TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/24 L503 2236307-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.2021
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Entscheidungsdatum

24.03.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch


L503 2236307-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. ENZLBERGER und Mag. SIGHARTNER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS Linz vom 01.09.2020 zur Versicherungsnummer XXXX , nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom 05.10.2020, GZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom 1.9.2020 sprach das AMS aus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG im Zeitraum vom 7.8.2020 bis zum 17.9.2020 verloren habe; Nachsicht werde nicht erteilt. Begründend führte das AMS aus, der BF habe mögliche Arbeitsaufnahme bei der Firma M. Transporte GmbH vereitelt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen beziehungsweise könnten nicht berücksichtigt werden.

2.1. Im Akt befindet sich unter anderem – nach nachträglicher Vorlage des AMS auf Ersuchen des BVwG - ein Stellenangebot des AMS für den BF vom 29.7.2020 als Transportmanager/Disponent bei der Firma M. Transporte GmbH samt Zuweisungsschreiben des AMS, in dem der BF aufgefordert wurde, sich umgehend so wie im Inserat beschrieben zu bewerben. Laut Stellenangebot handelt es sich bei der Firma M. um ein Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern, verschiedenen Geschäftsfeldern und mit über 300 eigenen LKW sowie 7 Standorten in Österreich und Deutschland. Die gegenständliche Stelle betreffe die „Frühdispo“ am Standort P. (Oberösterreich) auf Basis von 25-30 Wochenstunden; das Entgelt für diese Position könne deutlich über dem KV in Höhe von € 1.700,- Brutto liegen. Die Bewerbung möge an eine näher genannte E-Mail-Adresse erfolgen.

2.2. Im Akt befindet sich unter anderem eine Rückmeldung des Dienstgebers M. an das AMS vom 7.8.2020, wonach der BF einen Lebenslauf ohne Anschreiben zugesandt habe, jedoch mit den AMS Bestätigungsformularen, wobei der Dienstgeber eine entsprechende Bestätigung nicht geben könne, da dies für den Dienstgeber „keine ernst zu nehmende Bewerbung“ sei.

2.3. Im Akt befindet sich unter anderem ein Schreiben des AMS an BF vom 7.8.2020, wonach das AMS darüber informiert worden sei, dass sich der BF beim Dienstgeber M. Transporte GmbH nicht ordnungsgemäß beworben habe. Er habe lediglich einen Lebenslauf übermittelt, aber kein Anschreiben beigefügt.

Aufgrund der Art der Bewerbung handle es sich um eine Vereitelung. Daher sei eine Prüfung nach § 10 AlVG erforderlich. Der BF möge dem AMS bis spätestens 21.08.2020 eine schriftliche Stellungnahme übermitteln, warum er sich auf diese Art beworben hat.

2.4. Im Akt befindet sich unter anderem eine Stellungnahme des BF vom 13.08.2020. Darin führte der BF aus, am 04.08.2020 sei ihm die Stelle bei der Firma M. zugewiesen worden. Bereits am nächsten Tag habe er persönlich beim potentiellen Arbeitgeber vorsprechen und sich für diese Stelle bewerben wollen und habe um ein Vorstellungsgespräch ersucht; seine Bewerbungsunterlagen hätte er bereits mitgehabt. Im Eingangsbereich habe ihm allerdings ein Mitarbeiter der Firma mitgeteilt, dass dies nur mit einer telefonischen Voranmeldung möglich sei. Daraufhin habe der BF vorgeschlagen, seine Unterlagen per Post zu übermitteln und habe dies auch noch am selben Tag vorgenommen. Die Firma habe vom BF „als erste Seite das Stellenangebot, weiters einen Lebenslauf und die letzte Lohnabrechnung erhalten.“

Der BF habe sich in den letzten Monaten bei den von vom AMS zugewiesenen Stellen „immer wie oben beschrieben beworben“, und zwar mittels persönlicher Vorsprache und anschließender postalischer Übermittlung seines Lebenslaufs. Bis jetzt habe „diese Art der Bewerbung immer ausgereicht.“ In seinem gesamten bisherigen Berufsleben habe er sich „immer persönlich, bzw mittels Brief und Übermittlung eines Lebenslaufs beworben. Die Übermittlung eines zusätzlichen Schreibens war dazu noch nie notwendig. Mir ist auch nicht bekannt, was unter einem Anschreiben gemeint ist.“

Er ersuche um Nachsicht und Weitergewährung des Arbeitslosengeldes.

