Entscheidungsdatum
25.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I419 2176045-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. ÄGYPTEN, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A) 1. Die Beschwerde wird betreffend die Spruchpunkte I bis III mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“
2. Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Spruchpunkte IV, V, VI und VII gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Mai 2015 nach illegaler Einreise den ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er angab, er werde im Herkunftsstaat als Christ verfolgt. Er habe die Schule nicht beenden dürfen und keine anständige Arbeit bekommen. In der Heimat habe er keine Zukunft. Ergänzend brachte er nach 11 Monaten vor, die Eltern seiner muslimischen Freundin hätten ihn 2013 umbringen wollen, seine Schulkollegen 2012 geschlagen. Das letzte Jahr vor seiner Ausreise habe er deshalb in Kairo verbracht.
Das BFA hat den Antrag 2017 als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, wider ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist. Die Beschwerde dagegen, in der ergänzend die Ermordung des Onkels behauptet wurde, hat dieses Gericht am 28.06.2018 zu I409 2176045-1/14E als unbegründet abgewiesen. Der VfGH hat die Behandlung einer Beschwerde dagegen (nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung am 07.08.2018, E 3056/2018-4) abgelehnt (23.09.2019, E 3056/2018-11), der VwGH die Revision zurückgewiesen (30.12.2019, Ra 2019/01/0491-3).
3. Am 22.09.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag, den das BFA mit dem bekämpften Bescheid betreffend die Status des Asyl- und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückwies (Spruchpunkte I und II). Unter einem erteilte es keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt V) und keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI), und verhängte wider diesen ein Einreiseverbot für ein Jahr (Spruchpunkt VII).
4. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer befinde sich seit fast sechs Jahren im Bundesgebiet, wo er mehrere Jahre lang legal gearbeitet sowie sprachliche, soziale und berufliche Bindungen habe. Er leide an einer Depression und einer Anpassungsstörung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers
Der ledige, kinderlose, volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ägypten, Araber und koptisch orthodoxer Christ. Im Herkunftsstaat hat er zuletzt in Kairo gelebt, davor bis Feber oder März 2014 in seiner Geburtsstadt Minya, und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Dort leben seine drei Schwestern, 14, 17 und 24 beim Vater, Anfang 50, in Minya, das Haus gehört dem Vater, und sein Bruder, Ende 20.
Seine Mutter ist nach seinen Angaben im Sommer 2020 mit ca. 47 nach einer CoV-Infektion verstorben. Mit dem Bruder sowie den Schwestern ist er ab und zu in Kontakt. Er hat von 2000 bis 2014 die Schule besucht, das Gymnasium aber nicht abgeschlossen. Im Mai 2015 reiste er aus und gelangte von Italien kommend illegal nach Österreich.
Er spricht Arabisch und wenig Deutsch. Im Wintersemester 2015/16 hat er einen Kurs „Lesen & Schreiben 2“ besucht, im Sommersemester 2016 einen Kurs Deutsch A 1.1 und 2018 einen Integrationskurs Deutsch A2. Im Erstverfahren hat er die Kursbestätigungen, Empfehlungsschreiben, Bestätigungen betreffend Besuch katholischer Gottesdienste, seinen Arbeitsvertrag sowie den Mietvertrag seiner Garconniere vorgelegt. Damals war er auch „Mitglied“ in einem Fitnessstudio.
Von Juli 2016 bis Dezember 2019 war er bewilligt nach dem AuslBG vollversichert mit Unterbrechungen im Gastgewerbe als Hausbursche, Abwäscher und Küchenhilfe beschäftigt, seinen Angaben nach auch als Koch eingesetzt, und bezog dazwischen Arbeitslosengeld. Bereits in der Saisonarbeit 2016 erzielte er einen Bruttolohn von durchschnittlich rund € 1.850,-- monatlich inklusive Sonderzahlungen von rund € 200,--. Er war selbsterhaltungsfähig, solange er arbeiten durfte. Seine Deutschkenntnisse reichten dafür aus. Sein Nettolohn lag 2018 bei € 1.200,-- bis € 1.400,-- monatlich.
Er hielt sich von Ende Feber bis Mitte September 2020 in Deutschland auf, wo er erfolglos einen Asylantrag stellte, und befindet sich seither wieder im Inland. Derzeit erhält er Grundversorgung sowie nach seinen Angaben von einem Freund irakischer Herkunft „volle Unterstützung“ und auch Geld. Leistungen nach dem AlVG bezieht er mangels Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt nicht.
Laut dem BFA-Bescheid im Erstverfahren hat er gemeinnützige Arbeit im Rahmen des Caritasprojekts „Nachbarschaftshilfe“ geleistet und ging regelmäßig in die Kirche.
Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied eines Vereins oder einer anderen Organisation außer der Kirche. Er hat im Inland keine familiären Anknüpfungspunkte. Über seinen Freundes- und Bekanntenkreis, das Vorhandensein einer (Wieder-) Einstellungszusage, den Erwerb eines Führerscheins, freiwillige Hilfstätigkeiten oder andere Integrationsfaktoren sind keine aktuellen Feststellungen möglich.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten, unterließ aber mehrfach An- oder Abmeldungen nach dem MeldeG. Rund 14 Monate wies er Obdachlosenmeldungen auf, teils während er in einem Hotel arbeitete.
