TE Vfgh Beschluss 2021/5/5 UA1/2021-39

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Veröffentlicht am 05.05.2021
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art53 Abs3
B-VG Art126a
B-VG Art138b Abs1 Z4
B-VG Art146
VO-UA §27, §53
ZPO §228
VfGG §7 Abs1, §20 Abs4, §36d, §56c, §56d, §56e, §56f

Leitsatz

Antrag des VfGH an den Bundespräsidenten auf Exekution des rechtskräftigen und vollstreckbaren VfGH-Erkenntnisses vom 03.03.2021, UA 1/2021-13 betreffend die Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage von E-Mails sowie lokal oder serverseitig gespeicherter Dateien von Bediensteten des Finanzministeriums an den Ibiza-Untersuchungsausschuss; Verpflichtung des informationspflichtigen Organs zur Herausgabe näher bezeichneter Akten und Unterlagen ist als zwangsweise vollstreckbares "Leistungserkenntnis" einer Exekution zugänglich; keine Möglichkeit der Eingrenzung der elektronischen Suche im Exekutionsverfahren, die auf das Selektieren anderer als rein privater oder bereits vorgelegter Dateien abstellt

Spruch

Der Verfassungsgerichtshof stellt gemäß Art146 Abs2 B-VG an den Bundespräsidenten den Antrag auf Exekution des rechtskräftigen und vollstreckbaren Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021-13, welches in Spruchpunkt I. den Bundesminister für Finanzen verpflichtet, "dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E. G., A. M. und G. B. sowie von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T. S., E. H.-S., M. K., B. P. und M. L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen".

Begründung

Diesem Ausspruch liegt folgender auf Art138b Abs1 Z4 B-VG gestützte Antrag der Einschreiter zugrunde,

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Bundesminister für Finanzen verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss

1.  die vollständigen E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E. G., A. M. und G. B.;

2.  von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T. S., E. H.-S., M. K., B. P. und M. L.

aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen."

Mit Schriftsatz vom 22. März 2021 haben die Antragsteller dem Verfassungsgerichtshof zur Kenntnis gebracht, dass der Bundesminister für Finanzen seiner sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021, ergebenden Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Diese Verpflichtung betrifft nicht, wie sich aus Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses ergibt, die keinen Gegenstand der Meinungsverschiedenheit bildenden "rein private[n] Dateien und Kommunikation sowie […] E-Mails und elektronischen Dateien der Abteilung I/5 […], die dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind."

Eine Ausfertigung des verfahrenseinleitenden Antrages sowie des bezeichneten hg. Erkenntnisses ist angeschlossen.

Erläuterung

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bei der Antragstellung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1. Der Spruch des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021, (zugestellt am Folgetag) lautet wie folgt:

"I. Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Untersuchungsaus-schuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E. G., A. M. und G. B. sowie von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T. S., E. H.-S., M. K., B. P. und M. L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.

II. Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage rein privater Dateien und Kommunikation sowie von E-Mails und elektronischen Dateien der Abteilung I/5 bezieht, die dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind."

2. Nachdem der Bundesminister für Finanzen seiner Verpflichtung nicht nachkam, eine Nachfrage der Parlamentsdirektion ergab, dass kein Termin für die Vorlage in Aussicht genommen sei, und die vom Bundesminister für Finanzen bevollmächtigte Finanzprokuratur mit E-Mail vom 19. März 2021 an den Verfahrensrichter herantrat, um "eine Vorgehensweise zu etablieren, durch die nicht nur die Anordnungen der Spruchpunkte I und II umgesetzt werden und die Informationen, die abstrakt den Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses betreffen, rasch und vollständig aufgefunden und vorgelegt werden können, sondern durch die auch die Untersuchungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses bestmöglich sichergestellt werden können", stellten die Einschreiter mit Schriftsatz vom 22. März 2021 einen auf Art146 Abs2 B-VG gestützten "Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge beim Bundespräsidenten die Exekution des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zu UA1/2021 gegen den Bundesminister für Finanzen beantragen".

2.1. Zur Zulässigkeit ihres Antrages führen die Einschreiter aus, für Erkenntnisse auf Grund des Art138b Abs1 Z4 B-VG bestehe keine besondere gesetzliche Regelung über deren Exekution. Art146 Abs2 B-VG sei somit anzuwenden. Es stehe den Antragstellern auch keine andere Möglichkeit offen, die Rechtswidrigkeit der fortgesetzten Verweigerung der Aktenvorlage durch den Bundesminister für Finanzen geltend zu machen. Zudem entfalte das vorliegende Erkenntnis im Gegensatz etwa zur Aufhebung eines Rechtsaktes durch den Verfassungsgerichtshof nicht von selbst seine Wirkung.

