Entscheidungsdatum
22.03.2021Norm
AuslBG §4cSpruch
W167 2238224-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Manuela ECKERSDORFER und den den fachkundigen Laienrichter Mag. Johannes DENK als Beisitzer/in über die Beschwerde von XXXX vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt nach Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , wegen Abweisung des Antrags vom XXXX auf Ausstellung eines Befreiungsscheins gemäß § 4c Abs 2 AuslBG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer beantragte die Ausstellung eines Befreiungsscheins nach § 4c Abs. 2 AuslBG.
2. Mit Bescheid vom XXXX lehnte die belangte Behörde den Antrag ab. Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer zwar seit 2015 bei einer namentlich genannten GmbH beschäftigt sei. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung könne aber seitens der belangten Behörde nicht bestätigt werden, weil das Aufenthaltsrecht aufgrund einer Scheinehe erschlichen worden sei und die rückwirkende Abweisung sämtlicher Anträge des Beschwerdeführers zur Folge habe, dass der Beschwerdeführer so gestellt sei, als hätte er nie einen Aufenthaltstitel besessen. Der Beschwerdeführer halte sich daher seit Anbeginn illegal im Bundesgebiet auf und darf/durfte keiner Beschäftigung nachgehen. Daher sei es ihm auch nicht möglich sich auf ARB 1/80 zu berufen (keine ausreichende ordnungsgemäße Beschäftigung vor Erstantragstellung, kein Familienangehörigenstatus) oder ein Aufenthaltsrecht aus einer anderen rechtlichen Bestimmung des NAG zu erlangen (die ursprüngliche Familieneigenschaft lag aufgrund der Scheinehe nie vor).
3. Der Beschwerdeführer erhob im Wege seines Vertreters Beschwerde. Als Beschwerdegründe führte er aus, dass der angefochtene Bescheid nicht die Unterschrift des zuständigen Sachbearbeiters trage und auch kein Hinweis auf eine elektronische Fertigung in der dem Vertreter vorliegenden Fassung ersichtlich sei. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt seiner Einreise im Besitz eines österreichischen Visums (Aufenthaltsvisum D) gewesen, welches in Kopie vorgelegt wurde. Die allfällige Vorfrage ob eine Aufenthaltsehe vorgelegen habe, hätte die belangte Behörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht nach einem Ermittlungsverfahren selbst zu beurteilen. Durch mehrfache außenwirksame Einstellung von Ermittlungen wegen einer allfälligen Aufenthaltsehe, sei dem Beschwerdeführer zu erkennen gegeben worden, dass diesem ein Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht zuerkannt werde.
4. Im Rahmen des Parteiengehörs zur Rechtsansicht der belangten Behörde wiederholte der Beschwerdeführer im Wege seines Vertreters erneut seine Rechtsansicht über die rechtmäßige Einreise in Österreich aufgrund des Visums und die Verpflichtung der belangten Behörde zur eigenständigen Beurteilung der Vorfrage der Aufenthaltsehe.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom XXXX (dem Vertreter zugestellt am XXXX ) wies die belangte Behörde die Beschwerde ab. Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gestellten Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln rechtskräftig rückwirkend abgelehnt wurden, weshalb auch keine rechtmäßige, eine unselbständige Erwerbstätigkeit erlaubende Niederlassung (auf Grundlage des NAG) und somit auch keine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinn des AuslBG vorgelegen sei. Eine Geltendmachung des Art. 6 ARB iVm § 4c Abs. 2 AuslBG sei für den Beschwerdeführer mangels Erfüllung der wesentlichen Voraussetzungen nicht möglich.
6. Der vertretene Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag, in dem er weiterhin von der absoluten Nichtigkeit des Bescheides ausgeht und darauf hinweist, dass eine elektronische Ausfertigung daran erkennbar sei, dass sie eine siebenstellige DVR-Nummer aufweise. Die belangte Behörde hätte daher keine Sachentscheidung treffen dürfen. Die übrigen Beschwerdegründe habe die belangte Behörde gar nicht behandelt bzw. sei auf sie nicht eingegangen.
7. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
8. Der vertretene Beschwerdeführer kam der Aufforderung zur Übermittlung einer Kopie des Bescheides nach.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er war am XXXX bei einem Dienstgeber und XXXX bei einem weiteren Dienstgeber in Österreich erwerbstätig und zur Sozialversicherung gemeldet.
Der Beschwerdeführer verfügte ursprünglich über eine Bewilligung zu Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. Diese Bewilligung wurde dem Beschwerdeführer ex tunc entzogen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt, dem Bescheid der belangten Behörde und der Entscheidung des zuständigen Landesverwaltungsgerichts.
Soweit der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu eigenständigen Beurteilung der Frage, ob eine Aufenthaltsehe vorlag oder nicht, beantragte, wird festgehalten, dass die im Beschwerdefall maßgebliche Frage der Berechtigung des Beschwerdeführers zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bereits rechtskräftig und mit Bindungswirkung für das Beschwerdeverfahren entschieden (siehe unten 3.2.) wurde. Daher konnte von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Gemäß § 20 Absatz 4 AuslBG bedürfen die Ausfertigungen der nach dem AuslBG vorgesehenen Bescheide und Bescheinigungen, die im Wege elektronischer Datenverarbeitungsanlagen oder in einem ähnlichen Verfahren hergestellt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung.
Die Datenverarbeitungsregister-Verordnung 2012, welche auch die DVR-Nummern regelte, ist mit 24.05.2018 außer Kraft getreten (vergleiche § 70 Absatz 2 Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 120/2017).
Somit trifft die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach eine elektronische Ausfertigung daran erkennbar sei, dass sie eine siebenstellige DVR-Nummer aufweist, im Beschwerdefall nicht zu. Der Bescheid stammt aus dem Jahr XXXX .
Die an den Beschwerdeführer übermittelte Bescheidausfertigung des Bescheides vom XXXX enthält u.a. auf jeder Seite einen QR-Code, welcher darauf hinweist, dass der Bescheid im Wege elektronsicher Datenverarbeitungsanlagen hergestellt wurde und daher weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedarf (§ 20 Absatz 4 AuslBG). Gleiches gilt auch für die Beschwerdevorentscheidung, wie aus dem Verwaltungsakt ersichtlich ist. Somit liegen ordnungsgemäß erstellte Bescheide vor.
3.2. Rechtsgrundlagen
§ 1 Absatz 2 lit m AuslBG bestimmt, dass u.a. auf Ehegatten österreichischer Staatsbürger, die zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) berechtigt sind, die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht anwendbar sind.
§ 4c Absatz 2 AuslBG bestimmt: Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen. Der Befreiungsschein berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und ist jeweils für fünf Jahre auszustellen. Der Befreiungsschein ist zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.
§ 15 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 218/1975 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 126/2002 (Inkrafttretedatum 01.01.2003, Außerkrafttretedatum 31.12.2005): Gemäß § 15 Absatz 1 Ziffer 1 ist einem Ausländer, sofern er noch keinen Niederlassungsnachweis hat, auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war. Gemäß Absatz 5 ist der Befreiungsschein für 5 Jahre auszustellten.
3.3. Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/1980
Artikel 6 Absatz 1 dritter Unterabsatz bestimmt, dass vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis hat.
Artikel 7 betrifft Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers
Artikel 13: Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.
3.4. Maßgebliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH):
Eine Ausnahme vom Geltungsbereich des AuslBG gemäß dessen § 1 Abs. 2 lit. m kann nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass dem drittstaatsangehörigen Ehepartner ein Aufenthaltstitel nach dem NAG 2005 erteilt wurde, der zur Niederlassung im Bundesgebiet und zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt; der Erteilung eines Aufenthaltstitels kommt - außerhalb der Freizügigkeitssachverhalte - konstitutive Wirkung zu (vgl. zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 25/2011 E 19. Jänner 2012, 2009/22/0150). Daran hat die Novelle BGBl. I Nr. 25/2011 nichts geändert, wie nicht zuletzt auch die Erläuterungen (RV 1077 Blg NR, 24. GP, S. 9) zeigen. (VwGH 17.12.2013, 2012/09/0137)
Die Ordnungsmäßigkeit einer während eines bestimmten Zeitraumes ausgeübten Beschäftigung sowohl iSd Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 als auch iSd Art. 13 ARB 1/80 ist anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt (vgl. Urteil EuGH Ahmet Bozkurt, C-434/93, 6. Juni 1995; E 19. Mai 2004, 2004/18/0031). (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/09/0057)
3.5. Für den Beschwerdefall bedeutet das:
Die belangte Behörde vertritt in ihrer Entscheidung die Auffassung, dass aufgrund der rechtskräftig rückwirkend abgelehnten Anträge des Beschwerdeführers auf Erteilung von Aufenthaltstitel auch keine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des AuslBG vorgelegen sei und daher die Voraussetzungen von Art. 6 ARB iVm § 4c Abs. 2 AuslBG nicht erfüllt seien.