Er leidet unter einer jedenfalls mittelgradigen depressiven Episode (ICD: F32.1) und/oder einer Anpassungsstörung (ICD: F43.21, verlängerte depressive Reaktion). Die Medikation mit einem Antidepressivum wurde ihm empfohlen. Er konsumiert (außer Ascorbisal, das die Wirkstoffe von Aspirin C enthält) die Medikamente Paspertin (Wirkstoff Metoclopramidhydrochlorid), das zur symptomatischen Behandlung von Übelkeit und Erbrechen verwendet wird, auch z. B. bei Migräne, Trittico (Wirkstoff Trazodonhydrochlorid), ein Antidepressivum, sowie Mirtazapin (Wirkstoff Mirtazapin), ein weiteres Antidepressivum. Der ihn im Auftrag des BFA untersuchenden Ärztin hat er auch das Schlafmittel Zolpidem vorgelegt (Wirkstoff: Zolpidemtartrat). Bei zunehmender Belastung sind eine Affekthandlung oder ein Suizid möglich. Im Fall seiner Abschiebung sind eine plötzlich auftretende Neigung zur Selbsttötung oder Affekthandlungen nicht auszuschließen oder wahrscheinlich.
Nach eigenen Angaben nimmt er seit November 2019 Antidepressiva und ist in psychologischer Behandlung. Der genannte Freund begleite ihn zum Arzt und bezahle Rezepte und Behandlung. Befunde hat er nicht vorgelegt. Es kann nicht festgestellt werden, welche Medikamente der Beschwerdeführer benötigt, und auch nicht, ob und gegebenenfalls welche andere Therapie.
1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat:
1.2.1 In Ägypten sind die Wirkstoffe Metoclopramid und Mirtazapin verfügbar. Es kann nicht festgestellt werden, dass Trazodon dort verfügbar ist.
1.2.2 Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten mit Stand 01.02.2021 zitiert. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.
Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
Kopten
Kopten, die etwa 10 % der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind immer wieder Opfer von Diskriminierung durch die Gesellschaft, die vor allem in Oberägypten, spezifisch in der Region Minya, teilweise in Gewalt mündet. Der Schutz durch Sicherheitsbehörden reicht in diesen Fällen oft nicht aus. Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Hierbei leiden koptische Christen innerhalb der von Prinzipien (kollektiver) Vergeltung und traditionellen Streitschlichtungsmechanismen geprägten Strukturen häufig unter strukturellen Benachteiligungen und Diskriminierungen (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, USDOS 10.6.2020, OHCHR 16.10.2020, ÖB 25.11.2020).
Unter der Regierung von Staatspräsident Al-Sisi hat sich die Sicherheitslage der Christen deutlich verbessert. Die Sicherheitskräfte bemühen sich sichtbar um den Schutz von Kirchen, besonders an christlichen Feiertagen. Es kommt allerdings weiterhin vereinzelt zu Anschlägen auf Christen durch radikal islamistische Gruppierungen (zuletzt am 2. November 2018 mit sieben Todesopfern). Im Nachgang zeigt die Regierung stets sichtbaren Aktionismus und schnelles Vorgehen gegen die Täter (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, ÖB 25.11.2020).
Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein einerseits lange erwartetes, andererseits hoch umstrittenes Gesetz über den Bau von Kirchen in Ägypten. Obwohl die Führungspersönlichkeiten der drei großen christlichen Kirchen dem Gesetz zugestimmt haben, lassen vage Formulierungen Raum für Diskriminierung in der Praxis; dem Kirchenbau sind weiterhin gesetzliche Hürden in den Weg gestellt (AA 13.6.2020; OHCHR 16.10.2020).
Da sich Kopten im Staatsdienst oftmals nicht gleichberechtigt aufgenommen sehen, streben viele, teilweise erfolgreich, in die Wirtschaft. Sowohl unter den besonders Armen wie den besonders Reichen finden sich zahlreiche Kopten. Unter den reichsten Unternehmern Ägyptens sind rund ein Drittel koptische Christen. Kopten sind in liberalen Berufen besonders erfolgreich. Bei Apothekern, Ärzten und Rechtsanwälten sind sie über ihren Bevölkerungsanteil hinaus repräsentiert. Andererseits gehören zu den ärmsten der Armen auch viele Kopten, die beispielsweise in der Abfallbeseitigung eine tragende Rolle spielen (AA 13.6.2020).
Medizinische Versorgung
Neben den relativ zahlreichen, sehr teuren Kliniken und Krankenhäusern mit internationalem Renommee gibt es in Ägypten ein Netz von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die vom Leistungsniveau europäischer Standards abweichen (MSZ o. D.). In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 30.11.2020). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängeln in der staatlichen Versorgung – mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 6.2020g).
Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 13.6.2020). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 6.2020g). Der Mangel an eigenen finanziellen Mitteln ist gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit, irgendeine medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen (MSZ o. D.). Informelle Zuzahlungen stellten im Jahr 2017 60 % der Gesundheitsausgaben dar (OBG 2020).