Beim Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021, handle es sich um ein exekutionsfähiges Erkenntnis. Der Spruch des besagten Erkenntnisses verpflichte den Bundesminister für Finanzen zu einem konkreten Tun (vgl Martin/Rohregger, Art146 B-VG, in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 1. Lfg. 1999, Rz 7; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9, 2017, Rz 539 f.). Im Gegensatz zu VfSlg 12.421/1990 handle es sich gerade nicht nur um einen verbindlichen, feststellenden Interpretationsakt. Gegenstand des Erkenntnisses sei nicht die grundsätzliche Zuständigkeit des Untersuchungsausschusses, sondern vielmehr die positive Verpflichtung zur Vorlage konkreter, im Spruch näher bezeichneter Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss. Die Formulierung des Spruchs sei gleichlautend mit der von der überwiegenden Lehre als exekutierbar angesehenen Verpflichtung zur Kundmachung (vgl Martin/Rohregger, aaO, Rz 19 mwN).

2.2. In der Sache begründen die Einschreiter ihren Antrag folgendermaßen:

2.2.1. Auf Grund der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl §53 VO-UA) hätten Aktenvorlagen an den Untersuchungsausschuss in Fällen, in denen eine Nachprüfung der Verweigerung der Aktenvorlage durch ein Organ des Bundes bereits durch den Verfassungsgerichtshof erfolgt sei, unverzüglich zu erfolgen.

2.2.2. Trotz Ablauf von zwei Wochen seit der Zustellung des Erkenntnisses – somit neuerlich der in §27 Abs4 VO-UA vorgesehenen Frist – sei keine Vorlage der vom Erkenntnis umfassten Akten und Unterlagen durch den Bundesminister für Finanzen an den Untersuchungsausschuss erfolgt. Durch diese fortgesetzte Säumnis verstoße der Bundesminister für Finanzen gegen seine positive Handlungspflicht, die sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021, ergebe.

2.2.3. Auch wenn eine bewusste Verweigerung der Erfüllung der sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergebenden Handlungspflichten keine Voraussetzung für einen Antrag auf Exekution gemäß Art146 Abs2 B-VG bilde, sondern die bloße Säumnis genüge, ergebe sich aus dem Schreiben des Präsidenten der vom Bundesminister für Finanzen bevollmächtigten Finanzprokuratur, dass der Bundesminister für Finanzen dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht unverzüglich und vollständig entsprechen werde.

Ansonsten müssten die entsprechenden Akten und Unterlagen nicht erst "aufgefunden" und die entsprechenden Speichermedien "durchsucht" werden, obwohl der Umfang der erforderlichen Aktenvorlage auf Grund der vom Bundesminister für Finanzen an den Verfassungsgerichtshof überlieferten Akten und Unterlagen bereits feststehe.

Die im E-Mail des Präsidenten der Finanzprokuratur aufgeworfenen Fragen seien zudem bereits im Verfahren UA1/2021 streitgegenständlich gewesen; die Frage der (potentiellen) abstrakten Relevanz der von der Meinungsverschiedenheit erfassten Akten und Unterlagen sei durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes abschließend geklärt. Die fortgesetzte Verweigerung der Aktenvorlage durch den Bundesminister für Finanzen werde durch das E-Mail somit offenkundig.

2.2.4. Für die Annahme, dass der Bundesminister für Finanzen dem Verfassungsgerichtshof von der Meinungsverschiedenheit erfasste Akten und Unterlagen vorenthalten habe, bestehe bislang kein Hinweis.

3. Über Einladung des Verfassungsgerichtshofes erstattete der Bundesminister für Finanzen, vertreten durch die Finanzprokuratur, folgende Äußerung, in der die Zurückweisung des vorliegenden Antrages, in eventu die Feststellung beantragt wird, "dass zwischen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister für Finanzen die Strukturierung einer (elektronischen) Suche und deren automationsunterstützten Durchführung durch die gemeinsame Festlegung von Suchbegriffen zu erfolgen hat, damit der Vorlageverpflichtung aus dem Erkenntnis vom 3.3.2021 rasch entsprochen werden wird":

Die Spruchpunkte I. und II. des Erkenntnisses vom 3. März 2021 machten die vorzulegenden und von einer Vorlage an den Ibiza-Untersuchungsausschuss ausdrücklich auszunehmenden Daten und Informationen bestimmbar, bezeichneten diese aber nicht konkret. Schon deswegen stehe fest, dass zur Umsetzung des Spruchpunktes I. noch eine Selektion der abstrakt von dieser Anordnung betroffenen Daten und Informationen erforderlich sei, zumal im Hinblick auf die einschränkende Anordnung in Spruchpunkt II., dass von der Vorlage solche Daten und Informationen ausgenommen seien, die privater Natur seien oder dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden seien, diese von einer Vorlage gerade auf Grund des Erkenntnisses vom 3. März 2021 auszunehmen wären.

Um die vollständige Vorlage der nach dem Erkenntnis vom 3. März 2021 geschuldeten Daten und Informationen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss sicherzustellen, sei diesem vom Bundesminister für Finanzen eine Abstimmung über die gemeinsame Vorgehensweise zur Selektion der Daten und Informationen, die vom Untersuchungsgegenstand abstrakt erfasst bzw abstrakt relevant seien und nach dem Erkenntnis vom 3. März 2021 dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorzulegen seien, angeboten worden.

