Index
L5 KulturrechtNorm
B-VG Art138 Abs1 litbLeitsatz
Feststellung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über Entschädigungsansprüche nach dem Oö Natur- und LandschaftsschutzG 1982 sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach aufgrund eines Begehrens auf Übergang der Zuständigkeit auf das GerichtSpruch
Das Bezirksgericht Kirchdorf a.d. Krems ist zuständig, über den von Georg Schlader gestellten Antrag auf Entschädigung gemäß §28 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982, LGBl. 80, zu entscheiden.
Der entgegenstehende Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15. Jänner 1992, Zl. 2 Ob 569/91, wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist schuldig, dem Antragsteller, zu Handen seines Rechtsvertreters, die mit S 18.000 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Einschreiter begehrte als Eigentümer zweier zur Schottergewinnung genutzter Grundstücke zunächst mit einem (bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems eingebrachten) Antrag Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile, die er infolge naturschutzbehördlicher Feststellung einer Konglomeratwand als Naturdenkmal erlitten habe. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. April 1991 wurde das Entschädigungsbegehren gemäß §28 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982, LGBl. 80, (Oö NSchG 1982), abgewiesen; dem Antragsteller sei kein Schaden erwachsen. (Wortlaut des §28 leg.cit. s.u. Pkt. II.2.)
Am 21. Mai 1991 begehrte der Antragsteller hierauf beim Bezirksgericht Kirchdorf a.d. Krems die gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrages. Das Gericht wies den Antrag mit Beschluß vom 21. Juni 1991 zurück: §28 Abs4 Oö NSchG 1982 ermögliche nur eine Entscheidung des Gerichtes der Höhe, nicht aber dem Grunde nach.
Das Kreisgericht Steyr gab mit Beschluß vom 2. September 1991 dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß des Bezirksgerichtes Kirchdorf a.d. Krems auf und trug dem Erstgericht die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Das Kreisgericht vertrat den Standpunkt, daß auch die Festsetzung eines Entschädigungsbetrages mit Null eine Entscheidung der Höhe nach sei und daher das Gericht angerufen werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen vom Land Oberösterreich erhobenen Revisionsrekurs mit Beschluß vom 15. Jänner 1992, 2 Ob 569/91, Folge; mit diesem Beschluß änderte er die Entscheidung des Kreisgerichtes ab und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her. Das Gericht habe im Wege der sukzessiven Zuständigkeit nur über die Höhe der Entschädigung, nicht auch über ihr Bestehen dem Grunde nach abzusprechen.
b) In der Folge stellte der Einschreiter beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Oö Landesregierung vom 15. April 1991 und erhob gleichzeitig Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen diesen Bescheid.
Der Verwaltungsgerichtshof stellte aus Anlaß dieses bei ihm anhängigen Verfahrens gemäß Art140 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag "1. die Worte 'des Ausmaßes' im dritten Satz des §28 Abs4 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 - O.ö. NSchG 1982, LGBl. für Oberösterreich Nr. 80, 2. in eventu die Worte 'über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls' im ersten Satz dieser Gesetzesstelle, 3. in eventu §28 Abs4 leg.cit. wegen seines sprachlich untrennbaren Zusammenhanges zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben".
Mit Erkenntnis vom 23. Juni 1994, G192/92, gab der Verfassungsgerichtshof diesem Antrag keine Folge. Der angefochtenen Gesetzesvorschrift könne die vom Verwaltungsgerichtshof unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen Art6 Abs1 EMRK angelastete Verfassungswidrigkeit nicht anhaften, weil sie - dem Antragsvorbringen zuwider - eine Sachentscheidung über Entschädigungsansprüche durch ein Tribunal nicht ausschließe. Die ordentlichen Gerichte seien zuständig, über nach §28 Abs4 Oö NSchG 1982 gestellte Entschädigungsansprüche auch dem Grunde nach zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof wies daraufhin mit Beschluß vom 30. August 1994, Zl. 94/10/0114, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beschwerde zurück: Dieser Beschluß lautet auszugsweise wie folgt:
" ......
Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß §46 VwGG setzt begrifflich die Versäumung dieser Frist voraus. Diese Voraussetzung läge dann nicht vor, wenn der Beschwerdeführer ungeachtet der Abweisung seines Entschädigungsbegehrens durch den angefochtenen Bescheid berechtigt wäre, die Entscheidung des zuständigen Bezirksgerichts hierüber zu verlangen. Da die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in derselben Angelegenheit und damit die Einbringung einer Beschwerde ausschließt (vgl. den hg. Beschluß vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, Slg. Nr. 13.142/A, mit weiteren Judikaturhinweisen), kann in einem solchen Fall die Beschwerdefrist gar nicht versäumt werden.
.....
Auf dem Boden dieser Rechtslage (nämlich des §28 Abs4 Oö NSchG 1982 iVm dem oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994) ist davon auszugehen, daß in Ansehung des vorliegend angefochtenen Bescheides die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Damit kommt gegen diesen Bescheid eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht. Konnte somit die Beschwerdefrist gar nicht versäumt worden sein, so fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §46 VwGG. Er ist aus diesem Grund zurückzuweisen.
Die Beschwerde ist gemäß §34 Abs1 VwGG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Hinsichtlich des im vorliegenden Fall entstandenen verneinenden Kompetenzkonfliktes wird der Beschwerdeführer auf §46 VerfGG hingewiesen.
..... "
2. Im nunmehr vorliegenden, auf Art138 Abs1 litb B-VG und §46 Abs1 VerfGG gestützten Antrag vertritt der Antragsteller - nach Schilderung des obigen Sachverhaltes - die Meinung, es hätten in derselben Sache das Bezirksgericht Kirchdorf a.d. Krems und der Oberste Gerichtshof einerseits, sowie der Verwaltungsgerichtshof andererseits ihre Zuständigkeit verneint; es liege daher ein negativer Kompetenzkonflikt vor.
Der Einschreiter stellt demnach an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf kostenpflichtige Entscheidung dieses Kompetenzkonfliktes und begehrt weiters, die dem Erkenntnis entgegenstehenden behördlichen Akte aufzuheben.
3. Der Oberste Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof legten die bezughabenden Akten vor, nahmen jedoch davon Abstand, Äußerungen zu erstatten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag auf Entscheidung des behaupteten negativen Kompetenzkonfliktes erwogen:
1.a) Gemäß Art138 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte "zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten".
Nach der zitierten Verfassungsbestimmung iVm §46 Abs1 VerfGG besteht ein verneinender Kompetenzkonflikt u.a. dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof und ein anderes Gericht die Zuständigkeit in derselben Sache verneint haben.
b) Daher ist zu untersuchen, ob der Verwaltungsgerichtshof und ein anderes Gericht in "derselben Sache" ihre Zuständigkeit abgelehnt haben.
Dies ist der Fall:
Vor beiden Gerichtshöfen hatte der Antragsteller die Entscheidung über seinen auf §28 Abs4 Oö NSchG 1982 gestützten Entschädigungsanspruch begehrt. Der Oberste Gerichtshof hat die Sachentscheidung mit der Begründung verneint, es seien die Verwaltungsbehörden kompetent, während der Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte annahm.
Beide Gerichtshöfe haben also in derselben Sache ihre Zuständigkeit negiert. Die für das Vorliegen eines Zuständigkeitsstreites geforderte Sachidentität ist gegeben.
Der Kompetenzfeststellungsantrag ist - weil (wie die folgenden Ausführungen nachweisen) eines der Gerichte seine Zuständigkeit zu Unrecht abgelehnt hat - zulässig.