Aktuell soll eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden (GIZ 6.2020g). Im Jahr 2018 wurde ein Gesetz zur universellen Krankenversicherung (UHI) verabschiedet. Es gab lange Diskussionen um einen universellen Versicherungsschutz, aber die Dynamik nahm nach dem Start eines Pilotprojekts in Port Said im Juli 2019 zu. Im Mai 2020 kündigte Premierminister Mostafa Madbouly an, dass ein oberster Gesundheitsrat geschaffen werden soll, um den Sektor zu stärken. Der Rat hat die Aufgabe, eine einheitliche Gesundheitsstrategie für das Land zu entwickeln und die Entwicklung der nationalen Krankenhäuser zu beschleunigen. Der universelle Versicherungsschutz soll in den kommenden Jahren nach und nach ausgerollt werden bis 2023 sollen voraussichtlich 15-17 Millionen Menschen abgedeckt sein (OBG 2020).
Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 13.6.2020). Jedoch stellen nachgemachte oder gefälschte Medikamente ein Problem dar (OBG 2020).
In den vergangenen Jahren wurden mehrere Programme initiiert, um die Aufklärung und Behandlungsergebnisse bei einer Reihe von Krankheiten zu verbessern. Die im Oktober 2018 gestartete Kampagne „100 Million Healthy Lives“ soll die allgemeine Gesundheit der Ägypter durch Prävention und Früherkennung verbessern. Die Bekämpfung von Covid-19 nimmt im Jahr 2020 den größten Teil der Aufmerksamkeit im Gesundheitswesen in Anspruch (OBG 2020).
Hepatitis C ist in Ägypten weit verbreitet, ca. 20% der Bevölkerung ist betroffen (AA 30.11.2020). Durch flächendeckende Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen soll die Krankheit bis 2023 eliminiert werden. Personen, bei denen die Infektion diagnostiziert wird, werden zur kostenlosen Behandlung an Krankenhäuser überwiesen (OBG 2020).
Im öffentlichen Gesundheitswesen besteht für Psychiatrie nur eine minimale Versorgung (AA 13.6.2020).
1.2.3 Dem letztzitierten Beitrag (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten, Stand: März 2020) ist ferner zu entnehmen: Im Großraum Kairo gibt es über 100 staatliche Krankenhäuser, unter anderem die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können und die auch für chronische Krankheiten – hauptsächlich aus dem Bereich der Inneren Medizin und Psychiatrie – Behandlungsmöglichkeiten bieten. Im öffentlichen Gesundheitswesen besteht für letztere nur eine minimale Versorgung.
1.2.4 Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Beschwerdeführer im Rückkehrfall Therapie gegen Depressionen oder Anpassungsstörungen tatsächlich zur Verfügung steht.
1.3 Zum Fluchtvorbringen:
1.3.1 Der Beschwerdeführer stellte 2015 den ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Verfolgung aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit begründete. Er werde als koptischer Christ in Ägypten verfolgt, insbesondere wegen seiner intimen Beziehung mit einer Muslima. Die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid wurde nach Verhandlung als unbegründet abgewiesen, weil sich das Fluchtvorbringen als unglaubhaft erwies.
1.3.2 Zum Folgeantrag auf internationalen Schutz brachte der Beschwerdeführer im Verfahren vor, dass er Ägypten verlassen habe, weil er Christ sei. Seine Fluchtgründe seien unverändert, vielleicht „mehr geworden“, und bestünden seit er geboren sei. Jeden Tag passiere Christen im Herkunftsstaat Schlimmes. In Österreich wolle er bleiben, bis er gesund sei. Er wisse nicht, wohin er gehen werde, aber hier bleibe er nicht. Jeden Tag rede er mit sich selber, und das mache ihn verrückt. Er wolle kein Asyl in Österreich, ihm reiche es jetzt auch, er wolle die Ablehnung gerne schnell in der Hand haben.
Beschwerdehalber ergänzte er, in den letzten Jahren regelmäßig in Vorarlberg die koptische Kirche besucht, dies auch mehrfach in Wien getan, und Tätowierungen christlicher Symbole zu haben, unter anderem auf der Hand.
1.3.3 Im vorliegenden dritten Folgeantrag hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes neues Vorbringen erstattet. Er hält die geltend gemachten Fluchtgründe weiter aufrecht.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in seinem nunmehrigen Folgeverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird wie bisher festgestellt, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit dieser Rückkehrentscheidung nicht eingetreten, insbesondere nicht auf das Vorbringen bezogen.
Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers hat sich gegenüber der letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung verschlechtert.
Es ist aber nicht ersichtlich, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
1.3.4 Im bekämpften zurückweisenden Bescheid stellt das BFA fest, dass beim Beschwerdeführer eine mittelgradige psychische Störung vorliege. Wie diese rechtlich zu werten sei und inwieweit eine Überstellung in den Herkunftsstaat einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers „gleichkommen würde“, ergebe sich „aus den weiter unten stehenden Erläuterungen“, wobei das BFA auf einen nicht aufzufindenden Begründungsteil zu seinem Spruchpunkt II verweist (lautend: „Zu Ihrem psychischen und physischen Zustand wird folgendes angemerkt“). (S 33, AS 381) Zum Privat- und Familienleben stellt das BFA hingegen fest, es könne unter Beachtung „sämtlicher bekannter Tatsachen“ kein „unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 EMRK erkannt werden“ (S. 10, AS 335).
1.3.5 Die Rückkehr des Beschwerdeführers wäre ein Eingriff in sein Privatleben, im Speziellen (auch) als Patient und als Arbeitnehmer.