Ein Erkenntnis nach Art138b Abs1 Z4 B-VG habe jedenfalls im Umfang des Streitgegenstandes, der durch die Meinungsverschiedenheit bestimmt werde, für den betreffenden parlamentarischen Untersuchungsausschuss feststellende Wirkung. Seine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA an das vorlagepflichtige Organ stelle den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art138b Abs1 Z4 B-VG dar. Ein Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs an den Verfassungsgerichtshof konkretisiere schließlich das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand des Verfassungsgerichtshofes. Das Thema seiner Entscheidung werde jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (VfGH 3.3.2021, UA1/2021, Rz 81, mit Verweis auf VfGH 2.12.2020, UA3/2020 mwN).

In diesem Sinne halte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. März 2021 (Rz 90) fest, dass er sich in einem Verfahren zur Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken habe.

Ob und durch welche Maßnahmen ein solches Erkenntnis auch zwangsweise durchgesetzt werden könne, sei bis dato noch nicht zu klären gewesen. Dafür werde von Bedeutung sein, dass die Entscheidung über eine Meinungsverschiedenheit gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG nicht einem Leistungsurteil, sondern vielmehr einem Feststellungsurteil entspreche.

Feststellungsurteile seien nicht vollstreckbar, sondern sprächen deklarativ über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses ab.

Der Antragsteller vertrete die Auffassung, es würden die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für eine Vollstreckung nach Art146 B-VG vorliegen.

Art138b B-VG sei mit der Novelle BGBI. I 101/2014 in das B-VG eingefügt worden. Art146 B-VG stamme in seiner heutigen Fassung bereits aus der Zeit davor und sei durch BGBl I 101/2014 nicht verändert worden.

Fraglich sei damit, ob Art146 B-VG überhaupt auf Erkenntnisse nach Art138b B-VG anzuwenden sei. Gegen eine Anwendung von Art146 B-VG auf Erkenntnisse nach Art138b B-VG spreche ua, dass diese bloß feststellende Wirkung zwischen einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und einem an diesen vorlagepflichtigen Organ hätten. Dazu komme, dass mit einem solchen Erkenntnis nur eine bestehende Vorlageverpflichtung näher bestimmt werde, dadurch sich aber an der Vorlageverpflichtung dem Grunde nach nichts ändere. Nun könne die Vorlage von Unterlagen an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in den Fällen, in denen der Verfassungsgerichtshof nicht nach Art138b B-VG angerufen worden sei, nicht exekutiv erzwungen werden. Gleiches müsse wohl für die Erfüllung einer Vorlageverpflichtung nach Schlichtung einer Meinungsverschiedenheit über eine Vorlageverpflichtung gelten.

Für die Durchsetzung der Vorlageverpflichtung bestünden andere Instrumentarien: Soweit es sich um ein oberstes weisungsfreies Organ handle, sei dieses dem Nationalrat politisch verantwortlich. Der Nationalrat könne das betreffende oberste Organ mit einem Misstrauensantrag oder mit einer Anklage nach Art142 B-VG für den Fall, dass dieses dem Erkenntnis nicht oder nicht zur Gänze nachkomme, politisch oder strafrechtlich verantwortlich machen. Zudem könne ein oberstes Organ, das Mitglied der Bundesregierung sei, auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten entlassen werden. Vorlagepflichtige Organe, die den Weisungen oberster Organe unterlägen, könnten zur Vorlage angewiesen werden.

Tatsächlich sei den Anordnungen der Spruchpunkte I. und II. des Erkenntnisses vom 3. März 2021 noch die Verpflichtung der Parteien des Meinungsstreites immanent, diese zur Umsetzung weiter zu konkretisieren, anderenfalls der Vollzug auch zur rechtswidrigen Vorlage von Daten und Informationen führen würde.

Mit den Spruchpunkten I. und II. des Erkenntnisses vom 3. März 2021 werde der Bundesminister für Finanzen verpflichtet, "die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien" bestimmter Personen mit Ausnahme "rein privater Dateien und Kommunikation sowie von E-Mails und elektronischen Dateien der Abteilung I/5, die dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind" dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorzulegen. Während Spruchpunkt I. von "E-Mail-Postfächern" und "gespeicherten Dateien" spreche, verwende Spruchpunkt II. zur Eingrenzung der in Spruchpunkt I. ausgesprochenen Vorlageverpflichtung die Begriffe "rein privater Dateien und Kommunikation" sowie "E-Mails und elektronische Dateien".

Aus der Technik, die Vorlageverpflichtung nach Spruchpunkt I. durch Spruchpunkt II. einzuschränken, ergebe sich zunächst, dass die in Spruchpunkt I. genannten Begriffe, soweit sie nicht jenen entsprächen, die in Spruchpunkt II. verwendet würden, die umfassenderen seien. Mit anderen Worten: "E-Mail-Postfächer" und "gespeicherte Dateien" müssten denklogisch "rein private Dateien und Kommunikation" sowie "E-Mails und elektronische Dateien" beinhalten bzw müssten sich aus solchen zusammensetzen.

