis 31.05.1994 seinen Grundwehrdienst abgeleistet. Die Höchstgrenzen für die Anrechenbarkeit des Gundwehr- und Zivildienstes bilde die derzeit vorgesehene Mindestdauer von sechs- bzw. neun Monaten. Nachdem alle darüber hinausgehenden freiwilligen Dienste sowie darüber hinausgehende Pflichtdienste nach älteren Bestimmungen nicht anzurechnen seien, sei spruchmäßig zu entscheiden gewesen.

Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 19.10.2018 ausgefolgt. Innerhalb der Beschwerdefrist überreichte der BF zunächst am 23.10.2018 ein bereits vom Anstaltsleiter als Beschwerde aufgefasstes Schreiben, mit dem er „um nochmalige Prüfung seiner Berechnung der Vordienstzeiten in der Österreichischen Post AG“ ersucht. Weiters erhob er – nunmehr anwaltlich vertreten – übermittelt durch E-Mail am 14.11.2018 - eine Beschwerde mit dem primären Antrag, den Bescheid zu beheben. Hilfsweise wolle ausgesprochen werden, dass dem BF neben den bereits bescheidmäßig zugestandenen Vordienstzeiten auch jene im Zeitraum vom 08.07.1996 bis zum 31.08.2017 als Vordienstzeiten anerkannt werden bzw. die Zurückverweisung an die belangte Behörde.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Akt dem BVwG ohne Antrag und Stellungnahme vor.

Die Beschwerde ist im Sinne einer Aufhebung des Bescheides und Rückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG berechtigt:

Gemäß § 12 Abs 1 GehG umfasst das Besoldungsdienstalter die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten, soweit die Dauer all dieser Zeiten das Ausmaß eines allfälligen Vorbildungsausgleichs übersteigt.

Nach Abs 2 sind als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen die zurückgelegten Zeiten

1. in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft;

1a. einer gleichwertigen Berufstätigkeit oder eines gleichwertigen Verwaltungspraktikums;

eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist gleichwertig, wenn

a) bei Verwendung auf einem Arbeitsplatz, für dessen Ausübung außerhalb eines öffentlichen Dienstverhältnisses eine im Inland gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung vorgesehen ist, die rechtmäßige Ausübung der Berufstätigkeit unter dieser Berufsbezeichnung erfolgt ist oder erfolgt wäre,

b) bei Verwendung als Lehrperson die Beamtin oder der Beamte als Lehrkraft an einer öffentlichen Schule oder an einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht tätig war oder

c) die mit der Berufstätigkeit oder dem Verwaltungspraktikum verbundenen Aufgaben

aa) zu mindestens 75% den Aufgaben entsprechen, mit denen die Beamtin oder der Beamte betraut ist, und

bb) für die Besorgung dieser entsprechenden Aufgaben eine Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene erforderlich ist;

für den Vergleich ist der Arbeitsplatz maßgebend, mit dem die Beamtin oder der Beamte in den ersten sechs Monaten des öffentlich-rechtlichen Bundesdienstverhältnisses überwiegend betraut ist;

2. in einem Dienstverhältnis zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört;

3. in denen die Beamtin oder der Beamte aufgrund des bis 30. Juni 2016 in Geltung gestandenen Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, oder des Heeresentschädigungsgesetzes – HEG, BGBl. I Nr. 162/2015, Anspruch auf eine Beschädigten- oder Versehrtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 90% hatte, sowie

4. der Leistung

a) des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes nach dem Wehrgesetz 2001 – WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001, des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986 – ZDG, BGBl. Nr. 679/1986, eines Dienstes, aufgrund dessen der Beamte nach § 12c Abs 2 ZDG nicht mehr zur Ableistung des Zivildienstes heranzuziehen ist, sowie die Zeit der Tätigkeit als Fachkraft der Entwicklungshilfe im Sinne des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983, oder

b) eines den in lit. a angeführten Diensten vergleichbaren militärischen Dienstes oder zivilen Ersatzpflichtdienstes in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, in der Türkischen Republik oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Gemäß Abs 3 sind über die in Abs 2 angeführten Zeiten hinaus Zeiten der Ausübung einer nützlichen Berufstätigkeit oder eines nützlichen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist nützlich, insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die

1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder

2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.

Für den Vergleich ist der Arbeitsplatz maßgebend, mit dem die Beamtin oder der Beamte in den ersten sechs Monaten des öffentlich-rechtlichen Bundesdienstverhältnisses überwiegend betraut ist.