1.3.6 Wie bereits im Vorerkenntnis wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit einer Verfolgungsgefahr zu rechnen hat, und auch eine reale Gefahr einer existenzbedrohenden Notlage nicht zu erwarten ist.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich, soweit im Folgenden nicht speziellere Erwägungen genannt sind, aus dem 2018 ergangenen Erkenntnis dieses Gerichts sowie dem Akteninhalt der Verwaltungsakten des BFA. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem ZMR, der Sozialversicherungs-Datenbank, dem Firmenbuch (zu den Arbeitgebern) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht auf Basis des in Kopie vorgelegten Reisepasses fest. Die Feststellung seiner Unbescholtenheit ergab sich aus dem Strafregister. Seine Lebensumstände samt Ausbildung, Arbeitsmarkterfahrung sowie Privat- und Familienleben ergaben sich aus den bisherigen Feststellungen, seinen Angaben, speziell zuletzt vor dem BFA und der Ärztin Dr.in H., sowie den Abfragen der Register Grundversorgung und ZMR.
Genauere oder aktuelle Feststellungen zum sozialen Umfeld des Beschwerdeführers sind mangels Ermittlungen des BFA zu diesen Umständen nicht möglich. Bei der Einvernahme wurde der Beschwerdeführer weder nach seinem Freundes- und Bekanntenkreis gefragt, noch nach seinem Tagesablauf oder seinen Aktivitäten. Betreffend den namentlich genannten Freund und Helfer (AS 261) wurden keine für weitere Feststellungen tauglichen Angaben erfragt (Alter, Anschrift, Aufenthaltsstatus etc.).
Der Beschwerdeführer hat bei der Ärztin Dr.in H. sinngemäß angegeben, vier Jahre lang im Verband derjenigen österreichischen Familie(n) gelebt zu haben, welche ihn im Hotel beschäftigt hätte(n). Dort habe er die letzten 1 ½ Jahre allein gekocht. (AS 285) Das BFA hat ihm die ärztliche Befundung am 24.02.2020 zugestellt (AS 299) und die Möglichkeit gegeben, bis 26.02.2020, also innerhalb von zwei Tagen dazu „eine Stellungnahme“ abzugeben (AS 299). Konkrete Fragen, z. B. nach dem angedeuteten Familienanschluss oder einer zugesagten Wiederbeschäftigung, wurden dabei nicht gestellt.
Eine genauere Feststellung der Erkrankung des Beschwerdeführers – also ob ICD F32.1 oder F43.21 oder beides – scheiterte daran, dass die „Gutachterliche Stellungnahme“ von Dr.in H. (AS 283 ff) zwar eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung bestätigt, diese aber wie folgt angibt: „Mittelgradige depressive Episode F32.1, differentialdiagnostisch: Anpassungsstörung F43.21, nach dem Tod der Mutter“. (AS 287) Auch die nähere Umschreibung (AS 289, „jedenfalls“) lässt keine weitere Eingrenzung zu.
Laut Duden ist mit Differenzialdiagnose entweder die „Krankheitsbestimmung durch unterscheidende, abgrenzende Gegenüberstellung mehrerer Krankheitsbilder mit ähnlichen Symptomen“ gemeint, oder aber „jede der bei der Differenzialdiagnostik konkurrierenden Diagnosen“. Demnach kann der „Gutachterlichen Stellungnahme“ von Dr.in H. entnommen werden, dass der Beschwerdeführer die genannten Erkrankungen alternativ hat, oder die erstgenannte, weil die zweite ausgeschlossen wurde, oder aber, dass beide infrage kommen (wofür das „Oder“ auf AS 289 spricht).
Betreffend den Therapiebedarf waren genauere Feststellungen nicht möglich, weil in der zitierten Stellungnahme zwar bejaht wird, dass therapeutische und medizinische Maßnahmen anzuraten sind, dazu allerdings (abgesehen von einer empfohlenen dermatologischen Untersuchung wegen des Verdachts einer genannten Hautkrankheit) nur angemerkt ist: „Ein Antidepressivum wäre ratsam.“ (AS 289) Die anschließende Frage, „Wenn ja, welche Maßnahmen sind unbedingt (und konkret: warum) sofort notwendig?“, blieb (trotz des „ja“) unbeantwortet, ebenso: „Beschreibung der empfohlenen konkret hierzu notwendigen Behandlungen und Therapeutischen Maßnahmen:“. Lediglich zu den Auswirkungen einer Überstellung erfolgt eine Antwort, nämlich:
„Bei Überstellung ist eine Affekthandlung/akute Suizidalität nicht sicher auszuschließen bzw. wahrscheinlich.“
Mit Blick auf das „bzw.“ erfolgte die Alternativfeststellung „nicht auszuschließen oder wahrscheinlich“. Die vorangehende Feststellung betreffend Belastungsfolgen ergab sich aus der Befundung weiter oben auf AS 289 („durchaus im Bereich des Möglichen“).
Die Feststellungen betreffend die Wirkstoffe der Medikamente waren nach Abfragen im Arzneispezialitätenregister des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen zu treffen (aspregister.basg.gv.at).