Daraus folge, dass die in Spruchpunkt I. genannten "E-Mail-Postfächer" und "gespeicherten Dateien" auf jene "Dateien und Kommunikation" sowie "E-Mails und elektronische Dateien" zu durchsuchen seien, die (i) dem Untersuchungsgegenstand unterlägen und (ii) nicht rein privat oder bereits dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgelegt worden seien.

Dafür sei eine Selektion der betroffenen Datensätze ("Dateien und Kommunikation" sowie "E-Mails und elektronische Dateien") erforderlich. Eine solche Selektion sollte im Sinne des allgemeinen Effizienzgebotes nach Art126b B-VG elektronisch und in der Weise erfolgen, dass die auf den im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen vorhandenen elektronischen Speichermedien vorhandenen Daten und Informationen forensisch mit Suchbegriffen durchsucht würden. Durch die Auswahl der Suchbegriffe wäre sicherzustellen, dass die Suchtreffer mit hoher Wahrscheinlichkeit der Vorlage an den Ibiza-Untersuchungsausschuss unterlägen und dem Erkenntnis vom 3. März 2021 damit auch entsprochen werden könne.

Selbst wenn man dem Erkenntnis vom 3. März 2021 einen vollstreckbaren Leistungsbefehl unterstellen würde, wäre für dessen Umsetzung zu beachten, dass im Exekutionsrecht zwischen vertretbaren und unvertretbaren Handlungen unterschieden werde. Vertretbare Handlungen könnten durch eine andere (fach-)kundige Person durchgeführt werden, weswegen diese auch ohne wesentliches Zutun der verpflichteten Partei vollstreckt und damit erwirkt werden könnten. Unvertretbare Handlungen bedürften dagegen der Durchführung durch die verpflichtete Partei und würden daher im Regelfall durch die Androhung und Vollstreckung von Zwangsmitteln gegen die verpflichtete Partei selbst in der Absicht vollstreckt, diese zu dem geschuldeten (unvertretbaren) Handeln zu veranlassen.

Unterstelle man, dass das in den Spruchpunkten I. und II. des Erkenntnisses vom 3. März 2021 geschuldete Handeln durch die Beschlagnahme der serverseitigen und am Arbeitsplatz aller Bediensteten des Wirkungsbereiches des Bundesministeriums für Finanzen befindlichen Speichermedien und der anschließenden Auswertung der Daten durch einen fachkundigen Dritten erfolgen könnte, so würde der Bundesminister für Finanzen ein vertretbares Handeln schulden. Gerade in einem solchen Fall wäre eine automationsunterstützte Auswertung der Daten und Informationen mittels sachgerechter Suchbegriffe erforderlich, weil auf den genannten Speichermedien unzweifelhaft auch Daten und Informationen enthalten sein müssten, deren Vorlage nicht von Spruchpunkt I. und II. umfasst wäre oder sogar den Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses nicht betreffe.

Um eine rasche Umsetzung des Erkenntnisses vom 3. März 2021 sicherzustellen, sei von der Finanzprokuratur mit E-Mail an den Ibiza-Untersuchungsausschuss vom 19. März 2021 vorgeschlagen worden, dass sich der Ibiza-Untersuchungsausschuss und der Bundesminister für Finanzen auf eine gemeinsame elektronische Untersuchung verständigten, um die von Spruchpunkt I. und II. sowie vom Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses erfassten Daten und Informationen aufzufinden und damit dem Ibiza-Untersuchungsausschuss diese vorlegen zu können.

Aus dem Schreiben des Präsidenten der Finanzprokuratur ergebe sich daher – entgegen den Ausführungen des Antragstellers vom 22. März 2021 – keineswegs, dass der Bundesminister für Finanzen nicht den Spruchpunkten I. und II. entsprechen wollte, sondern – ganz im Gegenteil – vielmehr, dass ein gemeinsames Vorgehen zur Umsetzung des Erkenntnisses vom 3. März 2021 vereinbart werden sollte, weil dieses ohne eine solche Akkordierung nicht einer Vollstreckung zugänglich sei.

Eine Vorlage der E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien von Bediensteten, wie dies nach Spruchpunkt I. vom Bundesminister für Finanzen gefordert werde, sei denkunmöglich. Vorgelegt werden könnten Daten und – auch elektronische – Informationen, die sich an elektronischen Speicherplätzen befänden, die von den vom Erkenntnis betroffenen Bediensteten benutzt werden dürften. Dass der Vollzug dieses Spruchpunktes noch einer Eingrenzung durch Maßnahmen bedürfe, erhelle auch daraus, dass denklogisch die "E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien" auch Daten und Informationen enthalten müssten, die nicht den Untersuchungsgegenstand beträfen; anderenfalls müsste man den in Spruchpunkt I. genannten Bediensteten unterstellen, dass diese nur über Daten und Informationen verfügt hätten, die den Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses beträfen. Dass davon nicht ausgegangen werden könne, beweise auch Spruchpunkt II., weil anderenfalls auch das Vorhandensein von privaten Daten und Informationen auszuschließen gewesen wäre.