3. Am 18.9.2020 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 1.9.2020, wobei er diesbezüglich lediglich seine Stellungnahme vom 13.8.2020 (siehe oben) nochmals vorlegte und handschriftlich hinzufügte, dies sei auch seine Beschwerde gegen den Bescheid vom 1.9.2020.

4. Am 24.9.2020 richtete das AMS ein Schreiben an den BF zur Wahrung des Parteiengehörs. Darin verwies das AMS auf die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Stellenangebots am 29.7.2020 beim Dienstgeber M. und betonte den Umstand, dass dem Stellenangebot zufolge die Bewerbung an näher bezeichnete E-Mail-Adresse zu richten gewesen wäre.

Nach Darstellung des Beschwerdevorbringens des BF führte das AMS aus, aufgrund der vom BF übermittelten Unterlagen (Rückmeldungsformular an das AMS bezüglich Vorstellung/Bewerbung, Lebenslauf ohne Bewerbung, Lohnabrechnung des letzten Dienstgebers) habe der mögliche Dienstgeber von einer Einstellung abgesehen. Es komme nicht darauf an, welches Motiv der BF gehabt hat, eine solche „Bewerbung“ zu übermitteln und auch nicht darauf, dass er „immer“ diese Form von Bewerbung verwendet, sondern nur darauf, ob diese vom BF übermittelte „Bewerbung“ geeignet gewesen sei, den potenziellen Arbeitgeber von der Einstellung abzuhalten. Der BF habe dadurch eine mögliche Arbeitsaufnahme bei der Firma M. Transporte GmbH in P. vereitelt. Der BF könne dazu bis spätestens 6.10.2020 schriftlich Stellung nehmen.

5. Mit Stellungnahme vom 29.9.2020 verwies der BF zunächst auf den Inhalt seiner vorangehenden Stellungnahme vom 13.8.2020 und betonte, dass er nach Erhalt des Stellenangebotes durch das AMS am 04.08.2020 „bereits am nächsten Tag aufgebrochen“ sei und den potentiellen neuen Dienstgeber in P. „aufgesucht habe, um ein Bewerbungsgespräch zu führen. Mit dem Aufsuchen bei der Fa. M. Transport GmbH (samt Bewerbungsunterlagen) ist mein Wille eine neue Arbeit aufzunehmen klar erkennbar (mangelnde Arbeitswilligkeit gemäß § 9 AVG kann mir somit nicht vorgehalten werden). Wenn die Fa. M. Transport GmbH mein persönliches Erscheinen und anschließende postalische Übermittlung meiner Unterlagen nicht als geeignete Bewerbung ansieht, kann dies mir nicht negativ angelastet werden.“ Er ersuche daher um Weitergewährung des Arbeitslosengeldes.

6. Mit Bescheid vom 5.10.2020 wies das AMS die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 1.9.2020 im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ab.