2.3 Zum Herkunftsstaat:
Zur Verfügbarkeit der Wirkstoffe im Herkunftsstaat waren die Feststellungen in Quellen der Staatendokumentation des BFA zu gründen, konkret „HAI – Health Action International: Egypt; Prices and affordability of medicines to treat non-communicable diseases” (September 2013) betreffend Metoclopramid(e) (www.haiweb.org/medicineprices/surveys/201309EG/sdocs/NCD_Pharma_Report_Egypt.pdf) und „Anfragebeantwortung zu Ägypten: Paranoide Schizophrenie, chronisch F 20.00, Rezidiv depressive Störung F 33.1 und Posttraumatische Belastungsstörung“ (Oktober 2019) zu Mirtazapin (www.ecoi.net/en/file/local/2017464/AEGY_RF_MEV_Paranoide+Schizophrenie %2C+Rezidiv+depressive+St%C3%B6rung+und+PTBS_2019_10_01_KEM.odt).
Betreffend Trazodon war der Staatendokumentation allerdings zum Herkunftsstaat nichts zu entnehmen, auch nicht unter den Vertriebsnamen (go.drugbank.com/drugs/DB00656) Trazodone, Desyrel, Oleptro und Trazorel oder der lateinischen Bezeichnung Trazodoni Hydrochloridum. Seine Verfügbarkeit dort konnte daher nicht festgestellt werden.
Zur Verfügbarkeit der Therapie gegen Depressionen oder Anpassungsstörungen waren mit Blick auf die wenigen Angaben zur Psychiatrie in den Länderberichten und mangels spezifischer Information in der Staatendokumentation keine Feststellungen möglich.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation vom 01.02.2021 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Der Länderinformationsbericht ist aktuell, weshalb die unter 1.2 getroffenen Feststellungen jenen des BFA entsprechen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Zu den (ihm am 28.09.2020 übergebenen, AS 137) Länderinformationen gab der Beschwerdeführer an, er haben sie nicht erhalten, wolle sie auch nicht und auch keine Stellungnahme zu ihnen abgeben. (AS 267). Damit ist der Beschwerdeführer den Informationen nicht substantiiert entgegengetreten.
2.4 Zum Fluchtvorbringen
Die Feststellungen betreffend das vom Beschwerdeführer jeweils Vorgebrachte folgen der Aktenlage.
Bereits im Erstverfahren hat dieses Gericht nach Verhandlung festgestellt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft war (S. 23 ff des Erkenntnisses im Beschwerdeverfahren). Der Beschwerdeführer werde im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten also mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. (S. 3 des Erkenntnisses)
Im Folgeverfahren hat der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht, betreffend den Kirchbesuch wurde weder dargetan, dass dieser erst nach Rechtskraft des Erstverfahrens begonnen hätte (in Wien war er zuletzt Mitte 2015 gemeldet), noch erklärt, dass dieser von Einfluss auf die Situation nach einer Rückkehr wäre. Die in der Beschwerde erwähnten Tattoos waren schon im Erstverfahren bekannt (dort AS 71).
Wie bereits im Erstverfahren vermochte der Beschwerdeführer damit weder plausible noch substantiierte Fluchtgründe für seine Person vorzubringen.
Die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes war festzustellen, weil der Beschwerdeführer beim letzten Erkenntnis noch gesund und erwerbsfähig war (S. 3 des Erkenntnisses), was auch seinen Angaben zur Gesundheit in der Beschwerdeverhandlung entsprach (S. 3 der Niederschrift). Demgegenüber wurden zwar vom Polizeiarzt am 22.09.2020 anlässlich der Anhaltung weder Schmerzen noch Medikamente oder Beschwerden sowie die Haftfähigkeit protokolliert, allerdings erweist sich die „Gutachterliche Stellungnahme“ vom 10.02.2021 nicht nur als detaillierter, sondern auch als aktueller.
Es ist nicht zu übersehen, dass der Beschwerdeführer erst in der nach Rechtsberatung durchgeführten Einvernahme am 23.12.2020 die Medikamente vorlegte und erstmals angab, Antidepressiva zu nehmen, noch dazu schon seit November 2019, also am 22.09.2020 bereits seit fast einem Jahr. Andererseits hat er angegeben, dass ihm nach dem Tod seiner Mutter, den er mit August 2020 datierte, ein solches Medikament verschrieben worden sei.
Klarer sind indes die Angaben bei der Untersuchung durch Dr.in H. am 28.01.2021, wonach er ab ca. November 2019 fünf Monate wegen seiner Beschwerden Tabletten genommen, dann aber damit aufgehört habe. Die (näher beschriebenen) Beschwerden seien nach dem Tod der Mutter wieder massiv geworden. (AS 283)
Dokumentiert ist vor allem aber auch in den medizinischen Aufzeichnungen der Unterkunft, dass er schon im Oktober 2020 starke Schmerzmittel verschrieben bekam (Ibumetin 400 mg vor dem 09.10.2020, Mefenam 500 mg, zweimal täglich am diesem Tag), dennoch am 02.11.2020 zitterte und wegen andauernder Schlafstörungen Trittico 75 mg erhielt, dessen Dosis er bis 27.11.2020 von einer halben auf eine ganze Tablette verdoppelt hatte. (AS 239)
Demnach finden sich für die – auch vom BFA grundsätzlich festgestellte – psychische Erkrankung bereits vor der am 13.11.2020 stattgefundenen Rechtsberatung Hinweise, auch wenn sich dem Akt nicht entnehmen lässt, zu welchem Ergebnis die am 27.11.2020 erfolgte Überweisung zur psychiatrischen Untersuchung geführt hat. (AS 239)
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde und Teilbehebung
Das bereits im vorangegangenen Verfahren erstattete Fluchtvorbringen und die dort geltend gemachten Gründe sind bereits abschließend beurteilt und in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Erledigung berücksichtigt worden. Insofern geht es im aktuellen Folgeverfahren um die Prüfung der darüber hinaus geltend gemachten neuen Tatsachen und im Beschwerdeverfahren um den Inhalt des nun bekämpften Bescheids.