In seiner Beschwerde vertritt der vertretene Beschwerdeführer die Auffassung, dass die allfällige Vorfrage, ob eine Aufenthaltsehe vorlag von der belangten Behörde zu klären wäre bzw. sei dem Beschwerdeführer durch mehrfache außenwirksame Einstellung von Ermittlungen wegen einer allfälligen Aufenthaltsehe zu erkennen gegeben worden, dass diesem ein Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht zuerkannt werde.
Hierzu ist festzuhalten, dass im Verfahren betreffend die Beschwerde gegen einen Bescheid der NAG-Behörde mit dem die Verfahren betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln wieder aufgenommen wurden und die Anträge aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe bzw. mangels Vorliegens eines gültigen Aufenthaltstitels für Österreich nach den einschlägigen Bestimmungen des NAG die Beschwerde abgewiesen wurde und eine rechtskräftige Entscheidung durch das zuständige Landesverwaltungsgericht vorliegt. Das Landesverwaltungsgericht hat die diesbezügliche Beschwerde abgewiesen und damit bestätigt, dass dem Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht ex tunc und damit rückwirkend aberkannt wurde ( XXXX ).
Artikel 6 ARB 1/1980 stellt auf vier Jahre ordnungsgemäße Beschäftigung im betreffenden Mitgliedstaat ab. Die Voraussetzungen für eine Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet ist im Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) geregelt (vergleiche insbesondere §§ 1 ff AuslBG, wobei § 1 Ausnahmen enthält und § 3 die Voraussetzungen für die Beschäftigung von Ausländern).
§ 1 Absatz 2 lit m AuslBG bestimmt, dass u.a. auf Ehegatten österreichischer Staatsbürger, die zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) berechtigt sind, die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht anwendbar sind.
Über die Berechtigung zur Niederlassung nach dem NAG spricht die zuständige Niederlassungsbehörde ab, der Rechtszug geht zum zuständigen Landesverwaltungsgericht. Im Beschwerdefall liegt eine rechtskräftige Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts vor, welche die Abweisung der vom Beschwerdeführer in Österreich gestellten Anträge auf einen Aufenthaltstitel bestätigt. Daher war der Beschwerdeführer rechtskräftig entschieden in Österreich nie zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt.
Somit wurde die Vorfrage des Beschwerdefalls, nämlich ob der Beschwerdeführer gemäß § 1 Absatz 2 lit m AuslBG im Zeitpunkt seiner Tätigkeit zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt war, von den zuständigen Stellen rechtskräftig entschieden, entfaltet Bindungswirkung und ist daher im Verfahren betreffend § 4c Absatz 2 AuslBG nicht mehr zu prüfen. Insofern geht die Argumentation des Beschwerdeführers ins Leere, dass im Beschwerdeverfahren (neuerlich) das Vorliegen einer Aufenthaltsehe seitens der belangten Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichts zu prüfen wäre.
Da der Beschwerdeführer aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung ex tunc im Zeitpunkt seiner Beschäftigung in Österreich nicht zur Niederlassung in Österreich berechtigt war, war seine Beschäftigung auch nicht ordnungsgemäß bzw. erlaubt. Somit hat er aber auch keine für den Befreiungsschein erforderliche anrechenbaren Zeiten einer Beschäftigung in Österreich erworben. Die belangte Behörde hat daher den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Befreiungsscheines zu Recht abgewiesen.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsehe Befreiungsschein Bindungswirkung Rechtskraft der EntscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W167.2238224.1.00Im RIS seit
20.05.2021Zuletzt aktualisiert am
20.05.2021