Gemäß Abs 4 ausgeschlossen von einer Anrechnung sind die Zeiten

1. die nach Abs 2 Z 1 und 2 zu berücksichtigen wären, wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer solchen Beschäftigung einen Anspruch auf laufende Pensionsleistungen erworben und diese nicht dem Bund abgetreten hat,

2. in einem Dienstverhältnis nach Abs 2 Z 1 und 2, soweit sie nach den Vorschriften, die für dieses Dienstverhältnis gegolten haben, für die Vorrückung in höhere Bezüge nicht wirksam gewesen sind, oder

3. welche im Zustand der Ämterunfähigkeit zurückgelegt wurden.

Die Einschränkung der Z 2 gilt nicht für Zeiten, die nur deshalb nicht voll für die Vorrückung in höhere Bezüge wirksam waren, weil sie in einem Beschäftigungsausmaß zurückgelegt wurden, das unter der Hälfte des für eine Vollbeschäftigung vorgeschriebenen Beschäftigungsausmaßes lag. Waren solche Zeiten aus anderen Gründen für die Vorrückung nicht oder nicht voll wirksam (zB wegen eines Karenzurlaubes), ist die Z 2 hingegen anzuwenden.

Gemäß Abs 5 ist die Beamtin oder der Beamte bei Dienstantritt von der Dienstbehörde nachweislich über die Bestimmungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten zu belehren. Sie oder er hat sodann alle vor Beginn des Dienstverhältnisses zurückgelegten Vordienstzeiten nach Abs 2 oder 3 mitzuteilen. Die Dienstbehörde hat aufgrund dieser Mitteilung und bei Vorliegen entsprechender Nachweise die Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten festzustellen, um welche die für die Vorrückung wirksame Dienstzeit bei der Ermittlung der Einstufung zu verlängern ist.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache mit Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß Abs 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelingt oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen gemäß Abs 3 die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Als zentrale Voraussetzung für eine Entscheidung in der Sache selbst hat das VwG selbst zu überprüfen, ob der maßgebliche Sachverhalt feststeht (d. h. von der Behörde ordnungsgemäß festgestellt wurde), oder ob noch Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind. Ist der Sachverhalt ergänzungsbedürftig und erlaubt eine eigene Sachverhaltsermittlung die raschere Verfahrenserledigung oder trägt sie erheblich zur Kostenersparnis bei, hat das VwG den maßgeblichen Sachverhalt selbst festzustellen. Die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen können dabei in oder außerhalb einer mündlichen Verhandlung stattfinden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtshofverfahren² (2018) § 28 VwGVG Anmerkung 8 mwN). Von der Möglichkeit der Zurückweisung kann nach der Rechtsprechung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt solcher Art nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat oder konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das VwG vorgenommen werden (wie oben, Anmerkung 13).

Wie dargestellt, überreichte der (damals nicht anwaltlich vertretene) BF dem Anstaltsleiter am 23.10.2018 ein Schreibe, mit dem er „um nochmalige Prüfung seiner Berechnung der Vordienstzeiten in der Österreichischen Post AG“ ersuchte, wobei der Anstaltsleiter dieses als Beschwerde wertete. Mit E-Mail vom 14.11.2018 brachte der (nunmehr anwaltlich vertretene) BF ein nunmehr formell als Beschwerde bezeichnetes Schreiben bei der belangten Behörde ein.

Mangelt es der Beschwerde an den in § 9 Abs 1 VwGVG genannten Inhaltserfordernissen, sind diese Mängel gemäß der - nach § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 13 Abs 3 AVG grundsätzlich einer Verbesserung zuzuführen (vgl. VwGH 30.09.2019,
Ra 2018/01/0503).

Voraussetzung für die Beurteilung eines Schriftsatzes als Berufung (nunmehr Beschwerde) ist, dass aus dem Anbringen zumindest andeutungsweise zu entnehmen ist, dass eine Partei beabsichtigt, eine behördliche Maßnahme zu bekämpfen. Vom Vorliegen einer Berufung ist auszugehen, wenn sich erkennen lässt, dass der Einschreiter sich durch eine bestimmte Entscheidung beschwert fühlt und deren Nachprüfung begehrt (vgl. VwGH 26.07.2005, 2003/14/0082).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass bereits das Schreiben des BF vom 23.10.2018 als Beschwerde, die sodann durch das anwaltliche Schreiben vom 14.11.2018 ergänzt bzw verbessert wurde, anzusehen war.

