TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/22 W137 2216369-1

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Veröffentlicht am 22.03.2021
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Entscheidungsdatum

22.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch


W137 2216369-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2019, Zl. 112557600/190109195, sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 07.03.2019 bis 23.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 07.03.2019 bis 23.03.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Am 06.03.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines Festnahmeauftrags vom 24.01.2019 an seiner (gemeldeten) Wohnsitzadresse festgenommen und in das PAZ Eisenstadt gebracht. Danach wurde dem Beschwerdeführer der geplante Termin für seine Abschiebung nach Afghanistan bekannt gegeben.

2. Das Bundesamt hat – ohne Einvernahme und ohne weitere Ermittlungen – mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 07.03.2019 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer sei zwar nach wie vor aufrecht gemeldet, jedoch müsse das Bundesamt aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit sowie der im Juli 2017 getätigten Angabe, nicht ausreisen zu wollen, schließen, dass nunmehr, da er von seiner baldigen Abschiebung wisse, „massivste Fluchtgefahr“ vorliege.

Ein Termin für die Abschiebung sei bereits für „13.03.2019“ fixiert und ein Ersatzreisedokument ausgestellt. Die Behörde habe auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft gedrungen. Aus seiner Wohn- und Familiensituation, der fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege.

3. Am 21.03.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde des Beschwerdeführers ein. In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Fluchtgefahr im gegenständlichen Fall nicht nachvollziehbar begründet sei. Der Beschwerdeführer habe kein Verhalten gesetzt, welches darauf schließen lasse, dass er sich einer Abschiebung widersetzten würde. Eine solche Einschätzung habe auch mangels einer Einvernahme nicht gemacht werden können. Bei der Festnahme sei dem Beschwerdeführer der 13.03.2019 als Abschiebetermin genannt worden. Während der Schubhaft habe er eine Information, wonach der (neue) Schubhafttermin am 23.03.2019 sei. Auch sei nicht näher ausgeführt worden, weshalb ein gelinderes Mittel nicht angewendet wurde und seien Feststellungen zur persönlichen Lebenssituation des Beschwerdeführers, welche die Inschubhaftnahme gerechtfertigt hätten, im Wesentlichen unterblieben.

Beantragt werde daher a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; b) den angefochtenen Bescheid zu beheben und festzustellen, dass die Schubhaft rechtswidrig sei; c) festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen; d) dem Bundesamt den Ersatz der Aufwendungen aufzuerlegen.

4. Am 22.03.2019 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass eine Rückkehrentscheidung nach Afghanistan erlassen worden sei und der Beschwerdeführer bereits den geplanten Schubhafttermin – nunmehr 23.03.2019 – wisse. Das Bundesamt verwies ansonsten im Wesentlichen auf den Akt. Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates sei bereits eingeleitet worden und dessen Ausstellung zugesichert.

Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde; die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft vorliegen; sowie die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Kostenersatz.

5. Am 23.03.2019 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Kabul/Afghanistan abgeschoben.

6. Am 01.04.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht der Abschiebebericht gem § 10 RLV über die Abschiebung des Beschwerdeführers ein.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Seit 22.01.2019 (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur Zahl W102 2161687-1/16E) besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung (bezogen auf Afghanistan) gegen den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung binnen der vorgeschriebenen 14 Tage bisher nicht nachgekommen. Die Anordnung der Schubhaft erfolgte rund 4 Wochen nach Ablauf dieser Frist.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers war zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme binnen weniger Wochen zu erwarten. Seitens Afghanistans lag eine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats bereits vor. An der (grundsätzlichen) Möglichkeit der Überstellung nach Afghanistan bestanden keine Zweifel und wurde der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit auch bereits nach Afghanistan abgeschoben. Der Beschwerdeführer kannte den zunächst geplanten Abschiebungstermin vor seiner Festnahme am 06.03.2019 nicht. Der neue Termin war ihm bei Einbringung der Beschwerde bereits bekannt.

