TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/22 95/11/0410

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Veröffentlicht am 22.04.1997
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §73;
AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §33 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §34 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1995 §33 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1995 §34;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dr. J in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, vertretenen Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 22. Mai 1995, Zl. B 27/95, betreffend einmalige Leistung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22. November 1994, "in der Kammer eingelangt am 24.11.1994", auf Gewährung einer einmaligen Leistung gemäß § 33 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluß vom 27. November 1995, B 2642/95-6, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In seiner Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 ÄrzteG können aus dem Wohlfahrtsfonds einmalige oder wiederkehrende Leistungen für die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der Kinder von Kammerangehörigen und von Empfängern einer Alters- oder Invaliditätsversorgung und Waisen unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommen- und Vermögensverhältnisse nach Maßgabe der in der Satzung zu erlassenden Richtlinien gewährt werden. Gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. können aus dem Wohlfahrtsfonds weiters im Falle eines wirtschaftlich bedingten Notstandes Kammerangehörigen oder Hinterbliebenen nach Ärzten, mit denen diese in Hausgemeinschaft gelebt haben, sowie dem geschiedenen Ehegatten (der geschiedenen Ehegattin) einmalige oder wiederkehrende Leistungen gewährt werden. Das gleiche gilt für Ärzte, die aus dem Wohlfahrtsfonds eine Alters- oder Invaliditätsversorgung beziehen.

Nach dem ersten Satz des § 33 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien kann auf Antrag des Fondsmitgliedes eine einmalige Leistung aus besonderen Anlässen (Geburt, Verehelichung, Krankheit, Pflege, Todesfall) gewährt werden. Gemäß § 34 Abs. 1 der Satzung können bei wirtschaftlich bedingtem Notstand vom Verwaltungsausschuß einmalige oder wiederkehrende Unterstützungen aus dem Wohlfahrtsfonds an näher umschriebene Personenkreise - darunter Fondsmitglieder (lit. a) - gewährt werden.

Der Antrag des Beschwerdeführers, von ihm datiert mit 22. November 1994, bei der Ärztekammer Wien eingelangt am 24. November 1994, hatte folgenden Wortlaut:

"Betrifft: Ansuchen um Gewährung einer Leistung gemäß § 33 der Satzung des Fonds.

Ich ersuche um Gewährung einer einmaligen Leistung gemäß § 33 der Satzungen des Fonds im höchstmöglichen Ausmaß.

Die Gründe dafür sind außergewöhnliche Belastungen durch hohe Steuernachforderungen und durch meine Ehescheidung am 25.11.94. (Steuerbescheid und Scheidungsdokumente folgen in Kopie nach.)"

Die belangte Behörde wies diesen Antrag im Grunde des § 33 Abs. 1 der Satzung mit der wesentlichen Begründung ab, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe nicht mehr unter die taxative Aufzählung des § 33 Abs. 1 der Satzung fielen. Die Auffassung des Beschwerdeführers, es sei zu seinen Gunsten die "alte" Rechtslage anzuwenden, und nicht die mit Wirkung vom 23. November 1994 geänderte Satzung, treffe nicht zu, weil das "Datum der Postaufgabe für Fristenläufe ausschlaggebend" sei.

Insoweit der Beschwerdeführer zunächst vorbringt, die Satzung des Wohlfahrtsfonds sei zu seinen Ungunsten in der Vollversammlung vom 29. November 1994 rückwirkend per 23. November 1994 geändert worden, obwohl keine Ermächtigung zur Erlassung von rückwirkenden Verordnungen bestanden hätte, vermag er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Es trifft wohl zu, daß in der Vollversammlung vom 29. November 1994 rückwirkend per 23. November 1994 eine Satzungsänderung beschlossen wurde. Unbestritten erfolgte jedoch die Kundmachung dieser Satzungsänderung in der Sondernummer 3a der Mitteilungen der Ärztekammer für Wien (47. Jahrgang) im März 1995. Damit stand zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Satzungsänderung jedenfalls in Kraft. Da die belangte Behörde bei Erlassung ihres Bescheides die Rechtslage anzuwenden hatte, die zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides gegolten hat (nach der Aktenlage wurde der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 13. Juli 1995 zugestellt), - und mangels einer dieses anordnenden Übergangsbestimmung nicht die Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung - ist der Beschwerdeführer diesbezüglich nicht in seinen Rechten verletzt worden.