Im vorliegenden Fall ist das Beschwerdevorbringen dahingehend zu deuten, dass der BF die Anrechnung der von ihm zurückgelegten Vordienstzeiten bei der Österreichischen Post AG im Zeitraum vom 08.07.1996 bis zum 31.08.2017 als einschlägige Vordienstzeiten im Sinne des § 12 Abs 3 GehG begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 28.02.2019, GZ. Ra 2018/12/0002, ausgeführt:

„Für die Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter gemäß § 12 Abs. 3 GehG 1956 ist zur Beurteilung der Frage der besonderen Bedeutung der Vortätigkeit für die erfolgreiche Verwendung grundsätzlich nicht mehr als der Zeitraum eines halben Jahres nach Beginn des Dienstverhältnisses zugrunde zu legen. Eine allenfalls relevante Berufserfahrung wird nicht durch eine während des Dienstverhältnisses als Vertragsbediensteter genossene Ausbildung gleichsam ersetzt. Eine solche Ausbildung vermittelt vielmehr von einer Berufserfahrung zu unterscheidende Grundkenntnisse, von denen ausgehend ein allfälliger erheblich höherer Arbeitserfolg zu ermitteln ist. Bei zeitlich lang andauernden Vortätigkeiten, die für die erfolgreiche Verwendung des öffentlich-rechtlichen Bediensteten von Bedeutung sind, kann eine Einschlägigkeit iSd § 12 Abs. 3 GehG 1956 allenfalls auch nur für einen Teil dieser Zeit, der in der Regel erforderlich ist, um die notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen für die erfolgreiche Ausübung der Vortätigkeit zu erwerben, gegeben sein. Die wesentlichen Auswirkungen der Vortätigkeit auf die erfolgreiche Verwendung des öffentlich rechtlich Bediensteten können daher auch nur von einem Teilzeitraum der Vortätigkeit ausgehen.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein erheblich höherer Arbeitserfolg iSd § 12 Abs. 3 Z 2 GehG 1956 durch eine Vortätigkeit des Beamten vorliegt, ist in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen, welche tatsächlichen Verrichtungen während der Vortätigkeit besorgt wurden, in welchem Ausmaß dies geschehen ist und welche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden. Darüber hinaus ist festzustellen, welche tatsächlichen Tätigkeiten der Beamte zu Beginn seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses auf Grund seiner Anstellung zu verrichten hat, mit welchem Erfolg er diese Tätigkeiten besorgt hat, ob und inwieweit sein Arbeitserfolg erheblich über dem von Beamten ohne ähnliche Vortätigkeit liegt bzw. die Vortätigkeit für den erheblich höheren Arbeitserfolg als Beamter ursächlich war.

Nach den Materialien zu § 12 Abs. 3 GehG 1956 idF BGBl. I Nr. 65/2015 (vgl. RV 585 BlgNR 25. GP, 8) ist ein Indiz zur Beurteilung der Verwendbarkeit - im Sinne der Bemessung des Arbeitserfolges - vor allem die Frage, ob der Bedienstete deutlich schlechter verwendbar wäre, wenn man sich die zu beurteilende Vordienstzeit wegdenkt - also ob dann zB eine längere fachliche Einarbeitung und Einschulung auf dem neuen Arbeitsplatz notwendig wäre, oder ob der Bedienstete die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnte.

Ein "erheblich" höherer Arbeitserfolg iSd § 12 Abs. 3 GehG kann erst dann vorliegen, wenn der Anteil der Überschreitung mehr als 25 von Hundert des regulären "Arbeitserfolges" ausmacht, wobei diese Überschreitung in einer Gesamtbetrachtung an qualitativen (im Verständnis der Steigerung des Arbeitserfolges in den betroffenen Bereichen) und quantitativen (im Verständnis des Anteiles jener Tätigkeiten, in denen ein höherer Arbeitserfolg erzielt wird) Aspekten zu ermitteln ist.