2. Zu klären ist, ob eines der beiden Höchstgerichte seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat.
§28 Oö NSchG 1982 hat folgenden Wortlaut:
"§28
Entschädigung
(1) Hat eine Verordnung, mit der ein Gebiet zu einem Landschaftsschutzgebiet (§7), einem geschützten Landschaftsteil (§8) oder einem Naturschutzgebiet (§17) erklärt wurde, oder hat ein Bescheid, mit dem ein Naturgebilde als Naturdenkmal festgestellt wurde (§15), eine erhebliche Ertragsminderung eines Grundstückes oder eine erhebliche Erschwerung der Wirtschaftsführung zur Folge, so hat der Eigentümer gegenüber dem Land Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, soweit nicht anderweitig für eine Entschädigung vorgesorgt ist.
(2) Verliert ein Grundstück durch eine der im Abs1 erwähnten Maßnahmen für den Eigentümer zur Gänze und auf Dauer seine wirtschaftliche Nutzbarkeit, so ist es auf Verlangen des Eigentümers durch das Land einzulösen.
(3) Der Anspruch auf Entschädigung bzw. Einlösung ist, soweit eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, bei sonstigem Verlust binnen einem Jahr nach dem Inkrafttreten der betreffenden Verordnung oder der Rechtskraft des betreffenden Bescheides bei der Landesregierung geltend zu machen.
(4) Die Landesregierung hat über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls über das Ausmaß der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages nach Anhörung wenigstens eines Sachverständigen mit Bescheid zu entscheiden. Für die Ermittlung der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages sind die Bestimmungen der §§4 bis 9 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, sinngemäß anzuwenden. Innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides kann der Eigentümer die Festlegung des Ausmaßes der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages bei dem nach der örtlichen Lage des Grundstückes zuständigen Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen beantragen. Mit dem Einlangen des Antrages beim Bezirksgericht tritt der Bescheid der Landesregierung außer Kraft. Der Antrag kann nur mit Zustimmung der Landesregierung zurückgezogen werden."
Aus dem oben (Pkt. I.1.b.) angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994, G192/92, ergibt sich, daß zur Entscheidung über Entschädigungsansprüche nach §28 Abs4 Oö NSchG 1982 - gleichgültig, ob der Streit bloß die Höhe des Anspruches oder die Frage, ob der Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht, betrifft - die ordentlichen Gerichte berufen sind, wenn (wie hier) der Übergang der Zuständigkeit auf das Gericht begehrt wurde.
Den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ist nichts hinzuzufügen.
3. Daraus ergibt sich, daß die zuständigen ordentlichen Gerichte - in erster Instanz das Bezirksgericht Kirchdorf a.d. Krems - berufen sind, über das vom Antragsteller eingebrachte Begehren auf Feststellung der Entschädigung gemäß §28 Oö NSchG 1982 zu entscheiden.
Der entgegenstehende Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15. Jänner 1992, Zl. 2 Ob 569/91, entsprach daher nicht dem Gesetz; er war aufzuheben.
Damit tritt der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Rekursgericht vom 2. September 1991, Zl. 1 R 99/91, mit dem der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben wurde, wieder in Wirksamkeit. Das Bezirksgericht Kirchdorf a.d. Krems wird also das gesetzliche Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund durchzuführen haben.
III. 1. Diese Entscheidung konnte
gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden, weil die Rechtsfrage durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994, G192/92, bereits genügend klargestellt ist.
2. Der Kostenausspruch gründet sich auf §52 VerfGG (vgl. z.B. VfGH 10.3.1992 KI-4/91, 15.6.1993 KI-4/92).
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000 enthalten.
Der begehrte Streitgenossenzuschlag war nicht zuzuerkennen, weil die im Antrag angeführten drei "beteiligten Behörden" (Bezirksgericht Kirchdorf a.d. Krems, Oberster Gerichtshof, Verwaltungsgerichtshof) keine Streitgenossen (§§11 ff. ZPO) sind.
Schlagworte
Naturschutz, Landschaftsschutz, Entschädigung, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, VfGH / Kompetenzkonflikt, Zuständigkeit der Gerichte, Kompetenz sukzessiveEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:KI7.1994Dokumentnummer
JFT_10049379_94K00I07_00