Der Beschwerdeführer zeigte keine Bestrebungen, sich einer Abschiebung zu widersetzen oder diese zu vereiteln; er verfügte im Bundesgebiet durchgehend – seit April 2016 - über Wohnsitzmeldungen. Er hat sich einem Verfahren nie entzogen und sich auch nie im Verborgenen aufgehalten.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte an das Bundesgebiet. Er verfügt auch über keine besonders ausgeprägten sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Seine Existenz in Österreich ist nicht gesichert; er ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung/Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer bezog Leistungen aus der Grundversorgung und verfügte stets über einen gesicherten Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer war während der Schubhaftanordnung und der Schubhaft grundsätzlich gesund und haftfähig. Es gab im Beschwerdeverfahren keinen stichhaltigen Hinweis für substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur.

Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft nicht selbst befragt. Es stützt sich hinsichtlich der Ausreiseunwilligkeit explizit auf eine Rückkehrberatungsgespräch vom 13.07.2017 und ignoriert weitgehend Sachverhaltselemente, die deutlich gegen eine Fluchtgefahr des Beschwerdeführers sprechen. Im angefochtenen Bescheid vom 07.03.2019 werden kaum konkrete Feststellungen zum Grad der sozialen Verankerung im Bundesgebiet getroffen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1112557600/190109195 sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Er ist überdies unstrittig. Dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen ist, ist evident und ebenfalls unstrittig.

1.2. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikat und zur geplanten Abschiebung ergeben sich aus vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen. Dass im relevanten Zeitraum regelmäßig Abschiebungen nach Afghanistan problemlos stattfanden und die entsprechenden HRZ ausgestellt wurden ist notorisches Wissen und wurde auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Dies wird auch durch die binnen weniger Wochen durchgeführte Abschiebung bewiesen, welche sich aus der Aktenlage ergibt.

Es gibt keinen Hinweis, dass dem Beschwerdeführer der geplante Abschiebezeitpunkt vor seiner Festnahme bekannt gewesen wäre. Im gesamten Verhalten des Beschwerdeführers findet sich kein Hinweis, auf Handlungen oder Bestrebungen zur Vereitelung einer Abschiebung. Er hat – jedenfalls im Jahr vor der Schubhaftanordnung auch nie angekündigt, sich einer Abschiebung widersetzen oder entziehen zu wollen. Eine bekundete Ausreiseunwilligkeit im erstinstanzlichen Verfahren (rund zwei Jahre vor Schubhaftanordnung) hat diesbezüglich keinerlei Aussagekraft. Die ordentliche Wohnsitzanmeldung (und der Aufenthalt an dieser Adresse) wurden vom Bundesamt nie bestritten.

1.3. Familiäre Anknüpfungspunkte an das Bundesgebiet sind der Beschwerde nicht zu entnehmen. Hinweise auf eine legale Beschäftigung/Erwerbstätigkeit haben sich aus der Aktenlage nicht ergeben und wurde eine solche vom Beschwerdeführer auch nie behauptet. Hinweise für eine besonders ausgeprägte soziale Integration sind im Verfahren nicht hervorgekommen und sind auch der Beschwerde nicht zu entnehmen. Es wurden im Verfahren keine Bestrebungen des Beschwerdeführers bekannt, dass er sich der Abschiebung wiedersetzten werde, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen war. Die durchgehende Wohnsitzmeldung ergibt sich aus der Aktenlage. Glaubhaft sind soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, die allerdings nicht besonders ausgeprägt sind.

1.6. Für substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers gab es bei Schubhaftanordnung keinen Hinweis und sind solche auch in der Beschwerde nicht behauptet worden.

1.7. Die Feststellungen, dass keine Befragung vor der Schubhaftanordnung gemacht wurde, ergibt sich aus der Aktenlage. Das Bundesamt stützt im angefochtenen Bescheid von März 2019 eine (behauptete und nicht näher definierte) „qualifizierte Ausreiseunwilligkeit“ ausschließlich auf ein Rückkehrberatungsgespräch vom Juli 2017 (Seite 2). Die unstrittige Tatsache einer gesicherten Unterkunft (und einer seit Jahren durchgehend aufrechten Wohnsitzmeldung) wurde effektiv ignoriert – eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Umstand ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Auch Feststellungen zum Grad der sozialen Verankerung sind dem Bescheid kaum zu entnehmen.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bezogen auf Afghanistan vor. Seitens Afghanistans bestand eine aufrechte Zusage zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates und wurde ein solches in weiterer Folge auch ausgestellt.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit einem zu erwartenden Untertauchen aufgrund der Kenntnis des geplanten Abschiebetermins, einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der mangelnden familiären und sozialen Verankerung in Österreich. Behauptet wurden dabei „qualifizierte Ausreiseunwilligkeit“, „massivste Fluchtgefahr“, „beharrliches Verbleiben im Bundesgebiet“ und „fehlende Kooperation im Verfahren“. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 1 und 3 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG.

Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 3 konnte auch in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten werden, zumal sich diese auch unter Einbeziehung des Inhalts der Beschwerde als unstrittig erweist.

Hinsichtlich Ziffer 1 ist die Argumentation des Bundesamtes jedoch weitgehend verfehlt und ersetzt ernsthafte Begründung durch die Nutzung von nicht nachvollziehbaren Superlativen und Zirkelschlüssen. Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesamt selbst den Beschwerdeführer nie unter dem Aspekt einer allfälligen Schubhaftanordnung befragt hat. Dies wäre nach der höchstgerichtlichen Judikatur für sich genommen noch kein grundsätzliches Problem. Allerdings stützt das Bundesamt sich bei der Annahme einer „qualifizierten Ausreiseunwilligkeit“ ausschließlich auf ein Rückkehrberatungsgespräch von 2017, was aufgrund der zeitlichen Distanz zumindest problematisch ist. Was an der Erklärung, nicht freiwillig ausreisen zu wollen, „qualifiziert“ sein soll, wird im Bescheid im Übrigen nicht dargetan.

Jedenfalls tatsachenwidrig ist das behauptete „unkooperative“ Verhalten im Verfahren, das im Bescheid lediglich darauf gestützt wird, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist (Seite 3). Diese ist aber nicht Teil des Verfahrens, sondern dessen Resultat. Einer Ausreiseverpflichtung (lediglich) nicht nachzukommen ist auch kein „Umgehen“ oder „Verhindern“, wie es die Ziffer 1 erfordert.

Zumindest sprachlich verfehlt ist der Verweis auf eine „beharrliche“ Weigerung, dem Ausreiseauftrag Folge zu leisten. Tatsächlich wurde die Frist zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung erst um etwa vier Wochen überschritten, womit dieser Zeitraum (insgesamt) ungefähr der Frist zur Erhebung eines außerordentlichen Rechtsmittels entspricht. Eine zwischenzeitliche Aufforderung durch das Bundesamt erfolgte nachweislich ebenfalls nicht. In dieser Situation von „beharrlich“ zu sprechen ist weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, noch nach juristischen Maßstäben gerechtfertigt.

Auch für die behauptete „massivste Fluchtgefahr“ mangelt es dem Bescheid an einer schlüssigen Begründung. Aus dem Bescheid geht nämlich zweifelsfrei hervor, dass das Bundesamt als (einzigen) Auslöser für das Bestehen „massivster“ Fluchtgefahr, die Kenntnis des Beschwerdeführers vom Abschiebezeitpunkt erachtet. Denn wieso im Falle des Beschwerdeführers „grundsätzlich schon von einer sehr hohen Fluchtgefahr auszugehen“ wäre, wird nicht dargelegt. Formulierungen wie „sie haben durch ihr Verhalten in der Vergangenheit gezeigt, dass Sie sich vor allem der Abschiebung jedenfalls entziehen werden“, „Sie würden alles tun um eine Abschiebung zu verhindern“ oder „Sie haben zwar einen gemeldeten Wohnsitz, doch nunmehr (…) würden Sie sich jedenfalls der Abschiebung entziehen“ gebricht es durchwegs an einer auch nur halbwegs nachvollziehbaren Verknüpfung mit dem festgestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Ergänzend legt der ständige Verweis auf die Kenntnis vom Zeitpunkt der Abschiebung auch einen Zirkelschluss in der Argumentation des Bundesamtes dar: dieser Termin wurde dem Beschwerdeführer (unstrittig) erst nach Festnahme (zur Schubhaftanordnung) zur Kenntnis gebracht. Entsprechend der Begründung des Bescheids muss die Fluchtgefahr vor Kenntnis dieses Termins deutlich geringer ausgeprägt gewesen sein. Demgemäß hätte aber das Bundesamt eine Schubhaft bereits fix geplant, die dafür erforderliche Fluchtgefahr aber durch eigenes Handeln – und ohne aktives Zutun des Beschwerdeführers - substanziell erhöht.