Nach eingehender Darstellung des Verfahrensgangs stellte das AMS fest, das dem BF vom AMS am 29.7.2020 verbindlich angebotene Beschäftigungsverhältnis als Disponent bei der Firma M. Transporte GmbH in P. sei nicht zustande gekommen, weil der BF als Bewerbungsunterlagen das AMS-Rückmeldeformular, den Lebenslauf ohne konkrete Bewerbung und die Lohnabrechnung des letzten Dienstgebers übermittelt habe. Die Firma M. Transporte GmbH habe von einer Einstellung abgesehen, weil diese Unterlagen keine ernst zu nehmende Bewerbung darstellen würden. Der BF habe keine Einwendungen gegen die Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung vorgebracht. Auch im Ermittlungsverfahren seien derartige Umstände nicht festgestellt worden.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das AMS nach Darstellung von § 10 AlVG und diesbezüglich ergangener, ständiger Rechtsprechung des VwGH zum Tatbestand der Vereitelung subsumierend aus, aufgrund der vom BF übermittelten Unterlagen (Rückmeldungsformular an das AMS bezüglich Vorstellung/Bewerbung, Lebenslauf ohne Bewerbung, Lohnabrechnung des letzten Dienstgebers) habe der mögliche Dienstgeber von einer Einstellung abgesehen. Es komme nicht darauf an, welches Motiv der BF gehabt hat, eine solche „Bewerbung“ zu übermitteln und auch nicht darauf, dass er „immer“ diese Form von Bewerbung verwende, sondern nur darauf, ob diese von ihm übermittelte „Bewerbung“ geeignet gewesen sei, den potenziellen Arbeitgeber von der Einstellung abzuhalten. Der BF habe dadurch eine mögliche Arbeitsaufnahme bei Firma M. Transporte GmbH in P. vereitelt. Im Zeitraum vom 7.8.2020 bis 17.9.2020 bestehe daher mangels Vorliegen von Arbeitswilligkeit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

7. Mit Schreiben vom 15.10.2020 stellte der BF fristgerecht einen (nicht weiter begründeten) Vorlageantrag.

8. Am 23.10.2020 legte das AMS den Akt dem BVwG vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Das AMS hat dem BF - einem Bezieher von Arbeitslosengeld – am 29.7.2020 ein Stellenangebot als Transportmanager/Disponent bei der Firma M. Transporte GmbH („Frühdispo“ am Standort P. auf Basis von 25-30 Wochenstunden; das Entgelt für diese Position könne deutlich über dem KV in Höhe von € 1.700,- Brutto liegen) übermittelt und ihn aufgefordert, sich umgehend so wie im Inserat beschrieben zu bewerben.

Laut Stellenangebot möge die Bewerbung an eine näher genannte E-Mail-Adresse des Dienstgebers erfolgen.

1.2. Der BF übermittelte daraufhin dem Dienstgeber M. - postalisch - (lediglich) das AMS-Rückmeldeformular, das Stellenangebot des AMS, seinen bloßen Lebenslauf (ohne konkrete Bewerbung) und die Lohnabrechnung des letzten Dienstgebers. Die Beschäftigung kam nicht zustande.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des AMS.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar und unbestritten aus dem Akteninhalt. Die vom BF – postalisch – übermittelten Unterlagen ergeben sich einerseits aus den (mehrfachen) eigenen Angaben des BF im Verfahren (arg. etwa der BF in seiner Stellungnahme vom 13.8.2020 bzw. Beschwerde: „Die Firma hat von mir als erste Seite das Stellenangebot, weiters einen Lebenslauf und die letzte Lohnabrechnung erhalten. … Mir ist auch nicht bekannt, was unter einem Anschreiben gemeint ist“) und der damit dem Grunde nach im Einklang stehenden Rückmeldung des Dienstgebers an das AMS vom 7.8.2020, wonach der BF nur einen „Lebenslauf ohne Anschreiben“, „jedoch mit den AMS Bestätigungsformularen“ zugesandt habe. Der diesbezügliche Sachverhalt ist somit unstrittig.