Damit sei als Zwischenergebnis festzuhalten, dass den Spruchpunkten I. und II. feststellender Charakter zukomme. Entscheidungen nach Art138b B-VG seien Feststellungsurteilen nach §228 ZPO gleichzusetzen, mit denen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses durch Urteil abgesprochen werde. Da Feststellungsurteile nur deklarative Wirkung hätten, also keinen Leistungsanspruch schafften, seien diese nicht vollstreckbar (Frauenberger-Pfeiler, §228 ZPO, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen III/13, 2017, Rz 148).

Zur Umsetzung des Erkenntnisses vom 3. März 2021 seien "die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien" zu durchsuchen. Dazu empfehle es sich, dass zwischen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister für Finanzen ein gemeinsames Vorgehen vereinbart werde, um v.a. eine rasche und rechtsrichtige Vorlage der Daten und Informationen sicherzustellen, die nach dem Erkenntnis vom 3. März 2021 dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorzulegen seien. Auch ohne eine solche Vereinbarung wäre im Falle der zwangsweisen Vornahme der Spruchpunkte I. und II., gleichgültig ob man diese Handlungen als vertretbare oder unvertretbare Handlungen qualifiziere, eine Untersuchung der "E-Mail-Postfächer sowie der lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien" erforderlich, weil anderenfalls nicht nur private Daten und Informationen, sondern gerade auch solche, die nicht dem Untersuchungsgegenstand entsprächen und damit nach dem B-VG nicht einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorzulegen seien, an den Ibiza-Untersuchungsausschuss übermittelt werden würden. Eine Übermittlung aller E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien würde denklogisch diesem Gebot widersprechen und sei rechtswidrig, weswegen ein solcher Verpflichtungsinhalt dem Erkenntnis vom 3. März 2021 nicht unterstellt werden könne.

Aus diesem Grund sei dem Ibiza-Untersuchungssauschuss mit Schreiben der Finanzprokuratur vom 2. April 2021 unter Hinweis auf ihr E-Mail vom 19. März 2021 mitgeteilt worden, dass nicht alle Daten und Informationen der "E-Mail-Postfächer sowie der lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien", wie diese im Erkenntnis vom 3. März 2021 genannt seien, abstrakt relevant für die Untersuchungen des Ibiza-Untersuchungssauschusses sein könnten und auch nicht seien, weil in diesen jedenfalls nicht nur private Daten und Informationen, sondern gerade auch solche übermittelt werden würden, die nicht dem Untersuchungsgegenstand entsprächen und damit nach dem B-VG nicht einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorzulegen seien. Um eine rasche Vorlage der Daten und Informationen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss sicherstellen zu können, sei vorgeschlagen worden, zwischen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss und dem zur Vorlage verpflichteten Bundesminister für Finanzen vorab das Einvernehmen über die Strukturierung der (elektronischen) Suche und deren Durchführung (Phase 1) und über die gemeinsame Qualitätssicherung des Suchergebnisses aus Phase 1 herzustellen, das dann an den Ibiza-Untersuchungsausschuss vorzulegen wäre (Phase 2).

Zusammenfassend bedeute dies, dass mit dem Erkenntnis vom 3. März 2021 nach Art138b B-VG eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister für Finanzen entschieden worden sei. Erkenntnisse nach Art138b B-VG hätten den Charakter eines Feststellungsurteils nach §228 ZPO. Da mit solchen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses abgesprochen werde, seien Feststellungsurteile deklarativ und nicht vollstreckbar. Der Antrag auf Einleitung der Vollstreckung des Erkenntnisses vom 3. März 2021 sei daher unzulässig und wäre daher schon deswegen zurückzuweisen.

Der Antragsgegner habe ausreichend substantiiert dargelegt, dass nicht alle Daten und Informationen der "E-Mail-Postfächer sowie der lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien", wie diese im Erkenntnis vom 3. März 2021 genannt seien, abstrakt relevant für die Untersuchungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses sein könnten und auch tatsächlich nicht seien. Um eine rasche Vorlage der Daten und Informationen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss sicherstellen und um seiner Vorlageverpflichtung rechtmäßig nachkommen zu können, wiederhole der Antragsgegner seinen Vorschlag, zwischen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss und ihm die Strukturierung einer (elektronischen) Suche und deren Durchführung festzulegen.