Hinsichtlich Ziffer 9 ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts im Bundesgebiet durchgehend über behördliche Wohnsitzmeldungen verfügt hat und an diesen auch unstrittig wohnhaft gewesen ist, somit für die Behörde auch problemlos greifbar gewesen ist. Auch wenn dies angesichts der nur gering ausgeprägten sozialen Anknüpfungspunkte einen sicherungsbedarf nicht ausschließt, handelt es sich bei dem dargestellten Umstand doch um einen, dem in einer Abwägung substanzielles Gewischt zukommen muss, zumal andere Hinweise auf eine Fluchtgefahr weitgehend fehlen.

3.3. Das Bundesamt begründet die Fluchtgefahr im gegenständlichen Bescheid somit verfehlt mit Ziffer 1 und mangelhaft mit Ziffer 9 des § 76 Abs. 3 FPG. Das effektiv unbegründete künstliche sprachliche Erhöhen der Fluchtgefahr durch Superlative („massivst“) kann diese Mängel jedenfalls nicht ausgleichen. Schon diese insgesamt mangelhafte Begründung belastet den angefochtenen Bescheid insgesamt mit Rechtswidrigkeit.

3.4. Insbesondere gelingt es dem Bundesamt aber nicht, die zur Anordnung der Schubhaft erforderliche ultima-ratio-Situation schlüssig darzulegen. Da der Beschwerdeführer sich allerdings unstrittig auch vier Wochen nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise an seiner (seit Jahren bestehenden) Meldeadresse aufgehalten hat, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, er hätte dies in den folgenden knapp drei Wochen (bis zum Abschiebetermin) geändert.

Vielmehr hätte das Bundesamt angesichts des feststellbaren Sachverhalts (insbesondere durchgehend aufrechte Meldeadresse, volle Mitwirkung im Verfahren, nur geringes Überschreiten der auferlegten Frist zur Ausreise) problemlos auch mit einer Verwaltungsverwahrungshaft im Vorfeld der Abschiebung das Auslangen finden können.

Zudem ist vor diesem Hintergrund der „Verzicht“ auf die Anordnung des gelinderen Mittels nicht hinreichend begründet. Gerade wenn – wie im gegenständlichen Fall – die Annahme der Fluchtgefahr nur auf die Kriterien der Ziffern 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG gestützt werden kann, müsste ein solcher „Verzicht“ besonders ausführlich argumentiert sein.

3.5. Aus diesen Gründen erweisen sich der Bescheid und die auf ihn gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Darüber hinaus stützt sich die gegenständliche Entscheidung im Kern auf Rechtsfragen, nämlich das Vorliegen beziehungsweise die Ausprägung der Ziffer 1 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG sowie das Bestehen einer „ultima-ratio-Situation“ – was ebenfalls eine rechtliche Wertung darstellt.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch der Fortsetzungsausspruch in die Beurteilung des „Obsiegens“ einzubeziehen. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als (vollständig) obsiegender Partei daher Kostenersatz im gesetzlich vorgesehenen Umfang, die belangte Behörde hat als unterlegene Partei keinen Anspruch auf Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Hinsichtlich der fehlenden Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf die Ausführungen in Abschnitt II.5. verwiesen. Der reduzierte Ermittlungs- und Begründungsaufwand im Zusammenhang mit der Erlassung eines Mandatsbescheides räumt einer Behörde jedenfalls nicht das Recht ein, wesentliche (unstrittige) Sachverhaltselemente (weitgehend) zu negieren oder sachlich nicht begründbare Spekulationen über zukünftiges Verhalten – ausschließlich zum Nachteil des Betroffenen – vorzunehmen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Ausreiseverpflichtung Begründungsmangel Fluchtgefahr Kostenersatz Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W137.2216369.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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