TE Vwgh Erkenntnis 1966/2/28 1623/64

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Veröffentlicht am 28.02.1966
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §129 Abs10 idF 1961/016
BauRallg
VStG §31

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnal, über die Beschwerde des KS in W, vertreten durch Dr. Karl Trutschmann, Rechtsanwalt in Wien XI, Hauptstraße 66, gegen den Beschluß der Bauoberbehörde für Wien vom 1. Juli 1964 (Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsdirektion vom 1. Juli 1964, Zl. MDR-B XXI-29/64/R), betreffend Abtragungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, M. Abt. 37, vom 1. August 1963 wurde den Eigentümern der Liegenschaft XXI, P-straße 44, EZ. 146 des Grundbuches der Katastralgemeinde G, darunter auch dem Beschwerdeführer, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, den ohne baubehördliche Bewilligung errichteten einstöckigen Zubau zwischen dem Vordergebäude (P-straße) und dem Nebengebäude an der südlichen Grundgrenze, enthaltend im Erdgeschoß einen Arbeitsraum und im ersten Stock eine Küche, innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides abtragen zu lassen. Begründet wurde dieser Bescheid damit, daß die nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt habe werden können (Bescheid vorn 28. Mai 1963), weil sich der Zubau auf jenem Teil der Liegenschaft befinde, der infolge der Festsetzung der inneren Baufluchtlinie unbebaut zu belassen und gärtnerisch auszugestalten sei, und weil durch den Zubau der gesetzliche Lichteinfall für die anschließenden Aufenthaltsräume im Erdgeschoß und im ersten Stock des Vordergebäudes nicht mehr gewährleistet sei.

In der dagegen eingebrachten Berufung machte der Beschwerdeführer, der auch namens der übrigen Hauseigentümer einschritt, geltend, daß der Baubehörde seit vielen Jahren bekannt sei, daß dieser Zubau bestehe. Der ursprüngliche Bau der bereits im vorigen Jahrhundert und der Zubau im ersten Stock anschließend an die vorhandenen Magazine knapp nach dem Ersten Weltkrieg bis ca. 1920 errichtet worden. Einige Jahre nachher, vor 1930, sei auch der Arbeitsraum im Parterre aufgeführt worden. Die Bauführung sei somit vor über 30 Jahren erfolgt. Die Bauordnung für Wien von 1930 könne daher für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Auch sei die Möglichkeit der Behörde, eine Abtragung zu erzwingen, jedenfalls verjährt. Durch den kleinen Zubau werde niemand behindert. Eine innere Baufluchtlinie sei zur Zeit der Errichtung des Zubaues nicht gegeben gewesen. Die Nichteinhaltung derselben könne daher nicht konstruiert werden.

Die Bauoberbehörde für Wien gab der Berufung mit Beschluß vom 1. Juli 1964 (mitgeteilt mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - Magistratsdirektion - vom 1. Juli 1964) keine Folge. Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, daß der Hinweis auf im vorigen Jahrhundert errichtete Bauten nicht zielführend sei, da lediglich der Auftrag zur Beseitigung einer nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers ca. zwischen 1920 und 1930 errichteten, nicht genehmigten Baulichtkeit erteilt worden sei und das Vorhandensein einer Baubewilligung hiefür gar nicht behauptet werde. Unbeachtlich sei auch, daß dieses Bauwerk schon vor Inkrafttreten der gegenwärtig geltenden Bauordnung für Wien entstanden sei, da die Errichtung eines solchen auch nach der Bauordnung für Wien aus dem Jahre 1883 genehmigungspflichtig gewesen sei und ein konsensloses Objekt auch durch jahrzehntelange Existenz nicht rechtmäßiger Bestand werden könne, da es eine Art öffentlich-rechtliche Verjährung oder Ersitzung im Bereich des Baurechtes nicht gebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht wird. Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Bezugnahme des Beschwerdeführers auf die Rechtseinrichtung der Ersitzung im bürgerlichen Recht (§§ 1478 ff ABGB), aus der er eine Rechtswidrigkeit des Abtragungsauftrages ableiten will, schlägt allein schon deswegen fehl, weil es einen solchen Titel zum Erwerb eines Rechtes im öffentlichen Recht nicht gibt, es sei denn, daß er in einem Gesetz ausdrücklich zuerkannt wird (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1966, Zl. 1502/65, auf das unter Hinweis auf die Bestimmung des Art. 14 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird). Dies ist bei der Bauordnung für Wien nicht der Fall. Damit geht aber auch der Einwand des Beschwerdeführers, daß die behördlichen Organe seinerzeit von der zugegebenermaßen ohne behördliche Bewilligung durchgeführten Bauführung gewußt und diese direkt oder indirekt gebilligt hätten, fehl. Auch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz kennt eine Verjährungsfrist in diesem Sinne nicht. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Verjährungsfrist des § 31 VStG muß aber als vollkommen verfehlt betrachtet werden, da es sich im gegenständlichen Falle nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren, sondern um die Erteilung eines Abtragungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien handelt. Entscheidend ist einzig und allein, daß der Zubau bereits im Zeitpunkt seiner Errichtung bewilligungspflichtig war, aber ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden ist. Abgesehen davon, daß die Baubehörde die Gründe dargelegt hat, warum für den vorschriftswidrig errichteten Bau eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt habe werden können, ist das entsprechende Ansuchen des Beschwerdeführers mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 28. Mai 1963 rechtskräftig abgewiesen worden. Allein daraus ergibt sich bereits die Pflicht der Baubehörde, dafür zu sorgen, daß der gesetzmäßige Zustand der nur in der Abtragung eines gesetzwidrigerweise errichteten Zubaues bestehen kann, hergestellt wird.

Der Beschwerdeführer befindet sich aber auch mit der Behauptung, daß „knapp nach dem Ersten Weltkrieg keine entgegenstehenden Vorschriften vorhanden gewesen wären“, in einem Rechtsirrtum, wenn er damit zum Ausdruck bringen will, daß vor dem Inkrafttreten der Bauordnung für Wien von 1930 für derartige Bauten keine Baubewilligung erforderlich gewesen wäre. Eine solche war bereits nach der Bauordnung für Wien aus dem Jahre 1883 erforderlich. Das gleiche gilt auch für den Einwand des Beschwerdeführers, die Baubewilligung sei seinerzeit mündlich erteilt worden. Schon nach der Bauordnung für Wien von 1883 in der Fassung des Landesgesetzes vom 26. Dezember 1890, LGBl. Nr. 45 (§ 24), war eine Bewilligung bewilligungsbedürftiger Baumaßnahmen nur in der Form einer schriftlichen Erledigung möglich, weshalb es ausgeschlossen war, daß eine solche erforderliche Bewilligung durch eine Art konkludente Haltung der behördlichen Organe hätte erteilt werden können (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. A 470/24 vom 23. Mai 1925, Slg. 13.880/A). Nur der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, daß auch schon der Bundesgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. Mai 1938, Slg. 1876/A, ausgesprochen hat, daß es belanglos ist, wer die Herstellung eigenmächtig vorgenommen hat, da der jeweilige Hauseigentümer auch für den durch seinen Rechtsvorgänger geschaffenen Bauzustand verantwortlich ist. Dieser Rechtsansicht schließt sich der Verwaltungsgerichtshof vollinhaltlich an.

Auch die behauptete Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, die darin erblickt wird, daß die Entscheidungsgründe des angefochtenen Bescheides mangelhaft wären, liegt nicht vor. Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Februar 1966

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1966:1964001623.X00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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