4. Entgegen der Auffassung des Bundesministers für Finanzen hat der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 3. März 2021, UA1/2021, einen Leistungsausspruch getroffen:

4.1. Das B-VG geht in seinem Art146 von einem engen Exekutionsbegriff im technischen Sinn aus (vgl Schäffer, Die Exekution der Erkenntnisse des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, ÖZöRV 1968, 185 [195]), was bedeutet, dass die Zwangsvollstreckung erst nach Schaffung eines eigenen Vollstreckungstitels (konkret der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes) einsetzen kann und auf die im Exekutionstitel enthaltenen vollstreckbaren Anordnungen beschränkt ist (Holoubek, Probleme des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zur Feststellung von Rechnungshofkompetenzen, ÖJZ, 1992, 353 [363]). Nach Art146 Abs2 B-VG sind daher nur solche Aussprüche einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung einer Exekution zugänglich, die eine zwangsweise vollstreckbare Leistungsverpflichtung enthalten (Holoubek, aaO, 363; Fister, Art146 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 14. Lfg. 2014, Rz 4). Eine Exekution von Entscheidungen feststellenden oder rechtsgestaltenden Inhaltes ist bereits begrifflich ausgeschlossen (vgl VfSlg 7692/1975).

Zunächst besteht kein Zweifel daran, dass mangels Nennung in Art146 Abs1 B-VG auch Entscheidungen nach Art138b Abs1 Z4 B-VG unter die "übrigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes" iSd Art146 Abs2 erster Satz B-VG fallen, deren Exekution dem Bundespräsidenten obliegt.

Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs. §56f VfGG, der dieses Verfahren näher regelt, enthält zwar keine ausdrücklichen Anordnungen hinsichtlich der Rechtswirkungen einer meritorischen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes; aus einer systematischen Interpretation der in den §§56c ff. VfGG enthaltenen Bestimmungen über Verfahren nach Art138b B-VG ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber die Rechtswirkungen bloß feststellender Erkenntnisse explizit geregelt hat (vgl §56c Abs7, §56d Abs7, §56e Abs7, §56g Abs7, §56i Abs8 und §56j Abs7 VfGG), während er dies ua im Fall des §56f VfGG für nicht notwendig erachtet hat, weil stattgebende Erkenntnisse gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG ohnedies zu einer Leistung verpflichten (Zur-Verfügung-Stellen von Informationen an einen Untersuchungsausschuss; "Vorlage von Beweismitteln" [§27 VO-UA]). In Entscheidungen über Verfahren gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG wird vom Verfassungsgerichtshof bei Stattgaben seit seiner ersten Entscheidung VfSlg 19.973/2015 ein Leistungsausspruch getroffen.

Der Verfassungsgerichtshof erkannte hingegen zu Art126a B-VG idF vor der B-VG-Novelle BGBl 508/1993, dass es sich beim Ausspruch über die Auslegung der Zuständigkeitsregelungen des Rechnungshofes (Art126a B-VG) um einen "verbindlichen Interpretationsakt rein feststellender Natur (in einem Organstreit) handelt, der einer Exekutionsführung […] nicht zugänglich ist" (vgl VfSlg 12.421/1990; der Spruch des zur Exekution beantragten Erkenntnisses enthielt die Formulierung, "[i]n Stattgebung des Antrages" werde "festgestellt, daß der Rechnungshof […] zuständig ist, die Gebarung der T[.] Gesellschaft mbH & Co. Kommanditgesellschaft in den Jahren 1980 bis 1985 zu überprüfen").

Auch nach hL waren Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes über Meinungsverschiedenheiten nach Art126a B-VG bis zu den B-VG- und VfGG-Novellen im Jahr 1993 (BGBl 508 und 510) nicht exekutierbar (vgl Schäffer, aaO, 211 ff.; Walter, Österreichische Bundesverfassung. System, 1972, 729, 793; Hengstschläger, Der Rechnungshof, 1982, 356 f.; Holoubek, aaO, 359, 362 ff.; Novak, Der Rechnungshof, der Verfassungsgerichtshof – und der überforderte Gesetzgeber, JBl 1993, 749 [750]; aA Rebhahn, Rechtsschutz wirtschaftlicher Unternehmungen gegenüber dem Rechnungshof, in: Korinek [Hrsg.], Die Kontrolle wirtschaftlicher Unternehmungen durch den Rechnungshof, 1986, 447 [452 f.]).

Seit dem Inkrafttreten der genannten Novellen BGBl 508 und 510/1993 sieht Art126a B-VG (vgl auch Art127c Abs1 Z1 B-VG) vor, dass "[a]lle Rechtsträger […] verpflichtet [sind], entsprechend der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes eine Überprüfung durch den Rechnungshof zu ermöglichen", und gemäß §36d VfGG (die bis BGBl I 100/2003 enthaltene Differenzierung danach, ob eine Gebietskörperschaft oder ein sonstiger Rechtsträger vorliegt, ausgeklammert) ist in einem Erkenntnis, mit dem festgestellt wird, dass der Rechnungshof zur Überprüfung der Gebarung eines Rechtsträgers zuständig ist, "auch auszusprechen, dass der Rechtsträger schuldig ist, die Gebarungsüberprüfung bei sonstiger Exekution zu ermöglichen" (siehe dazu auch IA 546/A 18. GP, 2). Seither besteht an der Exekutierbarkeit solcher Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes kein Zweifel mehr (vgl statt vieler Martin/Rohregger, aaO, Rz 14 mwN; Fister, aaO, Rz 14).