Da die belangte Behörde den Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.
3.1 Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I und II):
Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung. Die §§ 69 und 71 AVG bezeichnen die Rechtsinstitute der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die beide hier nicht anwendbar sind.
Die Anordnung, dass Anbringen unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 AVG nicht inhaltlich behandelt, sondern zurückgewiesen werden, soll die wiederholte Befassung der Behörde mit einer bereits entschiedenen Sache vermeiden, wobei es auf die unveränderte Sach- und Rechtslage ankommt.
Wie dieses Gericht im Ersterkenntnis I409 2176045-1/14E geklärt hat, war das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die angebliche Verfolgung unglaubwürdig, und sprach nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde.
Anspruch auf Gewährung von subsidiärem Schutz kann nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch dann bestehen, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. (VwGH 30.07.2020, Ra 2019/20/0301 mwN)
Nach den Feststellungen ist die Diagnose nicht eindeutig und auch offen, welche Therapie der Beschwerdeführer benötigt, somit auch, ob er im Rückkehrfall zu dieser (wenn vorhanden) auch tatsächlich Zugang hätte, ferner ist nicht gesichert, ob außer dem einen Antidepressivum auch das andere im Herkunftsstaat erhältlich ist, aber dennoch handelt es sich jetzt bei ihm nicht (und auch nicht behaupteter Weise) um einen Schwerkranken, dem dort ernste, rasche und unwiederbringliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands droht, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt.
Eine Änderung des für den Anspruch auf Asyl oder subsidiären Schutz maßgeblichen Sachverhalts konnte auf Basis des nunmehrigen Vorbringens demgemäß nicht festgestellt werden.
Damit stand einer neuerlichen Behandlung durch das BFA mangels einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung die bereits entschiedene Sache entgegen. Da es demnach den Folge-antrag des Beschwerdeführers zutreffend gemäß § 68 Abs. 1 AVG betreffend den Asyl- und den subsidiären Schutzstatus zurückgewiesen hat, war die Beschwerde bezogen auf die Spruchpunkte I und II nach § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III):
Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war nach der Begründung (S. 38, AS 391) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung wurde nicht behauptet. Aus der Beschwerde und aus den Verwaltungsakten ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt. Die Beschwerde war daher (mit der Maßgabe der Richtigstellung) auch betreffend Spruchpunkt III abzuweisen.
3.3 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV):
3.3.1 Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Diese Bestimmung bildet in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 auch die Rechtsgrundlage für die Rückkehrentscheidung nach einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082). Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.
Das gilt nur dann nicht, wenn diese wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist. Konkret legt § 9 Abs. 1 BFA-VG fest, dass - u. a - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig ist, wenn sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
3.3.2 Die Beurteilung, ob eine Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (VwGH 17.11.2020, Ra 2020/19/0139 mwN).
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind nach § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:
Die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z. 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z. 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z. 3), der Grad der Integration (Z. 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z. 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z. 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z. 7) sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z. 8).
Der VwGH hat unter anderem folgende Umstände - meist in Verbindung mit anderen Aspekten - als Anhaltspunkte dafür anerkannt, dass ein Fremder die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Die Erwerbstätigkeit des Fremden, das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung, eine Einstellungszusage, das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse, familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben, eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben, freiwillige Hilfstätigkeiten, ein Schulabschluss bzw. eine gute schulische Integration in Österreich oder der Erwerb des Führerscheins. (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 mwN)
Es ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit nicht nur wie festgestellt Beschäftigungsbewilligungen, vorangehende Einstellungszusagen und ausreichende Deutschkenntnisse aufwies, sondern mit der Zeit auch einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich gebildet hat. Empfehlungsschreiben hat er bereits im ersten Verfahren vorgelegt.
Feststellungen betreffend das soziale Umfeld sind aber nur ansatzweise gelungen, sodass dazu eine vollständige Gesamtbetrachtung nicht möglich ist.
3.3.3 Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Mai 2015 länger als fünf Jahre dauerte (wenn die 2020 in Deutschland verbrachten Monate abgezogen werden, sonst knapp sechs). Auch der VwGH hat eine Aufenthaltsdauer von mehr als fünf Jahren im Inland schon als einen bei der Interessensabwägung entscheidungswesentlichen Umstand genannt. (VwGH 09.12.2020, Ra 2020/18/0449) Fallbezogen hat demnach ins Gewicht zu fallen, dass der Beschwerdeführer sich mehr als fünf Jahre im Inland aufhielt, allerdings relativierend, dass dies nur rund drei Jahre rechtmäßig, also überwiegend, aber nicht durchgehend, und auf Basis eines unbegründeten Asylantrags der Fall war.