Der "Arbeitserfolg" des Beamten gemäß § 12 Abs. 3 GehG 1956 ist in einer ex-ante-Betrachtung (arg. "zu erwarten ist") zum Zeitpunkt seiner Ernennung zu ermitteln und er muss auf einer "fachlichen Erfahrung" beruhen, die die vorangegangene Tätigkeit vermittelt hat. Eine bloß fachverwandte Vortätigkeit reicht dabei jedoch nicht aus, der Beamte muss vielmehr aufgrund der gerade durch die von der durchgeführten Vortätigkeit ermittelten fachlichen Erfahrung einen erheblich höheren Arbeitserfolg aufweisen und somit auf dem Arbeitsplatz besser verwendbar sein als der durchschnittliche Beamte. Damit eine solche "fachliche" Erfahrung vermittelt werden kann, muss die Tätigkeit einschlägig sein, das bedeutet, dass sie Erfahrung vermittelt, deren Nutzbarkeit für die nunmehr ausgeübte Tätigkeit bedeutsam ist. Die erhebliche Überschreitung des Arbeitserfolges wiederum muss Folge der vorhandenen Routine sein, die der Beamte bei seiner Vortätigkeit erworben hat. Diese Routine ist im Zusammenhang des Gesetzestextes so auszulegen, dass der Beamte durch die in seiner Vortätigkeit gesammelten vergleichbaren Erfahrungen bei der Bewältigung seiner Aufgaben an seinem Arbeitsplatz als Beamter nunmehr Fertigkeiten in dem Sinne aufweist, dass etwa eine weitere Einschulung nicht erforderlich ist bzw. dass der Bedienstete die Aufgaben ohne die in der Vortätigkeit erworbene Routine für einen beachtlichen Zeitraum nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnte (vgl. Materialien RV 585 BlgNR 25. GP, 8). Diese Routine kann daher nicht verallgemeinert werden, sondern muss unter Bedachtnahme auf die jeweils konkrete Verwendung des Beamten an einem bestimmten Arbeitsplatz zu Beginn seiner öffentlich rechtlichen Tätigkeit beurteilt werden. Es sind davon nicht nur schematisch gleichgelagerte Handlungen umfasst, sondern alle Tätigkeiten, die durch die zuvor erfolgte oftmalige Wiederholung zu einer rascheren Durchführung befähigen.

Wenn auch Exekutivbeamten in der Grundausbildung alle zur Dienstverrichtung grundsätzlich notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, wird dadurch keinesfalls ausgeschlossen, dass aufgrund von beruflichen Vortätigkeiten ein erheblich höherer Arbeitserfolg iSd § 12 Abs. 3 Z 2 GehG erzielt werden kann. Dass die Aufnahmeprüfung mit einer überdurchschnittlichen Punkteanzahl absolviert und die Dienstprüfung ausschließlich mit Auszeichnungen in allen Fächern abgelegt wurde, kann lediglich ein Indiz für die Ursächlichkeit der Vortätigkeiten für den höheren Arbeitserfolg in den überprüften Fachbereichen darstellen und ersetzt keinesfalls die Notwendigkeit der Durchführung sämtlicher Schritte zur Ermittlung des durch die Vortätigkeit verursachten erheblich höheren Arbeitserfolges.“

Im vorliegenden Fall wäre es daher erforderlich gewesen, in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen, welche tatsächlichen Verrichtungen während der Vortätigkeit besorgt wurden, in welchem Ausmaß dies geschehen ist und welche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden. Darüber hinaus wäre festzustellen gewesen, welche tatsächlichen Tätigkeiten der BF zu Beginn seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses auf Grund seiner Anstellung zu verrichten hatte, mit welchem Erfolg er diese Tätigkeiten besorgt hat, ob und inwieweit sein Arbeitserfolg erheblich über dem von Beamten ohne ähnliche Vortätigkeit gelegen ist bzw. die Vortätigkeit für den - allenfalls vorhandenen -erheblich höheren Arbeitserfolg als Beamter ursächlich war.

Die belangte Behörde hat jegliche Ermittlungstätigkeit in diese Richtung unterlassen und auch in der Begründung nicht ausgeführt, warum sie die vom BF im Rahmen des Ermittlungsverfahrens angegebenen Vordienstzeiten bei der Österreichischen Post AG im Zeitraum vom 08.07.1996 bis zum 31.08.2017 nicht gemäß § 12 Abs 3 GehG angerechnet hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20.05.2015, GZ. Ro 2014/20/0146, festgestellt hat, kommt eine Zurückverweisung insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Diese Umstände liegen hier vor.

Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 28 Abs 2 und 3 VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher auf Grundlage der vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Kriterien zu ermitteln bzw. zu beurteilen sein, ob und in welchem Ausmaß sich die vom BF ins Treffen geführten Vordienstzeiten bei der Österreichischen Post AG im Zeitraum vom 08.07.1996 bis zum 31.08.2017 positiv auf seinen Arbeitserfolg ausgewirkt haben.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist nicht ersichtlich, zumal es sich bei der in Rede stehenden Frage um eine solche handelt, die verwaltungsinterne Vorgänge betrifft, bei der die belangte Behörde besonders „nahe am Beweis“ ist (vgl. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es im Hinblick auf § 24 Abs 2 Z 1 2. Fall VwGVG nicht.

Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass keine Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung vorliegen und Einzelfallfragen zu beurteilen waren.

Schlagworte

Besoldungsdienstalter Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Vordienstzeiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W274.2208630.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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