Stellt der Verfassungsgerichtshof somit iSd §36d VfGG fest, dass der Rechnungshof zur Überprüfung der Gebarung eines Rechtsträgers zuständig ist, so hat er auch auszusprechen, dass der Rechtsträger schuldig ist, die Gebarungsprüfung bei sonstiger Exekution zu ermöglichen (Hauer, §36d VfGG, in: Eberhard/Fuchs/Kneihs/Vašek [Hrsg.], Kommentar zum Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, 2020, Rz 2). Im Ergebnis ist die eigentliche Entscheidung über die Meinungsverschiedenheit somit nicht durchsetzbar, wohl aber die Verpflichtung zur Ermöglichung der Gebarungsprüfung (Fister, aaO, Rz 14).

In diesem Zusammenhang ist auch auf die (Beseitigung der) bis 31. Dezember 2003 geltende(n), einfachgesetzliche(n) Rechtslage zu Meinungsverschiedenheiten betreffend die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft (Art148f B-VG) hinzuweisen, der zufolge der Verfassungsgerichtshof auszusprechen hatte, dass die Bundesregierung bzw der Bundesminister die Überprüfung ihrer Verwaltung durch die Volksanwaltschaft bei sonstiger Exekution zu ermöglichen hatte (vgl §36g iVm §36d VfGG idF vor dem 1. Jänner 2004), weshalb die Entscheidung als vollstreckbar erachtet wurde (Martin/Rohregger, aaO, Rz 19; Fister, aaO, Rz 24). Art148f B-VG wurde jedoch – anders als Art126a B-VG mit der B-VG-Novelle BGBl 508/1993 – nicht ergänzt; vielmehr wurde die einfachgesetzliche Regelung des §36g VfGG mit Wirkung vom 1. Jänner 2004 durch das Kundmachungsreformgesetz 2004, BGBl I 100/2003, aus dem Rechtsbestand entfernt.

Die Rechtslage bei Verfahren gemäß Art126a B-VG ist jedoch nicht mit jener bei Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B-VG vergleichbar.

Dies hat auch Auswirkungen auf die Sprüche bei den beiden Verfahrensarten, die jeweils unterschiedlich formuliert sind: Werden in stattgebenden Erkenntnissen gemäß Art126a B-VG Formulierungen wie "Der Rechnungshof ist befugt, […]" oder "Dem Antrag auf Feststellung, dass […], wird stattgegeben" verwendet (vgl die Nachweise bei Hauer, aaO, Rz 1; bei ab- oder zurückweisenden Entscheidungen wird "[d]er Antrag auf Feststellung, dass […], […] ab[zurück]gewiesen" [vgl VfSlg 19.910/2014]), so sprach der Verfassungsgerichtshof in Sachentscheidungen in Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B-VG – wie erwähnt – von Anfang an Verpflichtungen zur Vorlage von Akten und Unterlagen aus.

4.2. Diese Unterschiede in der Formulierung der stattgebenden Sprüche in Verfahren nach Art126a B-VG einerseits und nach Art138b Abs1 Z4 B-VG andererseits haben zur Folge, dass sich – entgegen der Ansicht des Bundesministers für Finanzen – jedenfalls für Letztere die Annahme eines Feststellungsurteiles iSd §228 ZPO verbietet. Auch die Annahme, die eine Verpflichtung aussprechenden Erkenntnisse in Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B-VG hätten lediglich rechtsgestaltenden Charakter, sodass sie – wie zB die Aufhebung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes in einem Verfahren nach Art144 B-VG (vgl statt vieler Fister, aaO, Rz 29 mwN) – nicht exekutionsfähig seien, trifft nicht zu, weil über die rechtsgestaltende Verfügung hinaus der Befehl enthalten ist, dass ein näher bezeichnetes Organ bestimmte Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss vorlegen muss (vgl OGH EvBl. 1969/328, 496 f.), sodass ein einer Exekution zugängliches "Leistungserkenntnis" vorliegt.

Auf die Verwendung der Floskel "bei sonstiger Exekution" im Spruch kommt es für die Frage der Vollstreckbarkeit einer Entscheidung ebenso wenig an (vgl MietSlg. 34.815) wie auf die Existenz einer gesetzlichen Bestimmung, die zur Verwendung dieser Wortfolge verpflichtet (aA Vašek, §56f, in: Eberhard/Fuchs/Kneihs/Vašek [Hrsg.], Kommentar zum Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, Rz 11 aE); so enthält zB auch die exekutierbare (vgl statt vieler Martin/Rohregger, aaO, Rz 19 mwN; Fister, aaO, Rz 25 mwN) Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebung eines Gesetzes oder einer Verordnung in einem Gesetzblatt – im Unterschied zum Kostenzuspruch – keine solche Formulierung, sondern nur den Ausspruch, dass zB der Bundeskanzler zur Kundmachung im Bundesgesetzblatt verpflichtet ist.