3.3.4 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in Österreich zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. (VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0139 mwN)
Die Erkrankung des Beschwerdeführers und die ihretwegen erforderliche Therapie sind aber als private Interessen nach ihrem Gewicht zu berücksichtigen, und zwar umso mehr, wenn die erforderliche Behandlung ihm im Herkunftsstaat nicht zur Verfügung stünde. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert insoweit in ständiger Rechtsprechung, dass eine in Österreich vorgenommene medizinische Behandlung im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet führen kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob diese Behandlung auch außerhalb Österreichs erfolgen bzw. fortgesetzt werden kann. (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0026 mwN)
Das BFA hat dagegen im bekämpften Bescheid in seiner rechtlichen Beurteilung zur Rückkehrentscheidung – ohne dort die Erkrankung zu erwähnen – ein „durch besondere Umstände qualifiziertes privates Interesse an einem Aufenthalt“ verneint, „welches im Einzelfall zu einem anderen Resultat führen könnte“. Die aus der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers „resultierenden privaten Interessen“ seien auf dessen rechtswidrige Handlungen zurückzuführen. (S. 43, AS 401) Indes wird nicht erklärt, warum das auch für die Krankheit des Beschwerdeführers und sein Interesse an deren Behandlung zutreffen sollte.
3.3.5 Ferner hat die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers, auch wenn sie aktuell nicht stattfindet, in die Abwägung einzugehen. (Vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0273; 28.11.2019, Ra 2018/19/0479) Dabei ist zu beachten, dass diese schon im ersten Jahr nach der Ankunft des Beschwerdeführers dessen Selbsterhaltungsfähigkeit bewirkte, allerdings auch, dass er sie angesichts seines unsicheren Aufenthalts (und in der Zeit der vom VfGH gewährten aufschiebenden Wirkung) ausübte.
Es entspricht nämlich der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthalts erworben wurden, der sich auf einen nicht berechtigten Asylantrag gründet (solche Umstände sind z. B. neben der Berufstätigkeit eine weitere soziale Integration durch das Erlernen der deutschen Sprache und den Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises in Österreich). (VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003 mwN)
Wie oben erwähnt, wäre eine Einstellungszusage ebenso zugunsten der privaten Interessen als Integrationsmerkmal zu berücksichtigen, wobei dazu keine Ermittlungen stattfanden. Das gilt auch für den Freundes- und Bekanntenkreis, zu dem sich im Bescheid keine Feststellungen finden. Auch die mögliche Selbsterhaltungsfähigkeit durch Leistungen nach dem AlVG thematisierte das BFA nicht.
Das BFA hat demgegenüber im bekämpften Bescheid ausgeführt, der Beschwerdeführer habe „seit seiner ersten Einreise [...] ausschließlich aus Mitteln der Öffentlichen Hand oder Privatpersonen gelebt“. (S. 54, AS 423) Eine Bewilligung zur Aufnahme einer Beschäftigung, „wie sie regelmäßig der Lebenssicherung (Nahrung und Obdach) dient“, sei ihm „nicht möglich“, und da er nicht berufstätig sei, könne auch nicht von seiner Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden. (S. 46 f, AS 407 ff) Die dem BFA vorgelegten Genehmigungsbescheide des AMS nach § 20 AuslBG (AS 242, 285) finden dagegen keine Erwähnung.
Der Hinweis auf „Privatpersonen“ dürfte sich auf den genannten Freund (und nicht auf Arbeitgeber) beziehen, da das BFA im bekämpften Bescheid – mangels Ermittlungen (obwohl der Beschwerdeführer sogar angab, vier Jahre als Koch gearbeitet zu haben) – unzutreffend oder doch missverständlich feststellt: „Sie sind oder waren in Österreich auch nicht berufstätig.“ Das BFA lässt dabei auch außer Acht, dass es schon in seinem Bescheid von 2017 die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers seit 2016 feststellte und ihm bereits 2018 ein Arbeitsvertrag, eine Arbeitsbestätigung mit Wiedereinstellungszusage, ein Versicherungsdatenauszug und ein Empfehlungsschreiben der damaligen Arbeitgeberin samt Lohnzetteln vorgelegt wurden.
3.3.6 Für die Rückkehr des Beschwerdeführers sprechen all dem gegenüber dessen illegale Einreise, der Umstand, dass er sein Leben bisher überwiegend im Herkunftsstaat verbracht hat und die Landessprache spricht, sowie die familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Dazu kommt das öffentliche Interesse daran, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
3.3.7 Eine Beurteilung im Sinn des § 9 BFA-VG würde voraussetzen, dass die angeführten unbekannten Sachverhaltselemente mit ihrem jeweiligen Gewicht in der Gesamtabwägung berücksichtigt werden. Aus diesem Grund kann das Verwaltungsgericht sie nicht vornehmen, wie auch das BFA es mangels hinreichender Feststellungen nicht gesetzmäßig tat. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Abwägung nach Komplettierung der Beweisaufnahmen, Einräumung einer ausreichenden Frist für eine Stellungnahme des Beschwerdeführers und Ergänzung der Feststellungen fallbezogen ein Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers z. B. aufgrund der Behandlungsnotwendigkeit zusammen mit den anderen Faktoren ergibt, und sei es auch nur, solange die adäquate Behandlung dauert, wenn sich nicht erweist, dass sie im Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer zugänglich ist.
3.3.8 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z. 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z. 2).
