TE Vwgh Beschluss 2021/2/6 Ra 2021/22/0025

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Veröffentlicht am 06.02.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
MRK Art8
VwGG §30 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des G, geboren 1988, vertreten durch Mag. Anne Kessler, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Kalchberggasse 6/1, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2020, W220 1418938-3/2E, betreffend Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG und Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers, eines indischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der belangten Behörde betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen mit der Maßgabe ab, dass die Frist für die freiwillige Ausreise auf drei Monate verlängert werde.

2. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die - mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundene - Revision. Der Aufschiebungsantrag wird damit begründet, dass dem Revisionswerber, der seinen Lebensmittelpunkt seit zehn Jahren in Österreich habe, im Fall der Abschiebung in den Heimatstaat jegliche Lebensgrundlage entzogen würde, er alles verlieren würde, er in Indien keine Wohnversorgung und keinen gesicherten Lebensunterhalt hätte. Die Abschiebung würde ihn daher in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK verletzen. Der Aufschiebung stünden auch keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen.

3.1. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist dem Revisionswerber auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug ein unverhältnismäßiger Nachteil für ihn verbunden wäre.

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Aufschiebungsverfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen, Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Revisionsverfahrens haben außer Betracht zu bleiben. Ist das Revisionsvorbringen nach der Aktenlage nicht von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Darunter sind die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, soweit diese nicht von vornherein als unschlüssig bzw. evident mangelhaft zu erkennen sind (vgl. in dem Sinn VwGH 2.9.2020, Ra 2020/07/0058).

3.3. Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, hat der Revisionswerber im Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, worin für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil gelegen wäre. Er hat daher konkret darzulegen, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Die Anforderungen an die Konkretisierungsobliegenheit sind streng (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2021/17/0014; 18.9.2019, Ra 2019/04/0111).

4.1. Im gegenständlichen Fall legt der Revisionswerber einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des Vorgesagten nicht konkret dar. Die (oben wiedergegebenen) Ausführungen im Aufschiebungsantrag beschränken sich auf allgemein und pauschal gehaltene, nicht näher konkretisierte und substanziierte Behauptungen, mit denen der Konkretisierungsobliegenheit nicht entsprochen wird.

Soweit der Revisionswerber ergänzend auf das Revisionsvorbringen verweist, kommt dem keine Bedeutung zu. Der Verweis liefe auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Erkenntnisses hinaus, zu der der Verwaltungsgerichtshof im Provisorialverfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht berufen ist (vgl. VwGH 11.2.2020, Ra 2019/04/0114).

4.2. Dem Aufschiebungsantrag stehen auch die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen entgegen, wobei diese nicht von vornherein als unschlüssig bzw. mangelhaft zu erkennen sind und von denen daher bei der Entscheidung über den Provisorialantrag auszugehen ist.

Demnach ist der Revisionswerber ledig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er hat seine Familie (Eltern und Geschwister) in Indien, wo er im Jahr 2017 auch einige Monate verbrachte. Es bestehen keine Hinweise, dass er sich im Fall der Rückkehr nach Indien nicht erneut integrieren und eine Existenzgrundlage schaffen könnte. In Österreich hat er kein Familienleben und wohnt auch mit seiner langjährigen Verlobten nicht zusammen. Er verfügte 2017/2018 für knapp eineinhalb Jahre über eine Aufenthaltsberechtigung in Italien und hielt sich dort (zumindest zeitweise) auch auf. In Österreich ist er bereits seit dem Jahr 2012 unrechtmäßig aufhältig. Er verfügte noch nie über eine Beschäftigungsbewilligung im Bundesgebiet, ist bereits seit Jahren nicht mehr bzw. nur sehr geringfügig illegal erwerbstätig und auch nicht selbsterhaltungsfähig.

Ausgehend davon ist jedoch nicht zu sehen, dass dem Revisionswerber im Fall der Abschiebung jegliche Lebensgrundlage entzogen würde, dass er alles verlieren würde, dass er in Indien keine Wohnversorgung und auch keinen gesicherten Lebensunterhalt hätte.

5. Ferner ist hervorzuheben, dass der Revisionswerber durch seinen langjährigen und beharrlichen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet jedenfalls das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens beeinträchtigt. Der für ihn mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses verbundene Nachteil besteht im Wesentlichen darin, dass der ihm aus dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK zumutbare rechtmäßige Zustand (wieder) hergestellt wird (vgl. VwGH 22.12.2017, Ra 2017/22/0216). Ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG ist darin freilich nicht zu sehen.

Wien, am 6. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220025.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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