Die Formulierung einer Verpflichtung des informationspflichtigen Organs zur Herausgabe konkret oder zumindest näher bezeichneter Akten und Unterlagen ist im Übrigen auch geeignet, das Kriterium der zwangsweise vollstreckbaren Leistungsverpflichtung (Holoubek, aaO, 363) zu erfüllen und ist daher einer Exekution gemäß Art146 Abs2 B-VG ihrem Wesen nach zugänglich (vgl VfSlg 7433/1974).

5. Hinsichtlich des Umfangs der nach Spruchpunkt I. des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021, vorzulegenden Akten und Unterlagen unterliegt der Bundesminister für Finanzen ebenfalls einem Missverständnis:

In seiner bisherigen Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof hinreichend klargestellt, dass die Beurteilung der Vorlageverpflichtung betreffend Akten und Unterlagen und damit der Frage, ob für den Untersuchungsausschuss angeforderte Akten und Unterlagen gemäß Art53 Abs3 B-VG vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, zunächst dem informationspflichtigen Organ obliegt. Eine Ablehnung der Vorlage erfordert vom vorlagepflichtigen Organ die Behauptung, dass der sachliche Geltungsbereich von Art53 Abs3 B-VG mangels Vorliegens eines Zusammenhanges mit dem Untersuchungsgegenstand nicht gegeben ist. Neben der Behauptungspflicht trifft das Organ auch eine auf die einzelnen – von der sonst bestehenden Vorlagepflicht des Art53 Abs3 B-VG erfassten – Akten und Unterlagen näher bezogene, substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen (vgl VfGH 3.3.2021, UA1/2021 mwN).

Der Verfassungsgerichtshof kann gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG angerufen werden, um die Klärung einer konkreten Meinungsverschiedenheit, im vorliegenden Fall der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Untersuchungsausschuss vorgebrachten Begründung für die teilweise oder gänzliche Ablehnung der Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, herbeizuführen. Dabei hat das vorlagepflichtige Organ seiner bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen für den Untersuchungsgegenstand bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber nachzukommen, um zunächst dem Untersuchungsausschuss eine Überprüfung und allfällige Bestreitung der Argumentation zu ermöglichen und diese einer etwaigen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterziehen zu können (vgl VfGH 3.3.2021, UA1/2021 mwN).

Rz 104 des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021, lautet:

"Da der Bundesminister für Finanzen lediglich seiner diesbezüglichen Behauptungs-, nicht aber auch seiner diesbezüglichen Begründungspflicht gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss entsprochen hat, ist er verpflichtet, diesem die in Rede stehenden Akten und Unterlagen vorzulegen (vgl VfGH 2.12.2020, UA3/2020 mwN)."

Im vorliegenden Verfahren hat der Verfassungsgerichtshof vom Bundesminister für Finanzen im Rahmen eines Vorverfahrens die in Rede stehenden Unterlagen angefordert. Der Bundesminister hat dem Verfassungsgerichtshof mit zwei Schriftsätzen insgesamt 15.090 E-Mails (darin enthalten 7.287 E-Mails, die dem Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind, sowie weitere 7.803 E-Mails) auf zwei Datenträgern übermittelt. Es wurde darauf hingewiesen, dass von den betroffenen Bediensteten des Bundesministeriums als private E-Mails betrachtete Unterlagen dem Verfassungsgerichtshof nicht vorgelegt worden sind.

Spruchpunkt I. des vorliegenden Erkenntnisses umfasst jedenfalls die erwähnten 7.803 E-Mails, kann aber auch sonstige Akten und Unterlagen erfassen, sollte der Bundesminister für Finanzen dem Verfassungsgerichtshof im Vorverfahren nicht alle angeforderten Akten und Unterlagen vorgelegt haben. Da sich auf den Datenträgern, die dem Verfassungsgerichtshof übergeben wurden – wie erwähnt – auch 7.287 E-Mails befinden, die dem Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind und der Verfassungsgerichtshof ua diesbezüglich den Antrag zurückgewiesen hat (vgl Spruchpunkt II. des Erkenntnisses vom 3. März 2021, UA1/2021), wird vom Herausgabeanspruch nicht die Gesamtheit aller Daten umfasst, die sich auf diesen Datenträgern befinden.

Eine Eingrenzung bzw Durchführung einer Strukturierung einer (elektronischen) Suche im Rahmen des Exekutionsverfahrens, die auf das Selektieren anderer als rein privater oder bereits vorgelegter Dateien (vgl Spruchpunkt II. des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA1/2021) abstellt, wie dies vom Bundesminister für Finanzen vorgeschlagen wird, kommt allerdings nicht (mehr) in Betracht.

Schlagworte

VfGH / Untersuchungsausschuss, VfGH / Exekution, Auslegung systematische, Bundespräsident, Bundesminister, Nationalrat, email

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:UA1.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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