Dennoch führt die Beschwerde auf dem Boden der eingangs dargestellten Rechtslage im Ergebnis zum Erfolg. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/11/0122) wird es, was die in § 73 Ärztegesetz vorgesehenen einmaligen Leistungen des Wohlfahrtsfonds anlangt, zunächst dem Verordnungsgeber (Satzungsgeber) anheim gestellt, ob er solche Leistungen vorsehen will. Die gegenständliche Satzung des Wohlfahrtsfonds enthält diesbezüglich die bereits eingangs wiedergegebenen Bestimmungen betreffend einmalige (und auch wiederkehrende) Leistungen. Die hier aufscheinenden "Kann-Bestimmungen" sind als Einräumung des Ermessens anzusehen. Das Fehlen des Rechtsanspruches bedeutet nicht, daß der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Begehrens nicht in seinen Rechten verletzt sein kann, sondern er hat zumindest ein Recht auf Ermessensübung im Sinne des Gesetzes.

Nun hat der Beschwerdeführer anläßlich seiner Antragstellung wohl "§ 33 der Satzungen" zitiert, inhaltlich jedoch seinen Antrag damit begründet, daß ihn außergewöhnliche Belastungen durch hohe Steuernachforderungen und durch seine Ehescheidung treffen. Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertritt, daß eine derartige Begründung in der Aufzählung des § 33 Abs. 1 der Satzung in der hier anzuwendenden Fassung (Geburt, Verehelichung, Krankheit, Pflege, Todesfall) keine Deckung findet. Insbesondere auch der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung, die Ehescheidung sei gleichsam als Fernwirkung der "Verehelichung", nämlich Eheauflösung, unter diesen Punkt zu subsumieren, kann nicht nähergetreten werden, weil nach dem allgemeinen Verständnis als "besonderer Anlaß" im Sinne des § 33 Abs. 1 der Satzung nur die Eheschließung selbst zu verstehen ist. Die belangte Behörde hat jedoch dem Inhalt der Begründung des Antrages des Beschwerdeführers nicht die nötige Bedeutung beigemessen. Ungeachtet der Zitierung von "§ 33 der Satzung" durch den Beschwerdeführer hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, daß sich der Beschwerdeführer inhaltlich auf "außergewöhnliche Belastungen" stützt, die ihn durch näher angeführte Gründe treffen. Damit lag jedoch eine - noch nicht näher präzisierte - Grundlage dafür vor, auch einen wirtschaftlich bedingten Notstand beim Beschwerdeführer annehmen zu können, der Voraussetzung von einmaligen Leistungen nach § 73 Abs. 2 Ärztegesetz in Verbindung mit § 34 der Satzung bilden kann (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/11/0122). Hiebei ist auch auf das Verschulden des Antragstellers einzugehen, weil die Frage, ob der wirtschaftliche Notstand selbstverschuldet ist, bei der Ermessensübung durch die belangte Behörde im Sinne des Gesetzes eine Rolle spielen kann. Da sich die belangte Behörde ausschließlich darauf beschränkte, den Antrag des Beschwerdeführers auf Grund des von ihm angeführten Zitates unter dem Blickwinkel des § 33 der Satzung zu betrachten und es ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht unterließ, den Beschwerdeführer zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er - da dem Verwaltungsgerichtshof die Ermessensübung an Stelle der belangten Behörde nicht zukommt - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995110410.X00

Im RIS seit

22.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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