Nach § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Beschwerdevorlage unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell dem des § 66 Abs. 2 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 28 VwGVG Anm. 11). Bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 f AVG sind auch die Bedeutung und die Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen. Die Einräumung eines Instanzenzugs darf nicht „zur bloßen Formsache degradiert“ werden, indem sich das Asylverfahren mangels sachgerechten Eingehens und brauchbarer Ermittlungsergebnisse [in erster Instanz] „einem eininstanzlichen Verfahren [...] nähert“, in dem eine ernsthafte Prüfung des Antrages erst bei der zweiten und letzten Instanz beginnt und auch endet (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).
Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. Als Sachverhalt hat sie daher alle Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 28.07.1994, 90/07/0029 mwH).
Dennoch kommt eine Aufhebung des Bescheids nach § 28 Abs. 2 Z. 1 f VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen, besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (§ 37 AVG) „lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden“ (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z. 1 f VwGVG verneint und von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG keinen Gebrauch macht, dessen ungeachtet selbst zu entscheiden. Die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Zurückverweisungsmöglichkeit ist nämlich eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte.
3.3.9 Im vorliegenden Fall allerdings hat das BFA erforderliche Ermittlungen zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts unterlassen und bloß ansatzweise und nur grob mangelhaft ermittelt, und zwar wie angeführt. Es traf trotz der Hinweise auf jahrelange Berufstätigkeit ohne Ermittlung (eine Registerabfrage hätte genügt) seine (oben wiedergegebene) unzureichende Feststellung, welche die bewilligten Beschäftigungen übergeht, und stellte keine Ermittlungen über das Vorhandensein einer Arbeitszusage oder eines sozialen Umfeldes an.
Dem Akt ist auch nicht zu entnehmen, dass das BFA sich mit der Frage der zutreffenden Diagnose(n), dem Behandlungsbedarf oder den diesbezüglichen Möglichkeiten im Herkunftsstaat auseinandergesetzt und dazu Ermittlungen angestellt hätte. Auch zur – wie erwähnt am 27.11.2020 initiierten – psychiatrischen Untersuchung finden sich kein Ergebnis im Akt und keine Feststellung im Bescheid. Stattdessen wurde die – unklare – Formulierung der Ärztin vom Jänner in den Bescheid übernommen und auf einschlägige Feststellungen zu den Konsequenzen verzichtet, etwa der nötigen Therapie und deren Verfügbarkeit im Herkunftsstaat. In der Folge fehlt dem Bescheid sowohl was die Konsequenzen für den subsidiären Schutz angeht, eine rechtliche Beurteilung, als auch die Rückkehrentscheidung betreffend, obwohl das BFA sich anscheinend bewusst war, dass diese Konsequenzen zu erörtern sind.
Im Ergebnis beschränken sich die Feststellungen des BFA auf wenige, der gutachterlichen Stellungnahme von Dr.in H. und der vorhergehenden Einvernahme des Beschwerdeführers entnommene Angaben sowie Daten, die dem BFA bereits vorlagen. Sachverhaltselemente, die mittels Durchsicht des Voraktes oder Registerabfrage festzustellen gewesen wären, blieben unberücksichtigt. Auch der Rest des maßgeblichen Sachverhalts, der aufwändiger ermittelt werden muss, blieb ungeklärt.
Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderlichen Feststellungen durch das Gericht selbst, verglichen mit Feststellungen durch das BFA nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis oder Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wären.
Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Gericht selbst verglichen mit einer solchen durch die BFA-Dienststelle mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Der Beschwerdeführer ist in der Sitzgemeinde der BFA-Dienststelle gemeldet, ebenso ist dort die Ärztin tätig. Daher ist die BFA-Dienststelle in kurzer Zeit erreichbar, im Gegensatz zum Standort der Gerichtsabteilung im entgegengesetzten Teil des Bundesgebiets. Die Recherche betreffend die Versorgung im Herkunftsstaat obliegt ohnedies der Staatendokumentation des BFA.
Da somit die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
3.4 Zu Zulässigkeit der Abschiebung, Ausreisefrist und Einreiseverbot (Spruchpunkte V bis VII):
Da die Rückkehrentscheidung aufzuheben war, haben auch die darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte V bis VII zu entfallen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu Vorbringen im Folgeantrag, zu den Voraussetzungen der Zurückweisung nach § 68 Abs. 1 AVG, zu den amtswegigen Ermittlungspflichten oder zu den Voraussetzungen der Zurückverweisung aus verwaltungsökonomischen und Gründen des Rechtsschutzes nach § 28 Abs. 3 VwGVG im Fall der mangelhaften Sachverhaltsermittlung.
Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.
4. Unterbleiben einer Verhandlung:
Da nach § 21 Abs. 6a BFA-VG über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren (also fallbezogen gegen die Spruchpunkte I und II) und gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG dann, wenn auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist (hier: Spruchpunkte IV bis VII), ohne Abhaltung einer Verhandlung entschieden werden kann, und betreffend die Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III) eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ (§ 24 Abs. 4 VwGVG) konnte die Durchführung einer Verhandlung entfallen.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Schlagworte
Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel Behandlungsmöglichkeiten Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache Ermittlungspflicht Feststellungsmangel Folgeantrag Identität der Sache Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung medizinische Versorgung Mittellosigkeit Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung behoben subsidiärer Schutz Zurückverweisung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2176045.2.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021