Das Vorbringen des BF, er habe den Dienstgeber bereits am Tag nach der Zuweisung der Stelle zwecks Durchführung eines Bewerbungsgesprächs persönlich aufsuchen wollen, sei dabei jedoch am Zutritt gehindert worden, spielt – wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aufgezeigt wird – im Übrigen keine Rolle.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Das Vorschlagsrecht für die Bestellung der erforderlichen Anzahl fachkundiger Laienrichter und Ersatzrichter steht gemäß § 56 Abs 4 AlVG für den Kreis der Arbeitgeber der Wirtschaftskammer Österreich und für den Kreis der Arbeitnehmer der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu; die vorgeschlagenen Personen müssen über besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung verfügen.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Das AMS hat gegenständlich eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen und der BF hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt; gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Anders als in § 64a AVG tritt mit der Vorlage der Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft; Beschwerdegegenstand im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht soll die Beschwerdevorentscheidung sein (EB zur RV 2009 dB XXIV.GP, S. 5).

3.3. Zum Ausspruch des Verlusts des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 7.8.2020 bis zum 17.9.2020 gemäß § 10 AlVG:

3.3.1. Die hier einschlägigen Bestimmungen des AlVG lauten:

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

(3) - (8) (...)

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, …

2. (...)

3. (...)

4. (...)

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

(2) (...)

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

(4) (...)

3.3.2. Einschlägige Rechtsprechung:

Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, existentiell abzusichern und ihn durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. VwGH, 23.2.2005, 2003/08/0039; 4.9.2013, 2011/08/0200, mwN).

Während § 9 AlVG den Begriff der Arbeitswilligkeit definiert und Kriterien für die Bestimmung der Zumutbarkeit einer durch das Arbeitsmarktservice bzw. einen von diesem beauftragten Arbeitsvermittler vermittelten Beschäftigung bzw. Nach(Um)schulung oder Wiedereingliederungsmaßnahme enthält, sanktioniert § 10 AlVG durch befristeten Leistungsausschluss das Verhalten desjenigen, der die Beendigung des Zustandes der Arbeitslosigkeit schuldhaft zu vereiteln sucht.

Um sich in den Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wege verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wege, vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermines oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach der allgemeinen Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichtemacht (vgl. VwGH 26.10.2010, 2008/08/0017 und 2008/08/0244 sowie jüngst VwGH 29.01.2014, 2013/08/0265).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. VwGH 18.11.2009, 2009/08/0228; 26.10.2010, 2008/08/0244).

3.3.3. Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:

3.3.3.1. Wenn ein Arbeitsloser eine zumutbare Beschäftigung im Sinne des § 9 Abs 2 AlVG nicht annimmt bzw. die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so führt dies gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AlVG zum temporären Verlust des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe.

Konkret wurde dem BF den getroffenen Feststellungen zufolge seitens des AMS am 29.7.2020 ein Stellenangebot als Transportmanager/Disponent bei der Firma M. Transporte GmbH („Frühdispo“ am Standort P. auf Basis von 25-30 Wochenstunden) übermittelt und wurde er aufgefordert, sich umgehend so wie im Inserat beschrieben – das heißt: per E-Mail - zu bewerben. Gegen die Zumutbarkeit der Stelle wurden seitens des BF keine Einwände vorgebracht und sind auch in objektiver Hinsicht sind keine Umstände ersichtlich, die gegen die Zumutbarkeit der Stelle sprechen würden.

3.3.3.2. Der BF übermittelte daraufhin dem Dienstgeber M. – und zwar postalisch - (lediglich) das AMS-Rückmeldeformular, das Stellenangebot des AMS, seinen bloßen Lebenslauf (ohne konkrete Bewerbung) und die Lohnabrechnung des letzten Dienstgebers.

Bei diesem Verhalten handelt es sich um eine geradezu idealtypische Vereitelungshandlung:

Dass eine derartige Art der „Bewerbung“ einen potentiellen Dienstgeber von weiteren Schritten zur Einstellung des „Bewerbers“ abhält, liegt auf der Hand und bedarf keiner umfangreichen Ausführungen. So ist für einen potentiellen Dienstgeber offensichtlich, dass ein „Bewerber“, der es (wie aus den eigenen Angaben des BF unmissverständlich hervorgeht: ganz bewusst) nicht einmal für notwendig erachtet, ein Bewerbungsschreiben für die Stelle zu verfassen und zu übermitteln, sondern dem potentiellen Dienstgeber lediglich diverse Unterlagen wie seinen bloßen Lebenslauf, das AMS-Rückmeldeformular sowie die Lohnabrechnung seines letzten Dienstgebers zusendet, tatsächlich kein Interesse an der Erlangung der angebotenen Stelle hat. Ein derartiges Verhalten bezweckt geradezu typischerweise, den potentiellen Dienstgeber von weiteren Schritten zur Einstellung des „Bewerbers“ abzuhalten. Insofern steht auch außer Zweifel, dass beim BF zumindest bedingter Vorsatz im Hinblick auf die Vereitelung vorlag, wobei man sich etwa auch die geradezu provokanten Ausführungen des BF in seiner Stellungnahme vom 13.8.2020 bzw. seiner Beschwerde vor Augen halten muss, die Übermittlung eines Anschreibens sei „noch nie notwendig“ gewesen; „mir ist auch nicht bekannt, was unter einem Anschreiben gemeint ist“. Das Verhalten des BF stellt unzweifelhaft eine Vereitlungshandlung im Sinne von § 10 Abs 1 AlVG dar.

Daran vermag auch das Vorbringen des BF, er habe den Dienstgeber bereits am Tag nach der Zuweisung der Stelle zwecks Durchführung eines Bewerbungsgesprächs persönlich aufsuchen wollen, sei dabei jedoch am Zutritt gehindert worden, woraufhin er sich eben zur postalischen Übermittlung der erwähnten Unterlagen entschlossen habe, nichts zu ändern. So hätte sich der BF laut Stellenangebot per E-Mail zu bewerben gehabt und ist auch durchaus verständlich, dass der Dienstgeber – so man von der Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben des BF ausginge – den BF am Zutritt gehindert hätte, zumal dieser keinen Termin hatte. Dies hätte den BF aber nicht daran gehindert, eine ordnungsgemäße und nicht vereitelnde Bewerbung (wie gefordert per E-Mail) durchzuführen.

3.3.3.3. Der BF hat durch sein Verhalten somit eine Vereitelungshandlung im Sinne von § 10 Abs 1 AlVG im Hinblick auf die ihm vom AMS angebotene, zumutbare Stelle als Transportmanager/Disponent bei der Firma M. Transporte GmbH gesetzt.

3.3.3.4. Somit wurde im gegenständlichen Fall der Verlust des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 7.8.2020 bis zum 17.9.2020 gemäß § 10 AlVG (in der Dauer von sechs Wochen) dem Grunde nach zu Recht ausgesprochen.

3.3.3.5. Anhaltspunkte für das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Umständen iSd § 10 Abs 3 AlVG sind im Übrigen nicht erkennbar. Seitens des BVwG wurde ergänzend eine Abfrage beim Dachverband dahingehend vorgenommen, ob der BF mittlerweile allenfalls eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat; das Ergebnis lautete dahingehend, dass der BF jedenfalls bis zum 19.3.2021 (dem Zeitpunkt der Abfrage, somit weit über die Sperrfrist hinaus) keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat; es scheinen nur diverse geringfügige Beschäftigungen des BF auf. Insofern liegt folglich kein berücksichtigungswürdiger Grund vor.

3.3.4. Somit ist die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung zum Verlust des Arbeitslosengeldes für einen bestimmten Zeitraum wegen der Vereitelung der Annahme einer zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AlVG von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es zu Fällen wie dem gegenständlichen an einer Rechtsprechung, wobei diesbezüglich auch auf die oben dargestellte, umfangreiche Judikatur (Punkt 3.3.2.) verwiesen sei; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage – insbesondere auch aufgrund der vom BF selbst getätigten Eingaben - als geklärt.

Schlagworte

Anspruchsverlust Arbeitslosengeld Bewerbung Vereitelung zumutbare Beschäftigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L503.2236307.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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